Z Kardiol 90: Suppl 6, VI/85 – VI/91 (2001) © Steinkopff Verlag 2001

Wolfgang Harringer Klaus Kallenbach Axel Haverich

Aortenklappenrekonstruktion mit Aorta-ascendens-Ersatz Indikation, Technik und Ergebnisse

 Replacement of the ascending aorta with aortic valve reimplantation – indication, technique, and results

Priv.-Doz. Dr. W. Harringer () Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Klinikum Braunschweig Salzdahlumer Str. 90 38126 Braunschweig, Germany E-Mail: [email protected]

and reconstruction of the aortic valve with an simultaneous replacement of the ascending aorta with a Dacron graft. This report presents the results of 140 patients, who underwent such surgery since 1993 in our institution. Indications for surgery, operative technique and different outcome parameters are discussed. Intra- and perioperative morbidity and mortality are low and quality of life excellent. Reoperation due to progressive aortic valve insufficiency was necessary in 2.1% of patients during follow-up. When compared with the standard operation (composite replacement utilizing a mechanical valve), patients with aortic valve reconstruction demonstrate similar results with regard to hospital stay and functional improvement. However, bleeding complications and thromboembolic events are significantly reduced in patients undergoing valve reconstruction. Due to these long-term results combined with excellent stress hemodynamics and improvement in LV function, aortic valve reconstruction currently represents our standard operative strategy in this patient group.

Dr. K. Kallenbach · Prof. Dr. A. Haverich Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover, Germany

 Key words Aortic valve reconstruction – aortic valve insufficiency – ascending aortic aneurysm – annuloaortic ectasia – Marfansyndrome

 Summary The main cause of aortic valve insufficiency is a dilatation of the sinotubular junction in patients with an ascending aortic aneurysm. Morphologically preserved aortic valve cusps represent an ideal condition for preservation

 Zusammenfassung Die Hauptursache für das Auftreten einer Aortenklappeninsuffizienz bei Aneurysmen der Aorta ascendens ist die Dilatation des sinotubulären Übergangs der Aortenwurzel. Die zumeist strukturell unveränderten Taschen der Aortenklappe bieten eine günstige Voraussetzung für rekonstruktive, klappenerhaltende Operationstechniken zum Ersatz der Aorta ascendens. In der vorliegenden Arbeit wird über die mittelfristigen Ergebnisse von 140 Patienten berichtet, die seit 1993 in unserer Institution mit einer solchen Operationstechnik operiert wurden. Indikationsstellung, operative Technik und verschiedene Methoden zur Erfassung relevanter postoperativer Daten werden vorgestellt. Bei niedriger Mortalität und Morbidität betrug die Reoperationsrate wegen progredienter Aortenklappeninsuffizienz 2,1%. Im Vergleich zur etablierten Operationsmethode von Aorta ascendens-Aneurysmen – dem Composite-Ersatz mit einer mechanischen Klappenprothese – lassen sich ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich der Dauer des Krankenhausaufenthalts und der Verbesserung der Leistungsfähigkeit erreichen. Vorteil der Rekonstruktion ist dabei der Verzicht auf eine lebenslange postoperative Antikoagulation mit den bekannten thrombembolischen Komplikationen und Blutungs-

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risiken. Wegen dieser Verbesserung, einer exzellenten Belastungshämodynamik und guter LVErholung postoperativ nach klappenerhaltendem Aortenersatz stellt

in unserer Klinik ein rekonstruktives Operationsverfahren die Methode der Wahl bei diesen Patienten dar.

Einleitung Aneurysmen der Aorta ascendens und der Aortenwurzel stellen eine relativ seltene, aber lebensbedrohliche Erkrankung dar, welche sich vermutlich auf der Basis eines diffusen, degenerativen Prozesses des Bindegewebes in der Tunica media der Aortenwand entwickelt [6, 14]. Der natürliche Verlauf dieser Aortenaneurysmen ist durch Komplikationen wie akute Dissektion, Ruptur oder Herzinsuffizienz bei Aortenklappeninsuffizienz geprägt. Typische zugrunde liegende Erkrankungen sind das Marfan-Syndrom und andere Bindegewebepathologien sowie die atherosklerotische Degeneration. Die Dilatation des sinotubulären Übergangs und die Ektasie des Anulus können durch die reduzierte Koaptation der Taschenklappen zur sekundären Aortenklappeninsuffizienz führen, obwohl die Klappensegel morphologisch intakt sind [1, 11]. Die etablierte chirurgische Therapie dieser Erkrankung besteht im Kombinationsersatz von Aorta ascendens und Aortenklappe durch eine Composite-Prothese (Dacronprothese mit inkludierter mechanischer Klappe) [5, 13]. Mit dieser Strategie werden sehr gute Ergebnisse erzielt, jedoch mit dem Nachteil der lebenslang notwendigen Antikoagulation zur Vermeidung thrombembolischer Komplikationen und den daraus resultierenden Blutungsrisiken [4, 8, 9]. Wegen dieser Limitation und der Tatsache, dass bei diesen Patienten zumeist morphologisch weitgehend intakte Klappen vorliegen, wurden in den letzten Jahren verschiedene klappenerhaltende Operationstechniken entwickelt [2, 15]. Die Prinzipien einer solchen Operation orientieren sich an einer Korrektur des sinotubulären Übergangs allein oder in Kombination mit einer Reduktion des Anulus und/oder zusätzlichen Eingriffen an den Taschenklappen selbst (zumeist Reduktion eines elongierten Segelrands). Wir verwenden seit 1993 das von T. David in Toronto entwickelte Operationsverfahren, bei welchem die intakte Klappe in eine Dacronprothese reimplantiert wird [3]. Dadurch werden eine Stabilisation und ggf. Reduktion des Aortenanulus erreicht und der sinotubuläre Übergang korrigiert. In unserer Erfahrung resultiert daraus ein gut standardisierbares, stabiles, operatives Vorgehen mit geringem Blutungsrisiko. Der potenzielle Nachteil dieser Technik liegt in dem Verlust der Sinus valsalvae mit veränderten Strömungsverhältnissen in der rekon-

 Schlüsselwörter Aortenklappenrekonstruktion – Aortenklappeninsuffizienz – Aorta-ascendensAneurysma – anuloaortale Ektasie – Marfan-Syndrom

struierten Aortenwurzel. Diese unterschiedlichen hämodynamischen Bedingungen können zu einer erhöhten Stressbelastung der Klappe mit frühzeitiger Degeneration führen. Obwohl der Beweis für diese Hypothese noch aussteht haben Modifikationen der Prothesen und der Operationstechnik zur Schaffung von „Neosinus“ geführt, die potenziell das Risiko einer frühzeitigen Degeneration weiter minimieren können. Basierend auf klinischen und echokardiographischen Untersuchungen fassen wir in dieser Arbeit die mittelfristigen Ergebnisse von 140 Patienten zusammen, die in Anlehnung an Davids Technik an der Medizinischen Hochschule Hannover seit 1993 operiert wurden.

Indikationsstellung Zur präoperativen Evaluation der Patienten wurden routinemäßig ein Linksherzkatheter mit Koronarangiographie, eine transthorakale Echokardiographie sowie eine Computertomographie oder Magnetresonanztomographie des Thorax durchgeführt. Die Indikation zum klappenerhaltenden Aorta-ascendens-Ersatz stellte sich durch ein Aneurysma der Aortenwurzel oder der Aorta ascendens > 5 cm, gepaart mit einer trikuspiden Aortenklappe ohne strukturellen Defekt der Taschen, dar. Das Vorliegen einer Insuffizienz der Aortenklappe war nicht Voraussetzung zur Durchführung der Operation, jedoch in der Mehrzahl der Patienten in unterschiedlichen Schweregraden vorhanden. Die Diagnose einer akuten Dissektion der Aorta ascendens (Stanford-Klassifikation Typ A) mit Beteiligung der Aortenwurzel stellte mit zunehmender Erfahrung keine Kontraindikation zur klappenerhaltenden Rekonstruktion dar, wurde jedoch in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand der Patienten individuell gehandhabt. In selektionierten Patienten wurde auch bei bikuspiden Aortenklappen und bei Aortenklappeninsuffizienzen ohne aneurysmatische Erweiterung der Aortenwurzel dieses Verfahren angewendet. Bei einzelnen elongierten Klappenrändern wurden in zunehmendem Maß zusätzliche Verfahren (z.B. TruslerPlastik, Plikaturen des freien Rands) durchgeführt. Die endgültige Entscheidung zur Klappenrekonstruktion wurde durch den Chirurgen nach Inspektion von Klappensegeln und Beurteilung der Wurzelgeometrie getroffen.

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Patienten und Methode  Patientenauswahl Von Juli 1993 bis Oktober 2000 wurden an der Medizinischen Hochschule Hannover 140 Patienten mit einem klappenerhaltenden Aorta-ascendens-Ersatz nach David operiert. Das Alter der 88 Männer und 52 Frauen betrug im Mittel 53 ± 17 Jahre, mit einer Spanne von 9 – 84 Jahren. Ein Marfan-Syndrom war bei 28 Patienten (20%) bekannt. Bei 85 Patienten (61%) lag isoliert ein Aneurysma der Aorta ascendens vor. Als Begleiterkrankung lagen in 17 Fällen (12%) eine akute Aortendissektion Typ A und bei 6 Patienten eine chronische Aortendissektion Typ A vor. Der Aortenbogen war bei 47 Patienten (34%) aneurysmatisch erweitert, 21 Patienten (15%) wurden bei koronarer Herzkrankheit einer Bypassoperation unterzogen. 3 Marfan-Patienten erhielten zusätzlich eine Mitralklappenrekonstruktion, jeweils 1 Patient wurde zuvor herztransplantiert bzw. hatte einen Aortenklappenersatz mit einer Ross-Operation erhalten (Tabelle 1).

 Operationstechnik Die von unserer Gruppe angewendete operative Technik, welche zuerst von David publiziert worden war [2], wurde kürzlich detailliert beschrieben [7]. Alle Patienten wurden über eine mediane Sternotomie unter Nutzung der Herz-Lungen-Maschine operiert. Nach Eröffnung der Aorta ascendens wurde zunächst die Rekonstruierbarkeit der Aortenklappe geprüft. Es folgten die Exzision der Koronarostien und Resektion der Sinus aortae bis auf einen Rand von 2 – 3 mm sowie eine ausgedehnte Mobilisation der Aortenwurzel. Der Durchmesser der zu verwendenden Aortenprothese wurde durch den Durchmesser des linksventrikulären Ausflusstrakts sowie die freie Höhe der Aortenklappensegel bestimmt. In praxi wurden der Durchmesser des Anulus mit einem HegarStift und der sinotubuläre Übergang mit einem Klappen-

Tabelle 1 Klinische Charakteristika von Patienten mit Aortenklappenrekonstruktionen Aorta ascendens Aneurysmen / Ektasie

Anzahl n

Anteil [%]

Ohne Begleiterkrankungen + AADA + CADA + Bogenaneurysma + ACVB + MKR (Marfan) + Zustand nach HTx + Zustand nach Ross-Operation

85 17 6 47 21 3 1 1

61 12 4 34 15 2 1 1

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Sizer (St. Jude Medical®, St. Paul, Minnesota, USA) gemessen. Ausschlaggebend war dabei die Weite des sinotubulären Übergangs mit dem Ziel, eine optimale Koaptation der Klappensegel zu erreichen. Dies liegt nach unserer Erfahrung vor, wenn 30 – 50% der Klappensegelfläche nach der Modifikation am Klappenschluss beteiligt sind. Für die proximale Anastomose der – über die skelettierte Aortenwurzel gestülpten – Dacronprothese verwendeten wir 12 Einzelknopffäden aus Polyester (3–0 Ethibond®, Ethicon Inc., Hamburg) als horizontale Matratzennähte, zirkumferenziell durch den Anulus unterhalb der Klappe gestochen. Die Aortenklappe wurde dann mittels 3 4-0-Polypropylen-Nähten (Prolene®, Ethicon Inc.) in die Aortenprothese reimplantiert. Dabei musste der Aufrechterhaltung einer korrekten Klappengeometrie und ausreichenden Höhe der komissuralen Resuspension höchste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bei Patienten, in denen ein elongierter Klappenrand einer Tasche nachweisbar war, wurden zusätzliche Techniken zur Verbesserung der zentralen Koaptation durchgeführt. Die Reimplantation der Koronarostien in der so genannten Button-Technik komplettierte die Rekonstruktion der Aortenwurzel. Für einen ausgedehnteren Aorta ascendens- oder zusätzlichen Aortenbogenersatz wurde eine 2. Dacronprothese verwendet. Abschließend wurde die native Aorta um die Dacronprothese geschlagen und vernäht, ohne dass jedoch eine hämostatische Graft-Inklusion an der Aortenbasis möglich war. Bei Patienten mit akuter Aortendissektion wurde technisch identisch vorgegangen. Die im Rahmen der Dissektion abgescherten Komissuren wurden mit GRF-Kleber zunächst verstärkt und anschließend die geklebte Aortenwand bis auf die Komissuren reseziert.

 Echokardiographische Untersuchung und Nachbeobachtung Präoperativ, postoperativ vor der Entlassung und 1-mal jährlich nach der Operation wurde die Aortenklappenfunktion durch transthorakale Farbdopplerechokardiographie ermittelt. Außerdem erfolgte bei jedem Patienten intraoperativ eine transösophageale Echokardiographie zur Kontrolle des Rekonstruktionsergebnisses. Sämtliche Beurteilungen erfolgten durch denselben Untersucher. Klappenmorphologie und Herzfunktion wurden in Übereinstimmung mit bereits publizierten Kriterien bewertet [16]. Der Grad der Aorteninsuffizienz wurde semiquantitativ wie folgt bestimmt: 0: keine, 1: minimale, 2: milde, 3: moderate, 4: schwere Aortenklappeninsuffizienz. Je nach Präferenz des Operateurs wurden die Patienten postoperativ für 3 Monate entweder markumarisiert (INR 2.0–3.0) oder mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (Azetylsalizylsäure

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100 mg/Tag) behandelt. Danach wurde die antithrombotische Therapie, sofern nicht eine zusätzliche Indikation bestand, abgesetzt.

 Auswertungsmethoden Klinische Verläufe, Komplikationen und Mortalität wurden durch Auswertung der Patientenakten ermittelt. Anhand dieser Daten wurde retrospektiv eine Risikofaktorenanalyse zum Auftreten einer postoperativen Aortenklappeninsuffizienz vorgenommen. Evaluiert wurde auch das morphologische Ergebnis, das echokardiographisch durch die Höhe der Resuspension der rekonstruierten Aortenklappe in der Dacronprothese definiert wurde. Unserer Klassifikation entsprechend erfolgte beim Typ A die Koaptation der Klappensegel innerhalb der Aortenprothese, beim Typ B am Unterrand der Dacronprothese und beim Typ C unterhalb der Dacronprothese im linksventrikulären Ausflusstrakt (Abb. 1). Um die hier beschriebene Methode des klappenerhaltenden Aortenersatzes mit dem etablierten Therapieverfahren, dem Composite-Ersatz mit mechanischer Klappenprothese, vergleichen zu können, wurden „matched pairs“ nach den Kriterien Geschlecht, Alter, Zeitpunkt der Operation, Vorliegen eines Marfan-Syndroms sowie Vorliegen einer Aortendissektion etabliert und analysiert. Detaillierte Informationen zu diesem Vorgehen stehen in einer kürzlich erschienen Publikation zur Verfügung [10].

Ergebnisse Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 28 ± 20 Monate bei einer Spanne von minimal 1 bis maximal 70 Monate postoperativ. Kumulativ wurden 1824 Monate ausgewertet. Aufgetretene Komplikationen sind in

Abb. 1 Resuspensionstyp und Schwere der postoperativen Aortenklappeninsuffizienz

Tabelle 2 aufgeführt. Die Frühmortalität betrug 2,1% (3 Patienten). Bei 3 Patienten kam es perioperativ zu transitorisch-ischämischen Attacken (TIA), welche sich in allen 3 Fällen ohne Residuen zurückbildeten. Wegen einer postoperativen Nachblutung mussten 3 Patienten rethorakotomiert werden. Mit 2 verstorbenen Patienten betrug die Spätmortalität 1,4 %. Ein Patient starb 20 Monate nach der Operation bei zusätzlich bestehender koronarer Herzkrankheit am plötzlichen Herztod. Ein weiterer Patient verstarb 5 Monate postoperativ an einer septischen Endokarditis. Obwohl aus der Anamnese eine 2-malige bakterielle Endokarditis hervorging, konnten intraoperativ keinerlei Residuen einer solchen Erkrankung ausgemacht werden. Nach erfolgreicher Klappenrekonstruktion entwickelte der Patient eine akute Endokarditis mit Perforation von Aorten- und Mitralklappe sowie Abszedierung des Mitralklappenanulus und aortoatrialer Fistelbildung. Bei akuter Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz wurden ein Mitralklappenersatz sowie ein Ersatz der Aortenklappe und Aorta ascendens mit einer Composite-Prothese notwendig. Der Patient verstarb 3 Tage nach der 2. Operation im septischen Schock. Tabelle 2 Komplikationen nach Aortenklappenrekonstruktionen Anzahl n

Anteil [%]

Perioperativ TIA 3 2,1 Rethorakotomie (Blutung) 3 2,1 Frühmortalität 3 2,1 Follow-up (28  20 Monate (minimal 1 – maximal 80); kumulativ 1824 Monate) Spätmortalität 2 1,4 1-mal Mitralklappenendokarditis 1-mal plötzlicher Herztod (KHK) Thrombembolie / Blutung 0 Reoperation wegen AI 3 2,1

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Abb. 2 Reoperationsrate nach Aortenklappenrekonstruktionen

Bei 3 von 140 Patienten (2,1%) entwickelte sich postoperativ eine interventionsbedürftige Aortenklappeninsuffizienz, die zur Reoperation und zum mechanischen Aortenklappenersatz führte (Abb. 2). Sowohl die Implantation der Aortenklappenprothese (23-mm-St.Jude-Medical®-HP) innerhalb der Dacronprothese als auch der postoperative Verlauf gestalteten sich bei diesen Patienten unkompliziert. Während der Grad der Aorteninsuffizienz präoperativ durchschnittlich 2,3 betrug, verbesserte er sich frühpostoperativ auf 0,3, wobei bei nur 2 Patienten eine Aorteninsuffizienz Grad 2 ermittelt wurde. Im Verlauf verschlechterte sich dieser Durchschnittswert marginal auf 0,4, wobei jedoch besagte 3 Patienten wegen progredienter Aorteninsuffizienz (Grad 3) elektiv reoperiert werden mussten. Alle anderen Patienten weisen eine stabile Funktion ihrer Klappenrekonstruktion ohne relevante Zunahme des Insuffizienzgrads gegenüber der frühpostoperativen Untersuchung auf. Eine Risikofaktorenanalyse für das postoperative Auftreten einer Aorteninsuffizienz ≥ Grad 2 wurde bei 40 Patienten mit einer Mindestnachbeobachtungszeit von 1 Jahr durchgeführt. Sie schloss den Einfluss von Alter, Geschlecht, Vorliegen eines Marfan-Syndroms, Durchmesser des Aneurysmas, präoperativem Grad der Aorteninsuffizienz sowie Diameter der verwendeten Prothese aus. Signifikanten Einfluss (p < 0,001) auf die Entwicklung einer Aortenklappeninsuffizienz hatte nur die Höhe der Resuspension der Aortenklappe im Verhältnis zum unteren Rand der Prothese (Abb. 1). Lag die Resuspension innerhalb oder auf der Höhe des proximalen Prothesenendes (Typ A und Typ B), war der Grad der Aorteninsuffizienz deutlich niedriger als bei Typ C, bei welchem die Resuspension unterhalb der Prothese lag. Alle Patienten, die einer Reoperation bedurften, hatten in der frühpostoperativen echokardiographischen Kon-

trolle einen Typ C. Seit Modifikation der Operationstechnik mit deutlich tieferer Implantation der Prothese in der Aortenwurzel und maximaler Elevation der Komissuren in der Prothese ist weder echokardiographisch ein solcher Rekonstruktionstyp nachweisbar gewesen noch wurde eine frühe Korrektur einer postoperativen Aorteninsuffizienz nötig. Die echokardiographische Beurteilung der Klappenmorphologie (ebenfalls n = 40 Patienten) ergab in 85% der Fälle unauffällige Segel, in 12,5% eine Hyperreflexibilität und bei 1 Patienten (2,5%) eine Verdickung der Segel. Kalzifikationen, Strukturdefekte oder sogar schwere Degeneration durch Kontakt der Klappe mit der Prothesenwand wurden nicht beobachtet und sind auch bisher in unserem gesamtem Patientenkollektiv nicht nachweisbar gewesen. Während des gesamten Nachbeobachtungszeitraums kam es weder zu thrombembolischen Komplikationen noch zu Blutungen. In einer Matched-pair-Analyse zum Vergleich von Composite-Ersatz und Aortenklappenrekonstruktion konnten vergleichbare intra- und perioperative Ergebnisse erzielt werden. Die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation und des gesamten Krankenhausaufenthalts sowie die Verbesserung der Leistungsfähigkeit, ausgedrückt in NYHA-Klassen, zeigten zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Die Bypasszeit an der Herz-Lungen-Maschine sowie die Aortenklemmzeit waren signifikant länger in der Rekonstruktionsgruppe (p < 0,001), ohne jedoch einen Einfluss auf die postoperative Morbidität zu zeigen. Mortalität und technische Komplikationen waren vergleichbar, wobei 1 Patient dieser Untergruppenanalyse nach Aortenklappenrekonstruktion wegen einer AI 3. Grads reoperiert werden musste. Einen klinisch relevanten signifikanten Unterschied zwischen den beiden Therapiestrategien zeigen die postoperativ aufgetretenen Komplikationen:

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Abb. 3 Belastungshämodynamik nach Aortenklappenrekonstruktion

Während in der Rekonstruktionsgruppe keine thrombembolischen Ereignisse oder Blutungen dokumentiert wurden, kam es in der Composite-Gruppe unter Marcumar bei 6 Patienten zu solchen Zwischenfällen (1 Schlaganfall, 5 Blutungen) (p = 0,027). Zusätzlich wurde auch die Belastungshämodynamik bei Patienten nach Aortenklappenrekonstruktion und Composite-Ersatz untersucht und mit einem Normalkollektiv verglichen. Während das Herzzeitvolumen und die Herzfrequenz in allen 3 Gruppen vergleichbar anstiegen, zeigte sich über der Aortenklappenprothese in der Composite-Gruppe ein signifikant höherer Druckgradient sowohl in Ruhe als auch unter Belastung im Vergleich zur Rekonstruktions- bzw. Kontrollgruppe (p < 0,01) (Abb. 3). Als Ursache ist die deutlich geringere Aortenklappenöffnungsfläche der mechanischen Prothese im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen zu nennen. Des Weiteren konnte keine relevante Zunahme einer minimalen Aorteninsuffizienz bei diesen Patienten unter Belastung nachgewiesen werden. Die Erweiterung des linken Ventrikels, geschädigt durch die präoperativ bestehende AI, ließ sich erwartungsgemäß durch die Rekonstruktion der Aortenklappe rückgängig machen. Sowohl enddiastolischer (EDD) als auch endsystolischer Diameter (ESD) reduzierten sich signifikant innerhalb des ersten Jahrs postoperativ [EDD (mm) prä: 59 ± 9; post: 49 ± 6, ESD prä: 42 ± 7; post: 35 ± 6, (p < 0,001)]. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für die Reduktion der linksventrikulären Muskelmasse. Schon direkt postoperativ war die errechnete Muskelmasse (LVM) signifikant reduziert, auch hier verstärkte sich dieser Effekt nach 1 Jahr. Keinen relevanten Unterschied ergab der Vergleich des „fractional shortening“ (FS) zwi-

schen präoperativ und postoperativ bzw. nach 1 Jahr. In einer Untergruppe von n = 5 Patienten, in welcher alle Patienten präoperativ eine FS < 25% aufwiesen, verbesserte sich die FS deutlich und verfehlte, trotz kleiner Patientenzahl nach 1 Jahr, nur knapp das Signifikanzniveau (p = 0,07).

Fazit Die Aortenklappenrekonstruktion durch Reimplantation in eine Dacronprothese erlaubt einen zuverlässigen und reproduzierbaren Klappenerhalt bei gleichzeitigem Ersatz der Aorta ascendens. Die perfekte initiale Klappenkoaptation scheint eine essenzielle Voraussetzung für die langfristige Kompetenz zu sein. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes stellt die Reoperation wegen rezidivierender Aortenklappeninsuffizienz, welche als Nachteil dieser Methode angenommen worden war, eine selten auftretende Komplikation dar. Eine frühzeitige Degeneration der Klappe durch möglichen Kontakt mit der Prothesenwand, wie sie von anderen Gruppen diskutiert wurde [12], konnte in unseren Patienten bis jetzt nicht beobachtet werden. Größter Vorteil dieser Methode im Vergleich zum Composite-Ersatz von Aortenklappe und Aorta ascendens ist der Verzicht auf eine Antikoagulation mit Macumar und damit der Wegfall der bekannten thrombembolischen Komplikationen und Blutungsrisiken. Dieser Vorteil sowie eine exzellente Belastungshämodynamik und LV-Erholung lassen das beschriebene Verfahren als Therapie der Wahl erscheinen.

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