Leitthema Nervenarzt 2015 · 86:420–430 DOI 10.1007/s00115-014-4181-9 Online publiziert: 20. März 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

W. Maetzler1, 2 · M. Drey3 · A.H. Jacobs4, 5 1 Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegeneration, Hertie Institut für

klinische Hirnforschung, Universitätsklinikum Tübingen 2 Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Tübingen 3 Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Schwerpunkt Akutgeriatrie,

Klinikum der Universität München (LMU), München 4 Klinik für Geriatrie mit Neurologie und Tagesklinik, Johanniter Krankenhaus Bonn 5 European Institute for Molecular Imaging (EIMI), Westfälische Wilhelms Universität (WWU), Münster

Sarkopenie und Frailty in der Neurologie Sarkopenie und Frailty sind die wohl meist diskutierten und untersuchten Syndrome der Geriatrie der letzten 10 Jahre (. Abb. 1). Sie haben nun einen berechtigt wichtigen Platz in der Geriatrie eingenommen, da sie mit ausgeprägten Einschränkungen der Alltagskompetenz („activities of daily living“, ADL), der Lebensqualität und der Lebenserwartung des alternden und alten Menschen einhergehen. Die Relevanz dieser Syndrome im Rahmen neurologischer Erkrankungen ist bisher nur ansatzweise verstanden, obwohl viel dafür spricht, dass die Interaktion dieser geriatrischen Syndrome insbesondere mit altersassoziierten neurologischen Erkrankungen enorm sein dürfte. Dieser Artikel bietet einen Überblick über diese beiden geriatrischen Syndrome aus dem neurogeriatrischen Blickwinkel.

Sarkopenie Begriffsbestimmung und Epidemiologie Sarkopenie entstammt dem Griechischen und setzt sich aus dem Wort „sarx“ (Fleisch) und „penia“ (Mangel) zusammen. In der Geriatrie werden darunter heute der altersassoziierte Muskelschwund und der damit verbundene Muskelkraftverlust verstanden. Den Begriff Sarkopenie hat Rosenberg erstmals

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Der Nervenarzt 4 · 2015

1989 eingeführt [1]. Sarkopenie (Verlust von Muskel und Körpergewicht) ist abzugrenzen von Mangelernährung (Verlust von Fettgewebe und Körpergewicht) und Kachexie (kombinierter Verlust von Fett, Muskel und Körpergewicht). Wissenschaftlich beschäftigte man sich zunächst vorwiegend mit der Bestimmung der Muskelmasse. Gegenwärtig findet vor allem die Doppelröntgenabsorptiometrie („dual energy X-ray absorptiometry“, DXA) bzw. die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) zur Messung der Muskelmasse Anwendung. Die Diagnose der Sarkopenie stützte sich ausschließlich auf die Muskelmasse und wurde beim Unterschreiten eines bestimmten Grenzwertes gestellt. Im Verlauf haben Untersuchungen jedoch gezeigt, dass die Muskelmasse alleine den Kraftverlust und vor allem den Verlust muskulärer Funktionalität nicht erklärt [2].

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Neben Muskelmasse werden Muskelkraft und Muskelfunktion berücksichtigt

Die muskuläre Funktionalität ist eine für den Betroffenen hochrelevante Größe in Bezug auf Mobilität, Selbstständigkeit und Lebensqualität. Die Folge sind Beeinträchtigungen vielfältiger Alltagsfunktionen (ADL; „instrumental ADL“, IADL) mit Einschränkungen von Bewegung, Ausdauer, Belastbarkeit, körperlicher Aktivität und Mobilität mit konsekutiver Gefahr von Stürzen und Frakturen. Damit gehen auch Einschränkungen der Lebensqualität und eine erhöhte Mortalität einher. Deshalb wird in der heutigen Definition der Sarkopenie gemäß der europäischen Konsensusdefinition neben der Muskelmasse zusätzlich ein Maß für die Muskelkraft (Handkraft) und für die Muskelfunktion (Ganggeschwindigkeit) berücksichtigt ([3], . Tab. 1). Untersuchungen bezüglich der Häufigkeit von Sarkopenie mittels der vorgenannten Konsensusdefinition zeigen, dass 32% der Männer und 17% der Frauen über 65 Jahre von Sarkopenie betroffen sind [4]. Der wichtigste Risikofaktor für Sarkopenie scheint die physische Inaktivität zu sein [5].

Tab. 1  Übersicht über die derzeit meist akzeptierten Definitionen von Sarkopenie und Frail-

ty und den Komponenten der Definitionen Sarkopenie Muskelmasse Muskelkraft Muskelfunktion

Frailty Physischer Phänotyp [26] Gewichtsverlust Handkraft Ganggeschwindigkeit Körperliche Aktivität Subjektive Erschöpfung

Frailty Multidimensionales Konzept [27] Physische Einschränkungen Psychische Komponenten Soziale Faktoren

nicht verwunderlich, dass Sarkopenie mit einer erhöhten Mortalität einhergeht [12].

Anzahl der Publikationen 900 800

Frailty Sarkopenie

Sarkopenie in der Neurologie

700 600 500 400 300 200 100 0 1981

1986

1991

1996

2001

2006

2011

Jahr

Abb. 1 8 In PubMed gelistete Publikationen mit dem Stichwort „Frailty“ oder „Sarkopenie“ im Verlauf der letzten Jahrzehnte

Als Ursache des zunehmenden Muskelabbaus werden unterschiedliche Faktoren diskutiert. Insgesamt kommt es zu einem Missverhältnis anaboler Stimuli zugunsten kataboler Einflüsse. Dabei spielen hormonelle Veränderungen (Testosteron, Wachstumshormon, „insulinlike growth-factor 1“), proinflammatorische Zytokine (Interleukin[IL]-6, Tumornekrosefaktor alpha [TNF-α]), mitochondriale Dysfunktion und mikrovaskuläre Veränderungen ebenso eine Rolle wie genetische Faktoren (Vitamin-D-Rezeptor, Myf-5, Myogenin), körperliche Inaktivität, Komorbiditäten und Mangel an vitamin- und proteinreicher Kost [3]. Neben der klinisch offensichtlichen (1) Muskelatrophie an den Extremitäten (. Abb. 2) dienen als Maße für die Sarkopenie ein (2) verminderter Umfang des Unterschenkels, die (3) verminderte Muskelkraft (gemessen mittels Handdynamometer), die (4) verminderte Ganggeschwindigkeit und die (5) verminderte Muskelmasse [3, 6]. Mittels Ultraschall, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) kann der Muskelabbau bildgebend dokumentiert werden (. Abb. 3). Bisher gibt es wenige

Daten über elektroneurographische und myographische Veränderungen, die mit der Sarkopenie vergesellschaftet sind [7]. Eine Stufendiagnostik der Sarkopenie in Anlehnung an Cruz-Jentoft et al. [3] und van Kan et al. [8] ist in . Abb. 4 dargestellt.

Sarkopenie in der Geriatrie Da die Muskulatur eine zentrale Rolle für die Mobilität und folglich für die Selbstständigkeit spielt, ist Sarkopenie mit dem Auftreten von Mobilitätseinschränkungen verbunden [9]. Darüber hinaus ist Sarkopenie mit einer um den Faktor 3,2 erhöhten Sturzwahrscheinlichkeit beim alten Menschen assoziiert [10]. Neben den funktionellen Auswirkungen der Sarkopenie auf die Betroffenen können metabolische Veränderungen des in der Qualität verringerten Muskels einen proinflammatorischen Zustand begünstigen. Dadurch kann v. a. der Anteil an viszeralem Fettgewebe zunehmen und damit das kardiovaskuläre Risiko erhöhen und das Entstehen von Diabetes, Krebs, Demenz und Depression fördern [11]. Damit ist es

Das Syndrom des Verlustes von Masse und Funktion von Muskel hat, ausgenommen im Bereich der Muskelerkrankungen, bis dato wenig Beachtung in der Neurologie gefunden. Es gibt allerdings immer mehr Hinweise, dass die Sarkopenie nicht nur eine „Bystander“-Rolle (nach dem Motto: Immobilität = Muskelverlust = Schwäche) spielt, sondern vielmehr ein mit akuten und chronischen neurologischen Krankheiten pathophysiologisch verzahntes Syndrom darstellt. So untersuchte eine vor wenigen Jahren publizierte Arbeit [13] 70 Patienten mit früher Alzheimer-Demenz (AD) sowie 70 nicht demente Kontrollen mittels MRT, neuropsychologischer Testung und DXA. In der Arbeit war die fettfreie Körpermasse (FFM, „lean mass“, korreliert hochgradig mit Muskelmasse) in der AD-Gruppe signifikant erniedrigt, auch nach Korrektur für die (in der AD-Gruppe ebenfalls reduzierte) physische Aktivität. Dies deutet darauf hin, dass AD und Sarkopenie gemeinsame pathogenetische Mechanismen haben, die über physische Inaktivität hinausgehen. Interessanterweise waren auch Hirnatrophie (hier insbesondere der weißen Substanz), die Insulinspiegel und kognitive Leistungsfähigkeit signifikant mit FFM korreliert. Insulin spielt eine Rolle beim Erhalt von weißer Substanz [14], und die Autoren spekulieren, dass eine – über Insulin vermittelte – reduzierte anabole Wirkung sowohl auf den Muskel als auch auf die weiße Hirnsubstanz ein möglicher ursächlicher Mechanismus für die beobachtete Koinzidenz ist. Ein anderer gemeinsamer Mechanismus könnten inflammatorische Prozesse sein, die sowohl bei AD als auch bei Sarkopenie beobachtet werden [15]. Bei den inflammatorischen Prozessen könnte IL-6 eine verbindende Rolle zwischen Sarkopenie (erhöhte IL-6-Spiegel wurden bei der Sarkopenie wiederholt gemessen) und Neurodegeneration spielen. Darauf weist – zumindest indirekt – eine Arbeit an Parkinson-Patienten hin, in welcher der IL-6-Serumspiegel von 44 untersuchten Parkinson-Patienten signiDer Nervenarzt 4 · 2015 

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Zusammenfassung · Summary fikant höher war als in 22 Kontrollen [16]. Die Unterschiede wurden vor allem durch Parkinson-Patienten mit Problemen bei muskulär anspruchsvollen Aktivitäten (Sitz-Stand-Transfer, erschwerte Gleichgewichtsübungen) und überraschenderweise nicht durch die Schwere der Erkrankung per se getriggert.

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Die dysregulierte Mikrogliazelle spielt beim Alterungsprozess eine maßgebliche Rolle Auch das katabole Zytokin TNF-α kann Alterungsprozesse (inklusive Sarkopenie) triggern. Eine Hemmung von TNF-α führt im Tiermodell zu einer Verminderung von Verlust an skelettaler Muskelmasse [17]. Interessanterweise wurde kürzlich ein Modell für die Induktion von Alterungsprozessen (inklusive Sarkopenie) durch hypothalamische TNF-αErhöhung in Mikroglia vorgestellt [18]. Dies induziert im Hypothalamus über eine gesteigerte Produktion von „nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B cells“ (NF-κB) in der Nervenzelle eine reduzierte Gonadotropin-releasingHormon(GnRH)-Freisetzung, was wiederum zu einer beschleunigten Alterung und verstärkten Inflammation peripherer Organe inklusive Muskulatur führt. Die Inflammation der Organe wiederum wirkt sich auf die Entzündung und TNFα-Produktion im Hypothalamus aus und führt damit zu einem Circulus vitiousus (. Abb. 5a, [18]). Es sollte herausgestellt werden, dass in dieser Arbeit die dysregulierte Mikrogliazelle im Bereich des Hypothalamus eine maßgebliche Funktion in der Steuerung der Alterung (Verlust von Muskel, Knochen, Haut und regenerativem Potenzial der Gewebe inklusive des Gehirns) zugeschrieben wird. Das würde bedeuten, dass Mikrogliazellen des Gehirns nicht nur maßgeblich bei der Steuerung des neuronalen Zelluntergangs bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. der Alzheimer Erkrankung, eine Rolle spielen (. Abb. 5b, [19]), sondern über eine neurohumorale Achse bei der zentralen Steuerung von Alterungsprozessen beteiligt sind.

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Nervenarzt 2015 · 86:420–430  DOI 10.1007/s00115-014-4181-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 W. Maetzler · M. Drey · A.H. Jacobs

Sarkopenie und Frailty in der Neurologie Zusammenfassung Sarkopenie und Frailty sind häufige, alltagsrelevante und lebensqualitätbeeinflussende geriatrische Syndrome. Über das Vorkommen dieser Syndrome bei und den Einfluss dieser Syndrome auf altersassoziierte/n neurologische/n Erkrankungen wie Parkinson-, Alzheimer-Erkrankung und Schlaganfall ist wenig bekannt. Dieser Übersichtsartikel stellt die Konzepte von Sarkopenie und Frailty vor, arbeitet die Relevanz der Symptome beim alten Menschen heraus und stellt dann die bis dato vorliegende Literatur zum Thema Sarkopenie/Frailty bei den genannten neurologischen Erkrankungen beispielhaft vor. Erste Studien weisen auf eine hohe Koinzidenz und einen großen Einfluss dieser Syndrome auf Parkinson-, Alzheimer-Erkrankung und Schlaganfall hin. Auch gibt es Hinweise auf gemeinsame Ursachen/Pathophysiolo-

gien von Sarkopenie/Frailty und z. B. der Alzheimer-Erkrankung. Zusammenfassend besteht ein Defizit an Wissen über die Zusammenhänge zwischen den beiden geriatrischen Syndromen Sarkopenie und Frailty und altersassoziierten neurologischen Erkrankungen. Eine umfassende und alltagsorientierte neurologische Therapie ist nur möglich, wenn die Interaktion dieser geriatrischen Syndrome mit neurologischen Erkrankungen besser verstanden und die gewonnenen Ergebnisse in Therapiekonzepte adäquat eingebettet werden. Schlüsselwörter Altersassoziierte Syndrome · AlzheimerDemenz · Geriatrisches Syndrom · ParkinsonErkrankung · Schlaganfall

Sarcopenia and frailty in neurology Summary Sarcopenia and frailty are common geriatric syndromes and are associated with adverse health outcome and impaired healthrelated quality of life. Co-occurrences of these two syndromes with age-related neurological diseases are potentially high but not well investigated. Moreover, it is not well understood how these syndromes interact with neurological diseases, such as Parkinson’s disease, Alzheimer’s disease and stroke. This article introduces the currently most accepted concepts of sarcopenia and frailty, discusses the potential relevance of the syndromes for geriatric patients and presents examples of studies that investigated potential interactions between these geriatric and neurological syndromes and conditions. First results indicate that (i) the co-occurrence of these ge-

Auch bei akuten Erkrankungen wie dem Schlaganfall spielt der Verlust von Muskelmasse in Folge des Ereignisses eine zentrale und prognosebeeinflussende Rolle, und es gibt auch hier Hinweise, dass dieser Verlust nicht nur durch die Inaktivität bedingt ist [20]. So verlieren Mäuse nach experimentellem Schlaganfall innerhalb von 5 Tagen bis zu 20% ihres Körpergewichtes, und dieser Gewichtsverlust ist ausgeprägt stark korreliert mit der Größe des Schlaganfalls [20]. Auch hier dürf-

riatric syndromes and age-related neurological diseases is high, (ii) sarcopenia and frailty can influence the clinical state of neurological diseases to a relevant extent and (iii) at least some common causes and pathophysiological processes confer the geriatric and neurological conditions. In conclusion, profound knowledge about the interaction of sarcopenia, frailty and age-associated neurological conditions is currently not available. Such knowledge would have an enormous potential for improved therapy of these neurological conditions. Keywords Age-associated syndromes · Alzheimer’s disease · Geriatric syndrome · Parkinson’s disease · Stroke

te TNF-α eine zentrale verbindende Rolle spielen [21]. Für einiges Aufsehen auf dem Gebiet der Parkinson-Erkrankung [22] und der AD [23] hat die Beobachtung gesorgt, dass die Hochregulation von „proliferatoractivated receptor-y coactivator 1α“ (PGC1α) in den entsprechend gefährdeten Nervenzellen protektiv wirkt. In dem Zusammenhang ist interessant, dass eine sehr gut durchgeführte Arbeit an alternden Mäu-

Leitthema

Abb. 2 9 Zeichen der Muskelatrophie ohne Hinweis auf Faszikulationen  als Hinweis auf Sarkopenie. Umfang Unterschenkel  0,8 m/s

keine Sarkopenie

≤ 0,8 m/s

Handkraft

≤ 19,3 kg (w) ≤ 30,3 kg (m)

Bestimmung Muskelmasse: Doppelröntgenabsorptiometrie

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keine Sarkopenie

≤ 5,67 kgm-2 (w) ≤ 8,50 kgm-2 (m)

> 5,67 kgm-2 (w) > 8,50 kgm-2 (m)

Sarkopenie

keine Sarkopenie

sen mit leicht überexprimiertem PGC-1α in der Skelettmuskulatur zeigen konnte F  dass in der Muskulatur die mitochondriale Funktion, die neuromuskulären Endplatten und die muskuläre InDer Nervenarzt 4 · 2015

> 19,3 kg (w) > 30,3 kg (m)

Abb. 4 9 Diagnostischer Algorithmus der  Sarkopenie. Neben  Muskelatrophie muss  die Ganggeschwindigkeit und die Handkraft erhoben werden.  Neben der Doppelröntgenabsorptiometrie kann auch mit hoher Verlässlichkeit eine  Bioimpedanzmessung  durchgeführt werden.  (Mod. nach Cruz-Jentoft et al. [3])

tegrität generell besser erhalten waren und F   dass die Mäuse weniger altersassoziierten Verlust an Knochendichte, weniger chronische systemische Inflam-

Dies ist ein Beispiel, wie Sarkopenie nicht nur eine Folge eines (gemeinsamen) ursächlichen Prozesses sein muss, sondern auch selbst systemische Auswirkungen haben kann, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch neurologische Systeme mit einbeziehen. Dass Sarkopenie und Neurologie nicht nur über systemische oder zentrale Prozesse miteinander verknüpft sind, sondern möglicherweise auch das periphere Nervensystem eine Rolle spielt, ist in einer aktuellen Arbeit gezeigt worden. Von 149 untersuchten Studienteilnehmern zeigten 23 Teilnehmer elektromyographische Hinweise für eine Schädigung des 2. Motoneurons. Dabei wiesen 17 von ihnen eine Sarkopenie auf und nur 6 Teilnehmer waren der Kontrollgruppe zuzuordnen (p=0,029; [7]). Inwieweit ein primärer Verlust der Motoneuronen den Muskelmasseverlust erklärt oder ob eine Degeneration der neuromuskulären Endplatte die Sarkopenie verursacht und folglich im Sinne eines „dying backward“ die Motoneuronen absterben [25], ist unklar. Auch können systemische Effekte der genannten Neuroinflammation eine Rolle spielen.

Management von Sarkopenie In der „Behandlung“ der Sarkopenie steht gegenwärtig im Fokus eine Kombination von Kraft- und Ausdauertraining in Kombination mit einer bedarfsgerechten Ener-

Leitthema

Abb. 5 9 Rolle der Mikroglia a in der Steuerung von  Alterung und b bei neurodegenerativen Erkrankungen, wie z. B. der Alzheimer-Demenz. Eine neue  Arbeitshypothese besagt,  dass die dysregulierte Mikrogliazelle der Hypothalamusregion über eine veränderte Hormonausschüttung (neurohumorale Achse) zum Verlust des regenerativen Potenzials der Gewebe und damit zur Alterung führt (a). (Aus [38],  mit freundlicher Genehmigung Nature Publishing  Group). Bei der AlzheimerDemenz kommt es über  eine chronische Stimulation von Mikrogliazellen  über eine neurotoxische  Zytokinausschüttung (IL6, TNF-α) zur Neurodegeneration (b). (Aus [19], mit  freundlicher Genehmigung  Nature Publishing Group).  NF-κB“nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of  activated B cells“, TNF Tumornekrosefaktor, GnRH  “gonadotropin-releasing  hormone”, IL Interleukin

gie- und Nährstoffzufuhr mit Fokus auf Eiweiß, Aminosäuren und Vitamin D [6]. Der Proteinbedarf bei Vorliegen einer Sarkopenie liegt bei 1,0–1,2 g Protein/kgKG/ Tag und bei 1,2–1,5 g/kgKG/Tag bei zusätzlicher Erkrankung (z. B. Pneumonie). Vorsicht ist geboten bei einer Nie-

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reninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate

[Sarcopenia and frailty in neurology].

Sarcopenia and frailty are common geriatric syndromes and are associated with adverse health outcome and impaired health-related quality of life. Co-o...
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