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Lungenembolie Gerold Söffker, Stefan Kluge

Definition | Als Lungenembolie bezeichnet man eine partielle oder vollständige Verlegung der Lungenarterien durch zumeist eingeschwemmte (thromboembolisch) Blutgerinnsel. Epidemiologie | Die venöse Thromboembolie umfasst die tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose und die Lungenembolie. Die jährliche Inzidenz der diagnostizierten venösen Thromboembolie beträgt ca. 100–200 Fälle pro 100 000 Einwohner; ein Drittel davon sind Lungen­embolien. An ihren Folgen sterben jährlich in Deutschland ca. 40 000 Menschen. Innerhalb der ersten 2 Wochen nach Diagnose beträgt die durchschnittliche Letalitätsrate aller Formen der Lungen­embolie 11 %. Besonders die Frühletalität ist hoch: Bis zu 90 % aller Todesfälle ereignen sich innerhalb von 1–2 Stunden nach Symptombeginn [1, 2].

Zudem ist die Letalität bei Schock deutlich erhöht (30–50 %) und bei reanimationspflichtigem Kreislaufstillstand massiv erhöht (> 70 %) [3]. Pathophysiologie | Durch die mechanische Ob­ struktion der pulmonal-arteriellen Strombahn kommt es zu hämodynamischen Veränderungen im kleinen und großen Kreislauf. Die klinische Ausprägung der veränderten Hämodynamik wird bestimmt durch ▶▶ das Ausmaß der Obstruktion, ▶▶ eine zuvor bereits bestehende kardiopulmonale Insuffizienz sowie ▶▶ durch die neurohumoral getriggerte pulmonale Vasokonstriktion. Bei einer hämodynamisch relevanten Lungenembolie nimmt der pulmonalarterielle Druck plötzlich zu, die Druckbelastung und die Wandspannung des rechten Ventrikels (RV) steigen. Die Folge ist eine akute RV-Dysfunktion mit Dilatation; das interventrikuläre Septum verschiebt sich in der Diastole nach links. Somit ist die Füllung des linken Ventrikels reduziert und konsekutiv fallen Blutdruck und Herzzeitvolumen bis hin zum kardiogenen Schock. Aufgrund der rechtsventrikulären Druckbelastung und des niedrigen Herzzeit-

volumens ist die Koronarperfusion verminderte und eine Myokardischämie ensteht.

Klinische Verdachtsdiagnose Erste Verdachtsdiagnose | Die erste Verdachtsdiagnose einer akuten Lungenembolie ergibt sich bei stabilen Patienten immer aus ▶▶ Klinik, ▶▶ Anamnese, ▶▶ Befunden der Basisdiagnostik sowie ▶▶ Scores zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie. Symptome und Befunde | Häufige Symptome einer Lungenembolie sind ▶▶ Dyspnoe, ▶▶ Thoraxschmerzen (pleuritisch / retro­sternal), ▶▶ Husten und ▶▶ Fieber. Bei einer Lungenembolie können viele klinische Befunde vorliegen – kein einziger davon ist jedoch allein spezifisch für eine Lungenembolie.

Primärsymptome, die ebenfalls auf eine Lungenembolie hinweisen, sind ▶▶ Tachykardie, ▶▶ Hämoptysen,

Abb. 1  Wichtige Differenzialdiagnosen und Basisuntersuchungen zur Abklärung von akuten Thoraxschmerzen.

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Die akute Lungenembolie ist eine wichtige Differenzialdiagnose bei akuten Thoraxschmerzen (▶ Abb. 1). Sie äußert sich in vielen klinischen Zeichen, die allerdings häufig wenig spezifisch sind. Neue Therapiealgorithmen unterstützen die Diagnose und vor allem die risikoadaptierte Therapie der Lungenembolie.

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Abb. 2  CT Thorax. Links: Thrombus in der rechten Pulmonalarterie (RPA). LPA = Linke Pulmonalarterie. Rechts: Zeichen einer rechtsventrikulären Dysfunktion. RV: LV ≥ 0,9

▶▶ Synkope, ▶▶ Schock,

▶▶ Kreislaufstillstand sowie

▶▶ parallel vorhandene Zeichen der tiefen Bein-

venenthrombose. Auch unspezifische EKG-Veränderungen sind möglich (SIQIII-Typ, T-Wellen-Inversion, STSenkung, ST-Hebung, inkompletter oder kompletter Rechtsschenkelblock, AV-Block u.  a.). ­Pathologische Veränderungen in der arteriellen Blutgasanalyse, wie eine Hypoxämie, können vorliegen; eine normale Blutgasanalyse schließt eine Lungenembolie aber nicht sicher aus [4]. Die Befunde im Röntgen-Thorax sind oft nur unspezifisch. Prätest-Wahrscheinlichkeit | Die Reihenfolge weitere Untersuchungen hängt bei hämodynamischer Stabilität auch von der Prätest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie ab. Hierzu dienen der Wells-Score und der Genfer Score. D-Dimere bestimmen? | D-Dimere haben für eine Lungenembolie einen hohen negativen prädikten Wert. Ist z. B. bei einem stabilen Patienten mit ­geringer Lungenembolie-Wahrscheinlichkeit der ELISA-D-Dimer-Test negativ (≤ 500 μg / l), kann die Verdachtsdiagnose Lungenembolie verworfen werden, eine Multidetektor-CT-Pulmonalisangiografie ist nicht mehr erforderlich. Altersadaptierte Cut-off-Werte (Alter × 10) für Patienten > 50 Jahre sind aktuell in der Diskussion [5].

Abb. 3  Transthorakale Echokardiografie von xiphoidal mit deutlich vergrößertem rechten Ventrikel und optisch schlechter Volumenfüllung des linken Ventrikels.

Risikoabschätzung | Die Prognose der akuten Lungenembolie hängt wesentlich von zwei Faktoren ab: 1. Ist die Hämodynamik beeinträchtigt? 2. Welches Ausmaß hat die RV-Dysfunktion? Die im CT gesicherte pulmonalarterielle Thrombuslast [6] oder die Höhe des pulmonalarteriellen Drucks korrelieren dagegen deutlich schlechter mit der Mortalität [7]. Die Risikoabschätzung erfolgt, indem man das individuelle durch die Lungenembolie bedingte Todes- oder Komplikationsrisiko (Krankenhaus- bzw. 30-Tages-Letalität) beurteilt. Die aktuell überarbeiteten Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfehlen hierfür vier Risikoparameter (▶ Tab. 1)

Bildgebende Nachweis-Methoden Pulmonalisangiografie | Die Pulmonalisangiografie ist der historische Goldstandard der Lungenemboliediagnostik. Heute wird sie jedoch nur noch bei Katheterinterventionen zur Thrombus­ aspiration oder –fragmentation angewendet. Multidetektor-CT | Die MDCT hat die Pulmonalis­ angiografie abgelöst. Sie ist der neue Goldstandard in der Notfall-Diagnostik der Lungenembolie bei Hoch-Risiko- und Nicht-Hoch-Risiko-Patienten (▶ Abb. 2). Ein Verhältnis rechts- zu linksventrikulärem enddiastolischen Durchmesser ≥ 1 im MDCT gilt als Hinweis auf eine RV-Dysfunktion [12].

Bei einer primären Verdachtsdiagnose Lungenembolie sollte die MDCT gezielt eingesetzt werden. Eine ungezielte „Triple rule out“-Strategie, um uncharakteristische Thoraxschmerzen simultan innerhalb einer einzigen CT abzuklären, bringt sehr wahrscheinlich keinen Vorteil – und erhöht die Strahlenbelastung und den Kontrastmittelverbrauch [13, 14]. Lungen-Szintigrafie | Die Lungenszintigrafie mittels Perfusions- und Ventilationsuntersuchung

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Echokardiografie | Die bettseitige orientierendende transthorakale Echokardiografie ist bei instabilen Patienten in der Intensiv- und Notfallmedizin sinnvoll – z. B. anhand sog. „Focus-assessed transthoracic echocardiography“-Protokolle [15]. Hierdurch kann z. B. der erste klinische Verdacht auf eine massive Rechtsherzbelastung bestätigt werden (▶ Abb. 3) [16]. Demgegenüber ist mehr echokardiographische Erfahrung notwendig, um eine RV-Dysfunktion bei stabilen Patienten zu quantifizieren. Zur Definition der RV-Dysfunktion im Rahmen der Lungenembolie dienen unterschiedliche Parameter, z. B.: ▶▶ RV-enddiastolischer Durchmesser > 30 mm ▶▶ enddiastolischer Durchmesser RV:LV > 0,9 ▶▶ Hypokinesie der freien RV-Wand ▶▶ maximale Geschwindigkeit des Regurgitationsjets im cw-Doppler über der Trikuspidalklappe > 2,6 m / s ▶▶ paradoxe Septumbewegung ▶▶ Akzelerationszeit der RV-Ejektion (gemessen über der Pulmonalklappe)  500 pg / ml) [9] ▶▶ Erhöhung des H-FABP ≥ 6 ng / ml (nicht überall in der Routine verfügbar )

MRT-Angiografie | Bisher wurde die MRT anhand der Studienlage nicht empfohlen, z. B. aufgrund von inadäquaten Bildern sowie mittlerer Sensitivität der Methode für die Routinediagnostik [23]. Weitere praktische Limitationen sind ▶▶ die lange Untersuchungszeit und ▶▶ die eingeschränkte Überwachungsmöglichkeit. Selbst für Schwangere ist die MRT mit Gadolinium wegen der unklaren Langzeitwirkung auf den Fetus bisher nicht zu empfehlen [24]. Allerdings könnten Gadolinium-freie MRT-Untersuchungstechniken evtl. zukünftig die Diagnose sichern [26]. Ebenso scheinen neuere MRT-Techniken und Daten zur prognostischen Risikoeinschätzung vielversprechend, sind aber in großen Studien nicht validiert [25–28].

Tab. 1  Parameter zur Abschätzung des Risikos einer Lungenembolie [8].

Derzeit keine Empfehlung für die MRT zur Diagnosesicherung der Lungenembolie.

Einteilung in Risikogruppen Risikograde | Primär ist zu unterscheiden in

▶▶ Hoch-Risiko-Patienten:

▶▶hämodynamisch instabile Patienten ▶▶mit hoher Frühmortalität ▶▶ Nicht-Hoch-Risiko-Patienten: ▶▶hämodynamisch stabile normotensive Patienten (▶ Abb. 4). Nicht-Hoch-Risiko | Bei Nicht-Hochrisiko-Patienten erfolgt als nächster Schritt primär anhand der Score-Klasse eine weitere Unterteilung: 1. Niedrig-Risiko (PESI-Klasse I-II bzw. sPESI = 0) oder Söffker G, Kluge S. Lungenembolie  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 89–96

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eignet sich, um eine Lungenembolie auszuschließen, oder um die Diagnose Lungenembolie bei hoher Wahrscheinlichkeit zu sichern. In der NotfallDiagnostik ist sie allerdings nicht praktikabel.

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Dossier wenn der Patient trotz intensivmedizinischer Therapie dafür nicht mehr transportfähig erscheint, kann die Diagnose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gestellt werden, wenn ein Schock sowie ▶▶ eine akute RV-Dysfunktion (nachgewiesen in der bettseitigen transthorakalen Echokardiografie) oder ▶▶ rechtskardiale Thromben vorliegen.

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Abb. 4  Risikostratifizierung der akuten Lungenembolie. Adaptiert nach [8].

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2. Intermediär-Risiko (PESI-Klasse III-V bzw. sPESI ≥ 1). Diese Klasse unterteilt sich weiter in: ▶▶ intermediär-hoch: RV-Dysfunktion und kardiale Biomarker erhöht ▶▶ intermediär-niedrig: ▶▶RV-Dysfunktion oder kardiale Biomarker erhöht bzw. ▶▶Niedrig-Risiko anhand des PESI (PESI Klasse I-II bzw. sPESI = 0) plus RV-Dysfunktion und / oder kardiale Biomarker erhöht

Risikoadaptierte Diagnostik Hoch-Risiko | Bei Hochrisiko-Patienten sollte zur Diagnosestellung sofort ein MDCT erfolgen. Nur

Nicht-Hochrisiko | Bei Nicht-Hochrisiko-Patienten kommt die MDCT zum Einsatz bei ▶▶ hoher klinischer Wahrscheinlichkeit oder ▶▶ niedriger / mittlerer Wahrscheinlichkeit und positivem ELISA-D-Dimer-Test. Der alleinige Hinweis einer RV-Dysfunktion im CT ist eigentlich ausreichend. Dennoch erfolgt häufig zusätzlich eine transthorakale Echokar­ diografie zur Bestätigung der RV-Dysfunktion. Zur weiteren Risiko-Stratifizierung ist ebenso die Bestimmung eines LE-Prognose-Scores (PESI, sPESI) sowie die Messung kardialer Biomarker notwendig.

Risikoadaptierte Überwachung Hoch-Risiko | Patienten mit Hoch-Risiko immer initial auf der Intensivstation behandeln. Intermediäres Risiko| Patienten zunächst auf der Intensivstation oder Intermediate Care Station überwachen und weiter behandeln.

Abb. 5  Risikoadaptierte Behandlung der akuten Lungenembolie (adaptiert nach [8]). WS = Wahrscheinlichkeit MDCT = Multidetektor-Spiral-CT PESI = Pumonary Embolism Severity Index 9HUGDFKWDXI/XQJHQHPEROLH +lPRG\QDPLN Ã6FKRFNE]Z6FKRFNLQGH[! Ã6\VWRO55PP+JRGHU55$EIDOOXP•PP+JEHU!PLQ MD

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Therapie bei Hochrisiko-Patienten Rekanalisation | Therapie der ersten Wahl ist in der Hoch-Risikogruppe die schnellstmögliche Rekanalisation der pulmonalarteriellen Strombahn (▶ Abb. 5). Ziel ist die Reduktion der obstruierenden Thrombusmasse mittels ▶▶ systemischer Lysetherapie bzw. ▶▶ sofortiger Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin (UFH) Lysetherapie | Die Thrombolysetherapie ist der alleinigen Antikoagulation überlegen [34, 35]. Zur Lysetherapie sind zugelassen:

▶▶ rt-PA (Alteplase)

▶▶z. B. Gesamtdosis von 100 mg Wirkstoff i. v. über 2 h für Patienten > 65 kg ▶▶ Streptokinase ▶▶ Urokinase Tenecteplase ist für die Lungenembolie nicht zugelassen. Den größten Nutzen zeigt eine Lysetherapie innerhalb der ersten 48 h nach Symptombeginn. Allerdings kann auch ein späterer Therapiebeginn bis zu 14 Tage nach Symptombeginn noch nützlich sein.

Heparin | Begleitmedikation der Lyse ist zunächst unfraktioniertes Heparin (5000–10 000 IE Bolus). Die Risiko-Nutzen-Bewertung sollte individuell je nach klinischer Gesamtsituation und Alternativen erfolgen. Die absoluten und relativen Kontraindikationen für eine Lysetherapie sind unter anderem: ▶▶ bekannte hämorrhagische Diathese ▶▶ wirksame orale Antikoagulanzientherapie ▶▶ manifeste oder kurz zurückliegende schwere oder lebensgefährliche Blutung ▶▶ intrakranielle Blutung ▶▶ zerebrales Neoplasma ▶▶ kurz zurückliegende Entbindung ▶▶ kurz zurückliegende (Fehl-) Punktion eines nicht komprimierbaren Blutgefäßes ▶▶ unkontrollierbare schwere arterielle Hypertonie ▶▶ floride infektiöse Endokarditis ▶▶ floride Ulzera im Gastrointestinaltrakt ▶▶ schwere Lebererkrankung inklusive deren Folgen

Abb. 6  Intensivmedizinische Therapieoptionen bei rechtsventrikulärer Dysfunktion.

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Söffker G, Kluge S. Lungenembolie  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 89–96

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Niedriges Risiko | Patienten zunächst in der Notaufnahme abschließend diagnostizieren, das Risiko stratifizieren und die Behandlung beginnen. Danach können sie auf eine periphere Station verlegt werden. Bei Patienten ohne jegliche Komorbiditäten und guter ambulanter Versorgungsmöglichkeit scheint nach Behandlungsbeginn auch die direkte Entlassung aus der Notaufnahme in die ambulante Weiterbehandlung zukünftig eine Alternative zu sein [29–31]. Als prognostische Parameter wurden hierbei entsprechend der Einteilung als Niedrig-Risikogruppe ▶▶ ein NT-proBNP  90 %) ▶▶ Behandlung einer schweren Arrhythmie oder Infektion ▶▶ hämodynamische Stabilisierung Die intensivmedizinische Therapie des Rechtsherzversagens umfasst ein simultanes Maßnahmenbündel: ▶▶ Optimierung der rechtsventrikulären Vorlast, Kontraktilität und Nachlast sowie ▶▶ die hämodynamische Stabilisierung mittels Katecholaminen. Bei therapierefraktären Fällen von Rechtsherzversagen ist eine veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) möglich [37–41]. Um den zusätzlichen negativen Einfluss einer Hyp­oxämie auf die pulmonale Strombahn zu vermeiden, ist eine Intubation und lungenprotektive Beatmung manchmal unumgänglich. Allerdings ist eine Spontanatmung – auch an der ECMO – vorzuziehen.

Therapie bei intermediärem Risiko Standardtherapie | Die bisherige Therapie der Wahl ist ▶▶ die sofortige therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (LMWH) oder Fondaparinux sowie ▶▶ ein „Briding“ zu Vitamin-K-Antagonisten nach wenigen Tagen. Bei hohem Blutungsrisiko oder ausgeprägter Niereninsuffizienz initial mit unfraktioniertem Heparin behandeln.

DOAK | Alternativ stehen für hämodynamisch stabile Patienten die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) zur Verfügung. Vorteilhaft ist insbesondere die geringere Anzahl schwerer Blutungen bei indikationsgerechter Anwendung [42–44]. Die „number needed to treat“ (NNT) zur Verhinderung einer schweren Blutung ist mit 149 allerdings relativ hoch [45]. Switching | Aktuell besteht die Möglichkeit zur initialen Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin und dann „Switching“ zu einem direkten oralen Thrombininhibitor (Dabigatran [46, 47]). Der orale Faktor-Xa-Hemmer Edoxaban [48] ist diesbezüglich in Deutschland nicht zugelassen. Ebenso besteht die Möglichkeit zur primären Therapieeinleitung mit einem oralen FaktorXa-Hemmer (Rivaroxaban [49–51] oder Apixaban [52]).

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Monitoring | In diesen Fällen wäre ein Monitoring der antikoagulatorischen Wirkung sicher hilfreich [55] – es ist derzeit aber erst teilweise möglich. Derzeit können bestimmt werden: ▶▶ die direkten Dabigatran- oder RivaroxabanSpiegel in Speziallabors ▶▶ die Anti-Faktor-Xa-Aktivität mittels spezifischen Eichkurven sowie ▶▶ die indirekte Dabigatran-Plasmakonzentration über kalibrierte Eichkurven (Hemoclot®-Assay) Es fehlen aber noch zumeist „sichere“ Referenzbereiche oder standardisierte Abnahmezeitpunkte (Tal- oder Spitzenspiegel). Besteht eine gleichzeitige Indikation für ASS und einen P2Y12-Rezeptor-Antagonisten – z. B. nach Koronarstentimplantation – gibt es derzeit keine hinreichenden Erfahrungen mit einer sicheren DOAK-MehrfachAntikoagulation. Eine Studie zum Einsatz von Rivaroxaban bei Vorhofflimmern und einer Koronarstentindikation läuft aktuell (NCT01830543). Lysetherapie für wen? | Ob eine systemische Lysetherapie sinnvoll ist, orientiert sich an der primären Prognose des hämodynamisch stabilen Patienten sowie am Nutzen-Risiko-Verhältnis der Lysetherapie. Besonders für Komplikationen gefährdet sind vermutlich hämodynamisch noch stabile Patienten mit RV-Dysfunktion und myokardialer Schädigung [56]. Sie könnten von einer aggressiveren Lysetherapie in Bezug auf Mortalität und hämodynamischer Dekompensation profitieren. Diesen Schluss legte bereits eine monozentrische Studie aus dem Jahr 2002 mit Alteplase nahe [57]. Die PEITHO-Studie [58] zeigte nun, dass eine Lysetherapie mit Tenecteplase (bisher nicht zugelassen in dieser Indikation) vor allem eine hämodynamische Dekompensation signifikant verringern kann (1,6 vs. 5,0 %). Ein Mortalitätsunterschied im Vergleich mit der Placebogruppe nach 7 oder 30 Tagen bestand allerdings nicht; insgesamt war die 30-Tage-Mortalität in beiden Gruppen gering (2,4 % Lyse vs. 3,2 % Place-

Grad / Evidenz Thrombolytische Therapie für Patienten mit kardiogenem Schock oder persistierender Hypotension.

IB

Sofortiger Beginn der Antikoagulation mittels UFH.

IC

Behandlung der arteriellen Hypotension infolge des RV-Versagens.

IC

Einsatz von Vasopressoren bei hypotensiven Patienten.

IC

Sauerstofftherapie für Patienten mit Hypoxämie.

IC

Chirurgische Thrombembolektomie als Alternative bei Patienten mit absoluter Kontraindikation zur thrombolytischen Therapie oder erfolgloser thrombolytischer Therapie.

IC

Inotropikum (z. B. Dobutamin) für Patienten mit erhaltenem arteriellem Druck, aber niedrigem Herzminutenvolumen.

IIa B

Interventionelle (kathetertechnische) Embolektomie oder Fragmentierung proximaler Thromben als Alternative zur chirurgischen Therapie für Patienten mit hohem Risiko, bei denen die Thrombolyse absolut kontraindiziert oder erfolglos war.

IIa C

Einsatz der veno-arteriellen Extrakorporalen Membranoxygenierung als Rescue-Therapie bei Patienten im kardiogenen Schock oder reanimationspflichtige Patienten, die anders nicht stabilisiert werden können.

IIb C

Ein aggressives Volumenmanagement wird nicht empfohlen.

bo). Zudem traten in der Lysegruppe signifikant mehr schwere extrakranielle Blutungen (6,3 vs. 1,2 %) und hämorrhagische Schlaganfälle auf (2,0 vs. 0,2 %).

III B

Tab. 4  Empfehlungen zur Therapie der akuten Lungenembolie mit hohem Risiko (adaptiert nach den ESC-Leitlinien 2014 [8] sowie dem Kommentar der DGK zu den Richtlinien 2008 [7]).

Der unkritische Einsatz einer Lysetherapie bei Intermediär-Hochrisiko scheint trotz besserer hämodynamischer Stabilisierung aufgrund des hohen Blutungsrisikos und des fehlenden Netto-Nutzens nicht gerechtfertigt [35, 59].

Lyse individuell einsetzen | Dennoch ist der individuelle Einsatz in Subgruppen mit ▶▶ rechtsventrikulärer Dysfunktion, ▶▶ myokardialer Schädigung, ▶▶ sekundärer progredienter hämodynamischer Dekompensation sowie ▶▶ mit ebenso geringem Blutungsrisiko als Einzelfallentscheidung gerechtfertigt. Insbesondere jüngere Patienten haben hierbei ein geringeres Blutungsrisiko. Zukünftig ist zu klären, ob das Nutzen-Risiko-Verhältnis besser ist ▶▶ bei reduzierter systemischer Lysedosis [60] oder ▶▶ bei einer durch intravaskulären Ultraschall unterstützten lokalen Thrombolyse mit ebenso deutlicher verminderter Lysedosis. Letzteres konnte bisher bei Intermediärrisiko-Patienten in Bezug auf eine Besserung der RV-Dysfunktion nach 24 h gezeigt werden [61].

Therapie bei Niedrig-Risiko-Patienten Bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne Hinweis auf RV-Dysfunktion oder myokardiale SchäSöffker G, Kluge S. Lungenembolie  Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 89–96

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Antidot gegen DOAK? | Im Falle akuter schwerer Blutungen unter DOAK wäre ein spezifisches ­Antidot von Vorteil [53]. Derzeit wird für Dabigatran ein humanisiertes Antikörperfragment Idarucizumab in einer Phase-III-Studie getestet (NCT02104947). Ebenso befinden sich weitere Antidots (z. B. PER977; Andexanet) zur Bindung von Xa-Inhibitoren in Phase-I- oder Phase-IIIStudien (NCT01826266 bzw. NCT02220725). Zur Vermeidung von Nebenwirkungen sind besonders zu beachten [54] ▶▶ Einschränkungen der Nierenfunktion: absolute Kontraindikation bei Kreatinin-Clearance ▶▶

[Pulmonary embolism].

Acute pulmonary embolism is an important differential diagnosis of acute chest pain. The clinical signs are often non-specific. However, diagnosis and...
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