Schwerpunkt: Schwindel und Synkope Internist 2015 · 56:12–19 DOI 10.1007/s00108-014-3552-4 Online publiziert: 7. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

G. Simonis1 · U. Gerk2 · F. Pabst2 · J. Machetanz3 · S.G. Spitzer1 · S. Schellong2

Schwerpunktherausgeber:

Reflexsynkopen und Synkopen bei orthostatischer Hypotonie

S. Schellong, Dresden

Reflexsynkopen und orthostatische Synkopen sind – im Gegensatz zu den in den anderen Artikeln abgehandelten kardialen Synkopen und der neurogen oder psychogen getriggerten akuten Bewusstlosigkeit – die „harmlose“ Form der Synkopen. Gleichwohl haben Patienten mit häufigen Reflexsynkopen oft einen sehr hohen Leidensdruck und unterliegen, nicht zuletzt durch die oft eintretende Limitation des Bewegungsradius bei häufigen Episoden, erheblichen gesellschaftlichen Einschränkungen. Beide Synkopenformen sind häufig. Etwa 40% der Bevölkerung erleiden in ihrem Leben mindestens eine Synkope. Davon sind etwa zwei Drittel diesen Synkopenformen zuzurechnen [1]. Das typische Erstmanifestationsalter liegt zwischen 10 und 30 Jahren. Mehr als die Hälfte der Patienten mit einer ersten Synkope stellt sich nicht einem Arzt vor [2, 3, 4], sodass das Patientengut, das ärztlich gesehen wird, als stark vorselektiert zu betrachten ist.

Pathophysiologie Der Synkope liegt grundsätzlich ein Blutdruckabfall mit konsekutiver Reduktion des zerebralen Blutflusses zugrunde. Beides muss nicht sonderlich spektakulär sein: Schon ein Blutdruckabfall auf 60 mmHg systolisch mit akuter Reduktion des zerebralen Blutflusses für 6–8 s kann zur Synkope führen [1]. Der Blutdruck ist nach dem ohmschen Gesetz definiert durch Herzzeitvolumen und peripheren Widerstand. Anders als

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1 Praxisklinik Herz und Gefäße, Akademische Lehrpraxisklinik der TU Dresden 2 Städtisches Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt 3 Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt

bei den kardialen Synkopen ist bei Reflex- und orthostatischen Synkopen die Reduktion des peripheren Widerstands der führende Grund für den Blutdruckabfall. Dabei stellen die „kardioinhibitorischen“ Reflexsynkopen und die orthostatischen Synkopen bei Volumenmangel hier Mischformen zwischen beiden Mechanismen dar. (Zur Übersicht über die Synkopenformen s. . Abb. 2 im Beitrag „Schwindel und Synkope: erste Annäherung und diagnostische Pfade“ von Schellong et al. in diesem Heft).

Reflexsynkopen Als Reflexsynkopen (Synonym: neural mediierte Synkopen) wird eine heterogene Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, bei denen die autonomen kardiovaskulären Reflexe, die üblicherweise die Blutdruckhomöostase triggern, inadäquat reagieren und damit verbunden mit Vasodilatation und/oder Bradykardie den zur Synkope führenden Blutdruckabfall auslösen [5]. Anders als bei orthostatischen Synkopen tritt diese Reaktion verzögert, oft erst 10–20 min nach Beginn eines beteiligten Orthostasereizes auf. Sie werden üblicherweise als führend vasodepressorisch (Verlust des Gefäßtonus), führend kardiodepressiv (Bradykardie/Asystolie) oder gemischtförmig klassifiziert. Die ventrikuläre Hypothese der Entstehung von Reflexsynkopen besagt, dass primär ein Orthostasereiz vorliegt, der zur Barorezeptoraktivierung führt und sympathoadrenerg beantwortet wird. In der kompensierten Frühpha-

se kommt es zu einer vermehrten Inotropie, Chronotropie und peripheren Vasokonstriktion. In Kombination mit der durch die Orthostasereaktion verminderten Vorlast führt die induzierte ventrikuläre Hyperkontraktilität zu einer starken Entleerung des linken Ventrikels und dann zur Reizung ventrikulärer Mechanorezeptoren (C-Fasern), die dann reflektorisch die Hypotonie und Bradykardie auslösen, die zur Synkope führen [6].

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Bei Reflexsynkopen liegt primär ein Orthostasereiz vor

Abzugrenzen sind Synkopen durch direkte Vagusreizung wie bei sehr starken Emotionen oder starkem Schmerz oder bei der Dehnung viszeraler Hohlorgane. Viele Autoren versuchen auch, die Synkopen nach ihrem Auslöser zu klassifizieren (. Tab. 1). Grundsätzlich können die genannten Auslöser zu beiden Synkopentypen (kardiodepressiv oder vasodepressorisch) führen, sodass pathophysiologisch diese Einteilung deutlich weniger sinnvoll erscheint. Die klare Identifikation von Auslösern unterstützt aber häufig anamnestisch die Einordnung der Synkopen und trägt so dazu bei, unnötige Diagnostik zu vermeiden. Typisch für Reflexsynkopen ist der Beginn der Symptomatik bei jüngeren Patienten, vor allem bei Frauen.

Schwerpunkt: Schwindel und Synkope Tab. 1  Klassifikation der Reflexsynkopen nach Auslöser. (Adaptiert nach [1]) Vasovagal Situativ

Synkope bei Karotissinussyndrom Atypische Formen

Bei starkem emotionalen Stress, Schmerz, Blutphobie, Angst verstärkt durch orthostatischen Stress Husten, Niesen Gastrointestinale Stimulation (Defäkation, Erbrechen) Miktion Nach Belastungen Postprandial Direkte Stimulation des Karotissinus

Auf dem Kipptisch reproduzierbare Synkopen ohne strukturelle Herzerkrankungen und ohne eindeutige Trigger

Tab. 2  Klassifikation der orthostatischen Synkopen. (Adaptiert nach [1]) Primäres autonomes Versagen Sekundäres autonomes Versagen Medikamentös induziert Volumendepletion

Bei neurologischen Systemerkrankungen wie Demenz, Parkinson, etc. Bei Diabetes, Amyloidose, Urämie, Rückenmarksverletzungen etc. Alkohol, Vasodilatatoren, Diuretika, Antidepressiva, etc. Blutverlust, Erbrechen, Durchfall

Orthostatische Synkopen Im Gegensatz zu den Reflexsynkopen sind orthostatische Synkopen eine Erkrankung des älteren Menschen, die selten vor dem 40. Lebensjahr auftritt. Den orthostatischen Synkopen liegt keine akute situative, sondern eine chronische Störung der sympathisch mediierten Vasokonstriktion zugrunde [7], die sich auch außerhalb der Akutsituation als abnormaler Blutdruckabfall im Stehen nachweisen lässt. Ätiologisch sind die in . Tab. 2 aufgezählten Mechanismen zu diskutieren.

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Die orthostatische Hypotension tritt ohne Bradykardie auf Obwohl pathophysiologisch eine eindeutige Unterscheidung möglich ist, kommt es zu klinischen Überlappungen mit Reflexsynkopen, die auch durch Orthostasereize ausgelöst werden können. Das sog. Syndrom der Orthostaseintoleranz kann mit anderen vegetativen Erscheinungen wie Schwindel, Kaltschweißigkeit, Palpitationen, Schwäche, Ohrgeräuschen, Sehstörungen etc. verknüpft sein. Diese Symptome können beiden Synkopenformen als typische Prodromi vorangehen.

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Die klassische orthostatische Hypotension tritt in aufrechter Körperhaltung sehr rasch auf. Dabei fällt der systolische Blutdruck um 20 mmHg und der diastolische Blutdruck um 10 mmHg innerhalb der ersten 3 min ab. Sie kann aber auch langsam und progressiv verlaufen. In klarer Abgrenzung zur Reflexsynkope geht sie aber nicht mit einer Bradykardie einher. Durch orthostatische Reize ausgelöste Reflexsynkopen zeigen nahezu immer typische Prodromi und treten in aufrechter Körperhaltung erst nach einer Zeit der physiologischen Kreislaufreaktion auf [1].

Anamnese Grundsätzlich kann, wie im Beitrag von Schellong et al. in diesem Heft beschrieben, die Anamnese die zentralen Hinweise auf die Genese der Synkope geben. Als Grundüberlegung gilt immer: F Reflexsynkopen treten mit Abstand am häufigsten auf, vor allem bei jüngeren Leuten. F Am zweithäufigsten sind kardiovaskuläre Synkopen, im Durchschnitt eher bei älteren Leuten. F Orthostatische Synkopen treten selten unter 40 Jahren auf und werden mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger. F Die Abgrenzung zur „unklaren Bewusstlosigkeit“ ist gerade bei jünge-

ren Patienten wichtig und manchmal schwierig. Hieraus resultiert, dass es sich bei einer Synkope des jüngeren Menschen um eine Reflexsynkope handelt, während bei älteren Patienten eine kardiale Basisabklärung immer sinnvoll ist.

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Bei älteren Patienten ist eine kardiale Basisabklärung immer sinnvoll Als zweiter Schritt ist eine dezidierte Anam­nese hinsichtlich der Situation, in der die Synkope auftritt, empfehlenswert. Oft lassen sich typische Auslöser eruieren, wie starke vagale Reize bzw. Situationen (gilt auch für Miktion/Defäkation oder im Rahmen emotional aversiv attribuierter Situationen), Schmerzreize etc., die in vielen Situationen durch orthostatische Reaktionen verstärkt werden. Letzteres tritt altersunabhängig auf. Klassische Beispiele sind die Synkope des Medizinstudenten während der Operation (unangenehme Gerüche, zusätzlich Orthostase) oder die Miktionssynkope des älteren Mannes (Synkope während der nächtlichen Miktion im Stehen bei ohnehin vagal dominierter Kreislaufsituation). Viele Patienten beschreiben, sich schon im Vorfeld nicht wohl gefühlt zu haben, evtl. im Sinne unterschwelliger Infekte mit resultierender inflammatorischer Vasodilatation und schon vor dem Ereignis niedrigem Blutdruck. Der dritte relevante Schritt ist die Medikamentenanamnese. Insbesondere vasodilatierend wirkende Medikamente können Orthostasereaktionen verstärken, vor allem bei geringer Trinkmenge. Ein Beispiel ist die klassische Nitratsynkope nach unkontrollierter Nutzung kurz wirksamer Nitrate. Es gibt jedoch vielfältige andere Substanzgruppen, wie z. B. Dopaminagonisten oder Trizyklika, die ebenfalls vasodilatierend wirken und zu Synkopen beitragen können. Eine Übersicht über Medikamentengruppen, die mit Synkopen in Verbindung stehen können, findet sich in der Tabelle bei Gerk et al. in diesem Heft. Zu diskutieren ist dann, ob im Rahmen der medikamentösen Polypragmasie, die sich bei älteren Patien-

Zusammenfassung · Abstract ten häufig findet, auf einzelne Substanzen verzichtet werden kann.

Diagnostik Die grundsätzliche Diagnostik der Synkopen wird ausführlich im Beitrag von Schellong et al. in diesem Heft beschrieben. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass bei der ersten, anamnestisch hochwahrscheinlichen Reflexsynkope des jüngeren Patienten eine breite apparative Abklärung nicht sinnvoll ist. An dieser Stelle soll insbesondere auf 2 Tests eingegangen werden, die Reflexsynkopen und orthostatische Synkopen im Bedarfs-/Rezidivfall näher klassifizieren können. Dabei handelt es sich um den Orthostasetest („Schellong-Test“) und die Kipptischuntersuchung.

Orthostasetest Anzuwenden ist der klassische Orthostasetest bei klinischem Verdacht auf orthostatische Synkopen, d. h. Synkopen, die sehr rasch nach Beginn des Orthostasereizes auftreten. Der Patient stellt sich nach längerer Ruhephase im Liegen aktiv hin. In halbminütigen Abständen werden Herzfrequenz und Blutdruck für mindestens 3 min gemessen. Empfohlen wird eine manuelle Messung des Blutdrucks, da die zu erwartenden Schwankungen bei den oszillometrischen Geräten häufig zu Fehlermeldungen führen. Als beweisende Orthostasereaktion gilt ein Abfall des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg bzw. unter 90 mmHg und des diastolischen Blutdrucks um 10 mmHg mit gleichzeitiger Symptomatik. Ein asymptomatischer Blutdruckabfall um die genannten Werte wird als suggestiv betrachtet, wenn auch mit geringerer diagnostischer Stärke [1].

Kipptischuntersuchung Die Kipptischuntersuchung dient der Reproduktion von Reflexsynkopen im kontrollierten Umfeld. Die passive Aufrichtung des Patienten in den Stand nach einer Ruhephase führt zu einer im Vergleich zum aktiven Orthostasetest stärkeren Reduktion des venösen Blutrückflusses zum Herzen. Diese wird zunächst adrenerg kompensiert, führt dann aber

Internist 2015 · 56:12–19  DOI 10.1007/s00108-014-3552-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 G. Simonis · U. Gerk · F. Pabst · J. Machetanz · S.G. Spitzer · S. Schellong

Reflexsynkopen und Synkopen bei orthostatischer Hypotonie Zusammenfassung Hintergrund.  Reflexsynkopen treten bei jüngeren Patienten auf, sind häufig und prognostisch als harmlos einzuordnen. Zur typischen Reflexsynkope gehört der Orthostasereiz mit verzögerter pathologischer Kreislaufreaktion verbunden mit Bradykardie (kardioinhibitorische Komponente) und Hypotonie (vasodepressorische Komponente). Abzugrenzen, aber ähnlich, sind Synkopen bei direkter Vagusreizung und situative Synkopen, bei denen die Vagusreizung oft über unklare Mechanismen erfolgt. Orthostatische Synkopen betreffen vor allem ältere Patienten und werden durch eine insuffiziente sympathische Vasokonstriktion vermittelt. Anders als Reflexsynkopen treten sie sehr rasch nach Beginn des Orthostasereizes auf. Diagnostik.  In vielen Fällen ist die Anamnese diagnostisch wegweisend. Eine spezifische Diagnostik ist nur bei rezidivierenden Synkopen notwendig. Die Kipptischuntersuchung kann bei auffälligen Befunden wegweisend sein, ist aber im negativen Fall wenig spezi-

fisch. Implantierbare Eventrecorder können zumindest die asympathikotone Komponente der Reflexsynkopen mit deutlich höherer Sensitivität nachweisen. Therapie.  Therapeutisch werden neben der Vermeidung der Auslösesituation und der Reaktion auf Prodromi vor allem physikalische Gegendruckmanöver empfohlen. Eine Medikation mit α-adrenergen Agonisten oder Fludrocortison hilft nur bei orthostatischen Synkopen. Für Reflexsynkopen gibt es keine wirksame medikamentöse Therapie. Bei orthostatischen Synkopen sollte unbedingt die Begleitmedikation (Antihypertensiva) angepasst werden. Selektierte Patienten mit vorherrschenden kardioinhibitorischen Reflexsynkopen profitieren von einer Herzschrittmacherversorgung. Schlüsselwörter Reflexsynkopen · Orthostatische Synkopen · Prodromalsymptome · Kipptischuntersuchung · Herzschrittmacher

Reflex syncope and syncope secondary to orthostatic hypotension Abstract Background.  Reflex syncope predominantly occurs in younger patients and is the most common type of syncope. Typical contributors to reflex syncope are orthostatic stress, followed by a delayed and inadequate circulatory response consisting of bradycardia (cardioinhibitory type) and hypotension (vasodepressor type). Comparably, syncope may occur after direct activation of the vagus nerve, after emotional distress or pain, and in specific situations, such as coughing and post-micturition. The latter situations are mediated by indirect vagus nerve activation by usually unknown mediators. Syncope mediated by orthostatic hypotension occurs in elderly patients and is mediated by insufficient sympathoadrenergic vasoconstriction, occurring shortly after the onset of the orthostatic situation. Diagnostics.  A thorough examination of the patient history is the mainstay of diagnostics. Specific testing is only required in uncertain and recurrent cases. In addition to standard

im Sinne des pathologischen vegetativen Reflexes nach einer zeitlichen Latenz zu Blutdruck- und Frequenzabfall. Es gibt multiple unterschiedliche Protokolle für Kipptischuntersuchungen. Üb-

diagnostics, tilt table testing can be helpful. A negative tilt test is, however, not definitive. Implanted loop recorders are helpful to diagnose the cardioinhibitory component of reflex syncope and are more sensitive than tilt testing. Therapy.  Treatment of both types of syncope consists of avoiding known situations leading to syncope, early reaction to prodromal syndromes, and physical counterpressure manoeuvers. Drug treatment (e.g. alpha-adrenergic agonists and fludrocortisone) are effective only in patients with orthostatic syncope. In selected patients with reflex syncope of a predominantly cardioinhibitory type, pacemaker implantation may be considered in selected patients. Keywords Syncope, vasovagal · Orthostatic intolerance · Prodromal symptoms · Tilt table test · Cardiac pacing, artificial

lich ist der Versuch einer pharmakologischen Demaskierung des Reflexes durch sublinguale Nitratgabe vor oder kontinuierliche niedrigdosierte Isoproterenolinfusion während des Stehversuchs. Nach Der Internist 1 · 2015 

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Schwerpunkt: Schwindel und Synkope

Abb. 1 9 Synkopentypen während der Kipptischuntersuchung. (Adaptiert nach [9, 10]). a Typische Reflexsynkope auf dem Kipptisch. Deutlich verzögert zum Hinstellen des Patienten setzt erst der Blutdruckabfall (vasodepressorische Komponente) und dann der Frequenzabfall ein mit resultierender Asystolie von 9,8 s. b Typische Verläufe von Herzfrequenz (HR) und Blutdruck (BP) auf dem Kipptisch. „Tilt“ Kippe, „upright“ aufrecht, OH: AF orthostatische Hypotension bei autonomem Versagen

einer Ruhephase von meist 20 min wird der Stehversuch in einem Winkel von 60–70° für 20–45 min durchgeführt [1]. Als pathologischer Test gilt die Induktion einer Hypotonie/Bradykardie asso-

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ziiert mit Synkope oder Präsynkope. Je nach Puls- und Blutdruckverlauf kann eine Unterscheidung zwischen kardioinhibitorischem, vasodepressivem oder gemischtem Typ der Synkope getroffen

werden (. Abb. 1). Während der pathologische Kipptischversuch als beweisend für die Synkopengenese gilt, schließt jedoch ein unauffälliger Befund eine Reflexsynkope nicht aus. Betont werden

Vermeidung von Verletzungen und Rezidiven. Während die Reduktion der Sterblichkeit ein wichtiges Thema bei kardialen Synkopen ist, ist dieses Therapieziel für orthostatische und Reflexsynkopen aufgrund der immanent guten Prognose der Erkrankung nachrangig [1, 6].

Stehtraining

Therapieziel ist die Vermeidung von Verletzungen und Rezidiven

Medikamentöse Therapie

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Abb. 2 8 Physikalische Gegendruckmanöver. (Mit freundl. Genehmigung Prof. Dr. G. Simonis)

muss, dass die diagnostische Effizienz der Kipptischuntersuchung deutlich niedriger ist als die von implantierten Eventrecordern, auch wenn diese führende hypotensive Symptome nicht aufzeichnen [8]. Die Kipptischuntersuchung ist eine zeit- und personalaufwendige Untersuchung. Daher sollte sie den rezidivierenden Synkopen vorbehalten sein, die sich anamnestisch nicht eindeutig klären lassen. Anamnestisch mit hoher Wahrscheinlichkeit einzuordnende Synkopen stellen keine Indikation dar. Hilfreich kann dagegen die Abgrenzung des Reflexcharakters der Reflexsynkope von anderen Formen der unklaren Bewusstlosigkeit (psychogener Bewusstseinsverlust, Epilepsie) bzw. die Abgrenzung der orthostatischen Synkope vom Stolpersturz des älteren Patienten sein.

Therapie Therapieziele in der Behandlung von Synkopen sind grundsätzlich die Vermeidung von Todesereignissen sowie die

Zur Vermeidung von Rezidiven und Reduktion von Verletzungen ist es sehr hilfreich, die Auslöser der Synkopen zu kennen. Bei typischen Auslösern reicht es i.d.R., diese zu vermeiden (z. B. bei Miktionssynkopen des älteren Mannes der Wechsel auf Miktion im Sitzen) bzw. beim Auftreten von Prodromi geeignete Schutzmaßnahmen wie das Hinlegen oder Gegendruckmanöver (s. unten) zu ergreifen. Parallel sollten typische Trigger wie Hypovolämie oder Husten bei rezidivierenden Hustensynkopen behandelt werden. Blutdrucksenkende Medikamente oder Substanzen (Alkohol) sollten überprüft bzw. vermieden werden. Eine spezifische Therapie kann sinnvoll sein bei Patienten mit sehr häufigen, nicht vorhersagbaren Synkopen, die die Lebensqualität einschränken, bei sehr kurzen Prodromi mit konsekutiv hohem Verletzungsrisiko und bei Synkopen, die in Risikosituationen auftreten (Autofahren, Fliegen, Maschinenbedienung).

Reflexsynkopen Zur Behandlung von Reflexsynkopen stehen nachfolgend beschriebene Optionen zur Verfügung.

Physikalische Gegendruckmanöver

Mehrere klinische Studien konnten zeigen, dass Gegendruckmanöver (Überkreuzen der Beine, isometrischer Zug der Hände ähnlich wie zur Reflexbahnung) einen signifikanten Blutdruckanstieg bei drohender Reflexsynkope bewirken und in den meisten Fällen den Bewusstseinsverlust verhindern können [1, 6, 11]. Daher gelten diese Manöver inzwischen als Therapiestandard (. Abb. 2)

Bei hochmotivierten jungen Patienten kann ein Stehtraining mit progressiver Verlängerung der Stehperiode das Wiederauftreten von Synkopen verhindern. Die Datenlage dazu ist allerdings äußerst heterogen [1, 6]. Vielfältige Medikamente sind zur Therapie von Reflexsynkopen getestet worden. Während es in kleinen unkontrollierten Studien teilweise positive Effekte gab, waren prospektive, kontrollierte Studien i.d.R. nicht in der Lage, diese Effekte zu reproduzieren. Zu diesen Medikamenten gehören die vielfältig empirisch verwendeten β-Blocker [12], Disopyramid, Scopolamin, Theophyllin, Ephedrin, Etilefrin, Clonidin und die Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Zu der häufig empirisch verwendeten Substanz Paroxetin und zur Volumenexpansion mit Fludrocortison fehlen Daten für Patienten mit Reflexsynkopen. Insgesamt spielt bei Reflexsynkopen die medikamentöse Therapie allenfalls als Therapieversuch bei Versagen aller anderen Maßnahmen eine Rolle. Ein aktuelles Cochrane-Review war ebenfalls nicht in der Lage, aus der Studienlage einen klaren Nutzen für irgendeine Medikation zu identifizieren [13].

Herzschrittmachertherapie

Fünf randomisierte Studien haben bei insgesamt 318 Patienten den Effekt einer Herzschrittmachertherapie bei rezidivierenden Reflexsynkopen untersucht. Insgesamt zeigen sich Synkopenrezidive bei 21% der Schrittmacherpatienten und bei 44% der Kontrollpatienten (p2 l/ Tag) und Kochsalzzufuhr (>10 g/ Tag). Das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper wird empfohlen, um die nächtliche Diurese zu reduzieren. Das rasche Trinken kalten Wassers soll bei Prodromi der Orthostase helfen [16]. F Bei manchen Patienten helfen Kompressionsstrümpfe oder Bauchbinden zur Reduktion des venösen Poolings. Zusätzlich sollen die Patienten ermutigt werden, physikalische Gegendruckmanöver durchzuführen. F Mehrere kleinere Studien belegen bei orthostatischen Synkopen den Nutzen von α-Agonisten (z. B. Midodrin

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[17]) oder Fludrocortison. Diese Ansätze können versucht werden, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen.

Prognose Patienten mit Reflexsynkope ohne Vorliegen einer strukturellen oder elektrischen Herzerkrankung haben quoad vitam eine exzellente Prognose [2, 6, 8]. Für Patienten mit orthostatischen Synkopen gilt, dass ihre Mortalität etwa 2-fach höher ist als die der Normalbevölkerung, was aber durch die Begleiterkrankungen dieser Patienten und nicht durch die Synkopen selbst bedingt ist [1]. Das Rezidivrisiko von Synkopen wird in populationsbasierten Studien mit etwa 30% in 3 Jahren angegeben. Der stärkste Prädiktor für ein Rezidiv ist die Zahl der schon zuvor aufgetretenen Synkopen. Beispielsweise beträgt bei Patienten über 40 Jahre ohne Herzerkrankung mit einer oder zwei unklaren Synkopen in der Anamnese das Wiederholungsrisiko 20% in 2 Jahren, während Patienten mit drei erlebten Synkopen ein Wiederholungsrisiko von 40% in 2 Jahren aufweisen [18]. Etwa 6% der Synkopen führen zu schwerwiegenden und 29% zu leichten Verletzungen [1]. Das Verletzungsrisiko bei Rezidivsynkopen entspricht dem in der Erstsituation.

Fahrtauglichkeit Synkopen treten insgesamt sehr selten während des Autofahrens auf. Synkopenpatienten haben in Reihenuntersuchungen ein niedrigeres Unfallrisiko als Patienten ohne Synkopen [1]. Daher sind Reflexsynkopen grundsätzlich nach den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC; [1]) und den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Fahreignung bei kardiovaskulären Erkrankungen [19] keine Kontraindikationen zur Teilnahme am Straßenverkehr. Ausnahmen stellen lediglich unkontrollierte, häufige Symptome und das berufliche Führen von Kraftfahrzeugen bei Personen, deren Synkopen beim Autofahren auftreten, dar.

Fazit für die Praxis F Reflexsynkopen sind die häufigste Synkopenform und betreffen vor allem jüngere Patienten. F Orthostatische Synkopen treten mit zunehmendem Alter gehäuft auf. F Die Anamnese ist der Schlüssel zur Diagnosestellung. Orthostasetest, Kipptischuntersuchung und Eventrecorder können zur Diagnosestellung beitragen. F Therapeutisch ist das Kennen und die Vermeidung von Auslösesituation, die unmittelbare Reaktion auf Prodromi und die Anwendung physikalischer Gegendruckmanöver entscheidend. F Für Reflexsynkopen gibt es keine Medikamente mit Wirksamkeitsnachweis. F Bei orthostatischen Synkopen helfen Volumen- und Salzsupplementation, Volumenexpansion mit Fludrocortison sowie Vasokonstriktion mit   α-Agonisten, weiterhin ggf. das Tragen von Stützstrümpfen. F Bei selektierten Patienten mit kardioinhibitorischen Synkopen ist eine Herzschrittmacherimplantation zu erwägen. F Beide Synkopentypen haben eine gute Prognose.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. G. Simonis Praxisklinik Herz und Gefäße, Akademische Lehrpraxisklinik der TU Dresden Forststr. 3, 01099 Dresden prof.simonis@ praxisklinik-dresden.de

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  G. Simonis, U. Gerk, F. Pabst, J. Machetanz, S.G. Spitzer und S. Schellong geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb dieses Beitrags zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.

Lesetipps

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Nationale Kohorte: Pretests für Infektionskrankheiten Trotz großer Fortschritte in der Medizin, sind noch viele Fragen zu chronischen Krankheiten, deren Entstehung sowie Prävention offen. Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Gesundheitsstudie „Nationale Kohorte“. Seit Anfang 2014 werden in der Studie über die nächsten 20 Jahren bundesweit 200.000 Teilnehmer zwischen 20 und 69 Jahren medizinisch untersucht und zu ihren Lebensgewohnheiten und zum sozialen Umfeld befragt. Das Schwerpunktheft „The German National Cohort (GNC)Results of Pretests on Infectious Disease Studies“(Ausgabe 11/2014) der Zeitschrift Bundesgesundheitsblatt stellt in u.a. folgenden Beiträgen die Ergebnisse der ersten Machbarkeitsstudien (Pretests) für den Bereich Infektionskrankheiten vor: 5 Collection of vaccination data in the German National Cohort 5 Evaluation of a questionnaire to assess selected infectious diseases and their risk factors 5 Zoonoses research in the German National Cohort Bestellen Sie diese Ausgabe zum Preis von 16,- EUR zzgl. Versandkosten bei Springer Customer Service Center Kundenservice Zeitschriften Haberstr. 7 69126 Heidelberg Tel.: +49 6221-345-4303 Fax: +49 6221-345-4229 E-Mail: [email protected]

Volkskrankheit Kopfschmerz Die WHO listet Migräne weltweit unter die 10 Erkrankungen mit den gravierendsten Auswirkungen auf die Lebensqualität und Funktionalität der Betroffenen, wobei auch gelten kann: Krank ist man nicht, krank fühlt man sich. Das Schwerpunktheft „Volkskrankheit Kopfschmerz“ (Ausgabe 8/2014) der Zeitschrift Bundesgesundheitsblatt gibt in folgenden Beiträgen einen Überblick über die verschiedenen Formen von primären Kopfschmerzen, ihre Häufigkeit, ihre Relevanz für die Betroffenen sowie die therapeutischen Möglichkeiten: 5 Genetik primärer Kopfschmerzen 5 Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen 5 Therapie des trigeminoautonomen Kopfschmerzes 5 Aktueller Kenntnisstand und Entwicklungen in der akuten und prophylaktischen Therapie der Migräne Bestellen Sie diese Ausgabe zum Preis von 16,- EUR zzgl. Versandkosten bei Springer Customer Service Center Kundenservice Zeitschriften Haberstr. 7 69126 Heidelberg Tel.: +49 6221-345-4303 Fax: +49 6221-345-4229 E-Mail: [email protected] Suchen Sie noch mehr zum Thema?   Mit e.Med, dem Online-Paket von Springer Medizin, können Sie schnell und komfortabel in über 600 medizinischen Fachzeitschriften recherchieren.   Weitere Infos unter springermedizin.de/eMed.

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[Reflex syncope and syncope secondary to orthostatic hypotension].

Reflex syncope predominantly occurs in younger patients and is the most common type of syncope. Typical contributors to reflex syncope are orthostatic...
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