50 Kiln. Mbl. Augenheilk. 197 (1990)

Retinoschisis mit zentral gelegenem Auflenschichtriesenrifl und Begleitamotio U. Schwarze, H. Laqua

Zusammenfassung Es werden zwei Patienten mit einer besonderen Form einer Schisisamotio beschrieben. Beide wiesen eine degenerative Retinoschisis auf, an deren zentralem Rand sich jeweils em RiesenriB der Auflenschicht mit einer sichelformigen, his dicht zur Makula reichenden Begleitamotio befand. Tm Gegensatz zu den fruher

publizierten Fallen, bei denen eine konventionelle emdellendeAmotio-Op. bzw. eine Vitrektomie mit Drainage und Gasinjektion vorgenommen wurde, wahlten wir eine reine Laser-Demarkierung der Amotio mitsamt AuBenschicht-RiesenriB. Dieses nicht invasive Verfahren halten wir fur eine risikoarme, ausreichend sichere Methode.

Mit den heute ublichen netzhautchirurgischen Verfahren (Plombe, Cerclage, Drainage, Kryokoagulation) hat auch dieser besondere Ablatiotyp noch eine relativ gUnstige Prognose (Tillmann 1976, Okun u. Cibis 1968, Wilson u. Dodson 1972, Byer 1968, Shea et al. 1960, Straatsma u. Foss 1973).

Tm folgenden berichten wir uber eine besondere Variante der Schisis-Ablatio, weiche erst kurzlich beschrieben wurde und besondere diagnostische und operationstechnische Probleme aufweist: die Retinoschisis mit Riesenrifl der Aufienschicht und zentraler Ablatio. Kasuistik

Fall 1: Em 50jahriger Mann bemerkte seit Retinoschisis with Giant Tears of the Outer Layer and Retinal Detachment The authors report on 2 cases with a special form of senile retinoschisis with retinal detachment. In both cases, a typical retinoschisis was combined with a giant tear of the outer retinal layer and a sickle-shaped

retinal detachment extending almost to the macula. In contrast to previously published cases, which were treated by a conventional scleral buckling procedure or vitrectomy with fluid air exchange, it was decided to demarcate the retinal detachment by argon laser photocoagulation. The authors consider this non-invasive procedure sufficiently safe and effective.

Ca. 6 Wochen einen nasal unten gelegenen Gesichtsfeldaus-

fall an seinem rechten Auge. Bei ansonsten regelrechtem Befund war ophthalmoskopisch am rechten Auge eine degenerative Retinoschisis im temporal oberen Quadranten zu erkennen, die bis ungefahr zum Gefal3bogen reichte und multiple Auf3enschichtforamina und em sehr transparentes Innenschichtblatt aufwies. Erst mit tiefer Skleraeindellung war am zentralen Rand der Retinoschisisblase em zusatzlicher bogenformiger Riesenril3 der Aul3enschicht mit nach zentral reichender, sichelformiger und leicht grau erscheinender Ablatio zu erkennen. Innenschichtforamina waren nicht zu finden. Die Makula lag noch an, und der Visus betrug 1,0 (Abb. 1, 2 u. 3). Am linken Auge fand sich bei einem Visus von 1,0 ebenfalls eine degenerative Retinoschisis im temporal oberen Quadranten, welche jedoch geringer ausgepragt war und keine Ablatio aufwies.

Fall 2: Eine 56jahrige Patientin hatte seit 5

Einleitung

Tagen einen nasal oben gelegenen Schatten vor ihrem rech-

Die senile oder degenerative Retinoschisis

ten Auge bemerkt. Bei sonst regelrechtem Befund sah man ophthalmoskopisch eine Retinoschisis im temporal unte-

findet man bei 7o aller Patienten uber vierzig, und sic zählt zu den harmlosen Fundusveranderungen, die keiner Therapie bedUrfen und lediglich regelmal3ig kontrolliert werden sollten ( Witmer 1967, Byer 1968, Shea et al. 1960). Zu einer Herabsetzung der zentralen Sehschrfe kommt es nur selten, sei es durch fortschreitende Ausbreitung der Schisis in Richtung der Makula oder durch die Entwicklung euler Schisis-Amotio. Diese ist charakterisiert durch multiple, unterschiedlich grofle AuBenschichtforamina.

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1990 F. Enke Verlag Stuttgart

ren Quadranten, die Uber den unteren GefaIlbogen bis dicht vor die Makula reichte und multiple, typische AuBen-

schichtforamina und em sehr transparentes Innenschichtblatt aufwies. Wiederum war erst mit tiefer Skleraeindellung am zentralen Schisisrand em bogenformiger RiesenriB der Auflenschicht mit einer sichelformigen, leicht opak erscheinenden Ablatio zu erkennen. Innenschichtforamina bestanden nicht. Bei anliegender Fovea betrug der Visus 1,0 (Abb. 4). Am linken Auge war bei ebenfalls vollem Visus eine typische degenerative Retinoschisis in der temporal unteren Peripherie zu erkennen.

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Klinik für Augenheilkunde, Medizinische Universitat zu Lubeck (Direktor: Prof. Dr. H. Laqua)

Retinoschisis mit zentral gelegenem A ujienschichtriesenriji und Begleitamotio

Kim. Mb!. A ugenheilk. 197 (1990) 51

(Falli) Die Netzhautsituation ist zur Verdeutlichung oben im Aufblick und unten im Querschnitt schematisch dargestellt Am zentralen Rand der Retinoschisisblase befindet sich der bogenformig ver-

11 .1 Ablatio

laufende Riesenrill, der AuRenschicht, der zu der Entstehung der nach zentral reichenden sichelformigen Amotio gefUhrt hat

Retinoschisis Auflenschicht - Ru)

Abb. 3 (Fall 1) Fundusphotographie des Ubergangsbereiches zwischen Retinoschisis und Ablatio: Die Pfeile zeigen auf das Ende der Retinoschisis und den RiesenriR, die Sterne markieren die Grenzen der zentralen Ablatio

Abb. 4 Schematische Darstellung der Netzhautsituation bei Fall 2

F

I Ablatio Retinoschisis Auflenschicht - Rifl

Angesichts des Vorliegens einer zentral ge-

legenen Amotio mit Bedrohung der Makula und der auf Grund der Symptome vermuteten Progredienz beschlossen wir, operativ einzugreifen, und wählten folgendes Verfahren: In beiden Fallen wurde der AuBenschicht-Riesenril3 mitsamt der Amotio mit einer Kette von Argon-Laserher-

den umgestellt. Wegen der Nahe zur Fovea wurde nach zentral nur eine 2—3fache Reihe von Herden gesetzt, während nach peripher der Schisisbereich mit semen Aul3enschichtforamina eher flachig koaguliert wurde. Auf Grund

der Laser-Effekte bestatigte sich nochmals der ophthalmoskopische Befund: Im Bereich der Retinoschisis und normaler Netzhaut zeigten die Laserherde ausreichende

F.1s:I Abtatio

N Retinoschisis AulIenschicht - Rifl

Weil3färbereaktion, im Ablatiobereich gingen Herde gleicher Intensitat dagegen nicht an.

Postoperativ kam es bei guter Pigmentierung der Laserherde zu einer partiellen Wiederanlage des Ablatiobereiches und zu einer Abflachung der Retinoschisis. Der voile Visus von 1,0 konnte bei beiden Patienten erhalten werden. Die Nachbeobachtungszeit betrug 2,5 bzw. 1,5 Jahre.

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Abb. 1 u. 2.

52 K/in. Mb!. A ugenheilk. 197(1990) U. Schwcirze, H. Lciquci: Retinoschisis mit zeritral gelegenem A uJienschichtriesenrj,8

Diskussion

Pars plana injiziert. Nach anfanglicher kompletter Anlage bildete sich die Schisisbiase innerhaib von 3 Tagen erneut Die Retinoschisis mit Riesenril3 der AuBen- zurUck. Der Riesenrill der Auflenschicht blieb jedoch anschicht und zentraler Ablatio stelit eine besondere Variante liegend.

der Schisis-Ablatio dar. Wegen ihres ungewohnlichen ophthalmoskopischen Bildes, ihrer nur inkomplett ver-

Während das ophthalmoskopische Bud mit Hilfe einer tiefen Skleraeindellung gut analysierbar ist und

auf Grund der bisher publizierten 6 Fälle (Wilson et a!. 1972: 1 Fall; Sulonen et al. 1985: 5 Fälle) auch zunehmend bekannter wird, gibt es nur sehr ungenaue Vorstellungen zur Pathogenese dieser ungewohnlichen Riesenrill-Abla-

tio. Basierend auf den Untersuchungen von Gottinger (1976) nimmt man an, daB Glia-Membranen auf der Innenseite des Aul3enblattes einer Retinoschisis Traktion ausUben konnen und dadurch den hier beschriebenen Riesenrifl-Typ am zentralen Ende einer Schisisblase hervorrufen. Da offensichtlich meist kein Innenschichtforamen vorliegt, mull man weiter annehmen, daB Flussigkeit aus der Retinoschisis-Blase unter die Netzhaut gelangt und die-

se ablost. Die Pathogenese dieser speziellen Ablatio-Variante ware demnach anders zu verstehen als die der normalen rhegmatogenen Ablatio und ware unabhangig von Glaskörpertraktion und einer Unterspulung der Netzhaut mit Flussigkeit aus dem Glaskorperraum. Bei der hier beschriebenen Schisis-Ablatio mit zentral gelegenem Riesenrill der Aullenschicht stehen dem Operateur zum Verschlull des Riesenrisses grundsatzlich drei therapeutische Moglichkeiten offen: 1. eine konventionelle Amotio-Op. mit Plombe, Drainage und Kryokoagulation, 2. eine pneumatische Retinopexie mit Vitrektomie bzw. Drainage und anschliellender Gasinjektion und Koagulation und

3. eine reine Laser-Demarkierung, wie wir sie gewahit haben.

Die Autoren kamen deshalb zu dem SchiuJI, daB eine Laser- oder Kryokoagulation gefolgt von einer Vitrektomie mit Luftfuhlung die geeignete Methode

zur Behandlung einer Schisis-Ablatio mit zentralem AuBenschichtrill sei. Dieser Meinung konnen wir uns angesichts des erfreulichen Verlaufs unserer beiden Patienten nur bedingt anschlieflen. Während die Unterstutzung des zentralen Risses mit Plomben wegen der Makulaverziehung sicherlich nicht in Betracht kommt, stellt die Vitrektomie mit Koagulation und Gasfullung wohl em erfoigreiches, aber wahrscheinlich zu risikotrachtiges Verfahren dar: zu denken ist dabei einerseits an die ublichen Gefahren eines jeden intraoku!aren, glaskorperchirurgischen Eingriffs (Endophthalmitis, iatrogenes Foramen und Ablatio) und speziell an die in letzter Zeit zunehmend haufiger beobachtete Kataraktentwicklung.

Zur weiteren Minima!isierung des operationstechnischen Vorgehens haben wir uns auf die reine Laserdemarkierung beschrankt und konnten eine weitere Progredienz der Schisis-Ablatio wirksam verhindern und darUber hinaus auch eine partielle Wiederanlage erzielen. Die einfache Laserdemarkierung stellt unserer Meinung nach eine gute therapeutische Alternative zu den von Subnen et al. beschriebenen Verfahren dar. Urn Mil3verstandnissen vorzubeugen, sei abschlieflend nochmals ausdrucklich betont, daB wir eine Laserdemarkierung der unkomplizierten senilen Retinoschisis nicht befUrworten. Literatur Byer, N.E.: Clinical Study of Senile Retinoschisis. Arch. Ophthal.(Chi2

(1976) 14—21

In der Literatur gibt es bisher nur die Arbeit von Sulonen et al. (1985), welche sich mit den therapeutischen Moglichkeiten befafit und deren Ergebnisse

Okun, F., P. A. Cibis: The Role of Photocoagulation in the Managemerit of Retinoschisis. Arch. Ophthal. (Chicago) 72 (1968) 309—314 Shea, M., C. L. Schepens, S. R. v. Pirquet: Retinoschisis I. Senile Type: A Clinical Report of 107 Cases. Arch. Ophthal. (Chicago) 63(1960)1—9 Straatsma, B. R., R. Y. Foss: Typical and Reticular Degenerative Rednoschisis. Amer. J. Ophthal. 75(1973) 551—575 Sulonen, .1. M., C. G. Wells, M. F. Barricks, A. Z. Verne, R. E. Kalina, G. F. Hilton: Degenerative Retinoschisis with Giant Outer Layer Breaks and Retinal Detachment. Amer. J. Ophthal. 99 (1985) 114—121

auch Grundlage fur unser Vorgehen gewesen sind. In zwei Fallen wurde von den Autoren eine konventionelle Amotio-Op. mit Aufbringen einer Plombe, Drainage der subretinalen Flussigkeit und Kryokoagulation durchgeftthrt. In einem Fall wurde zusätzlich Luft injiziert. Postoperativ lag die Netzhaut an. Da es jedoch aufgrund der zentralen Lo-

kalisation der Plombe in beiden Fallen zu einer starken Verziehung der Makula mit unertraglichen Metamorphopsien, Visusherabsetzung und Diplopie kam, mullten beide Plomben entfernt werden. In zwei weiteren Fallen wurde stattdessen eine Pars plana-Vitrektomie mit Luftfullung

cago) 79 (1968) 36—44 Gottinger, W.: Retinoschisis und Ablatio. Kim. Mbl. Augenheilk. 169

Tillmann, W.: Senile Retinoschisis und Kryokoagulation. Kim. Mbl. 8

Augenheilk. 168 (1976) 224—227 Wilson, R. S., J. Dodson: Giant Tear Dialysis in the Outer Layer of Retinoschisis. Arch, Ophthal. (Chicago) 88 (1972) 336—340

Witmer, R.: Zur Therapie der Retinoschisis. Mod. Probl. Ophthal. S (1967) 350—351

Manuskript erstmals eingereicht 20. 4. 1989, zur Publikation in der vorliegenden Form angenommen 20. 6. 1989.

und Endokoagulation durchgefuhrt. Nach 3—5tagiger Bauchiage lag die Netzhaut glatt an, die Schisisblase war kollabiert. In einem dieser Falle entwickelte sich infolge ei- Dr. U. Schwarze, Prof. Dr. H. Laqua nes neu entstandenen peripheren Hufeisenforamens je- Augenklinik der Medizinischen Universitgt zu Lubeck Allee 160 doch eine PVR-Amotio, und der Visus sank trotz operati- Ratzeburger D-2400 Lubeck ver Wiederanlage auf 1/50 ab. Im letzten Fall wurde eine Argon-Laser-Koagulation um den Riesenrill und im Schisis-Bereich durchgeftthrt. Zusätzlich wurde die Schisishohle uber eine Skierotomie drainiert sowie 1 ml Luft Uber die

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standenen Pathogenese und der noch nicht geklarten optimalen Therapieform scheint uns dieses Krankheitsbild besonders mitteilenswert.

[Retinoschisis with a giant central outer layer retinal tear and concomitant detachment].

The authors report on 2 cases with a special form of senile retinoschisis with retinal detachment. In both cases, a typical retinoschisis was combined...
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