Klinische Studie

Versorgung isolierter Orbitabodenfrakturen – Rekonstruktion mit präfabriziertem Titanmesh Reconstruction of Isolated Orbital Floor Fractures with a Prefabricated Titanium Mesh

Autoren

W. Reich 1, D. Seidel 1, T. Bredehorn-Mayr 2*, A. W. Eckert 1*

Institute

1 2

Schlüsselwörter " Trauma l " Orbita l " Titanmesh l " Strabologie l Key words " trauma l " orbit l " titanium mesh l " strabism l

eingereicht 7. 10. 2013 akzeptiert 30. 12. 2013 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0033-1360355 Klin Monatsbl Augenheilkd 2014; 231: 246–255 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Dr. Waldemar Reich Universitätsklinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Martin-Luther-Universität HalleWittenberg Ernst-Grube-Straße 40 06120 Halle/Saale Tel.: ++49/(0)3 45/5 57 52 28 Fax: +49/(0)3 45/5 57 52 35 waldemar.reich@ medizin.uni-halle.de

Universitätsklinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale

Zusammenfassung

Abstract

!

!

Einleitung: Bei der operativen Therapie isolierter Orbitabodenfrakturen werden hinsichtlich Sicherheit und Effizienz diverse Verfahren diskutiert. In letzter Zeit fokussiert sich das Interesse auf präformierte Titanmeshes. Ziel der Studie war es, deren Vorteile anhand der Matrix-MidfaceOrbitaplatte® zu analysieren. Material und Methoden: In einer prospektiven Pilotstudie (Juni 2011 bis November 2013) wurden 10 Patienten mit einer isolierten Orbitabodenfraktur in der Studiengruppe ausgewertet. In jedem Fall kam eine Matrix-Midface-Orbitaplatte zum Einsatz. Erfasst wurden Alter, Geschlecht, Kategorie der Fraktur (Jaquiéry et al. 2007), OPDauer, Komplikationen, Beurteilung der Okulomotorik an der Harms-Wand, Spiegelexophthalmometrie, Sensibilität des N. infraorbitalis, Beurteilung der Gesichtssymmetrie und Ästhetik sowie Erfassung der Patientenzufriedenheit. Als Referenzgruppe dienten Patienten, die mit einer PDS-Folie, einem Antralballon oder sonstigen Implantaten rekonstruiert wurden. Ergebnisse: In der Studiengruppe (2 Frauen und 8 Männer im Alter von 26 bis 83 Jahren) lagen ausgedehntere isolierte Orbitabodenfrakturen (> 2 cm2 Defektgröße) der Kategorie II–III vor. Doppelbilder wurden präoperativ von allen Patienten angeben, in 2 Fällen konnte eine Einklemmung des M. rectus inferior im CT bestätigt werden. Die mittlere OP-Dauer betrug 110 Minuten (minimal 50, maximal 135 Minuten). Postoperativ waren in allen Fällen die Doppelbilder regredient und wurden vereinzelt nur noch bei extremen Blickrichtungen beschrieben. Bei keinem der Patienten trat eine relevante Komplikation hinsichtlich des Visus ein, kein erneuter operati-

Purpose: Concerning safety and efficiency in surgery of isolated orbital floor fractures, several treatment modalities are being discussed. It is a matter of recent interest that prefabricated titanium meshes provide significant advantages. The purpose of this study was to review the usability of the MatrixORBITAL® plate. Material and Methods: In a prospective study we evaluated 10 patients (June 2011 to November 2013) with an isolated orbital floor fracture. All patients in the study group had undergone reconstruction with the MatrixORBITAL® plate. For purposes of analysis were recorded: age, gender, fracture category according to Jaquiéry et al. (2007), duration of surgery, complications, globe motility (Harms wall), exophthalmometry, function of the infraorbital nerve, evaluation of facial symmetry and aesthetic as well as personal contentment of the patient. A reference group received a PDS® sheet, an antral balloon or other materials. Results: In the study group (2 women and 8 men aged between 26 and 83 years) all cases presented a large disruption of the orbital floor (> 2 cm2 bony defect; category II–III). Volume changes were universally associated with diplopia, but only in two cases with an entrapment of the inferior rectus muscle. The mean duration of the operation was 110 minutes (minimum 50, maximum 135 minutes). Postoperatively diplopia was decreasing in all cases. None of the patients had a significant impairment of visus and no reoperation was necessary. The analysis of functional outcomes between the groups mesh, PDS sheet and antral balloon revealed no significant differences. Conclusions: Based on this experience and due to good intraoperative handling, the authors recommend the prefabricated titanium plate in the treatment of isolated orbital wall fractures or in combination with the medial wall despite the material costs.

* Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen an dieser Publikation mitgewirkt.

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Einleitung !

Mit dem Wachstum nimmt das Orbitavolumen linear zu und erreicht mit 15 Jahren bereits geschlechtsabhängig Werte um 24– 27 cm3 [1], was den Erwachsenenwerten entspricht [2, 3]. Ände" Abb. 1) und rungen desselben bei Frakturen des Orbitabodens (l die Verlagerung des Orbitainhalts ziehen eine Abweichung der Sehachse unmittelbar nach sich [4–7]. Auch bei kleineren Frakturen können ernsthafte, das binokulare Sehen bzw. den Visus beeinträchtigende Pathologien auftreten [5, 8]. Bei der operativen Versorgung von Patienten mit einer isolierten Orbitabodenfraktur sind neben dem zeitlichen Aspekt und dem operativen Zugang auch die Wahl des geeigneten Rekonstrukti" Abb. 2, 3, und 4) für den Behandlungserfolg beonsmaterials (l deutsam [3, 6, 9, 10]. Gewalteinwirkungen, insbesondere auf den

lateralen Orbitarand, den Infraorbitalrand und direkt auf den Bul" Abb. 5), führen zu Spannungsspitzen am Orbitabobus oculi (l den, was durch verschiedene Untersuchungen zum Frakturmechanismus bestätigt wird [11, 12]. Frakturen der Orbita können einfach nach der Anzahl der betroffenen Wände 1–4 klassifiziert werden [13], die des Orbitabodens " Tab. 1 und im Speziellen z. B. nach Jaquiéry et al. [14], vgl. l Abb. 6. Prinzip der Rekonstruktion ist die Wiederherstellung des Orbitavolumens mit dem Ziel eines bestmöglichen anatomischen, funktionellen und ästhetischen Resultats [15]. Eine dringende OP-In" Abb. 5), die dikation besteht bei einer Muskeleinklemmung (l vegetative Symptome (okulokardialer Reflex) verursacht [6], " Abb. 6), während eine verzögerte Operation, wenn möglich (l nach Abschwellung bevorzugt wird [7, 16, 17].

Abb. 1 a Orbitabodenfraktur links vor (a) und nach (b) Korrektur. Typische Symptome einer Orbitabodenfraktur sind vorwiegend vertikale Motilitätsstörungen, Diplopie, Enophthalmus, Hypoglobus, Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des N. infraorbitalis, Monokelhämatom, orbitopalpebrales Emphysem und Hyposphagma. Das linke Bild zeigt einen deutlichen Hypoglobus links (Palpebrale superius – höchster Punkt des Oberlids – liegt auf Höhe der Bipupillarlinie!) mit konsekutiver funktioneller und ästhetischer Beeinträchtigung. Markiert sind der parallele Verlauf der Bipupillar- und der Stomionlinie.

Abb. 2 Entscheidungskriterien bei der operativen Versorgung von Orbitabodenfrakturen. Zu analysieren sind die einzelnen Strukturen der Orbita und periorbitalen Region.

Abb. 3 Entscheidungskriterien bei der Wahl des Rekonstruktionsmaterials. Die wesentlichen Kriterien sind das Alter der Patienten und die Defektkonfiguration.

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ver Eingriff war erforderlich. Die Auswertung der funktionellen Befunde zwischen den Gruppen Mesh, PDS-Folie und Antralballon ergab keine signifikanten Unterschiede. Schlussfolgerungen: Basierend auf diesen Erfahrungen kann der präfabrizierten Orbitaplatte eine hohe Erfolgsquote mit gutem intraoperativen Handling bescheinigt werden. Gegenwärtig kann deshalb die Anwendung bei ausgedehnten isolierten Frakturen des Orbitabodens oder in Kombination mit Frakturen der medialen Wand empfohlen werden.

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Abb. 4 Materialien zur Rekonstruktion des Orbitabodens. Die Anforderungen an ein ideales Material sind folgende [10, 21]: 1. Biokompatibilität*#; 2. Bioresorbierbarkeit#; 3. bioaktiv, osteoinduktiv; 4. ausreichende Stabilität*#; 5. schnelle Verfügbarkeit*#; 6. einfache Anpassung und Fixierung*(#); 7. Sicherheit gegen Dislokation* 8. Sterilisierbarkeit*#; 9. Röntgenopazität* (* Gilt für das Titanmesh, # gilt für die PDS-Folie; " Abb. 5). PE: Polyethylen, PDO: Polydioxanon, PLA: Polylaktid, PGA: s. l Polyglykolid, HA: Hydroxylapatit.

Kategorie

Beschreibung

I

isolierter Defekt des Orbitabodens/der medialen Wand 1–2 cm2, anteriore ⅔ isolierter Defekt des Orbitabodens/der medialen Wand > 2 cm2, anteriore ⅔ isolierter Defekt des Orbitabodens/der medialen Wand > 2 cm2, anteriore ⅔ Defekt des gesamten Orbitabodens und der medialen Wand > 4 cm2 bis zum posterioren ⅓ reichend Defekt des gesamten Orbitabodens und der medialen Wand > 4 cm2 bis zum posterioren ⅓ und Orbitadach reichend

II III IV V

Bemerkung

Tab. 1 Klassifikation der Orbitabodenfrakturen nach Jaquiéry et al. [14].

knöcherner Vorsprung an der medialen Begrenzung der Fissura orbitalis inferior erhalten knöcherner Vorsprung an der medialen Begrenzung der Fissura orbitalis inferior fehlend knöcherner Vorsprung an der medialen Begrenzung der Fissura orbitalis inferior fehlend

Posttraumatische bzw. postoperative Komplikationen können die äußeren Augenmuskeln, Konjunktiva, Unterlid, die nasolakrimale Drainage etc. betreffen. Auch bei zunächst offensichtlich traumatisch bedingten Doppelbildern sollte gerade bei älteren Patienten auch an andere Ursachen gedacht werden [18]. Hinsichtlich Sicherheit und Effizienz werden diverse Rekonstruktionsverfahren [10, 19–21] mit Blick auf den Langzeiterfolg dis" Abb. 4). Basierend auf den Analysen der Orbitaform kutiert (l [15, 22] fokussiert sich in letzter Zeit das Interesse auf präformierte Titanmeshes, die in der intraoperativen Handhabung Vorteile mit sich bringen sollen. Es war das Ziel der Studie, diese Vorteile zu analysieren.

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Abb. 5 Trap-Door-Fraktur mit Inkarzeration des M. rectus inferior. Im Weichteilfenster der CT (a) imponiert die Einklemmung des o. g. Muskels (Monitoring aufgrund der Bradykardie; okulokardialer Reflex!). Es drohen Ischämie, Vernarbung und Muskelruptur. Postoperativ besteht in der MRTUntersuchung (b) noch eine deutliche Schwellung und Kontrastmittelaufnahme desselben. Unfallmechanismus – stumpfes Trauma durch einen Fußtritt im Schwimmbad.

Material und Methoden !

In einer prospektiven Pilotstudie im Zeitraum von Juni 2011 bis November 2013 wurden Patienten mit einer ausgedehnten isolierten Orbitabodenfraktur ausgewertet, die einer alloplastischen Rekonstruktion mit einem rigiden Material bedurften. Auf die Beschreibung des chirurgischen Vorgehens wird an dieser Stelle verzichtet. Erfasst wurden folgende Daten: Alter, Geschlecht, Kategorie der Fraktur nach Jaquiéry et al. [14] I–V anhand der CT-Daten, OPDauer, Komplikationen und Bulbusmotilität an der Harms-Wand.

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Es folgten die Spiegelexophthalmometrie, Beurteilung der Sensibilität des N. infraorbitalis (4 Parameter), der Gesichtssymmetrie und Ästhetik (Fotos) sowie die Erfassung der subjektiven Patientenzufriedenheit (6 Parameter). Die Daten wurden in einer Excel-Tabelle (Microsoft) erfasst. Die statistische Analyse der BQ-Mittelwerte erfolgte mit dem Programm SPSS (Chicago, IL, USA). Als Rekonstruktionsmaterial kam in der Studiengruppe eine Matrix-MIDFACE® Orbitaplatte (Synthes, Tuttlingen) zum Einsatz, in der Referenzgruppe eine PDS-Folie (Ethicon, Norderstedt), ein Antralballon oder sonstige Implantate. Es fanden routinemäßige Mund-Kiefer-Gesichts-chirurgische und ophthalmologische Nachkontrollen statt.

Ergebnisse

Abb. 6 Defektkategorie III eines 48-jährigen Patienten. Die Krafteinwirkung auf den Infraorbitalrand (Buckling-Force-Theorie), auf den lateralen Orbitarand und direkt auf die Orbita (Hydraulic-Pressure-Theorie) führt zu den größten Spannungsspitzen am Orbitaboden (a koronare, b sagittale Schicht der CT-Untersuchung). Hier resultierte eine „blow out-Fraktur“ der vorderen zwei Drittel des Orbitabodens mit Herniation von Orbitainhalt in die Kieferhöhle [11, 12].

Die mindestens 6 Monate postoperativ erhobenen Daten wurden dann grafisch monokular und binokular dargestellt. In Anlehnung an das Schema von Haase und Steinhorst [23] wurde eine eigene Klassifikation zur Beurteilung der Motilitätseinschränkungen bzw. binokularen Doppelbildwahrnehmung ent" Tab. 2). wickelt (l Zur besseren Vergleichbarkeit des Blickfelds der gesunden mit der kranken Seite wurde zusätzlich ein Blickfeldquotient BQ berechnet. BQ = Blickfeld der therapierten Seite/Blickfeld der nicht therapierten Seite. BQ ≥ 1 wurde als physiologische und BQ < 1 als unphysiologische Bulbusmotilität definiert.

In der vorliegenden prospektiven Auswertung wurden insgesamt 31 Patienten mit einer isolierten Orbitabodenfraktur analysiert. Den mit dem o. g. präformierten Titanmesh versorgten Patienten (n = 10) wurden diejenigen mit einem Antralballon (n = 10), einer PDS-Folie (n = 6) und autolog/kombiniert versorgten Rekonstruk" Tab. 3). tionsmaterialien (n = 5) gegenübergestellt (l Die 10 Patienten der Studiengruppe waren im Alter von 26 bis 83 " Tab. 4, Abb. 7 und 8). Es handelte sich um 2 Frauen und Jahren (l 8 Männer. In allen Fällen lagen ausgedehnte isolierte Orbitabodenfrakturen (> 2 cm2 Defektgröße) der Defektkategorie III nach Jaquiéry et al. [14] vor. Doppelbilder wurden initial von allen Patienten angegeben, in 2 Fällen konnte eine Einklemmung des M. rectus inferior im CT bestätigt werden. Die mittlere OP-Dauer betrug 110 Minuten. Alle Patienten erhielten zur topischen Applikation Isoptomax® Augensalbe (Dexamethason + Neomycin + Polymyxin B; Alcon Pharma) 3 × täglich bzw. systemisch Cefuroxim 2 × 500 mg per os. Postoperativ waren in allen Fällen die Doppelbilder regredient und wurden vereinzelt nur noch bei extremen Blickrichtungen beschrieben. Die Gesichtsästhetik und Symmetrie wurde wiederhergestellt. Die Patienten waren mit " Tab. 4). In 1 Fall entwickelte sich ein dem Ergebnis zufrieden (l Symblepharon (vor dem Trauma fand bereits eine Blepharoplastik statt), in 2 Fällen tendenziell ein Ektropium, jedoch ohne operative Korrekturnotwendigkeit. Die Tensio-Werte waren im Normbereich (8–14 mmHg). In 6 von 10 Fällen wurde postoperativ eine Hypästhesie des N. infraobitalis ermittelt. Als postoperative Bildgebung erhielten 5 Patienten im unkomplizierten Fall eine konventionelle kranialexzentrische Schädelröntgenaufnahme, in 5 Fällen wurde ein CT der Orbitae veranlasst.

Tab. 2 Eigene Klassifikation der Motilitätseinschränkung bzw. der Diplopiewahrnehmung. Schweregrad

Befunde an der Tangentenskalenwand nach Harms*

Grad I

Motilitätseinschränkung bzw. Doppelbildwahrnehmung bei Aufblick > 30° Abblick > 40° Ab-/Adduktion > 40°

Grad II Grad III Grad IV

Aufblick 16–30° Aufblick 11–15° Aufblick 6–10°

Abblick 31–40° Abblick 31–40° Abblick 11–30°

Ab-/Adduktion > 40° Ab-/Adduktion 21–40° Ab-/Adduktion 11–20°

Grad V

Aufblick 0–5°

Abblick 0–10°

Ab-/Adduktion 0–10°

Bemerkungen Doppelbilder nur im peripheren Blickfeld bei Extrembewegungen Doppelbilder nur im peripheren Blickfeld Doppelbilder im Gebrauchsblickfeld nur beim Aufblick Doppelbilder in alle Blickrichtungen im peripheren Gebrauchsblickfeld Doppelbilder in alle Blickrichtungen im zentralen Gebrauchsblickfeld bzw. in Primärposition

* Für die Einschätzung des Schweregrads müssen nicht alle Kriterien zutreffend sein, es ist der jeweilig höhergradige Blickfeldbereich entscheidend. Die fett ausgezeichneten Angaben geben Einschränkungen im Gebrauchsblickfeld an [43]

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Abb. 7 Postoperative CT-Aufnahmen nach Rekonstruktion mit einem präformierten Titanmesh. Das Matrix MIDFACE-Orbitamesh®, Synthes (a), hat folgende günstige Eigenschaften für die Rekonstruktion des Orbitabodens (b) und bei Bedarf auch der medialen Orbitawand (c): Reintitan, vorgeformte 3-D‑Form, 2 Größen, anatomische sigmoidale Form, modellierte Plattenkanten, segmentiertes Design, rigider Bereich für den posterioren Teil des Orbitabodens, biegsame Retraktoren mit Skalierung, angepasst an die Anatomie.

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Abb. 8 Okulomotorik eines 33-jährigen Patienten bei allen Hauptblickrichtungen nach Versorgung einer Orbitabodenfraktur rechts mittels Titanmesh. Visus: rechts sc 0,8, links sc 1,0. Tensio: rechts und links 8 mmHg. Hertel: präoperativ rechts 15 mm, links 17 mm, postoperativ rechts 16 mm, links

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17 mm. Doppelbilder: präoperativ vs. postoperativ + + – vs. – – – – – – vs. – – – – + – vs – – –

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Tab. 3 Zusammenfassung der n = 31 Patientendaten. Rekonstruktion

Anzahl

Antralballon PDS-Folie präform. Titanmesh (Matrix-MIDFACE® Orbitaplatte [Synthes]) sonstige

Zugänge

n = 10 n=6 n = 10

transantral subziliar, transkonjunktival, mediopalpebral, vorhandene Wunden

n=5

kombiniert

OP-Dauer

Motilität der therapierten und nicht

Hertel (keine

min Ø

therapierten Seite BQ* (Harms-Wand)

Differenz RA-LA)

82 79 111

MW ± SD 0,99 ± 0,17 1,03 ± 0,10 1,08 ± 0,06

BQ ≥ 1 n=4 n=4 n=6

BQ < 1 n=6 n=2 n=1

87,5%* 83,3%* 85,7%*

76

0.98 ± 0,12

n=3

n=2

40%

BQ (Blickfeldquotient): Blickfeld der therapierten Seite/Blickfeld der nicht therapierten Seite; BQ ≥ 1 wurde als ideale physiologische und BQ < 1 als unphysiologische Bulbusmotilität definiert; MW: Mittelwert, SD: Standardabweichung; Ø: durchschnittliche Operationsdauer, RA: rechtes Auge, LA: linkes Auge; * kein signifikanter Unterschied der aus-

Patient

Alter

Geschlecht

Ursache

Fraktur

Zugang

1. S. R.* 2. H. C. 3. G. S. 4. R. S. 5. H. J. 6. M. H. 7. R. K.# 8. M. C.## 9. S. M. 10. J. E.

33 79 58 48 56 83 70 40 45 26

m w w m m m m m m m

Schlag Sturz Sturz Sturz Sturz Sturz Sturz Sturz Krampfanfall Sportunfall

rechts rechts links links rechts rechts rechts links rechts rechts

transkonjunktival transkonjunktival mediopalpebral über infraorbitale Wunde/transantral subziliar transkonjunktival-transkarunkulär mediopalpebral transkonjunktival subziliar subziliar

Tab. 4 Zusammenfassung der mit einem präfabrizierten Titanmesh rekonstruierten Patienten n = 10.

Die Patienten schätzten subjektiv diese Behandlung wie folgt ein. Erwartungen: in ⅔ der Fälle voll und in ⅓ der Fälle teilweise erfüllt. Beurteilung der Behandlung: in ⅓ der Fälle ausgezeichnet, in ⅔ der Fälle gut. Beschwerdefreiheit: in ½ der Fälle voll und in ½ der Fälle teilweise. " Abb. 8, # alte Fraktur, ## RevisionsZufriedenheit: in ⅔ der Fälle sehr zufrieden, ⅓ etwas unzufrieden. m: männlich, w: weiblich, * siehe l

operation (dislozierte PDS-Folie entfernt).

Tab. 5 Quantifizierung der Motilitätseinschränkung bzw. der Diplopiewahrnehmung bei n = 31 Patienten. Rekonstruktions-

Schweregrad

material

Motilitäts-

Motilitäts-

Doppelbild-

Doppelbildwahr-

einschränkung

einschränkung im

wahrnehmung

nehmung im

Gebrauchsblickfeld Ballon n = 10 Grad II Grad III Grad IV PDS n = 6 Grad II Grad IV Titanmesh n = 10 Grad II sonstige n = 5 Grad I Grad II Grad IV

keine n = 4 n=1 n=1 n=2 keine n = 4 n=2 keine n = 7 n=3 keine n = 2

10%

0%

0%

Gebrauchsblickfeld keine n = 3 n=3 n=1 n=2 keine n = 4 n=1 n=1 keine n = 7 n=3

0%

40%

16,7%

0% 40%

keine n = 2 n=1 n=1

n=1 n=1

" Tab. 4 bei 25/30° Aufblick und 30/35° Abblick binokulare Doppelbilder, was einer Motilitätsstörung bzw. DiplopiewahrnehIn der Studiengruppe fanden sich bei Patientin 3 aus l

mung Grad II entspricht. Die Orbitavolumetrie ergab in ihrem Fall rechts 24,9 cm3 und links (betroffene Seite) 27,1 cm3 (Differenz 2,2 cm3); Hertel-Exophthalmometrie: rechts und links 17 mm. In 2 weiteren Fällen bestand nach Einklemmung des M. rectus inferior noch eine zweitgradige Motilitätseinschränkung bzw. Diplopiewahrnehmung (peripheres " Tab. 2). Blickfeld; s. l

Die Auswertung der funktionellen Befunde (Bulbusmotilität, " Tab. 3, 4 und 5 zusammenExophthalmometrie) ist in den l gefasst und denen der anderen Gruppen gegenübergestellt. Ein Vergleich derselben zwischen den Gruppen Mesh, PDS-Folie und Antralballon ergab keine signifikanten Unterschiede.

" Abb. 9 sind für 2 Patienten repräsentative Beispiele der BulIn l busmotilität (Titanmesh und PDS-Folie) nach Therapieabschluss dargestellt.

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gewerteten Patienten unter dem Aspekt des Rekonstruktionsmaterials.

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Abb. 9 Repräsentative Darstellung der Bulbusmotilitätan gemessen an der Harms-Wand nach Therapieabschluss. Darstellung der Untersuchungsergebnisse für die PDS-Folie (a) und für das präformierte Titanmesh (b). In beiden Fällen imponiert eine physiologische und symmetrische Okulomotorik weit über das Gebrauchsblickfeld hinaus, was einer vollen extraokulären Motilität entspricht. Rot – rechtes Auge, blau – linkes Auge, grün – binokulares Einfachsehen, schwarz – Gebrauchsblickfeld (Aufblick 15°, Ab- und Adduktion 20°, Abblick 30°) [43].

Diskussion !

Behandlungserfolg/Komplikationen Die interdisziplinäre Versorgung von Patienten mit Orbitabodenfrakturen ermöglicht dank diagnostischer, materialtechnischer, biomechanischer und chirurgischer Weiterentwicklungen gute bis sehr gute Behandlungsergebnisse je nach Schweregrad der Verletzung [7, 17, 24]. Neben der strukturellen, funktionellen und ästhetischen Rekonstruktion muss das langfristige Ziel der Frakturversorgung auch auf die Vermeidung von Komplikationen gerichtet sein. In der Literatur werden Komplikationen nach Orbitabodenfrakturen in bis zu 25 % der Fälle geschildert [4]. Präoperativ haben laut Poeschl et al. [17] 93 % Motilitätseinschränkungen, 89% Diplopien und 86 % einen Enophthalmus. Ähnliche Angaben finden sich bei der Auswertung von verschiedenen Frakturen der Orbita (20,8 %) [25]. Neben Bulbusdislokationen, Motilitäts- und neuroophthalmologischen Störungen, der Beteiligung des Bulbus und der Adnexen können vielseitige ästhetische Beeinträchtigungen sowie posttraumatische Schmerzsyndrome störend sein. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnostik ist die Zahl der assoziierten Bulbusverletzungen (Berlin-Ödem, Verletzung der Cornea etc.) laut der Untersuchung von Shin et al. [7] mit 9,6 % (91 von 952 Patienten) als relativ niedrig einzuschätzen und hängt sicherlich vom Unfallmechanismus ab. Hinsichtlich der Häufigkeiten der langfristigen postoperativen " Tab. 6 verwiesen. Die Erhebung Komplikationen wird auf die l der Komplikationen und die Untersuchungsmethoden variieren sehr, was die breite Streuung der Ergebnisse erklärt. Die hier vor-

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gestellte Graduierung der Motilitätsstörung und Diplopie " Tab. 2) ist im Vergleich zu der von Poeschl et al. [17] genauer (l und vom Untersucher unabhängig (Reliabilität, Objektivität). Es besteht breiter Konsens darüber, dass die besten Behandlungsergebnisse bei einer primären Rekonstruktion resultieren [4, 26].

Implantatmaterialien Aktuelle umfangreiche Auswertungen verschiedener Literaturdatenbanken bewerten bis zu 19 verschiedene Implantatmaterialien. Zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Materialien wird darauf verwiesen [10, 21, 27]. Mayer et al. [19] haben 153 Patienten (Antralballon vs. Implantat) aus opththalmologischer Sicht analysiert und bescheinigen dem Antralballon bei kleinen und mittelgroßen Frakturen gute funktionelle Resultate. Die Autoren der genannten Studie sehen eine Indikation für ein Implantat bei großen Frakturen und lehnen einen Verzicht auf Frakturabstützung selbst bei kleinen Frakturen ab! Letzteres ist allerdings kritisch zu diskutieren. In der aktuelleren Literatur werden als Entscheidungskriterien für eine konservative bzw. chirurgische Therapie folgende Befunde genannt, welche ggf. nach Abschwellung in der Zusammenschau zu betrachten sind: " klinisch [17, 24] " Enophthalmus von mehr als 2 mm " Diplopie " Einklemmung des M. rectus inferior " radiologisch [28, 29] " Defektgröße ≥ 1 cm2 bzw. Defekt über 50 % des Orbitabodens

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"

Herniation bzw. Inkarzeration von Orbitainhalt, entscheidend ist laut Schouman et al. [29] insbesondere der Dislokationsgrad des M. rectus inferior. Bei Fehlen dieser Befunde sehen die Autoren in Übereinstimmung mit der Literatur keine Indikation für eine chirurgische Therapie, wobei engmaschige klinische Kontrollen gefordert werden [16, 25]. Hämatom- bzw. Emphysementlastungen sind in der Akutphase davon ggf. unberührt [5, 30]. " Abb. 4) sind vielfälDie Anforderungen an ein ideales Material (l tig und werden von keinem Material alleine vollständig erfüllt [10, 21]. Eine besondere Berücksichtigung bei der Diskussion der Materialien erfährt die Deformation des Rekonstruktionsmaterials, welche von der Defektgröße, der Dicke und den mechanischen Eigenschaften des Materials sowie von intraorbitalen Druckverhältnissen (in Ruhe 13 mmHg, jedoch nicht konstant; Valsalva!) abhängt [11, 28].

Die Verwendung von Titangittern bietet mehrere Vorteile: 1. Im Vergleich zu autologen Transplantaten lässt sich eine bessere Vorhersagbarkeit der klinischen Ergebnisse bei 2. fehlender Entnahmemorbidität erzielen [2, 31]. 3. Laut einer Kadaverstudie liegt die Präzision der präformierten Titanmeshes unter 1 mm [32]. 4. Aus biomechanischer Sicht wird eine Mindeststärke von 0,3 mm gefordert [28]. 5. Im Vergleich zu anderen alloplastischen Materialien hat Titan die höchste Biokompatibilität. 6. Es findet eine fibrovaskuläre Integration statt, was die Gefahr einer Lockerung und Extrusion minimiert [21]. 7. Als goldener Standard ist bei Verwendung derselben die Herstellung individueller Implantate [22, 33–35], ein guter Kompromiss ist jedoch die Verwendung von optimal präfabrizierten Titanmeshes, die – trotz interindividueller alters- und geschlechtsspezifischer Formvariabilität – anhand von CT-Analysen typischer Orbitaformen konstruiert wurden und insbesondere den posterioren Orbitaboden und die mediale Orbitawand berücksichtigen [15]. Eine intraoperative Individualisie" Abb. 7) mit überrung ist dank des segmentierten Designs (l schaubarem Aufwand gut möglich. Gabrielli und Mitarbeiter [35] analysierten 24 Patienten, die mit einem Titanmesh rekonstruiert wurden. Sie beobachteten in 8,3 % permanente Hypästhesien und in 4,1 % eine Sinusitis, während Rosado et al. [25] bei 37 Orbitabodenfrakturen sogar häufiger Sensibilitätsstörungen (24,5 %) und in 3,8 % einen Enophthalmus registrierten. In der letzten Untersuchung beziehen sich die Prozentangaben jedoch auf alle 314 Patienten mit unterschiedlichen Frakturen der Orbita. Diplopien fanden sich in lediglich 2,2 % der Fälle, die Autoren geben jedoch nicht an, welche Art des Titanmesh verwendet wurde. Gierloff et al. [36] analysierten 194 Patienten mit einer Orbitabodenfraktur, welche mit einer PDS-Folie (Polydioxanon) versorgt wurden. Sechs Monate postoperativ fand sich eine Sensibilitätsstörung in 18 %, eine Motilitätsstörung in 5% und ein Enophthalmus in 2% der Fälle. Sie schlussfolgern, dass damit auch Frakturen über 2 cm2 erfolgreich behandelt werden können. Die Autoren dieses Beitrags verwenden die PDS-Folie dennoch bei Defekten der Kategorie I–II (Gefahr der Dislokation bei größeren Defekten höher!), was den Empfehlungen der Analyse von 2483 Patienten von Gunarajab et Samman entspricht [27]. Andererseits bieten grazile Titanmeshes auch bei kleinflächigen Frakturen (Kategorie

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Titanmesh bei Primär- und Sekundäroperationen

herangezogen.

" Tab. 2 dargestellte Klassifikation – keine Angaben; ** Es finden sich sehr unterschiedliche Messmethoden hinsichtlich Diplopie und Motilitätseinschränkungen. Für die eigene Untersuchung wurde der BQ-Wert als sehr präzises Messinstrument bzw. in l

0,6 % – – – 29,8% – 2483 Orbitaboden

0,4% – 952 Orbitaboden

55 Orbitaboden

Medpor und Biosorb; Shin et al. 2013 [7] 19 verschied. Materialien; Gunarajab et Samman 2013 [27]

61 = 35 vs. 26 Orbitaboden

18,3 %

– – 0,1 % 1,6 %

0 – –

0–7,3% je nach Ausgangsbefund 0

24 194 24 Orbitaboden Orbitaboden Orbitaboden



Titanmesh 17% Calvaria 38,5% ca. 20% –



– – –

Titanmesh 8,5 % Calvaria 26,9% 0

4,1 % 0 0% – – – – – – 0 2,2 % 0% 29,1% 2% 0% 8,3 % 18 % 0%

– 5% 0%

– – 1,6 % 2,2 % – 3,8%

Medpor, Titanmesh; Rosado et al. 2012 [25] Titanmesh; Gabrielli et al. 2011 [35] PDS-Folie; Gierloff et al. 2012 [36] Kollagenmembran vs. PDS-Folie; Becker et al. 2010 [24] Titanmesh vs. Calvaria Graft; Guo et al. 2009 [2] Titanmesh; Chang et al. 2009 [34]

314 (37)

12,6 %

(NNH, Orbita)

0 0 0 0 0% 14,3% 10

Isolierte Orbitabodenfraktur Orbita (Orbitaboden) eigene Ergebnisse Titanmesh

15 %

Infektionen Störungen

störungen** über 2 mm störung

MotilitätsEnophthalmus SensibilitätsAnzahl n = Frakturen Rekonstruktion

Tab. 6

Langfristige postoperative Komplikationen in Abhängigkeit vom Rekonstruktionsmaterial nach Versorgung einer Orbitabodenfraktur.

Diplopie**

Visusverlust

der Ästhetik

Klinische Studie

Klinische Studie

I–II) mit Muskeleinklemmung gegenüber Folien eine höhere Sicherheit gegen Dislokation des eingebrachten Materials und des M. rectus inferior, was in der vorliegenden Untersuchung in einem Fall (kleinflächige Fraktur im posterioren Drittel) beob" Tab. 4). Ein besonderes Gefahrenmoment für achtet wurde (l die Dislokation einer Folie besteht während der Narkoseausleitung (intraorbitaler Druckanstieg während forcierter Exspiration). Dank der sicheren Fixation des Titanmeshs kann die Auflagefläche auf intaktem Orbitaboden minimiert werden und dieses Implantat sogar kleiner dimensioniert werden. Diese Indikationserweiterung sollte in weiteren Untersuchungen geprüft werden. Im Vergleich zur PDS-Folie besteht im Falle eines Meshs, als weiterer Vorteil, unmittelbar postoperativ eine Abflussmöglichkeit für ein Hämatom, sodass das Risiko eines orbitalen Kompartment-Syndroms geringer ist. Die erfolgreiche Anwendung von resorbierbarem Material als Mesh insbesondere bei Trap-DoorFrakturen beschreiben Kim et al. [37]. Zur Sekundärkorrektur stehen navigationsgestützte augmentative Maßnahmen [2, 26, 38, 39], Strabismusoperationen (bei stabilen Winkeln), Prismengläser etc. zur Verfügung. Die Auswahl der jeweiligen Behandlungsmethode und des korrekten Zeitfensters sollte auf einer individuellen interdisziplinären Falldiskussion basieren. Da bei Sekundärkorrekturen komplexere Verletzungen vorzufinden sind, erklärt sich auch die höhere Rate postoperativ persistierender Diplopien bzw. Motilitätsstörungen (42/50 %) [38]. Basierend auf diesen Erfahrungen kann den Matrix-Midface-Orbitaplatten eine hohe Erfolgsquote in Kombination mit einem guten intraoperativen Handling bescheinigt werden. Über ähnlich gute Erfahrungen wird auch mit anderen Systemen berichtet [34]. Aufgrund ihrer anatomischen Kontur kann die Anwendung bei ausgedehnten isolierten Frakturen des Orbitabodens oder in Kombination mit Frakturen der medialen Wand empfohlen werden (Kategorie III–IV). Im letzten Fall ggf. über einen transkonjunktival-transkarunkulären Zugang [3]. Ein Nachteil des Titanmeshs ist die Infektionsgefahr, die unabhängig vom System nicht " Tab. 4). Inwiefern die Entwicklung osteohoch ist (0–4,1%, vgl. l induktiver biodegradierbarer Materialien künftig eine breite Anwendung auch bei ausgedehnten Frakturen finden wird, bleibt Gegenstand weiterer Untersuchungen [10, 40]. Ziel unserer weiterführenden Untersuchungen ist die Entwicklung präformierter biodegradierbarer Meshes wie hier dargestellt.

Schlussfolgerungen !

In der (peri)orbitalen Region sind morphologische, funktionelle und ästhetische Störungen weitreichend. Bei ausgedehnten isolierten Orbitabodenfrakturen (Kategorie III und IV) als der häufigsten Orbitafraktur bei Erwachsenen ist eine Rekonstruktion mit einem präformierten konfektionierten Titanmesh unter den genannten Aspekten mit überschaubarem Aufwand gut möglich. Die exakte Positionierung der Implantate erzielt unserer Erfahrung nach in Übereinstimmung mit der aktuellen Literatur reproduzierbare funktionelle und ästhetische Ergebnisse. Aufgrund vielfältiger später Komplikationsmöglichkeiten selbst nach einer scheinbar banalen Bulbuskontusion bei Orbitabodenfrakturen sind langfristige ophthalmologische Kontrollen zwingend notwendig auch nach Behebung der Bulbusdislokationen, Motilitätsstörungen und Diplopien.

Reich W et al. Versorgung isolierter Orbitabodenfrakturen …

Interessenkonflikt !

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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Klinische Studie

[Reconstruction of isolated orbital floor fractures with a prefabricated titanium mesh].

Concerning safety and efficiency in surgery of isolated orbital floor fractures, several treatment modalities are being discussed. It is a matter of r...
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