Schwerpunkt Herz 2015 · 40:16–24 DOI 10.1007/s00059-014-4201-3 Online publiziert: 8. Februar 2015 © Urban & Vogel 2015

K.F. Weipert · D. Erkapic · J. Schmitt Medizinische Klinik I – Kardiologie, Universitätsklinik Gießen, Gießen

Frequenz- und Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern Medikamentöse Ansätze

Vorhofflimmern (VHF) ist mit einer Prävalenz von 1–2% die weltweit häufigste Rhythmusstörung und nimmt mit dem Alter stark zu. Aufgrund der sich verändernden Altersstruktur der Bevölkerung, einhergehend mit einer zunehmenden Lebenserwartung, ist zukünftig von einem weiteren Anstieg der Prävalenz von VHF auszugehen [18, 58]. Männer sind häufiger betroffen als Frauen [26, 30]. Das Lebensrisiko eines 40-jährigen Menschen, im Verlauf des weiteren Lebens an VHF zu erkranken, beträgt 25% [39]. Die Therapieziele umfassen, thrombembolische Komplikationen zu reduzieren, die Häufigkeit stationärer Aufenthalte zu senken und die klinischen Beschwerden der Patienten zu lindern. Dieser Artikel befasst sich mit den medikamentösen Therapieoptionen zur Frequenz- und Rhythmuskontrolle. Ein Drittel aller Patienten verbleibt klinisch asymptomatisch, was eine frühzeitige Diagnosestellung erschwert [32]. Dies verhindert einerseits einen ausreichenden Schutz vor thrombembolischen Ereignissen, und andererseits sind bei prolongiertem Verlauf der Arrhythmie auch die Erfolgsraten einer langfristigen Rezidivfreiheit, verglichen mit einer frühen Diagnosestellung, eingeschränkt. Unabhängig von anderen Prädiktoren für Mortalität ist VHF mit einer 2-fach höheren Sterberate assoziiert, und lediglich die Thrombembolieprophylaxe konnte bisher eine Reduktion der Mortalität zeigen [27]. Es gilt daher, das in-

16 | 

Herz 1 · 2015

dividuelle Patientenrisiko für das Auftreten von thrombembolischen Ereignissen sowie Blutungskomplikationen anhand des CHA2DS2-VASc-Scores abzuschätzen und abhängig hiervon und von den Interaktionen mit anderen Medikamenten eine adäquate Thrombembolieprophylaxe zu initiieren (. Tab. 1 u. . Tab. 2). Die direkten oralen Antikoagulanzien, bestehend aus dem Thrombininhibitor Dabigatran und den Faktor-Xa-Antagonisten Rivaroxaban und Apixaban, haben sich seit 2008 bzw. 2011 als sichere und effektive Alternativen zur bis dahin bewährten Therapie mit Warfarin und Phenprocoumon bei Patienten mit nichtvalvulärem VHF erwiesen, jedoch bestehen teils relevante Interaktionen mit Antiarrhythmika [11, 19, 45, 52]. Auch der interventionelle Vorhofohrverschluss scheint bei Patienten mit Kontraindikationen zur oralen Antikoagulation spätestens seit der PROTECT-AF-Studie ein gangbarer Weg der Embolieprophylaxe zu sein [8, 25].

Zur Symptomverbesserung von klinisch unter VHF beeinträchtigten Patienten trägt eine Embolieprophylaxe leider nicht bei.

Grundsatzdebatte Frequenzoder Rhythmuskontrolle Die Symptome, mit denen sich Patienten mit VHF vorstellen, sind sehr mannigfaltig und reichen von Palpitationen, Dyspnoe, Abgeschlagenheit, Angst, innerer Unruhe und Schwindel bis hin zu Synkopen. Hierunter leidet die Lebensqualität oft massiv [13, 20]. Die Annahme, dass eine Rhythmuskontrollstrategie einer reinen Frequenzkontrolle langfristig hinsichtlich einer geringeren MACE („major adverse cardiac events“)-Rate und der Lebensqualität überlegen ist, hat sich in zahlreichen Untersuchungen, die in den Jahren zwischen 2000 und 2009 an insgesamt über 7400 Patienten durchgeführt wurden, nicht bestätigt [7, 43, 44,

Tab. 1  CHA2DS2-VASc-Score Abkürzung C H A2 D S2 V A S

Parameter Herzinsuffizienz („congestive heart failure“) Hypertonie („hypertension“) Alter („age“) >75 Jahre Diabetes mellitus Vorangegangener Schlaganfall („stroke“)/TIA/Embolie Vorangegangener Herzinfarkt, pAVK („vascular disease“) Alter („age“) >65 Jahre Weibliches Geschlecht („sex“)

TIA transitorisch ischämische Attacke, pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit.

Punkte 1 1 2 1 2 1 1 1

Tab. 2  Schlaganfallrisiko bei Vorhofflim-

mern anhand des CHA2DS2-VASc-Scores. (Nach [1]) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

0,8% 2,0% 3,7% 5,9% 9,3% 15,3% 19,7% 21,5% 22,4% 23,6%

49, 60]. Untersucht wurden Patienten mit sowohl paroxysmalem als auch persistierendem und permanentem VHF. Auch das Schlaganfallrisiko konnte nicht durch eine medikamentöse Stabilisierung des Sinusrhythmus beeinflusst werden. Ein Erklärungsansatz hierfür ist, dass Patienten, die in die rhythmuskontrollierte Gruppe randomisiert wurden, längere Sinusrhythmusphasen hatten, jedoch auch häufige Wechsel zwischen Sinusrhythmus und VHF. Jede Konversion in den Sinusrhythmus stellt ein potenzielles Thrombusmobilisationsrisiko dar. Ein anschließendes „atrial stunning“ trägt zusätzlich zu einer Thrombusbildung bei. Zudem besteht eine große Schlaganfallgefahr durch das Absetzen der oralen Antikoagulation bei vermeintlichem Sinusrhythmus unter antiarrhythmischer Medikation. Hinsichtlich der Lebensqualität konnte bei Patienten mit Rhythmuskontrollstrategie keine Verbesserung gegenüber jenen Patienten mit Frequenzkontrolle erreicht werden. Hierbei muss jedoch einschränkend erwähnt werden, dass die diesbezüglich verwendeten Fragebögen, wie z. B. der SF-36, sich auf die generelle Lebensqualität beziehen und nicht mit rhythmusspezifischen Fragen ausgestattet sind. Auch die Entwicklung oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz wurde weder durch die eine noch durch die andere Therapieform signifikant beeinflusst [49]. In der RACE-II-Studie konnte gezeigt werden, dass eine moderate Frequenzkontrolle (Herzfrequenz, HF:

[Rate and rhythm control in atrial fibrillation : pharmacological approaches].

Atrial fibrillation is the most common form of cardiac arrhythmia, occurring in 1-2 % of the population and due to an increased life expectancy the pr...
606KB Sizes 0 Downloads 7 Views