© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Unfallchirurg 2014 · 117:921–939 DOI 10.1007/s00113-014-2627-y Online publiziert: 06. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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P. Biberthaler, München T. Gösling, Braunschweig T. Mittlmeier, Rostock

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CME Zertifizierte Fortbildung B. Ulmar1, 2 · S. Simon2 · A. Eschler2 · T. Mittlmeier2 1 RKU, Orthopädisches Universitätsklinikum Ulm 2 Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Klinik und Poliklinik für Chirurgie,

Universitätsmedizin Rostock

Die Achillessehnenruptur Zusammenfassung

Die Achillessehnenruptur ist die häufigste Sehnenruptur des Menschen – mit steigender Inzidenz. Hauptrisikofaktor ist die intrinsische Degeneration der Sehne. Meist wird ein peitschenhieb- oder dolchstichartiger Schmerz verspürt. Es folgen eingeschränkte Gehfähigkeit und eine abgeschwächte Plantarflexionsfähigkeit. Klinisch sind der positive Thompson-/Simmond-Test und eine tastbare Delle über der Ruptur pathognomonisch. Diagnostisch sind eine Sonografie und eine seitliche Röntgenuntersuchung des Fersenbeins (knöcherner Ausriss) notwendig. Mit den meisten etablierten operativen und konservativen Therapieformen sind bei richtiger Indikation und regelrechtem Verlauf optimale funktionelle Ergebnisse möglich. Die operative Therapie zeigt eine bessere Primärstabilität und frühzeitiger etwas bessere funktionelle Ergebnisse, beinhaltet aber immer auch die Gefahr von Komplikationen. Bei konservativer Therapie sind die Raten an Sehnenrerupturen und die Ausheilung in Sehnenelongation höher. Die Behandlung ist individuell auszurichten. Wir empfehlen bei sportlichem Anspruch und einem Alter 6 Monate) lingt, die Sehnenenden zu adaptieren [3, 8, 20]. Als Nahtmaterial werden autorenabhängig entweChronische Tendinose (>6 Monate) der resorbierbare oder nichtresorbierbare Fäden der Verspätete Diagnose (>4 WoKaliberstärke 2 oder 3 verwendet [3]. Bewährte Mechen) thoden sind End-zu-End-Nähte in den Techniken Reruptur nach Bunnell, Kirchmeyr-Kessler oder Krackow [3, 8, Jede Ruptur mit relevanter 20, 33, 35]. Nach vergleichenden Untersuchungen von Funktionseinschränkung Jaakkola et al. [38] sind die Nahttechniken von KraKontra Inaktivität ckow und die 3-Fach-Naht nach Bunnell am stabilsten. Schlechter Allgemeinzustand Bezüglich der Nachbehandlung fehlen einheitliche Schlechte Haut- und WeichteilStandards. Sutherland u. Maffulli [1] sehen beispielsverhältnisse weise nach offener Naht in modifizierter Kirchmeyr-/ Progrediente systemische Kessler-Technik eine Vollbelastung mit PhysiotheraGrunderkrankung pie ab dem 1. postoperativen Tag im Unterschenkelgipsverband in Neutralstellung des Sprunggelenks vor. Der Gipsverband wird nach 6 Wochen entfernt und anschließend mit der Physiotherapie eine aktive Mobilisation durchgeführt. Thermann et al. [8] empfehlen nach offener Naht der Achillessehne zunächst die Ruhigstellung im Gips für 1 bis 3 Tage, bevor auf einen Spezialschuh (Orthese) übergegangen wird, in dem der Patient voll belasten darf. Der Schuh hat eine initiale Absatzerhöhung von 2 cm, die nach 6 Wochen auf 1 cm reduziert wird. Der Patient trägt ihn 6 Wochen tagsüber und nachts, danach für weitere 2 Wochen nur tagsüber. Nach 8 Wochen wird die Therapie in der Orthese beendet (sonografische Kontrolle der Sehnenheilung!). Amlang et al. [20] sehen nach operativer Naht zunächst eine Versorgung mit Unterschenkelgips in Spitzfußstellung für 1 Woche vor, bevor auf einen Spezialschuh mit eingestellter Plantarflexion von 20° für insgesamt 6 Wochen postoperativ gewechselt wird. Vollbelastung ist bereits im Gips direkt nach der Operation möglich. Pagenstert et al. [3] empfehlen nach offener Naht die Ruhigstellung im Gips in spannungsfreier Plantarflexion (Achtung(!): In der Publikation steht irrtümlich Dorsalextension). Nach 4 Wochen wird unter Vollbelastung auf einen Gehgips mit zunehmend neutraler Stellung des oberen Sprunggelenks gewechselt. Nach 6 Wochen erfolgt der Wechsel auf einen Spezialschuh mit Hintereinstieg und Abrollrampe, in dem ebenfalls Vollbelastung erlaubt ist. Die Aufnahme einer aktiven Übungsbehandlung ist 2 Wochen nach Entfernung der Gipsschale vorgesehen, die Mobilisation im gewohnten Konfektionsschuh ist 10 Wochen nach der Operation möglich. Sportausübung wird 14 bis 16 Wochen nach der Operation empfohlen. In unserer Abteilung wird eine frische Achillessehnenruptur bei der Indikation zum offenen Vorgehen mit einer Durchflechtungsnaht nach Bunnell therapiert. Die Technik ist ausführlich in unserem weiteren Beitrag [37] in diesem Heft erläutert. Die Nachbehandlung erfolgt in der dorsalen Gipsschiene in Spitzfußstellung von 30° bis zur gesicherten Wundheilung, bevor für insgesamt 6 Wochen postoperativ auf die Behandlung im Orthesenschuh mit Keileinlage übergegangen wird. In diesem ist die Plantarflexion des Fußes für jeweils 2 Wochen auf 30°, 15° und 0° limitiert. Ab der 5. Woche ist bei Erreichen der Neutral-Null-Position im OSG der Vollbelastungsaufbau in der Orthese möglich, bis dahin gilt 20 kg Teilbelastung. Physiotherapie kann passiv ab der 2. postoperativen Woche aus dem Orthesenschuh heraus erfolgen. Die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten ist frühestens

CME 3 Monate postoperativ empfohlen. Im Rahmen der Teilbelastung wird eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin durchgeführt.

Perkutane Sehnennaht der Achillessehnenruptur

Sie wurde erstmals 1977 von Ma u. Griffith [28] beschrieben. Inzwischen wurden zahlreiche Varianten und auch echte Innovationen publiziert [3, 5, 8, 10, 20, 22, 35]. Vorteile gegenüber der offenen Naht sind das geringere Weichteiltrauma und das niedrigere Infektionsrisiko [20, 39]. Zudem wird für diese Technik weniger Zeit benötigt als für die offene Vorgehensweise. Nachteile sind das Risiko einer Schädigung des N.  suralis, eine potenziell ungenügende Festigkeit der angelegten Naht und eine ungenügende Adaptation der Sehnenenden [3, 5, 8, 20, 22, 28]. Gegenüber der konservativen Therapie hat die minimalinvasive Naht eine bessere Primärstabilität, was die Anforderungen an die Compliance des Patienten deutlich senkt [20]. Experimentelle Untersuchungen von Hockenbury u. Jones [40] zur Nahttechnik von Ma u. Griffith [28] zeigten Läsionen des N. suralis in 60%, eine verminderte Nahtfestigkeit im Vergleich zur offenen Technik in 50% und eine ungenügende Adaptation der Rupturenden in 80% der Fälle [22, 40]. Die perkutane Achillessehnennaht stößt an ihre Grenzen, wenn eine veraltete Achillessehnenruptur vorliegt. Eine Achillessehnenruptur sollte deshalb innerhalb 1 Woche nach ihrem Eintreten perkutan versorgt werden, anderenfalls kann ein vorliegendes Rupturhämatom die Reposition behindern [20, 22, 29]. Bei perkutanen Techniken wird die Kontinuität der Sehne ohne Eröffnung der eigentlichen Ruptur wiederhergestellt und dadurch das Peritendineum, welches als essenziell für die Heilung der Sehnenruptur angesehen wird, geschont [3, 8, 20, 22]. In unserer Abteilung wird die perkutane Nahttechnik mit dem Dresdener Instrumentarium [20] durchgeführt. Die Autoren stellen die Indikation zur perkutanen Technik individuell nach sonografischem Kontaktverhalten der Sehnenenden in 20° Plantarflexion, Alter des Patienten, Compliance, Begleiterkrankungen, Aktivitätsniveau, Rupturalter und Patientenwunsch [20]. Sonografisch sollte ein Stadium 2a vorliegen (vgl. Abschnitt „Sonografie“ sowie . Tab. 2, [20]). Bezüglich der technischen Durchführung verweisen wir auf unseren weiteren Beitrag [37] in diesem Heft. Bezüglich der Nachbehandlung sehen die Autoren der perkutanen Naht mit dem Dresdner Instrumentarium [20] eine Ruhigstellung des Fußes in 20° Plantarflexion für 3 bis 4 Tage postoperativ vor, bevor auf einen speziellen Orthesenschuh in 20° Plantarflexion (3 cm Fersenerhöhung) für 6 Wochen tagsüber und nachts unter Vollbelastung gewechselt wird. Anschließend erfolgt bei fortgesetzter Vollbelastung eine Fersenerhöhung von 1 cm für weitere 2 Wochen. Der Orthesenschuh muss ab der 6. postoperativen Woche nur noch tagsüber getragen werden. Nach seiner Abnahme 8 Wochen postoperativ erfolgt die Mobilisation im Konfektionsschuh mit Absatzerhöhung von +1 cm für 4 Monate. Physiotherapie beginnt ab der 2. postoperativen Woche, wobei Bewegungsübungen bis zur Neutralstellung ab der 4. Woche erreicht werden sollen. In unserem Hause wird die perkutane Naht postoperativ wie die primäre offene Naht nachbehandelt (vgl. Abschnitt „Offene Sehnennaht der Achillessehnenruptur“).

Die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten ist frühestens 3 Monate postoperativ empfohlen

Vorteile der perkutanen gegenüber der offenen Naht sind das geringere Weichteiltrauma und das niedrigere Infektionsrisiko

Eine Achillessehnenruptur sollte innerhalb 1 Woche perkutan versorgt werden

Die Indikation zur perkutanen Technik wird individuell gestellt, sonografisch sollte ein Stadium 2a vorliegen

Nach Abnahme des Orthesenschuhs erfolgt die Mobilisation im Konfektionsschuh mit Absatzerhöhung von +1 cm für 4 Monate

Sekundäre chirurgische Sehnenrekonstruktionen und Revisionseingriffe

Große Achillessehnendefekte können nach Rerupturen, Verlust der Achillessehne infolge notwendiger Resektion bei Infekt und Tumor, insuffizienter Narbe oder Sehnennekrose (z. B. nach mehrfachen Kortisoninjektionen) auftreten [3, 7, 20, 31, 32, 41]. Abhängig von der Größe des entstandenen Defekts kommen verschiedene operative Maßnahmen zu dessen Deckung zum Einsatz. Unter den vielen verschiedenen hierfür möglichen Techniken verwenden wir im eigenen Haus u. a. die nachfolgend beschriebenen Methoden in höherer Häufigkeit. Griffelschachtelplastik nach Max Lange.  Diese Technik wurde erstmals von Max Lange in den 1950er Jahren beschrieben. Sie eignet sich zur Überbrückung von kleinen bis mittleren, veralteten Achillessehnendefekten bis 6 cm [32]. Als Vorteile wurden vermerkt, dass durch die Verwendung einer ortsständigen autogenen Sehne keine Fremdkörperreaktion und auch keine Schwächung der Pronation wie beispielsweise bei der unten beschriebenen Peronaeus-brevis-Plastik auftreten [32]. Zudem ist die Gewebetraumatisierung geringer, da weder ein Bohrkanal durch den Kalkaneus nötig ist noch Muskeln und Sehnen durchtrennt werden müssen [7, 31, 32, 41]. Die Stärke und Länge des Transplantats sind individuell und abhängig vom vorliegenden Defekt anpassbar. Nachteilig sind

Abhängig von der Größe des entstandenen Defekts kommen verschiedene operative Maßnahmen zu dessen Deckung zum Einsatz

Die Gewebetraumatisierung der Griffelschachtelplastik ist relativ gering Der Unfallchirurg 10 · 2014 

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CME F die potenziell problematische Transplantateinheilung bei fehlender Vaskularisierung mit dadurch bedingter Infektionsgefahr, F eine Limitierung der Methode auf kleine bis mittelgroße Defekte, F eine Schwächung des noch intakten Sehnenanteils und F ein sehr großer Zugang mit Weichteilfreilegung [32]. Eine Alternative hierzu stellt die V-Y-Plastik dar. Bezüglich der technischen Durchführung der Griffelschachtelplastik verweisen wir auf unseren weiteren Beitrag [37] in diesem Heft. Der Autor der Originalpublikation gab folgende postoperative Behandlungsdaten vor [32]: F postoperativ zunächst Anlage eines Oberschenkelliegegipses in 40–50° Knieflexion und 20° Spitzfußstellung mit Wundfenster, F ab dem 14. postoperativen Tag Übergang auf einen Oberschenkelgehgips in 15° Kniebeugung und mit 20° Spitzfußstellung bis zur 6. postoperativen Woche, F initiale postoperative Belastung 20 kg, Steigerung wöchentlich um 10 kg, Vollbelastung 6 Wochen postoperativ. Wir gehen bei der Griffelschachtelplastik postoperativ wie bei der primären offenen Achillessehnennaht vor (vgl. Abschnitt „Offene Sehnennaht der Achillessehnenruptur“).

Der Flexor-hallucis-longus-Sehnentransfer kann als Rückzugsmöglichkeit bei nicht möglicher Griffelschachtelplastik betrachtet werden

Transfer der Sehne des M. flexor hallucis longus.  Er ist zur Versorgung von langstreckigen Achillessehnendefekten >5 cm vorgesehen [7, 31, 32, 42]. Die Technik kann auch als Rückzugsmöglichkeit betrachtet werden, wenn die Griffelschachtelplastik zur Rekonstruktion des Achillessehnendefekts ungeeignet ist oder versagt [42]. Als seine Vorteile können F eine Kräftigung der Plantarflexion im Sprunggelenk, F eine problemlose Wundheilung auch bei kritischen Weichteilen aufgrund der Platzierung des M. flexor hallucis longus im Achillessehnengleitlager und F eine hohe Primärstabilität durch Fixieren der Sehne im Kalkaneus mit einer Interferenzschraube [42] oder alternativ durch direktes Vernähen der Sehne mit sich selbst angesehen werden [31]. Bezüglich der technischen Durchführung des Transfers der Sehne des M. flexor hallucis longus verweisen wir auf unseren weiteren Beitrag [37] in diesem Heft. Walther et al. [42] gaben folgende Behandlungsdaten vor: F 8 Wochen Unterschenkelorthese mit 1 30° Spitzfußstellung und Teilbelastung von 20 kg in der 1. bis 4. Woche, 1 15° Spitzfußstellung und Belastungsaufbau bis zur Vollbelastung in der 5. bis 6. Woche 1 0°-Stellung und Vollbelastung in der 7. bis 8. Woche. Anschließend – nach Röntgenkontrolle des Fersenbeins seitlich – wird im Konfektionsschuh mit Absatzerhöhung durch Silikonfersenkissen von 1,5 cm mobilisiert und die Dorsalextension im Sprunggelenk freigegeben. Auch beim Sehnentransfer des M. flexor hallucis longus erfolgt in unserem Hause die postoperative Nachbehandlung wie nach primärer offener Achillessehnennaht (vgl. Abschnitt „Offene Sehnennaht der Achillessehnenruptur“).

Ergebnisse Mit etablierten operativen oder konservativen Therapieformen sind in der überwiegenden Zahl der Fälle bei richtiger Indikationsstellung und regelrechtem Verlauf optimale funktionelle Ergebnisse möglich. Selbst in Metaanalysen prospektiv randomisierter Studien wird nicht eindeutig eine bestimmte konservative oder operative Therapieform empfohlen [20, 36, 43, 44, 45].

Ergebnisse der konservativen Therapie

Hauptrisiken der konservativen Therapie sind die Reruptur und die Ausheilung der Sehne in pathologischer Elongation [3, 5, 6, 8, 9, 16, 20, 25, 26]. Zudem setzen die konservativen Therapieformen eine

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CME hohe Compliance der Betroffenen voraus [3, 5, 6, 8, 9, 16, 20, 25, 26]. Kellam et al. [10] berichteten 1985 bei konservativ therapierter Achillessehnenruptur über eine Patientenzufriedenheit von 66%. Die heute durchgeführten konservativ-funktionellen Therapien schneiden sicherlich noch besser ab. Wills et al. [25] beobachteten in einer Metaanalyse bei genereller Betrachtung der konservativen Therapie der Achillessehnenruptur Rerupturraten zwischen 13 und 35%. Die konservativ-immobilisierende Therapie von Lea u. Smith [16] zeigte ebenfalls im Verlauf neben den generellen Problemen wie Muskelatrophien und der Abnahme von Koordination und Propriozeption eine Rerupturrate von 5–25%. Exemplarisch für die Ergebnisse der konservativen-funktionellen Therapie greifen wir die bereits vorab zitierte Studie von Hüfner et al. [9] auf: Bei 271 konservativ-funktionell behandelten Achillessehnenrupturen traten Sehnenelongationen in 12% und Rerupturen in 7% der Fälle auf. Etwa 80% der Patienten mit frischer Achillessehnenruptur sind nach Angaben der Autoren für die konservativ-funktionelle Therapie geeignet, obgleich auch in ihrem Patientengesamtkollektiv der Anteil der derart behandelten Patienten nur 60% betrug, da insbesondere die perkutane Achillessehnennaht eine höhere Primärstabilität vermittelt [9]. Da aktuell keine Einigkeit einerseits über die optimale konservative Therapie, andererseits über die Nachbehandlung nach operativer Behandlung der Achillessehnenruptur besteht, ist von Sun et al. [45] über die Cochrane Collaboration aktuell eine Metaanalyse klinisch kontrollierter Studien zur konservativen Therapie und zur postoperativen Nachbehandlung von Achillessehnenrupturen geplant.

Bei konservativ behandelten Achillessehnenrupturen kommt es nicht selten zu Sehnenelongationen oder Rerupturen

Ergebnisse der operativen Therapie

Bei der operativen Versorgung sind neben den allgemeinen Operationsrisiken Kraftminderungen, Bewegungseinschränkungen, Rerupturen und Verletzungen des N.  suralis und der V.  saphena parva möglich [8, 25]. Willis et al. [25] fanden in einem Übersichtsartikel bei 55 von 777 Fällen (20%) chirurgische Komplikationen. Auf der anderen Seite berichteten Kellam et al. [10] über eine Patientenzufriedenheit von 93% bei Naht der Achillessehne. Die gefürchtetste Komplikation bei der chirurgischen Naht ist die Infektion, die zum Verlust der Achillessehne führen kann [3, 7, 8, 20, 25, 31, 32, 33, 34, 36, 41, 42]. Fibrinklebung.  Hinsichtlich der oben angeführten Achillessehnenklebung mit Fibrin zeigten die wenigen vorliegenden Studien bezüglich Rerupturraten sehr gute Resultate, jedoch fehlen Untersuchungen mit hoher Patientenzahl [20, 46]: Rupp u. Stemberger [46] beschrieben bei 21 nachuntersuchten Patienten mit Fibrinklebung 6 bis 22 Monate nach der Intervention keine Rerupturen und gute funktionelle Ergebnisse. Wie bereits erwähnt, erfuhr dieses Verfahren aufgrund der hohen Kosten des Fibrinklebers und preiswerter chirurgischer Alternativen keinen Eingang in den heutigen Therapiealltag [20]. Offene Naht.  Sutherland u. Maffulli [1] präsentierten ihre Ergebnisse nach offen chirurgischer Naht der frischen Achillessehnenruptur bei 47 Patienten in einer modifizierten Kessler-Naht. Postoperativ ereigneten sich in einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 24 Monaten 2 (4%) Wundheilungsstörungen (konservative Therapie), 1 (2%) Wunddehiszenz (Hauttransplantation) und 1 (2%) Reruptur (Umkippplastik). Insgesamt konnten 22 von 32 Patienten, die ihre Verletzung beim Sport erlitten hatten, wieder sportliche Aktivitäten aufnehmen, 2 Patienten gaben ihren Sport auf. Strauss et al. [33] veröffentlichten Ergebnisse nach offener End-zu-End-Naht (modifizierte Kessler- oder Bunnell-Naht) bei 90 Patienten. Die Komplikationsrate betrug bei 79 erfassten Patienten 17%: 10 Patienten (12%) entwickelten Wundheilungsstörungen/tiefe Infekte. Partielle (konservative Therapie) oder vollständige Rerupturen (operative Therapie) traten in 3 (4%) bzw. 1 (1%) Fall auf. Die 52 nachuntersuchten Patienten erreichten durchschnittlich 54 Monate postoperativ im BoydenScore in 96% der Fälle exzellente oder gute Werte und im AOFAS-Sprunggelenk-Rückfuß-Score (AOFAS: „American Orthopedic Foot and Ankle Society“) durchschnittlich 96 Punkte. Schmerzfrei waren 78% und ohne sportliche Einschränkungen 74% der Patienten. Die End-zu-End-Naht ist für aktive Patienten empfohlen. Bevoni et al. [34] stellten Ergebnisse nach offener Naht in 3-Bündel-Technik kombiniert mit einem Frührehabilitationsprotokoll bei 66 Patienten vor. Postoperativ wurde 2 Wochen Teilbelastung im

Die gefürchtetste Komplikation bei der chirurgischen Naht ist die Infektion, die zum Verlust der Achillessehne führen kann

Bei Fibrinklebung werden kaum Rerupturen beobachtet und gute funktionelle Ergebnisse erzielt

Nach offener Naht wurden u. a. Wundheilungsstörungen, Wunddehiszenz und Rerupturen beobachtet

Die End-zu-End-Naht ist für aktive Patienten empfohlen

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Die offene Naht in 3-Bündel-Technik, kombiniert mit einem Frührehabilitationsprotokoll, empfiehlt sich für junge, sportlich aktive Patienten

Walker in Sitzfußstellung und anschließend eine Belastungssteigerung im Walker in Neutralstellung bis zur Vollbelastung in der 6. Woche durchgeführt. Rerupturen traten nicht auf. Bei der Nachuntersuchung durchschnittlich 36 Monate postoperativ wurden im AOFAS-Sprunggelenk-Rückfuß-Score und Leppilahti-Score im Schnitt 92 Punkte erreicht. In der univariaten Analyse wurde der AOFASSprunggelenk-Rückfuß-Score signifikant durch Alter, Plantarflexions- und Dorsalextensionsdifferenzen zwischen gesundem und krankem Bein, Umfang und Kraftentfaltung beeinflusst. Der Leppilathi-Score betätigte diese Ergebnisse mit Ausnahme von Alter und Umfang. In der multivariaten Analyse waren nur die Dorsalflexion- und Plantarflexionsdifferenz prädiktiv. Der Therapiealgorithmus empfiehlt sich für junge, sportlich aktive Patienten.

Die perkutane Nahttechnik mit dem Dresdner Instrumentarium zeigt in der überwiegenden Zahl der Fälle gute bis sehr gute Resultate

Perkutane Naht mit dem Dresdner Instrumentarium.  Ergebnisse zur perkutanen Nahttechnik mit dem Dresdner Instrumentarium wurden von Amlang et al. [22] publiziert. N.-suralis-Läsionen traten nicht auf. Bei 39 nachuntersuchten Patienten mit einem Mindest-Follow-up von 1 Jahr zeigte sich eine Rerupturrate von 3% (n=2). Einen Spätinfekt entwickelte 1 Patient (2%). Subjektiv beurteilten die Patienten im Thermann-Score das Ergebnis in 98% der Fälle mit gut bis sehr gut und nur in 2% der Fälle mit befriedigend. Nach dem Score von Trillat u. Mounier-Kuhn war die Einschätzung in 92% der Fälle sehr gut oder gut. Im AOFAS-Sprunggelenk-Rückfuß-Score erreichten die Patienten durchschnittlich 96 Punkte.

Im AOFAS-Sprunggelenk-RückfußScore zeigten Patienten mit minimalinvasiver Naht signifikant häufiger exzellente Werte als nach offener Naht

Vergleich verschiedener Operationstechniken.  Aktuell verglichen Ding et al. [35] bei 33 Patienten eine minimalinvasive Nahttechnik (n=20) mit der Naht nach Kessler (n=13). Die Nachbehandlung war identisch: Nach 2 Wochen Ruhigstellung wurde auf Teilbelastung im Unterschenkel-Cast übergegangen, Vollbelastung wurde nach 8 bis 10 Wochen erreicht. Die Nachuntersuchung erfolgte im Schnitt 3 Jahre postoperativ. Die Ruptur war in allen Fällen verheilt. Die Komplikationsrate bei offener Naht betrug 23% und beinhaltete 1 Fadengranulom, 1 oberflächliche Wundinfektion (konservativ) und 1 Reruptur (operativ). Interventionswürdige Komplikationen zeigten sich bei minimalinvasiver Naht in 10% der Fälle in Form 1 Reruptur und 1 N.-suralis-Schaden. Im AOFAS-Sprunggelenk-Rückfuß-Score zeigten Patienten mit minimalinvasiver Naht signifikant häufiger exzellente Werte als nach offener Naht (98% vs. 91%). Die Autoren empfehlen die minimalinvasive Nahttechnik.

Vergleich operative und konservative Therapie

Die Resultate nach offener vs. perkutaner Naht vs. konservativer Therapie unterscheiden sich nicht signifikant

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Majewski et al. [5] verglichen die offene und die perkutane Naht in einer prospektiv randomisierten Studie mit 73 Patienten mit der konservativen Therapie. Rerupturen entwickelten bei offener Naht 3%, bei perkutaner Naht 4% und bei konservativ-funktioneller Therapie 7% der Patienten. Infektionen/Wundheilungsstörungen traten in 6% der Fälle und nur bei offener Naht auf. Gute und exzellente Werte im Hannoveraner Achillessehnenscore wurden bei der im Schnitt 2,5 Jahre postoperativ erfolgenden Nachuntersuchung in 59% nach offener Naht, in 60% nach perkutaner Naht und in 58% nach konservativ-funktioneller Therapie erreicht. Die Kraftentfaltung betrug im Vergleich zum gesunden Bein bei offener Nahttechnik 87%, bei perkutaner Nahttechnik 91% und bei konservativer Therapie 82%. Die Resultate der 3 Therapieverfahren unterschieden sich nicht signifikant. Die Autoren empfehlen bei frischer Achillessehnenruptur, wenn möglich, die perkutane Naht. In ähnlicher Weise publizierten Khan u. Smith [36] 2010 die Ergebnisse ihrer Metaanalyse zur Therapie von Achillessehnenrupturen. Verglichen wurden zum einen die perkutane und die offene Naht, zum anderen die operative und die konservative Therapie. In die Metaanalyse wurden 12 Studien mit insgesamt 844 Patienten eingeschlossen. Qualitativ wiesen vielen Arbeiten eine schlechte methodische Genauigkeit auf, v. a. im Hinblick auf die mangelnde Verblindung bei der Randomisierung und bei den Auswertern. Die offene Naht zeigte im Vergleich zur konservativen Therapie (6 Studien mit 536 Patienten) ein signifikant geringeres Rerupturrisiko. Dafür war das Risiko anderer Komplikationen wie Infektionen, Verwachsungen und gestörter Hautsensibilität signifikant erhöht. Der funktionelle Status inklusive der sportlichen Aktivität war variabel und häufig nur inkomplett dokumentiert. Häufig wurden die Ergebnisse mit nicht standardisierten Methoden gemessen, und die Resultate waren nicht beweiskräftig. Die offene Naht zeigte verglichen mit der perkutanen Naht (4 Studien, 174 Patienten) eine höhere Infektionsrate. Diese Aussage sollte aufgrund der kleinen Fallzahlen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. In gleicher Weise sind keine definitiven Aussagen zu den unterschiedlichen Nahttechniken möglich (3 Studien mit 147 Patienten). Die Autoren fassten zusammen, dass die offene Naht im Vergleich mit der konservativen Therapie das Reruptur-

CME risiko signifikant vermindert, aber auf der anderen Seite andere Komplikationen wie Wundinfektionen signifikant öfter auftreten. Letztere könnten möglicherweise durch die Anwendung perkutaner Techniken vermindert werden. Auch Olsson et al. [44] verglichen in einer randomisierten Studie bei 100 Patienten die offene Naht (n=51) mit der konservativen Therapie. Beide Therapiegruppen wurden unter Vollbelastung im Walker mobilisiert und zeigten nach 3, 6 und 12 Monaten eine signifikante Verbesserung im ATRS („Achilles tendon rupture score“). Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren im Score ebenso wie hinsichtlich der Symptome, des Aktivitätsniveaus und der Lebensqualität nicht signifikant. Unter konservativer Therapie traten signifikant mehr Rerupturen auf als unter operativer Therapie (5 vs. 0). In der operativen Therapiegruppe entwickelten sich 2 tiefe Venenthrombosen und 6 Wundinfekte, die sich aber nicht auf das funktionelle Endergebnis auswirkten. In beiden Gruppen zeigten sich nach 12 Monaten noch Symptome, eine verringerte Lebensqualität und Funktionsdefizite. Beide Gruppen waren funktionell, physisch und in der Lebensqualität vergleichbar. Soroceanou et al. [47] evaluierten potenzielle Unterschiede zwischen operativer und konservativer Therapie mit besonderem Focus auf der Rerupturrate unter frühzeitiger Bewegungsfreigabe. In der Metaanalyse kamen 10 Studien (418 chirurgisch und 408 konservativ therapierte Patienten) zur Auswertung. Die Rerupturraten unterschieden sich bei frühzeitiger Bewegungsfreigabe in beiden Gruppen nicht signifikant. Wenn keine frühzeitige Bewegungsfreigabe erfolgte, war diese bei operativer Behandlung signifikant um 9% gegenüber der konservativen Therapie reduziert. Das absolute Risiko für andere Komplikationen war mit 16% nach chirurgischer Therapie jedoch signifikant höher als bei konservativer Therapie. Nach chirurgischer Therapie nahmen die Patienten signifikant früher die Arbeit wieder auf. Wadenumfang, Kraftentfaltung und funktionelle Ergebnisse unterschieden sich bei beiden Therapieformen nicht signifikant. Die konservative Therapie empfiehlt sich, wenn eine frühzeitige Bewegungsfreigabe im Behandlungsschema vorsehen ist, ist dies nicht der Fall, bietet sich die operative Therapie an.

Nach 12 Monaten bestanden sowohl nach offener Naht als auch nach konservativer Therapie noch Symptome, eine verringerte Lebensqualität und Funktionsdefizite

Die konservative Therapie empfiehlt sich, wenn eine frühzeitige Bewegungsfreigabe im Behandlungsschema vorsehen ist

Ergebnisse der Revisionsplastiken Griffelschachtelplastik.  Krüger-Franke [32] publizierte Ergebnisse zur Griffelschachtelplastik bei 35 Patienten. Von diesen konnten 21 durchschnittlich 8 Jahre nach dem Eingriff funktionell, sonografisch und isokinetisch nachuntersucht werden. Im Gesamtkollektiv zeigten sich in 17% Komplikationen: 2 tiefe und 2 oberflächliche Infekte, 1 Fadengranulom und 1 tiefe Beinvenenthrombose. Operativ revidiert werden mussten die tiefen Infekte und das Fadengranulom. Rerupturen traten nicht auf. In der Nachuntersuchung war die Sehnenplastik sonografisch etwas dicker und in den isokinetischen Tests deutlich schlechter als die primäre Achillessehnennaht. Dies bestätigte sich auch klinisch und subjektiv. Lerch et al. [7] berichteten über die klinischen, sonografischen und isokinetischen Therapieergebnisse bei 11 Patienten mit Griffelschachtelplastik 3, 6 und 12 Wochen sowie durchschnittlich 11 Monate nach der Operation: Postoperativ entwickelten sich 2 oberflächliche Wundrandnekrosen (konservativ) und eine prolongierte Sekretion (operativ). Rerupturen traten nicht auf. In der Abschlussuntersuchung war der Thompson-Test bei allen Patienten negativ. Es zeigte sich zudem ein mittlerer Kraftzuwachs von 40% bei geringen Beschwerden und gleichem Bewegungsumfang. Transfer der Sehne des M. flexor hallucis longus.  Amlang et al. [31] veröffentlichten Ergebnisse von 35 Patienten [36 Flexor-hallucis-longus-Transfers (FHL)], von denen 25 (26 FHL) klinisch und sonografisch durchschnittlich 79 Monate nach dem Eingriff nachuntersucht werden konnten. Rerupturen oder Infektverläufe waren nicht zu verzeichnen. In je 1 Fall zeigten sich ein nicht interventionswürdiges Fadengranulom und eine Läsion des N. plantaris medialis. Die subjektive Behandlungszufriedenheit wurde in 72% der Fälle mit sehr gut, in 20% mit gut und in jeweils 4% mit befriedigend oder schlecht angegeben. 80% der Patienten hatten keine, 12% geringe und jeweils 4% mäßige bzw. starke Schmerzen im Rückfuß. Der Einbeinzehenstand war in 60% der Fälle sicher, in 20% unsicher, in 12% angedeutet und in 8% nicht durchführbar. In den verwendeten Scores (Trillat- und AOFASSprunggelenk-Rückfuß-Score) zeigten sich in 72% der Fälle sehr gute Ergebnisse. Walther et al. [42] publizierten ihre Ergebnisse bei 25 Patienten. Das Nachuntersuchungsintervall nach der Operation betrug im Mittel 23 Monate. Der AOFAS-Sprunggelenk-Rückfuß-Score verbesserte sich durch die Operation von 62 auf 89 Punkte, insbesondere in der Kategorie Schmerz wur-

Die Griffelschachtelplastik ist der primären Naht unterlegen

Mit FHL sind in über 70% der Fälle sehr gute Ergebnisse erzielbar

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CME Bei sportlich aktiven Patienten wurden nach FHL Limitierungen des kräftigen Fußabdrucks beim Laufen und der Flexibilität im Sprunggelenk berichtet

den 38 von 40 möglichen Punkten erreicht. Eine Abschwächung fand sich bei der Maximalkraft für die Plantarflexion. Keine Einschränkungen bestanden bei den ADL („activities of daily life“). Bei sportlich aktiven Patienten wurden Limitierungen bezüglich des kräftigen Fußabdrucks beim Laufen und einer geringeren Flexibilität im Sprunggelenk mit unter Last reduzierter Dorsalextension angegeben. Im postoperativen Verlauf trat eine Wundheilungsstörung auf, die unter Erhalt der Sehnenplastik abheilte.

Resümee und Therapieempfehlung

Bei sportlichem Anspruch und einem Alter

[Rupture of the Achilles tendon].

The rupture of the Achilles tendon is the most frequent tendon rupture in humans and it is associated with increasing incidence. The main risk factor ...
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