Kommentare Qualitätssicherung bei Publikationen M. Rothmund

Der ehemalige Herausgeber von »The Lancet«, Sir Theodore Fox, soll, so lautet eine Anekdote, einmal überlegt haben, in einer Ausgabe der Zeitschrift nicht die nach Begutachtung akzeptierten, sondern die abgelehnten Manuskripte der Woche zu publizieren, und unterstellte damit, daß wohl kaum ein Qualitätsunterschied bemerkbar sei (12). Das trifft für eine Zeitschrift wie »The Lancet« wahrscheinlich zu, die sich durch konsequente und qualitativ hochstehende Begutachtung über Jahrzehnte den Ruf geschaffen hat, nur erstklassige Manuskripte zu akzeptieren und daher auch nur solche zur Publikation erhält. Für medizinische Zeitschriften unterhalb des Niveaus von »The Lancet« - und fast alle gehören dazu - wird dies nicht gelten. Eine strikte Qualitätskontrolle der Manuskripte bei Zeitschriften, die a n sich selbst hohe Qualitätsansprüche stellen, muß erfolgen und ihre Konsequenzen in Annahme oder Ablehnung haben. Die Verantwortung für die Qualität von Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften liegt jedoch nicht nur bei der Schriftleitung und ihren Gutachtern, sondern zunächst beim Autor und seinen Mitarbeitern.

Qualitätssicherungdurch den Autor und seine Arbeitsgruppe Voraussetzung für gute Qualität eines wissenschaftlichen Manuskriptes sind die bekannten und eigentlich selbstverständlichen Schritte, die einer sorgfältigen wissenschaftlichen Arbeit zugrundeliegen müssen. Dies ist, wenn die einschlägigen Publikationen nicht ohnehin bekannt sind, zunächst eine Literaturrecherche über die heute durch EDV erreichbaren Literatursuchsysteme und die Auswahl der relevanten Arbeiten. Bei der Manuskriptabfassung sollten Selbstzitate auf die wirklich der Sache dienenden Publikationen begrenzt werden. Handelt

Dtsch. med. Wschr. 117 (1992).1854-1858

O Ceorg Thieme Verlag Stuttgart . New York

es sich um ein Experiment, sei es im Laboratorium oder am Tier, oder um eine klinische Studie, ist es ratsam. zunächst einen schriftlichen Studienplan zu erstellen, der mit allen Beteiligten abgestimmt werden sollte. Während der Untersuchung muß für eine exakte Dokumentation der erhaltenen Rohdaten Sorge getragen werden. Der Zugriff auf diese Daten, auch später nach Fertigstellung des Manuskriptes oder auch nach seiner Publikation, muß bei Unklarheiten oder kritischen Rückfragen immer möglich sein. Wichtig ist die Arbeit in der Gruppe, da hier eine gegenseitige Kontrolle und Beratung erfolgen kann. Bei der Analyse der Ergebnisse müssen adäquate statistische Tests angewandt werden. Entsprechende Kenntnisse innerhalb der Forschergruppe oder das Herbeiziehen eines beratenden Statistikers sind unabdinglich. Vor der Ausarbeitung des Manuskriptes müssen die Rohdaten von den Beteiligten - medizinisch-technischen Assistenten, Naturwissenschaftlern, Ärzten, Laboranten - diskutiert werden, um so die Wertigkeit der Daten zu definieren. Bei der Manuskriptabfassung ist, wenn es sich um eine Originalarbeit handelt, eine Gliederung des Manuskriptes nach dem IMRAD-Schema (Introduction, Materials and Methods, Results and Discussion) erforderlich, ebenso wie eine klare Sprache und eine leicht lesbare Wiedergabe der Ergebnisse, ergänzt durch verständliche Tabellen und Abbildungen. Ein Problem ist der Umgang mit der Koautorenschaft. Selten werden heute neue Daten durch einzelne Autoren publiziert, häufiger durch mehrere. Das Ausmaß der Mitarbeit ist dabei oft sehr unterschiedlich. Das »New England Journal of Medicine« hat im November 1991, nachdem ein Manuskirpt mit mehr als 200 Koautoren eingegangen war, neue Autorenrichtlinien angekündigt. Sie beinhalten, daß nur der Koautor sein kann, der einen wsubstantiellen Beitrag zu Konzeption, Design, Analyse oder Interpretation der Untersuchung geleistet hat oder das Manuskript miterarbeitet bzw. die Endfassung kritisch durchgesehen und gebilligt hat« (1). Das betrifft vor allem Instituts- und Kliniksleiter, die sich

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Klinik für Allgemeinchirurgie der Universität Marburg

häufig als Seniorautoren an letzter Stelle zitieren lassen. Sie sollten nur als Autoren erscheinen. wenn sie die Entstehung des Manuskriptes von der Erarbeitung der Daten bis zur Abfassung kennen und es auch gelesen haben. Ein grundsätzliches Erscheinen auf sämtlichen Publikationen aus einer Klinik oder einem Institut führt gelegentlich zu einer enormen Zahl von Publikationen pro Zeiteinheit, so daß der Eindruck von Unseriosität entsteht. In der Zeitschrift »Nature« wurde kürzlich eine Liste der »Top .Twenty« der wissenschaftlichen Autoren erstellt. unter denen sechs Kliniker, drei Internisten. zwei Chirurgen und ein Neurologe, sind. Die hohe Zahl der Publikationen dieser Autoren in 10 Jahren (von 322 bis 948!) kommt vor allem dadurch zustande, daß sie als Seniorautoren auf allen Publikation aus ihrer Gruppe aufgeführt sind (1). Um die Maximalvariante des Qualitätsverlustes handelt es sich, wenn Daten manipuliert werden. Manipulationen können das Verwerfen unerwünschter Ergebnisse bei Experimenten beinhalten oder die Elimination von Studienpatienten, die nicht ins Konzept passende Verläufe hatten. Die oberflächliche Behandlung von Rohdaten, das »Glätten« von Kurven, das »Anpassen« von Prozentsätzen, die willkürliche Änderung von Zahlen sind wesentliche Schritte zum Betrug in der Wissenschaft. Nicht so schwerwiegend, aber durchaus problematisch sind die Mitteilung vorläufiger Daten in Abstracts, die sich bis zum Vortrag noch ändern, ein oberflächliches Literaturverzeichnis oder auch Doppelpublikationen in verschiedenen Zeitschriften. Der frühere Herausgeber des »New England Journal of Medicinea. Franz Ingelfinger, setzte, um Mehrfachpublikationen zu vermeiden, im Jahre 1969 eine nach ihm benannte Regel fest: Dem Journal zur Publikation eingereichte Manuskripte durften nirgendwo anders publiziert oder zur Publikation eingereicht worden sein (Ausnahme: Abstracts fur Kongreßvorträge und Berichte über Vorträge in der Laienpresse). Die Zeitschrift hat die ~IngelfingerRulea im Laufe der Zeit mehrfach bestätigt und angesichts neuer Medien und PublikationsWege modifiziert, zuletzt durch die geschäftsführende Herausgeberin und den neuen Editor J. P. Kassirer (2). Auf das Problem der Mehrfachpulikation ist auch das »International Committee of Medical Journal Editors« eingegangen. Nach den Richtlinien dieser Gruppe sind Doppelpublikationen zum Beispiel in verschiedenen Sprachen tinter bestimmten Bedingungen möglich; die wichtigste Bedingung ist. daß die Schriftleitungen beider Zeitschriften von der Doppelpublikation wissen. Die auch »Vancouver Group« genannte Vereinigung von Schriftleitern wichtiger englischsprachiger Zeitschriften formulierte auch Standards für die Manuskriptabfassung, zum Beispiel formale, statistische und ethische (9).

Rothmund: Qualitätssicherung bei Publikationen 1855

Auf die Probleme der Qualitätssicherung bei Publikationen durch den Autor und seine Arbeitsgruppe hat eine Kommission der nSociety of University Surgeonsa der USA hingewiesen und im Jahre 1991 entsprechende Leitlinien publiziert (17). Diese Arbeitsgruppe nannte Situationen, die bei einem kritischen Beobachter der wissenschaftlichen Arbeit die innere Alarmglocke läuten lassen sollte. Dies sollte der Fall sein bei einem stets brillanten wissenschaftlichen Einzelgänger, bei einem Forscher, dessen Hypothesen durch seine Untersuchungen immer bestätigt werden. und bei Gruppen, die regelmäßig erfolgreiche Experimente durchführen. Der Verdacht auf mindere Qualität und gar auf Betrug muß geäußert werden, wenn bei Vorlage eines Manuskriptes und unklarer Situation, die entsprechenden Rohdaten nicht vorgelegt werden können, oder Autoren sich weigern, ein bestimmtes Experiment unter Aufsicht zu wiederholen. Schließlich müssen kritische Bemerkungen von Doktoranden, Laboranten und technischen Assistenten Aufmerksamkeit erregen. In den letzten 10 Jahren wurden in den USA mehrere Betrugsfälle aufgedeckt, von denen drei über die Fachwelt hinaus bekannt wurden. Es handelte sich um Publikationen des Immunologen B. T. Summerlin, der plump gefälschte Experimente in renommierten Zeitschriften publizierte. Er malte »zum Beweise angegangener Hauttransplantate nach Immunmodulation des Spendergewebes weißen Mäusen einen schwarzen Fleck auf das Fell. Eklatant war ebenfalls die Entdeckung der durch den Kardiologen John Darsee gefälschten experimentellen Daten, die in so renommierten Zeitschriften wie dem »New England Journal of Medicinee publiziert wurden. Hier haben der Autor und seine Umgebung jegliche innere und äußere Kontrolle verloren. genauso wie im Falle des Radiologen R. A. Slutsky, der eine Reihe von erfundenen Daten in mehreren erstklassigen Zeitschriften publizierte (7, 17). Es sei zur Ehrenrettung der wissenschaftlichen Institutionen und der Zeitschriften. in denen die gefälschten oder erfundenen Daten »erarbeitet« und publiziert wurden. gesagt, daß sowohl die Universitäten als auch die Zeitschriften dieses betrügerische Vorgehen einzelner Autoren öffentlich bekanntmachten und die entsprechenden Artikel zurückzogen (3, 18). Dennoch zeigt sich, daß die notwendige Qualitätssicherung bei listenreichem Vorgehen unterlaufen werden kann. Ein Gutachter muß jedoch zunächst davon ausgehen. daß ein Autor die Daten, die er publiziert hat, auch selbst oder in seiner Arbeitsgruppe auf ehrliche Weise erarbeitete. Bei jedem Manuskript Betrugsverdacht zu hegen, würde zu weit gehen. Das Zitat des Herausgebers des »Journal of Clinical Investigation«, Philipp Majerus, trifft die Situation auf den Kopf: »We are the JCI, not the FBI«. Betrug bei wissenschaftlichen Publikationen wurde nicht nur in den USA, sondern auch in

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DMW 1992, 11 7. Jg., Nr. 48

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England und Australien bekanntgemacht (11). handen sein könnten, da sie für ihn nicht nachweisGründe für betrügerisches Vorgehen bei wissen- bar waren (16). Aus der neueren Medizingeschichte schaftlichen Arbeiten sind neben menschlichen ist bekannt, daß die Publikation der Arbeit von BerSchwächen (Geltungsbedürfnis), vor allem auch der son und Yalow im »Journal of Clinical Investigatione. Druck, publizieren zu müssen (»publish or perisha), welche die später nobelpreiswürdige Erstbeschreida von guten Publikationen die Stelle in einer wissen- bung des Radioimmunoassay enthielt, fast durch die schaftlichen Einrichtung, die finanzielle Unterstüt- negative Begutachtung verhindert wurde. Andererzung durch öffentliche Fördermittel und schließlich seits kann die Begutachtung durch Forscher aus dem das Ansehen eines Wissenschaftlers abhängt. gleichen Gebiet zu einer Perpetuierung falscher Ideen als Teil der herrschenden Lehre (Orthodoxie) fuhren oder zu einer unverdienten Anerkennung falQualitätssicherung durch die scher Daten. Selten ist eine Verzögerung klinisch Zeitschrift und ihre Gutachter wichtiger Informationen. Vom »Peer review« kann Die Qualitätssicherung von Publikatio- man behaupten, was Winston Churchill über die nen durch Zeitschriften, das heißt durch die Schrift- Demokratie gesagt hat: Es ist das beste System. das leitung und ihre Gutachter beruht in der wissen- wir haben, aber es ist nicht perfekt (16). schaftlichen Welt auf dem Prinzip des »Peer reviewa, Begutachtung kann die Publikation eidas heißt der Begutachtung durch Wissenschaftler. die auf dem gleichen Gebiet arbeiten. »Peer reviewa nes unzureichenden Manuskriptes letztlich nicht verhat unmittelbar durch Beeinflussung des Inhalts der hindern. Etwa 80-90% der Manuskripte, die von medizinischen Zeitschriften Auswirkungen auf klini- erstklassigen Zeitschriften nach Begutachtung abgesche Entscheidungen - wer hätte nicht schon am lehnt werden, erscheinen später in einer der ZeitKrankenbett eine Entscheidung auf der Basis einer schriften auf der absteigenden Qualitätsleiter (17). publizierten klinischen Studie getroffen - sowie auf die Akzeptanz bzw. Verwertung von medikamentöWichtiges Element des »Peer reviewe sen oder apparativen Innovationen (16). ist eine Begutachtung aller Manuskripte ohne Ausnahme und zwar durch mindestens zwei Gutachter, Durch »Peer r e v i e w ~wird die Veröf- die von ihrer Tätigkeit gegenseitig nicht wissen. Die fentlichung unzureichend erarbeiteter Daten sowie Begutachtung muß einfach oder doppelt blind sein. schlecht belegter Interpretationen vermieden. Die Bei den meisten Zeitschriften ist sie einfach blind, Qualität der Manuskripte wird angehoben und die das heißt, der Autor weiß nicht, wer ihn begutachtet Flut von Publikationen eingeschränkt. Schließlich hat, allerdings weiß der Gutachter, wen er begutachbewirkt »Peer reviewa auch die Verwirklichung von tet. Bei manchen Zeitschriften ist die Begutachtung Standards und Normen für wissenschaftliche Arbei- doppelt blind. Für das letztere Vorgehen spricht eine ten und ihre Niederlegung in Form von Manuskrip- Untersuchung, die folgendes beschreibt: Angeseheten sowie eine Stimulation zu besseren Untersuchun- nen psychologischen Zeitschriften wurden zwölf gen und besserer Manuskriptabfassung, besonders Manuskripte nach Unkenntlichmachung ihrer Herdann, wenn ein Manuskript durch ein gutes Review kunft wieder vorgelegt, die sie vor Jahresfrist akzepund gute Begründung abgelehnt oder der Autor zur tiert hatten. Acht der zwölf Manuskripte wurden jetzt nach Begutachtung durch 36 Reviewer abgelehnt Revision angeregt wird. (14). Diese Beobachtung ist besorgniserregend. Zum Das System der Begutachtung durch einen, weil die Mehrzahl der Manuskripte nicht wieWissenschaftler aus dem gleichen Gebiet hat auch dererkannt wurde, aber auch weil offensichtlich die Nachteile. Es können neue Ideen oder Wege verhin- Kenntnis der Autoren bzw. der Institution, aus der dert werden, die kontrovers zur herrschenden Lehre sie kommen, für eine Publikation förderlich war. sind, das heißt der wissenschaftliche Fortschritt kann verzögert werden. Dafür gibt es bekannte BeiEine offene Begutachtung, das heißt, spiele. Die Tatsache, daß die Redaktion bei der Mit- Autor und Gutachter kennen sich. scheint unmöglich teilung der ersten Magenresektion wegen eines zu sein. Als Folge dieser Politik mußte Ende 1990 das Ulcusleidens durch Rydigier im Jahr 1881 kommen- »Journal of Molecular and Cellular Immunology« das tierte: »und hoffentlich auch die letzte« reflektiert Erscheinen einstellen. Immer weniger Gutachter nur die damalige Fehleinschätzung dieses therapeu- waren gewillt. ihren Namen unter ihre Beurteilung tischen Verfahrens. Sie hat Fortschritt nicht verhin- zu setzen. Ebenso gab es immer weniger Autoren, dert. Schwerwiegender ist schon die Ablehnung der die sich der offenen Kritik - die Gutachten wurden Erstveröffentlichung des Krebs-Zyklus von Hans mit der Arbeit veröffentlicht - aussetzen wollten (20). Krebs durch eine renommierte britische Zeitschrift. Ein Biochemiker, der das Manuskript begutachtete. Nach der Begutachtung ist es unabhatte ähnliche Phänomene am Musculus pectoralis dingbar, daß der Autor die Gutachten erhält. Er hat der Katze untersucht. Hier kommen die biochemi- sich für die Erstellung seines Manuskriptes mehr schen Zwischenstufen des Krebs-Zyklus nicht vor. Er oder weniger - meist viel - Arbeit gemacht. Vor argumentierte, daß diese Zwischenstufen nicht vor- allem wenn es abgelehnt wird. sollte er genau wissen

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1856 Rothmund: Qualitätssicherung bei Publikationen -

Rothmundr Qualitätssicherung bei Publikationen 1857

DMW 1992, 11 7. Jg., Nr. 48

Das Gutachtenformular sollte zusätzlich einen Abschnitt enthalten, der nur für die Schriftleitung bestimmt ist, vor allem um Empfehlungen zu Akzeptanz oder Ablehnung abzugeben. Manche Zeitschriften sehen dies allerdings nicht vor, um sich Entscheidungen vorzubehalten. Wichtig ist auch der anonyme Austausch der Gutachten zwischen den Gutachtern nach Abschluß des Review. Der Gutachter muß wissen, ob er häufig konkordant oder diskordant mit anderen Gutachtern gearbeitet hat, um fiur sich daraus Konsequenzen ziehen zu können. Schließlich sollte den Gutachtern die Entscheidung der Schriftleitung mitgeteilt werden, ebenfalls damit sie wissen, ob ihr Vorschlag häufiger akzeptiert oder häufiger abgelehnt wird (5, 12). Schlecht ist es jedenfalls, wenn ein abgelehntes Manuskript nach vielen Monaten oder gar Jahresfrist erscheint und der Gutachter nachfragen muß, warum dies geschehen ist. Gutachter sollten sich als Berater des Schriftleiters (Editors) verstehen, der die letzte Entscheidung über ein Manuskript zu treffen hat. Der Schriftleiter ist vielen verpflichtet, den Autoren, den Gutachtern, dem Verlag. am meisten jedoch den Lesern. Objektivität und Fairness sind neben vielen anderen die wichtigsten Tugenden. Hat er diese nicht, kann er allein schon durch die Auswahl der Gutachter mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Manuskript der Ablehnung anheim geben oder es zu den akzeptierten einordnen. Der Schriftleiter setzt die Standards für eine Zeitschrift und definiert die Rollen der Hauptmitwirkenden, der Autoren und Gutachter (10).

ten, die den Nachuntersuchungen nicht zugänglich waren (»lost to follow up«) zu entnehmen. Kaum mitgeteilt wurden die Methoden der Zuteilung zu den Behandlungsgruppen oder Informationen zur Bestimmung der Gruppengröße oder zum Ausmaß bestimmter statistischer Unterschiede (»statistical power«). In jüngerer Zeit haben einige wissenschaftliche Zeitschriften (British Medical Journal, British Journal of Surgery, American Journal of Surgery) die Qualität der angewandten statistischen Methoden in Publikationen ihrer eigenen Blätter im Nachhinein untersuchen lassen. Bei 30-50% der Publikationen wurden inadäquate statistische Methoden benützt, richtige falsch angewandt oder aus statistischen Berechnungen falsche Schlüsse gezogen. Ein beträchtlicher Teil der Publikationen zeigte so schwerwiegende Fehler, daß die Schlüsse, die aus den Untersuchungen insgesamt gezogen wurden, im nachhinein nicht nachvollziehbar waren (8, 13, 15, 19). Diese Entdeckungen führten bei einigen Zeitschriften zur regelmäßigen Beschäftigung eines Statistikers, um zur Publikation vorgesehene Manuskripte zu überprüfen (19). Qualitätssicherung bei wissenschaftlichen Publikationen wird durch Sorgfalt und Aufrichtigkeit des Autors und seiner Gruppe, durch eine akademische Atmosphäre in seiner Institution und durch eine sorgfaltige und konsequente Begutachtung durch die wissenschaftlichen Publikationsorgane erreicht. Eine Anhebung von Qualitätsstandards ist offensichtlich in beiden Bereichen notwendig. Nur hohe Ansprüche an sich selbst und die Autoren medizinisch-wissenschaftlicher Zeitschriften erlauben langfristig ein Überleben und die gewünschte Anerkennung auf einem konkurrenzstarken Markt.

Literatur 1 Anderson, C.: Writer's cramp. Nature (Lond.) 355 (1992). 101.

Problematisch und in den letzten Jahren Gegenstand von Kritik ist offensichtlich das unzulängliche Design bzw. dessen mangelhafte Beschreibung bei der Publikation experimenteller und vor allem klinischer Studien sowie die Verwendung inadäquater statistischer Methoden bei wissenschaftlichen Arbeiten. DerSimonian und Mitarbeiter (4) untersuchten Kriterien des Studiendesigns, der Durchführung und der Analyse einer großen Zahl klinischer Studien, die in vier angesehenen medizinischen Zeitschriften erschienen waren. Sie fanden nur 56% der von ihnen für wichtig erachteten Kriterien in den Publikationen eindeutig mitgeteilt. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Emerson und Mitarbeiter (6) bei der kritischen Durchsicht klinischer Studien, die in chirurgischen Zeitschriften publiziert waren. Am häufigsten waren eindeutige Auskünfte über die Randomisierung oder die Zahl der Patien-

2 Angeli. M.. J. P. Kassirer: The Ingelfinger rule revisited. New 3

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Engl. J . Med. 325 (1991). 1371. Culliton. B. J.: Emory reports on Darsee's fraud. Science 220 (1983). 936. DerSimonian. R.. L. J . Charette, B. McPeek. F. Mosteller: Reporting an methods in clinical trials. New Engl. J. Med. 306 (1982). 1332. Dudley, H. A. F.: Editorial process at The British Journal of Surgery. Brit. J. Surg. 76 (1989). 21 1 . Emerson, J., B. McPeek. F. Mosteller: Reporting clinical trials in general surgical journals. Surgery 95 (19841, 572. Engler. R. L.. J. W. Covell. P. J. Friedmann, P. S. Kitcher. R. M. Peters: Misinterpretation and responsibility in medical research. New Engl. J. Med. 317 (1987). 1383. Gore, S. M.. I. G . Jones. E. C. Rytter: Misuse of statistical methods: critical assessment of articles in BMJ from January to March 1976. Brit. med. J. 282 (1977). 85. International Committee of Medical Journal Editors: Uniform requirements for manuscripts submitted to biomedical journals. Brit. med. J. 302 (1991). 338. Lock, S.: A Difficult Balance: Editorial Peer Review in Medicine (Nuffield Provincial Hospitals Trust: London 1985).

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warum, zum einen, damit eine sinnvolle Revision, wenn dies möglich ist, erfolgen kann, zum anderen, damit ihm die Möglichkeit gegeben ist, künftige Manuskripte unter Vermeidung gemachter Fehler abzufassen. Dies stärkt die Rolle des Gutachters als Lehrer (»wie schreibt man ein gutes wissenschaftliches Manuskript?«) und 1äß ihn nicht in der zu engen Rolle des Schiedsrichters: Annehmen oder Ablehnen!

1858 Rothmund: Qualitätssicherung bei Publikationen Proj Dr. M. Rothmund Klinik für Allgemeinchirurgie d e r Universität Baldingerstraße W-3550 ~~~b~~~

Themen früherer Kommentare Therapie der metabolischen Acidose. Peer. G.. H. Grafi Heft 28/29 (1991). 1116-1 119. Nobelpreis für Medizin und Physiologie 1991. Greger, R.: Heft 48 (1991). 1849-1851. Von tödlicher Blutungsneigung zu lebensbedrohlicher Thrombosegefahrdung. Schneider, W . , V. Runde, C. Aul: Heft 51/52 (1991), 1971-1975. Carotis-Endarteriektomie. Eine kritische Analyse aktueller Studien. Diener, H. C.. 0.Busse. W . Hacke. M. Hennerici: Heft 2 (1992). 72-74.

Frühsommer-Meningoenzephalitis-Impfung. Gold. R.. H. Wiethölter, I. Rihs, J. Löwer. L. Kappos: Heft 3 (1992). 112-116. Inhalative Glucocorticoide. Geringe Nebenwirkungen bei hoher Wirksamkeit. Rohdewald, P.: Heft 10 (1992). 390-393. Klinik für Vorkliniker. Gahl. K.. H.-H. Raspe: Heft 19 (1992). 757-761. Erkennen wir den Typ-11-Diabetes rechtzeitig? Hauner, H.: Heft21 (1992). 835-840. Metabolische Wirkungen von P-Rezeptorenblockern. Sawicki, P. T.. M. Berger: Heft 22 (1992), 875-879. Helicobacter pylori: vom harmlosen Kommensalen zum klinisch bedeutsamen Krankheitsfaktor. Labenz, J.. G. Börsch: Heft 25 (1992). 997-999. Sprechstunde für Musiker. Ein interdisziplinäres Konzept. Blum. J.. J. Ahlers, G. Ritter: Heft 27 (1992). 1078-1081 Ist die Colitis ulcerosa eine Autoimmunerkrankung? Raedler, A.. S. Schreiber: Heft 35 (1992). 1333-1338.

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11 Lock. S.: Misconduct in medical research. Does it exist in Britain? Brit. med. J. 297 (1988). 1531. 12 Morgan, P.: Peer review in medical journals. Brit. med. J. 292 (1987), 646. 13 Murray. G. D.: The task of a statistical referee. Brit. J. Surg. 75 (1988), 664. 14 Peter. D. P.. S. J. Ceci: Peer review practices of psychological journals. The fate of published manuscripts submitted again. Behav. Brain Res. 5 (1982). 187. 15 Pocock, S. J.. M. D. Hughes. R. J. Lee: Statistical problems in the reporting of clinical trials. A survey of three medical journals. New Engl. J. Med. 317 (19871,426. 16 Robin. E. D., C. M. Burke: Peer review in medical journals. Chest 91 (1987). 253. 17 Simmons, R. L., H. C. Polk, B. Williams,C. Mavroudis: Misconduct and fraud in research. Social and legislative issues symposium of the Society of University Surgeons. Surgery 110 (1991). 1. 18 Stewart. G. M.: Lessons from the Darsee affair. New Engl. J. Med. 308 (1983). 1415. 19 Yancey. J. M.: Ten rules for reading clinical research reports. Amer. J. Surg. 159 (1990).533. 20 Böses Zeichen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. 5.1991

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[Quality assurance in publications].

Kommentare Qualitätssicherung bei Publikationen M. Rothmund Der ehemalige Herausgeber von »The Lancet«, Sir Theodore Fox, soll, so lautet eine Anekdo...
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