Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 95—96

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Editorial

Prof. Dr. med. Jürgen Windeler Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Im Mediapark 8 D-50670 Köln

PD Dr. med. Stefan Lange Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Im Mediapark 8 D-50670 Köln E-Mail: [email protected]

E-Mail: [email protected] Das 8. IQWiG-Herbstsymposium stand unter dem Titel mit dem etwas provokanten Untertitel wir tun?‘‘. Den Hintergrund für die Themenwahl und die Frage bildete der Umstand, dass in vielen Publikationen und auf zahlreichen Veranstaltungen, die sich dem Thema Nutzenbewertung widmen, immer wieder hervorgehoben wird, wie wichtig und bedeutend die Ermittlung und Bewertung der Lebensqualität sei. Oft wird dies in Zusammenhang mit der frühen Nutzenbewertung diskutiert, aber was für Arzneimittel gilt, gilt dann selbstverständlich für alle anderen Interventionen im Gesundheitswesen. Hinter manchen Äußerungen verbirgt sich zwar genau genommen Geringschätzung, wenn eine Intervention etwa die primären Ziele nicht erfüllt, aber ,,immerhin die Lebensqualität bessert‘‘. Aber aus vielen Äußerungen von Fachleuten, Klinikern, Patienten und Politikern ist auch ein

,,Lebensqualität‘‘ ,,Wissen wir, was

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.03.014 1865-9217/

ernsthaftes Interesse und eine ehrliche Betroffenheit bzgl. des Themas zu erkennen. Das IQWiG selbst hat sich diesem Bereich seit Jahren gewidmet und ihm sowohl in seinem Methodenpapier als auch in einzelnen Bewertungen umfassend Rechnung getragen. Mit diesem allgemeinen Konsens könnte man sicher sein, dass dem Thema seine ihm zustehende Bedeutung zukommt, alle scheinen sich einig zu sein. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch erstaunt fest, dass es eine ausgeprägte, auffällige, interessante Diskrepanz gibt zwischen der allgemeinen oder allgemein vorgetragenen Wertschätzung der Lebensqualität (auch erkennbar an ihrer Abbildung im SGB V) und der Praxis. Dies beginnt bereits mit der Frage, was genau unter Lebensqualität zu verstehen ist bzw. was zur Lebensqualität gehört. So werden häufig bereits die Auswirkungen auf körperliche Symptome als gleichbedeutend mit Auswirkungen auf die Lebensqualität gesehen. Vor allem aber erleben wir immer noch, dass in Therapiesituationen, in denen Lebensqualität offensichtlich eine dominierende Rolle spielen sollte und könnte, genau diese in Studien — und damit auch bei der Zulassung von Arzneimitteln — nicht abgebildet und nicht angemessen berücksichtigt wird. Dabei ist nicht nur die Industrie in die Verantwortung zu nehmen, sondern auch die Fachexperten, die die Industrie bei der Planung ihrer Studien beraten. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass im Gegensatz zur ansonsten herausgehobenen Wertschätzung Lebensqualität hier ein Schattendasein führt. Wir erleben in diesem Zusammenhang auch nur vereinzelt, dass die Diskrepanz zwischen herausgehobener Bedeutung und fehlenden Daten zur Lebensqualität zu einer Warnung / Mahnung bzgl. des Einsatzes von Interventionen führt. Zum Zeitpunkt der Markteinführung von Arzneimitteln weiß man über ihre Auswirkungen auf die Lebensqualität nur wenig, bei anderen Produkten, speziell Medizintechnik, wegen der unzureichenden Anforderungen bei der sogenannten Zulassung faktisch gar nichts. Dann ist aber umso unverständlicher, dass Möglichkeiten, sich genau diesen, doch nach vielen Bekenntnissen eigentlich untragbaren Wissensdefiziten systematisch zu widmen

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Aus den Gesellschaften

— u.a. durch die Nutzenbewertung von existierenden Arzneimitteln und Technologien — politisch nicht befördert sondern beschränkt werden, so etwa die Bewertung des Bestandsmarktes. Dabei kann man zu Recht die Frage stellen, ob der eingeschlagene Weg der ,,BestandsmarktBewertung‘‘ der richtige war. Aber in der Vorbereitung des Gesetzes konnte man nicht erkennen, dass die Notwendigkeit einer eigentlich überfälligen Bestandsaufnahme in der Gesundheitspolitik wahrgenommen wird. Dies passt nicht zu Äußerungen, Informationen zu relevanten Nutzenaspekten zu benötigen, zu denen natürlich auch die Lebensqualität gehört. Und noch in einem weiteren Bereich konnten wir die Diskrepanz zwischen Bekenntnis und Praxis hautnah erfahren. Wir sehen im IQWiG eine ganze Reihe von methodischen Problemen und wollten das Symposium auch nutzen, um unsere Fragen zu diskutieren. Insbesondere die Tatsache, dass die gegenwärtige Tendenz, in Studien immer frühzeitiger den Behandlungswechsel zu ,,erlauben‘‘ und anschließend auch noch die Beobachtung abzubrechen, macht die systematische Erforschung der Auswirkungen von Interventionen auf die Lebensqualität nahezu unmöglich. Wir mussten jedoch feststellen, dass sich in Deutschland niemand mit diesen Fragen, d.h. der Bewertung von Lebensqualität in

Zusammenhang mit klinischen Studien und Nutzenbewertung befasst. Eine Forschergruppe, die hier ausgewiesen ist, hat das Thema seit mehr als 10 Jahren nicht mehr verfolgt. Man darf also ein beklagenswertes Desinteresse der medizinischen Wissenschaft an diesem Thema feststellen, in großem Gegensatz etwa zu Psychologie und Sozialwissenschaften. Die Schlaglichter mögen verdeutlichen, dass die Diskrepanz besteht. Damit ist natürlich noch nicht klar, was diese Diskrepanz besagt: Ist Lebensqualität vielleicht doch nicht so bedeutend? Ist das Konzept doch nicht geeignet, das abzubilden, was Menschen meinen, wenn sie ,,Lebensqualität‘‘ sagen? Ist unser methodisches Rüstzeug unzureichend? Ist der Begriff geeignet, vielfältig und damit miss-verstanden zu werden? Meinen diejenigen, die die Bedeutung hervorheben, etwas anderes, als diejenigen, die die Lebensqualität durch ihr Handeln anscheinend gering schätzen? Wissen wir alle also, was wir tun, wenn wir in Nutzenbewertungen die Lebensqualität bewerten? Die Vorträge auf dem IQWiG-Herbst-Symposium waren wichtige Diskussionsbeiträge. Den Autoren, die sie für diese Ausgabe der ZEFQ aufbereitet haben, sei daher herzlich gedankt.

AkdÄ schafft Transparenz bei Interessenkonflikten

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) veröffentlicht ab sofort alle relevanten Interessenkonflikte ihrer ordentlichen Mitglieder auf ihrer Internetseite. Als Fachausschuss der Bundesärztekammer berät die AkdÄ die BÄK in wissenschaftlichen Fragen des Arzneimittelwesens und bewertet Arzneimittel und therapeutische Strategien. Vor diesem Hintergrund können finanzielle Beziehungen zu

pharmazeutischen Unternehmen, Herstellern von Medizinprodukten oder Industrieverbänden zu Interessenkonflikten führen und das Risiko einer unangemessenen Beeinflussung erhöhen. In einem kontinuierlichen Diskussionsprozess hat die AkdÄ deshalb Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten entwickelt. Dazu gehören die Herstellung von Transparenz, die Reduktion von Interessenkonflik-

AUS DEN GESELLSCHAFTEN ten sowie Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten im Rahmen von Stellungnahmen und Bewertungen. Korrespondenzadresse: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin Telefon: +49 30 400456-500 Telefax: +49 30 400456-555 E-Mail: [email protected]

[Quality of life. Do we know what we are doing?].

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