Ryanodin-induzierte Kontrakturen zur Diagnose der Maligne-Hyperthermie-Veranlagung Ch. Lenzen I , N. Roewerl, J. Scholzl, E. Rumberger2,J. Schulte um Eschl

Ryanodine-Induced Contractures for Diagnosis of Malignant Hyperthermia Susceptibility Summary The halothane-coffeine contracture test is presently the most weU-established method for identification of malignant hyperthermia susceptibility (MHS) or non-susceptibility (MHN). However, 10-20°/o of the patients tested are classified as equivocal (MHE), i. e. their susceptibility remains uncertain. A genetic disorder of the calcium releasing ryanodine receptor has been postulated recently. Therefore, 12 patients were tested in addition to the protocol of the European Malignant Hyperthermia Group (EMHG) for dose- and time-dependent contracture after ryanodine application. In this study, contracture of 0.2g appeared significantly earlier in MHS patients (17.5f 1.7min; n = 5) during curnulative ryanodine exposition (0.4-0.8-1.6-10.0 pmol/l) than in MHN (38.2I 5.4 min; n = 5). A sigmficant difference between MHS (10.0k1.7min; n = 6 ) and MHN (19.8k0.6 min; n = 3) was also seen after bolus application of ryanodine (10.0 pmol/l). One patient classified as MHE according to the EMHG protocol, manifested as MHN after the ryanodine contracture test. This study Supports previous work suggesting the ryanodine contracture test as an improvement in the in-vitro diagnosis of M H susceptibility.

Einleitung

Zusammenfassung Der Halothan-Koffein-Kontrakturtest ist gegenwärtig das etablierte Verfahren zur Identifizierung von Anlageträgern der malignen Hyperthermie (MHS) und Nichtanlageträgem (MHN). Bei etwa 10-20% der Patienten bleibt die MH-Anlage allerdings ungeklärt (MHE). Da ein Defekt des Ca++-freisetzenden Ryanodin-Rezeptors bei der MH postuliert wird, wurde bei 12 Patienten zusätzlich zum Halothan-Koffein-Kontrakturtest der dosis- und zeitabhängige Kontrakturverlauf nach Gabe von Ryanodin untersucht. Die vorliegende Studie zeigte, dai3 es nach einer kumulativen Ryanodinexposition (0,4-0,8-1,6-10,O pmol/l) zu einer signifikant zeitlich schnelleren Kontraktur von 0,2g bei den MHS(17,5 *1,7min; n = 5) als bei den MHN-Patienten (38,2+5,4min; n = S ) kam. Ein signifikanter Unterschied irn Kontrakturverhalten wurde auch durch eine Bolusgabe von Ryanodin (lO,Oprnol/l) bei den MHS- (10,0~1,7min;n = 6) und den MHN-Patienten (19,8f 0,6min; n = 3) beobachtet. Ein nach dem Halothan-Koffein-Kontrakturtest als MHE eingestufter Patient verhielt sich unter der Ryanodintestung als MHN. Diese Untersuchung unterstützt Vorbefunde, die den ,Ryanodin-Kontrakturtest" als mögliche Erweiterung und Verbesserung des Halothan-Koffein-Kontrakturtestes vorschlagen.

(MHS) und -unempfindlichen (MHN) Schweinen zeigten, dai3 der Ryanodin-Rezeptor am SR des Skelettmuskels verCa++-Ionen spielen eine zentrale Rolle in ändert ist (20-23). So wurde eine erhöhte Affinität von der Regulation der Muskelkontraktion. Es wird vermutet, Ryanodin an den Rezeptor und eine veränderte Ca++-Abdaß der primäre Defekt bei der malignen Hyperthermie hängigkeit der Ryanodinbindung demonstriert (10). Dar(MH) die Ca++-Regulationbetrifft. Mehrere Studien deuten über hinaus wurde gezeigt, daß der Ryanodin-Rezeptor mit darauf hin, daß bei der M H ein Defekt in den Ca++-freiset- dem „calcium release channel* des SR identisch ist (9, 10, zenden Kanälen des sarkoplasmatischen Retikulums (SR) 19,28). vorliegt (1, 14,22,23). Genetische Kopplungsstudien lieferten einen wichtigen Hinweis, daß die M H durch Mutation Gegenwärtig ist bei der In-vitro-MH-Diagnodes Ryanodin-Rezeptorgens verursacht sein kann (15, 16, stik die ~ o n t r a k & e n t w i c h an ~ ~kelettmuskelbio~s~ten 18). Biochemische Untersuchungen an MH-empfindlichen nach Halothan- und Koffeinzu~abeents~rechendden Richtlinien der ,,European ~ a l i G a n t~ G e r t h e r m i aGroup" (EMHG) (2) das entscheidende diagnostische Kriterium. In diesem Jahr wurde vorgeschlagen, den Halothan-KoffeinAnästhesiol. Intensivmed. Notfailmed. Schmerzther. 26 (1991) 459463 O CeorgThieme VerlagSningart . New York Kontrakturtest durch Ryanodin zu erweitern, um MHS- und -

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' Abteilung für Anästhesiologie (Direktor: Prof. Dr. J. Schulte am Esch) "bteilung für Vegetative Physiologie (Direktor: Prof. Dr. U. Peiper), Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg

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Ziel der Arbeit war es, bei Muskelbiopsaten von MHS- und MHN-Patienten die dosis- und zeitabhängige Wirkung einer Ryanodingabe zu untersuchen, um damit den neuen Ansaa in der In-vitro-MH-Diagnostik zu validieren. Material und Methode In die Studie eingeschlossen wurden 12 Patienten irn Alter von 16-45 Jahren, 8 Männer und 4 Frauen, die einen konkreten Verdacht auf eine MH-Gefährdung boten (29). Bei allen Patienten wurde eine ausführliche Eigenund Familienanamnese erhoben und die Serum-Kreatinkinase (CK) nach mindestens 24 h körperlicher Ruhe bestimmt. Die schriftliche Einwilligung der Patienten zu allen durchgefuhrten Untersuchungen bzw. Eingriffen lag vor. Bei d e n Patienten wurden die Muskelbiopsien während eines ambulanten Klinikaufenthaltes durchgeführt. Die offene Biopsie des M. quadriceps erfolgte unter Leitungsanästhesie (3 in 1 Block) mit 40 rnl Pdocain 1O/o (XylonestB,Astra Chemicals, Wedel). Zur Sedierung erhielten die Patienten je nach Bedarf 1-5 mg Midazolam (Dormicumm, Roche, GrenzachWyhlen) i.v.. Biopsien wurde in allen Fällen der mediale bis distale Anteil des M.vastus lateralis (in der Regel des rechten Beines). 2-3 Längsbündel wurden dabei stumpf präpariert und schonend entnommen. Die Präparate wurden dann sofort in eine vorbereitete und mit Carbogen (95 O/o O2 5 O/o CO2) äquilibrierte Krebs-Ringer-Lösung (Zusammensetzung s. unten, Raumtemperatur) eingebracht und in das Testlabor transportiert.

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Präparation und Versuchsablauf erfolgten streng nach dem Protokoll der ,,European Malignant Hypertherrnia Group" (EMHG). Die entnommenen Muskelfaserbündel wurden in mit Carbogen äquilibrierter Krebs-RingerLosung (Zusammensetzung s. unten, Raumtemperatur) in 4-8 Präparate (Länge 15-25 mm, Durchmesser 2-3 mm) unterteilt und - falls vorhanden - von überschüssigem Bindegewebe und sichtbar alterierten Muskelfasern befreit. Um die Enden der Präparate wurde jeweils ein Seidenfaden geknüpft und die Längsfaserbündel zwischen einem beweglichen (Stahldraht) und einem feststehenden Haken eingespannt. Die gesamte Aufhängung wurde anschließend in 80 ml fassende Organbäder überführt und vertikal zwischen 2 Platinelektroden eingehängt. Zur Messung der isometrischen Kontraktionskraft waren die Präparate über den Stahldraht (Durchmesser: 0,5 mm, Länge 16,5cm) mit einem induktiven Kraftaufnehmer (TF 3V 100 induktiv, W. Fleck, Mainz) verbunden, der eine maximale Eigenauslenkung von 0,5 ym mN-' besafi'. Das Signal wurde mit einem Trägerfrequenzverstärker (Gould, Cleveland, Ohio, USA) übertragen und auf einem Schreiber (TA 200, Gould, Cleveland, Ohio, USA) aufgezeichnet. Die Reizung erfolgte mit Rechteckimpulsen von 1ms Dauer, einer Frequenz von 0,2 Hz und einer supra-

maximalen Stromstärke (Grass Stimulator SD9, Quincy, Mass., USA). Die Muskelbündel wurden mit 2gvorgespannt und in der Regel 3 Präparate simultan untersucht. Nach Erreichen einer über mindestens lOmin konstant horizontalen Kontraktionsbasislinie wurden die elektrisch gereizten Muskelbündel g e m 8 den Richtlinien der EMHG kumulativ für jeweils 3min den entsprechenden Halothan- (0,s-1,O-2,OVol.-010 in der Carbogenleitung bzw. 0,ll-0,22-0,44 mmol/l im Organbad) bzw. Koffeinkonzentrationen (0,s-1,0-1,5-2,0-3,O-4,032,O mmol/l) exponiert. Ryanodin wurde ebenfalls kumulativ für je 3 min (0,4-0,8-1,6-10,O ymol/l) oder als Bolus (10,Oymol/l) den Bädern zugeführt. Die Ryanodinpräparate wurden nach Erreichen der höchsten Konzentration für 70 min beobachtet. Der In-vitro-Kontrakturtest lieferte fur jeden Patienten Schwellenwerte für Koffein- und Halothankontrakturen. Nach dem Protokoll der EMHG ist die Koffeinschwelle definiert als die Koffeinkonzentration, bei der das Präparat eine Kontraktur 2 0,2 g (20 mN) entwickelt; die Halothanschwelle ist analog definiert. Ausgehend von den gefundenen Schwellenwerten wurden die Patienten in 3 diagnostische Gruppen eingeteilt: - MHS (,susceptible''

= MH-Anlage anzunehmen): Kontraktur 20,2g bei Halothan 10,44mmol/l und Koffein 12,O mmol/l. - MHE (,equivocalV= MH-Anlage ungeklärt): Kontraktur r 0,2g nur fur Halothan oder Koffein. - MHN (,nonsusceptible" = MH-Anlage auszuschließen): Kontraktur von 20,2g bei Halothan >0,44mmol/l und Koffein 2 3,O mmoV1.

Bei den Ryanodingruppen wurden folgende 3 Kontrakturniveaus definiert und der Abstand zum Startpunkt der Substanzzugabejeweils in Minuten angegeben.

1.Zeitpunkt: Beginn der Kontraktur. 2. Zeitpunkt: Die Kontraktur beträgt 0,2g (in Anlehnung an den Schwellenwert also eine Schwellenzeit). 3. Zeitpunkt: Die Kontraktur beträgt 1,Og (als zusätzlichen Punkt, um den Kontrakturverlauf besser charakterisieren zu können). Die verwendete Krebs-Ringer-Lösung hatte folgende Zusammensetzung (angegeben in mmol/l): NaCl 118,l; KC1 3,4; CaClz 2,5; MgSO, 0,8; KH2P04 1,2; NaHC03 25,O; Glucose 11,l. Die Temperatur der Lösung wurde konstant bei 37°C gehalten, ständig mit Carbogen begast und hatte einen pH-Wert von 7,4. Folgende Substanzen wurden verwendet: Koffein (Sigma Chemie, Deisenhofen), Halothan (Hoechst AG, Frankfurt) und Ryanodin (Merck, Sharpe and Dohme, Rahway, N.J., USA). Alle weiteren Substanzen waren „pro analvsin oder hatten den höchsten Reinheitserad. der im ~ k d eerhältlich l war. Die untersuchten Substanzen wurden täglich frisch in begaster und auf 37°C vorgewärmter KrebsDie ~ubstanzlösun~en wurden in entRihger-~ösun~ sprechender Verdünnung direkt in die Organbäder pipettiert. Halothan wurde aus einem kalibrierten Vapor (Dräger, Lübeck) dem Carbogen zugemischt. Die mit dem Carbogen U

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MHN-Patienten eindeutiger zu differenzieren (6). Dies ist wünschenswert, da die ungeklärte MH-Empfindlichkeit (MHE), d. h. die Zahl der Patienten, die nur auf Halothan oder auf Koffein reagieren, in Europa je nach Labor etwa 10-20°/o betragen kann (5, 8, 17, 26, 27, 32). Diese Patienten müssen sicherheitshalber wie MHS behandelt werden.

Ch. Lenzen und Mitarb.

Anästbesiol. Intensivmed. NotfaUmed. Schmerzther. 26 (1991)

Ryanodin-induzierte Kontrakturen

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Tab. 1 Kontrakturverläufebei kumulativer (0.4-10,0pmol/l; jeweils 3min; A) und Bolusgabe (10,O ~mol/l;B) von Ryanodin bei Muskelbiopsaten von maligne Hyperthermie-empfindlichen(MHS) und -unempfindlichen (MHN) Patienten.Zusätzlich sind die Daten einer Patientin mit ungeklärter MH-Empfindlichkeit(MHE) aufgeführt. Die Werte sind Angaben in Minuten zu Beginn der Kontraktur, bei einer Kontrakturvon 0,2g und einer Kontraktur von 1,Og.

Ryanodin (kumulativ) Beginn 0 29

B 1,Og

Ryanodin(Bolus) Beginn 029

1,og

MHS MHS MHS MHS MHS MHS MHE MHN MHN MHN MHN MHN n. b. = nicht bestimmt

Tab.2 Mittelwerte I S E M der Einzelwerte aus Tab. 1. Angegeben sind die Zeitpunkte des Kontraktu~erlaufesunter kumulativer (0,41O,Opmol/l; A) und Bolus (l0,O pmol/l; B) RyanodingabevonMuskelbiopsaten maligne Hyperthermieempfindlicher (MHS)und -unempfindlicher(MHN) Patienten. Die Werte sind Angaben in Minuten zu Beginn der Kontraktur, bei einer Kontraktur von 0,2g und einer Kontraktur von 1,og. A

MHS MHN

Ryanodin (kumulativ) jen=5 Beginn 0 29 10,0k0,7* 24,911,7

17,5I 1,7^ 38,2I5,4

1,og

Ryanodin(Bolus) n = 6 (MHS);n = 3 (MHN) Beginn 029

1,og

25,613,4* 47,3I4,9

5,2+ 1,5* 14,3*1,1

17.0+2,8" 31,7I2,9

B

10,Of 1,7* 19,8+0,6

n =Anzahl der Experimente; * p

[Ryanodine-induced contractures for the diagnosis of malignant hyperthermia susceptibility].

The halothane-caffeine contracture test is presently the most well-established method for identification of malignant hyperthermia susceptibility (MHS...
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