Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108, 146—150

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SCHWERPUNKT

Lebensqualität im Gesundheitswesen: Wissen wir, was wir tun? Die Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Quality of life and the healthcare system: Do we know what we are doing? On the importance of quality of life from the perspective of patients Hans-Detlev Kunz ∗ Deutscher Psoriasis Bund e.V., Hamburg

SCHLÜSSELWÖRTER Gesundheitswesen; Gesundheitsversorgung; Lebensqualität; Lebenswelt; Wirtschaftlichkeit; Arzt-PatientBeziehung; körperliche; physische und soziale Beschränkungen; gesundheitsorientierte Selbsthilfe; Güte der Lebensqualität



Zusammenfassung ,,Gesundheitswesen‘‘ ist kein definierter Begriff, sondern die abstrakte Darstellung eines Systems, das selbst keine Lebensqualität entwickeln kann. Der Begriff ,,Lebensqualität‘‘ ist ein Sammelbegriff. Jeder Mensch lebt in seiner individuellen Lebenswelt. Gesundheit und Krankheit wirken sich auf diese unmittelbar und sehr unterschiedlich durch einzelne Systemkomponenten aus. Existiert ein Versorgungssystem? Welche Mittel stehen dem System und den Menschen selbst zur Verfügung? Es gibt zahlreiche sehr unterschiedliche Komponenten, die die individuelle Lebensqualität von Patienten beeinflussen. Zu diesen Komponenten zählen auch die berufliche Philosophie von Medizinern, deren Arbeitsweisen sowie deren kommunikativen Fähigkeiten im Umgang mit Kranken. Krankheitsbezogene Lebensqualität lässt sich in die Gruppen ,,gelegentliche Erkrankung‘‘, ,,chronisch ursächlich nicht heilbare Erkrankung‘‘, ,,zu einer Behinderung führenden Erkrankung‘‘ oder ,,tödlich verlaufende Erkrankung‘‘ gliedern. In jeder Gruppe unterliegen die die Lebensqualität beeinflussenden Faktoren einer anderen individuellen Bewertung. Krankheit hört nicht beim Arzt auf, sondern wird zum integralen Bestandteil des Lebens, insbesondere bei schicksalsbedingten, lebensbegleitenden chronischen Krankheiten, wie z.B. die chronische Hautkrankheit Schuppenflechte (Psoriasis). Auch Diagnostik und limitierende Faktoren der Behandlung wirken sich auf die Lebensqualität von Patienten aus und sind indikationsbezogen zu begreifen. Auch Hilfen außerhalb des professionellen Versorgungssystems, insbesondere Patientenselbsthilfeorganisationen helfen flankierend mit, dem Patienten ein hohes Maß an individueller Lebensqualität mit seiner Erkrankung zu bewahren. Selbsthilfe wirkt nicht nur, sondern sie nützt, wie erste Studien in Deutschland belegen. (Wie vom Gastherausgeber eingereicht)

Korrespondenzadresse: Hans-Detlev Kunz, Geschäftsführer, Deutscher Psoriasis Bund e.V., Seewartenstraße 10, 20459 Hamburg E-Mail: [email protected]

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.02.005 1865-9217/

Lebensqualität im Gesundheitswesen: Wissen wir, was wir tun? Die Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht

KEYWORDS Healthcare; healthcare system; quality of life; lifeworld (Lebenswelt); cost-effectiveness; doctor-patient relationship; physical; psychological and social restrictions; health-oriented self-help; quality of life degrees

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Summary ‘‘Healthcare’’ is not an exact term but an abstract representation of a system which itself is unable to create quality of life. The term ‘‘quality of life’’ is a general term. Every human being is part of the world he or she lives in (his or her ‘‘lifeworld’’, ‘‘Lebenswelt’’). Health and disease have a direct and, through individual system components, significantly different effect. Is there a healthcare system? Which resources are available to this healthcare system and the individual persons themselves? There are numerous and quite different components influencing a patient’s individual quality of life. These components also include the professional philosophy of physicians, their professional practice and their communication skills in dealing with their patients. The disease-related quality of life can be categorised into the groups ‘‘occasional diseases,’’ ‘‘chronic, incurable diseases,’’ ‘‘diseases leading to disability,’’ or ‘‘fatal diseases’’. In each group, the factors influencing quality of life are subject to a different individual assessment. Disease does not stop at the doctor’s office, but becomes an integral part of life, which is especially true of predestined, life-long chronic diseases such as, for example, psoriasis, a chronic skin condition. Diagnosis und limiting factors in treatment have an impact on the patient’s quality of life, too, and must be conceived of as ‘‘indication-related’’. Also, support from outside the professional healthcare system, in particular from patient self-help organisations, contributes to assisting patients with maintaining a high level of individual quality of life. Self-help is not only effective, but useful as well, as has been demonstrated by initial studies in Germany. (As supplied by publisher)

Vorbemerkung Wer sich mit Lebensqualität bei Krankheit beschäftigt, sollte sich zunächst selbst die Frage stellen: ,,Warum will ich eigentlich gesund sein?‘‘ Will ich gesund sein gemäß der Definition der Weltgesundheitsbehörde: ,,Gesundheit ist ein Zustand des vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen?‘‘ [1]. Oder beschreibt die Definition von Gesundheit des Soziologen Talcott Parson ,,Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert worden ist‘‘ [1] eher die Haltung zur Gesundheit? Ist der Antrieb Leistungsfähigkeit und Rollenverständnis? Warum will der Mensch gesund sein?

I. Lebensqualität im Gesundheitswesen

,,Gesundheitswesen‘‘ ist kein definierter Begriff. Es kann auch kein Wesen sein, denn es handelt sich um eine abstrakte Darstellung eines Systems, das selbst keine Lebensqualität für sich als ,,Wesen‘‘ entwickeln kann. Bezüglich weiterer Ausführungen ist Gesundheitswesen gleichgesetzt mit dem Begriff der gesetzlichen Gesundheitsversorgung der abhängig, zwangsversicherten Beschäftigten in Deutschland, die Ansprüche auf Gesundheitsleistungen gemäß Sozialgesetzbuch V (SGB V) gelten machen können. Der Begriff der Lebensqualität findet sich in diesem Sozialgesetzbuch im § 34 SGB V ,,Ausgeschlossene Arznei, Heilund Hilfsmittel‘‘, im § 35 SGB V ,,Festbeträge für Arzneiund Verbandsmittel‘‘ und im § 35b SGB V ,,Kosten-NutzenBewertung von Arzneimitteln‘‘. Leider findet sich der Begriff der Lebensqualität nicht im § 1 SGB V ,,Solidarität und Eigenverantwortung‘‘, § 2 SGB V ,,Leistungen‘‘, im § 2a SGB V ,,Leistungen an Behinderte und chronisch kranke Menschen‘‘ und auch nicht im § 12 SGB V ,,Wirtschaftlichkeitsgebot‘‘. Diese Paragraphen definieren den generellen Leistungsanspruch von Versicherten und deren Erfüllung.

Wenn Lebensqualität eine wirkliche Bedeutung für die Gesundheitsversorgung von Versicherten hat, dann sollte der Begriff in vorgenannten Paragraphen ausdrücklich aufgeführt sein. Ist er aber nicht. Niemand werde wohl leugnen, dass die individuelle Lebensqualität ein wesentliches Merkmal des eigenen Lebens mit seiner Krankheit markiert.

II. Lebensqualität und Lebenswelt Der Begriff ,,Lebensqualität‘‘ ist ein Sammelbegriff. Es gibt zahlreiche Begriffe, die mit Lebensqualität in Beziehung stehen: Sozialstatus, Ausbildung, Erfahrung, Einkommen, Lebensart, gesellschaftliche Stellung, Anerkennung, Lebenswerte, Lebenszufriedenheit, Lebensbedürfnisse, kulturelle Ausrichtung, landsmannschaftliche Eigenheiten, Religion usw. Der Mensch ist eben nicht nur krank. Ich bin Mensch und nicht nur krank. Krankheiten werden definiert durch die ,,international classification of diseases (ICD)‘‘, die nach der ICD 10Kodierung Krankheiten beschreibt. Kranke werden aber erst zu Patienten und damit systemrelevant, wenn der Kranke Leistungen nachfragt. Jeder Mensch lebt in seiner individuellen Lebenswelt. Gesundheit und Krankheit wirken sich auf diese unmittelbar und sehr unterschiedlich aus. Lebensqualität kann sich wie z.B. bei der Hautkrankheit Schuppenflechte (Psoriasis) über die Dauer der Lebenszeit unterschiedlich stark auf die Lebensqualität im jeweiligen Alter auswirken. Sie verändert sich auch über die Zeit. Jede Altersgruppe hat eine andere Auffassung von und zur Lebensqualität mit oder ohne Krankheit. 1. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Basis für die Definition der individuellen Lebensqualität ist die jeweilige Lebenswelt eines Menschen.

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Dies ist eine Behauptung, die noch mit empirischen Studien zu belegen ist.

III. Gesetzliche Definition von Krankheit Wichtig ist die Definition von Krankheit durch den Gesetzgeber. Daran richtet sich die gesetzliche Gesundheitsversorgung abhängig Beschäftigter aus. Krankheit definiert die Regierung als ,,Störung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Bei der Abgrenzung der Krankheit von Gesundheit ist eine bestimmte, aus einer Vielzahl von Beobachtungen mithilfe statistischer Methoden gewonnene Schwankungsbreite zu berücksichtigen, innerhalb derer der Betroffene noch als gesund angesehen wird.‘‘ [2] Wer kann dem Bürger* erklären, dass er trotz Krankheit in einer Schwankungsbreite noch als gesund gilt? Wer definiert, wann in einer Schwankungsbreite Krankheit noch Gesundheit ist? Wozu dient diese Definition? Wichtig ist für gesetzlich Versicherte die Gewissheit bei Krankheit Hilfe durch Dritte einfach, unkompliziert und ohne direkte finanzielle Belastung erhalten zu können. 2. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Wichtig für den Bürger in Deutschland ist die Existenz eines Versorgungssystems bei Krankheit, das den Begriff der Lebensqualität kennt.

IV. Lebensqualität und Finanzen Die finanzielle Situation der Gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt Schwankungen. Je nach konjunktureller Situation entstehen Überschüsse oder Defizite. Politische Entscheidungen richten sich kurzfristig an der jeweiligen Kassenlage aus. Defiziten wird regelmäßig mit einer Anpassung des Beitrags begegnet. Dabei kommt es parallel zu so genannten ,,Kostendämpfungen‘‘, was schlicht Ausgrenzung von Leistungen bedeutet. Statt bei Defiziten Strukturen, Nutzen und den systembedingten Wert von Leistungen zu überprüfen, pumpt die Politik Beiträge gesetzlich Versicherter ins System. 3. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Lebensqualität ist abhängig von Faktoren einer systembedingten Wirtschaftlichkeit in der Versorgung.

V. Mensch und Arzt Lebensqualität ist abhängig von beruflicher Philosophie, Ehre, Arbeitsweise und finanziellen Überlegungen des Behandelnden. ,,Ärzte sind meist unter Zeitdruck. Und dabei oft ziemlich gedankenlos. Ein blöder Spruch, eine hilflose

∗ Für jede männliche gilt in gleicher Weise uneingeschränkt auch jede weibliche Bezeichnung.

H.-D. Kunz Erklärung, ein unbekanntes Fachwort — das kann schon reichen, um einen verunsicherten Patienten in einen seelischen Ausnahmezustand zu versetzen.‘‘ [3] Ärztliches Handeln hat berufliche Aspekte ohne grundsätzliche emotionelle Anteile des Mitfühlens. Empathie ist zwar eine grundsätzliche Erwartung, die Patienten haben. Aspekte des Arztes für eine geeignete Therapie sind aber: ,,Die Krankheit ist befundadaptiert zu behandeln. Eine Remission schnell zu induzieren und langfristig zu halten. Eine nebenwirkungsarme, gut verträgliche und kombinierbare Therapie zu wählen. Eine Therapie zu wählen, die die Wünsche des Patienten berücksichtigt. Eine Therapie zu wählen, die eine erforderliche Compliance fördert. Eine Therapie zu wählen, die Lebensqualität langfristig steigert. Eine Therapie zu wählen, die dem Patienten verständlich und praktikabel erscheint. Eine Therapie zu wählen, die bezahlbar ist und den begrenzten finanziellen Ressourcen gerecht wird.‘‘ [4] Es gibt regionale Unterschiede in der Versorgung, die auch durch landsmannschaftliche Verschiedenheit von Menschen und Behandelnden geprägt sind. Krankheit verhält sich unabhängig von bestehenden Budgets: Komisch, meine Krankheit interessiert kein Geld der Welt. Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten sei durch Sparzwänge in den letzten Jahren verlorengegangen. [5] 4. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Lebensqualität ist abhängig von beruflicher Philosophie, Ehre, Arbeitsweise und finanziellen Überlegungen des Behandelnden.

VI. Kommunikation Wesentliches Element in der Kommunikation zwischen Patient und Arzt ist gegenseitiges Verständnis. Für Patienten ist die ,,Sprechende Medizin‘‘ wichtiger als alle Arzneimitteloder sonstigen therapeutischen Verordnungen. Ebenen der Kommunikation sind vielschichtig. ,,Gesagt ist noch nicht gehört‘‘ und ,,gehört ist noch nicht verstanden‘‘. Stimmen die Ebenen nicht, führt dies häufig zum Nichtverstehen. Der Arzt redet, der Patient hört zu, führt nicht zu einer harmonischen von Empathie geprägten Situation in der Behandlung. Der Patient erwartet aber deutliche Empathie und große Wertschätzung seiner Anliegen. Ist Beides erfüllt, bildet sich erst Vertrauen. Die Beziehung sollte deshalb beiderseitig durch Aufmerksamkeit, Geduld, Ruhe, Echtheit, Höflichkeit und Freundlichkeit gekennzeichnet sein. Die Situation der Behandlung gehört zur Lebenswelt eines Kranken und beeinflusst diese. Die ,,weiße‘‘ und ,,graue‘‘ Literatur beschäftigt sich schon länger mit dem Begriff der Lebensqualität bei Krankheit. [4] 5. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Die Arzt-Patienten-Beziehung und deren gelebte Kommunikation beeinflusst die Lebensqualität.

Lebensqualität im Gesundheitswesen: Wissen wir, was wir tun? Die Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht

VII. Einteilung von Erkrankungen Krankheiten lassen sich bezüglich relevanter Aspekte einer beschränkten Lebensqualität in vier Gruppen gliedern: -

gelegentliche Erkrankung chronische, ursächlich nicht heilbare Erkrankung zu einer Behinderung führende Erkrankung tödlich verlaufende Erkrankung

,,Unser Gesundheitssystem ist ein Nocebo für Schmerzpatienten‘‘, und kann selbst eine Ursache von Krankheit sein. Solche Erfahrungen markiert die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie: ,,Schmerzpatienten machen in unserem Gesundheitssystem jedoch andere Erfahrungen. Eine systembedingte sprachlose Drei-Minuten-Medizin und Monotherapien wirken bei Schmerzpatienten als Nocebo und gehören sicherlich zu den Hauptgründen fortschreitender Chronifizierungsprozesse‘‘. [6] Ein würdevolles Sterben in deutschen Krankenhäusern halten 40 Prozent befragter Ärzte und Pfleger einer Gießener Studie nicht für möglich. ,,Viele Ärzte und Pfleger laufen mit schlechtem Gewissen herum‘‘, sagte dazu der Gießener Psychologe Wolfgang George, der Mediziner zum Thema ,,Sterben im Krankenhaus‘‘ befragte. [7] Beispiele von Menschen mit der Krankheit Psoriasis zeigen deutlich, in welcher Weise diese Krankheit deren individuelle Lebensqualität beeinträchtigt, wenn ein Kranker sich nicht einmal ohne fremde Hilfe aufrichten kann, Lokalisationen an Händen und Füßen normale Verrichtungen des täglichen Lebens unmöglich oder sehr schwierig machen. Die gesellschaftliche Stigmatisierung bei Psoriasis im Gesicht ist offenkundig. Bei Erkrankung am Genital sind sexuelle Probleme selbstredend Lebensqualität beschränkend. Funktionieren die Extremitäten nicht mehr, weil die Gelenke zerstört sind und permanent schmerzen, ist die Lebensqualität der Erkrankten in deren Lebenswelten massiv beeinträchtig. Soziale Aspekte wie äußerlich sichtbare Symptome z.B. an der Haut führen zur psychosozialen Beeinträchtigung, die bis zum Selbstmord führen können. Dabei haben lebensbegleitende Erkrankungen einen weitgrößeren Einfluss auf die Psyche als tödliche verlaufende Krebserkrankungen. [8] 6. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Jede Erkrankung hat andere Faktoren und andere körperliche, psychische und soziale Beschränkungen durch und mit dieser Erkrankung.

VIII. Diagnostik Was wissen ,,wir‘‘ über die Sensitivität, Spezifität und Evidenz bezüglich patientenrelevanter Lebensqualität durch ein Thermometer? Wenn man die Studienlage betrachtet eigentlich nichts. Es gibt keine Diagnostikstudien bezüglich des Nutzens eines Thermometers. Aber niemand wird in Abrede stellen, dass mit einem Thermometer innerhalb und außerhalb des professionellen Versorgungsystems die Körpertemperatur gemessen wird. Dabei gilt alles über

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38◦ Celsius als Fieber. Niemand wird die diagnostische Güte anzweifeln, dass ein Thermometer geeignet ist, die Körpertemperatur festzustellen — auch ohne evidente Studie. Wissenschaftliche Einrichtungen wie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sind bei der Bewertung des Nutzens oder Schadens bei Arzneimitteln auf klinische Studien angewiesen. [9] Dies gilt aber auch für alle Methoden, Heil- und Hilfsmittel gleichermaßen. Ergebnisse des Instituts basieren auf verfügbaren Studien. Gibt es keine, bleibt die Frage, ob eine patientenrelevanter Nutzen vorliegt, offen. Die Bewertungen erstrecken sich nur auf die Auswertungen von Studien. Die Bedeutung einer Krankheit für die Interaktionen in die Lebenswelten der Kranken wird nicht berücksichtigt. Aber Fieber hat einen unmittelbaren Einfluss auf die temporäre Lebensqualität und die Diagnostik dazu ist nicht evident untersucht. Es gibt scheinbar auch selbstverständliche Annahmen zum Nutzen. ,,Die Evidenz bildet unser Wissen über die Wirksamkeit eines medizinischen Verfahrens ab, identifiziert Wissenslücken und zeigt Forschungsbedarf auf, verbessert unser Wissen über unerwünschte Nebenwirkungen und Sicherheitsrisiken zum Schutz der Patienten.‘‘ [10] Schutz ist nicht Nutzen. Patientenrelevanter Nutzen muss sich in den Lebenswelten von Kranken abbilden lassen. 7. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Diagnostik und deren wissenschaftliche Bewertung beeinflusst die Lebensqualität.

IX. Behandlung durch den Patienten Der Patient wird mit verordnungspflichtigen Arzneimitteln nach Abgabe durch den Apotheker in seiner Lebenswelt alleine gelassen. Werden z.B. zwei Topika in Monozubereitungen abgegeben, ,,kennen sich die Beipackzettel‘‘ der Präparate nicht. Wie aber soll der Patient die Präparate einsetzen? Womit fängt er an? Und was ist, wenn die Grundlage des einen Präparats den Wirkstoff des anderen Präparats zerstört? Der Patient ist verunsichert, was sich auf seine Compliance (Adhärenz) auswirkt. Die Therapie-Präferenzen von Hautärzten und Patienten bezüglich der Ziele einer gewählten Therapie sind durchaus unterschiedlich. [4] Patienten haben als Probanden in Studien eine bessere Lebensqualität. Sie fühlen sich besser behandelt - ernst genommen, obwohl ihnen bekannt ist, auch in der Gruppe mit der Scheinbehandlung sein zu können. Das Wertegefühl ist deutlich höher als bei einem normalen Patienten in der Vertragsarztpraxis. 8. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Faktoren der Behandlung und deren Beschränkungen wirken auf die Lebensqualität.

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X. Wissenschaft und Lebensqualität Zur Bewertung der Lebensqualität bei Krankheit kommen spezifische und generische Fragenbögen zum Einsatz. Für den Bereich der Psoriasis wurde eine Vielzahl von wissenschaftlichen Instrumenten entwickelt und auch validiert. [4] Wer formulierte die Fragen? Wer bestimmte die Logik der Berechnung, wenn mehrere Instrumente zur Bewertung körperlicher, psychischer und sozialer Faktoren genutzt werden? Inwieweit werden durch Fragebögen gesellschaftliche Veränderungen über die Zeit berücksichtig? Lebensqualität ist indikationsspezifisch zu begreifen. Jede Erkrankung ist anders. Deshalb müssen die eingesetzten Instrumente auf die Erkrankung abgestimmt und die Fragen durch Kranke, nicht durch beobachtende Wissenschaftler formuliert und bestenfalls generell bewertet werden. Messinstrumente sind relevant für die Versorgung.

H.-D. Kunz 11. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Es gibt indikationsbezogene Einflüsse auf die Lebensqualität außerhalb des professionellen Versorgungssystems.

XIII. Definition der Güte von Lebensqualität bei Krankheit 12. Güte der Lebensqualität - aus Patientensicht Die Güte der Lebensqualität ist der maximal geringste Einfluss von Krankheit, Behandlung, Arzneimitteln, Heilund Hilfsmitteln und den ärztlichen Empfehlungen auf die individuellen Lebenswelten von gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland.

XIV. Fazit 9. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Wissenschaftlich ist Lebensqualität indikationsbezogen zu begreifen. Ergebnisse evidenter Wissenschaft wirken auf die Lebensqualität durch Restriktionen in der Verordnung.

XI. Versorgung und Lebensqualität Werden Patienten nicht nach dem medizinischen Stand des Wissens behandelt, kommt es zu Fehlallokationen von Systemkomponenten. Die Folgen treffen Patienten unmittelbar. 10. Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht Fehldiagnosen, Fehlbehandlung und Unterversorgung sind Abgründe für die Lebensqualität von Patienten.

XII. Hilfen außerhalb des professionellen Versorgungssystems Nicht nur das professionelle Versorgungsystem wirkt auf unterschiedliche Weise auf die lebensweltliche Lebensqualität von Patienten. Was zwar ständig gelobt, aber nicht wirklich ernsthaft zur Kenntnis genommen wird, ist die gesundheitsorientierte, verbandlich organisierte, gemeinnützige Selbsthilfe. Die Studien PSOreal und PSOplus belegen für die Indikation Psoriasis, dass die Mitgliedschaft im Deutschen Psoriasis Bund e.V. bessere Systemkenntnisse verschafft, Mitglieder therapietreuer sind und eine bessere Lebensqualität haben als Nichtmitglieder in Behandlung. Organisierte Kranke haben ein signifikant höheres Wissen über ihre Erkrankung und über deren Möglichkeiten der Behandlung. [11]

- Ein Patient will immer seine Lebensqualität in seiner Lebenswelt erhalten oder die, die er vor der Erkrankung hatte, wieder gewinnen. Mindestens aber soll die Qualität der derzeitigen Situation verbessert werden. - Die notwendigen Behandlungen sind dabei nur Surrogate einer Lebensqualität und nicht die Hauptsache. - Lebensqualität beschreibt die Ergebnisqualität der vom Versorgungssystem bereitgestellten therapeutischen Möglichkeiten. Der Autor ist Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis Bundes e.V., Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, gesetzlich Versicherter und absolut parteiisch im Interesse von gesetzlich versicherten Patienten. Die Darstellung der ,,Bedeutung von Lebensqualität - aus Patientensicht‘‘ wurde honoriert.

Literatur [1] Wikipedia. [2] Gesundheitsberichterstattung des Bundes 24.09.2013, Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Bonn. [3] ,,Das sieht aber gar nicht gut aus‘‘, Dr. Werner Bartens. [4] Lebensqualität, Compliance und Empowerment bei Psoriasis Augustin, Reich, Radtke, Dierks. [5] Deutsches Ärzteblatt. [6] IDW 22.10.2013,Dr. Müller-Schwefe, Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. [7] Gießener TransMit-Zentrum für Versorgungsforschung 10.10.2013. [8] J Am Acda Dermatology, 1999, 41. [9] IDW 08.10.2013 Veröffentlichung klinischer Studiendaten: IQWiG unterstützt den Kurs der EMA. [10] Evidenzbasierung und Patienteninteressen: Entscheidungen auf der Basis von Wissen, Deutsches Cochrane Zentrum. [11] PSOreal, PSO plus, Augustin et al.

[Quality of life and the healthcare system: do we know what we are doing? On the importance of quality of life from the perspective of patients].

"Healthcare" is not an exact term but an abstract representation of a system which itself is unable to create quality of life. The term "quality of li...
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