© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:683–696 DOI 10.1007/s00063-013-0318-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Redaktion

U. Janssens, Eschweiler M. Joannidis, Innsbruck K. Mayer, Gießen

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Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CMEPunkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig.

Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.

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CME Zertifizierte Fortbildung A. Wolf1 · M.J. Müller2 · F.-G.B. Pajonk3 1 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Universitätsklinikum des

Saarlandes Kirrberger Straße 100 66421, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar 2 Vitos Klinikum Gießen-Marburg, Gießen 3 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen

Psychopharmakotherapie  im Notarztdienst Zusammenfassung

Der vorliegende CME-Artikel setzt sich mit der Pharmakotherapie psychischer Störungen im Notarztdienst auseinander. Im Gegensatz zum Vorgehen bei somatischen Notfällen ist die Pharmakotherapie psychiatrischer Notfälle vielen Notfallmedizinern häufig nicht ausreichend bekannt, obwohl hierfür ebenfalls Leitlinien und Empfehlungen existieren. Im vorliegenden Beitrag werden für die 5 notfallmedizinisch relevanten Syndrome Suizidalität, Delir, psychomotorische Erregungszustände, Stupor und Dissoziation sowie psychopharmakainduzierte Syndrome die aktuellen Therapieempfehlungen, wie sie auch in der demnächst erscheinenden S2-Leitlinie Notfallpsychiatrie beschrieben werden, dargestellt.

Schlüsselwörter

Psychopharmaka · Notarztdienst · Notfälle · Notfallpsychiatrie · Psychopharmakotherapie

Dieser geringfügig modifizierte Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift Notfall+Rettungsmedizin 2013, 16:477-491, doi 10.1007/s10049-013-1701-2. Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist nur einmal möglich.

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2013  | 

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CME

Lernziele

Abkürzungsverzeichnis EEG

Elektroenzephalogramm

Nach Lektüre dieses Beitrags ist Ihnen bekannt, EKT Elektrokrampfbehandlung F dass sich die Psychopharmakotherapie in der EMA „European Medicines Agency“ Notfallmedizin nicht primär an der Ätiologie, EPS Extrapyramidal-motorische sondern v. a. an Syndromen orientiert, Symptome F dass Suizidalität eine häufige psychiatrische FDA „Food and Drug Administration“ Notfallsituation darstellt und wie sie behanICD-10 „International Statistical Classification of Diseases and Related delt werden kann, Health Problems, 10th revision“ F dass jedes Delir als akuter, potenziell lebensi.m. Intramuskulär bedrohlicher Zustand in der Regel eine Krani.v. Intravenös kenhausbehandlung erfordert, KG Körpergewicht F wie sich die Therapie des Alkoholentzugsdelirs KHK Koronare Herzerkrankung von der anderer Delirformen unterscheidet, MAO Monoaminooxidase F wie die Behandlungsindikation bei psychomoMNS Malignes neuroleptisches Syntorischen Erregungszuständen gestellt wird drom und welche Risiken hierbei zu bedenken sind, NNT „Number needed to treat“ F welche pharmakologische Notfallintervention NSAID „Non steroidal anti-inflammatory bei Stupor und Dissoziation ohne Gefährdung drugs“ der Aussagekraft diagnostischer Untersuchunp.o. Peroral gen möglich ist, SSRI „Selective serotonin reuptake F welche primärdiagnostischen Schritte beim inhibitor“ Verdacht und welche therapeutischen MaßZAS Zentrales anticholinerges Synnahmen beim Vorliegen der lebensbedrohlidrom chen Syndrome MNS, ZAS, zentrales SerotoZNS Zentralnervensystem ninsyndrom sowie bei den häufig tödlich verlaufenden Lithiumintoxikationen indiziert sind, F wie vielfältig sich arzneimittelinduzierte psychiatrische Syndrome äußern können.

Hintergrund Im CME-Artikel „Psychopharmaka im Notarztdienst“ [1] wurden Grundlagen der für die Notfallpsychiatrie geeigneten Psychopharmaka behandelt. In diesem Beitrag wird deren sinnvoller, kontextbezogener Einsatz erläutert. Die Psychopharmakotherapie in der Notfallmedizin lässt primär die Ätiologie außer Acht und orientiert sich an Syndromen.

Psychopharmacotherapy in emergency medicine Abstract

Part two of the CME article Psychotropic agents and psychopharmacotherapy in emergency medicine aims to give an understanding of the pharmacotherapy of psychiatric disorders in emergency medicine. In contrast to somatic emergencies, many emergency physicians are not familiar with the treatment of psychiatric emergencies, although there are guidelines and recommendations. In the following article, treatment recommendations for the 5 most common and relevant syndromes in emergency medicine (i.e., suicide, delirium, agitation, stupor, and syndromes due to psychopharmaceutical use) are described based on the German S2-Guideline Emergency Psychiatry that will be published soon.

Keywords

Psychotropic drugs · Emergency medicine · Emergencies · Emergency psychiatry · Psychopharmacotherapy

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Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2013

CME Tab. 1  Symptome bei Delir und psychomotorischen Erregungszuständen   Bewusstsein Motorik Affekt Kognition Vegetativum Sonstige Symptome Zeitliches Auftreten

Delir Bewusstseinstrübung Psychomotorische Unruhe, Erregung Euphorie, Dysphorie, Angst Desorientierung, Denkstörung, Konfusion (konfluierend) Tachykardie, Hypertonie, Hyperhidrose Halluzinationen (v. a. optisch), Wahn, gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus Akut bis subakut (Stunden bis Tage)

Psychomotorische Erregungszustände – Psychomotorische Unruhe, Erregung Wut, Ärger, Angst Einengung (Aufmerksamkeitsdefizit) Tachykardie, Hypertonie, Hyperhidrose Vermehrter Rededrang mit lauter Stimme Akut bei z. B. Intoxikation, psychoreaktiver Erregung Über Tage bis Wochen bei z. B. Psychose

Syndromorientierte Therapie Bei fehlender Kenntnis über die genaue Diagnose, mögliche Begleiterkrankungen und Vormedikationen muss die pharmakologische Behandlung zunächst entsprechend des vorliegenden Syndroms erfolgen [2]. Dabei lässt sich das breite Spektrum potenzieller psychiatrischer Notfallsituationen zu einer geringen Anzahl von für die Notfallpharmakotherapie relevanten Syndromen zusammenfassen: F Suizidalität F Delir F Psychomotorische Erregungszustände F Stupor und Dissoziation F Psychopharmakainduzierte Syndrome (z. B. MNS, anticholinerges Syndrom, serotonerges Syndrom, Lithiumintoxikation)

Das breite Spektrum potenzieller psychiatrischer Notfallsituationen lässt sich zu einer geringen Zahl für die Notfallpharmakotherapie relevanter Syndrome zusammenfassen

Suizidalität Sie kann als Symptom bei allen psychiatrischen Erkrankungen vorkommen, ist aber auch unabhängig von psychiatrischen Störungen möglich (z. B. sog. Bilanzsuizid). Besonders gefährdet sind Personen mit Suizidversuchen in der Anamnese und diagnoseübergreifend Patienten mit aktuell depressiver oder dysphorisch-agitierter Symptomatik. Ein generell höheres Suizidrisiko haben Männer, ältere und allein lebende Menschen sowie psychiatrisch ersterkrankte Patienten. Gute familiäre, soziale und berufliche Bindungen stellen protektive Faktoren dar [3]. Suizidalität stellt eine häufige psychiatrische Notfallsituation dar. Pharmakologische Interventionen sind nicht durch kontrollierte Studien belegt. Aus bisherigen Erfahrungen können jedoch Empfehlungen abgeleitet werden: Grundsätzlich sollte kombiniert pharmako- und psychotherapeutisch behandelt werden. Als sicher und wirksam erwies sich insbesondere die Gabe von Lorazepam 1–2,5 mg p. o. oder parenteral.

Bei Suizidalität sollte grundsätzlich kombiniert pharmako- und psychotherapeutisch behandelt werden

Delirante Syndrome Als Delir wird nach ICD-10 eine akute organische Psychose mit unterschiedlicher, häufig multifaktorieller Genese verstanden. Charakteristisch sind die akute bis subakute Entwicklung der Delirsymptomatik bis zum Vollbild (Stunden bis wenige Tage) und ein Fluktuieren der Ausprägung. Leitsymptome sind Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und andere kognitive Störungen (z. B. mnestische Störungen, Verwirrtheit) sowie Desorientiertheit. Zusätzlich können bei deliranten Syndromen Wahrnehmungsstörungen mit insbesondere optischen Halluzinationen, illusionäre Verkennungen sowie eine allgemein erhöhte Suggestibilität vorkommen. Fast immer liegen vegetative Störungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Hyperhidrose, Hyperthermie, Tachykardie, Blutdruckanstieg) vor. Psychomotorische Störungen sind typisch für ein Delir und treten häufig in raschem Wechsel auf. Sie stellen sich in Form von Unruhe und Erregung dar (Differenzialdiagnose: psychomotorische Erregungszustände; s. . Tab. 1), teilweise mit Bewegungsstereotypien oder aber in Form von psychomotorischer Hemmung und Apathie. Das Delir lässt sich daher in eine hyperaktive und eine hypo-

Leitsymptome des Delirs sind Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und andere kognitive Störungen sowie Desorientiertheit

Psychomotorische Störungen sind typisch für ein Delir und treten häufig in raschem Wechsel auf

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CME Tab. 2  Medikamentöse Notfalltherapie unterschiedlicher Delirursachen Differenzialdiagnose Delir bei somatischen Erkrankungen (Beispiele)

ZNS Metabolisch Kardiopulmonal Systemisch

Akut entzündlich, Epilepsie, Trauma, zerebrovaskulär, neoplastisch, Demenz Hyper-/hypoglykämisch, Hyperthyreose, renale/hepatische Insuffizienz Arrhythmien, Herzinsuffizienz, akute Myokardischämie Infektiöse/neoplastische Erkrankungen, Temperatur-/Flüssigkeits/Elektrolytentgleisungen, Anämie, postoperativ, Polytrauma

Delir bei Alkoholentzug

Delir bei Benzodiazepinentzug

Delir bei Drogenintoxikation

Medikamentöse Notfalltherapie Behandlung der Grunderkrankung Primär internistisch-symptomatische Behandlung Bei Agitation: Haloperidol; ggf. zur Sedierung Melperon, ggf. adjuvant Benzodiazepine

Clomethiazol, alternativ Lorazepam; ggf. zusätzlich Haloperidol, Clonidin – kein Alkohol! Sukzessiver Entzug (ggf. über Wochen); ggf. Haloperidol Sofortiger Drogenentzug, ggf. Haloperidol, ggf. zusätzlich Benzodiazepine

aktive Form unterteilen. Mischformen oder Übergänge sind häufig. Die oft beobachtete hypoaktive Form mit geringeren vegetativen und psychomotorischen Auffälligkeiten erschwert die Diagnose. Das Auftreten eines deliranten Syndroms ist im höheren Lebensalter häufiger (u. a. wegen Multimorbidität und Polypharmazie). Oft sind an der Entstehung mehrere Ursachen beteiligt: F Hirnorganische Vorerkrankungen, insbesondere demenzielle Erkrankungen F Komplikationen bei internistischen und neurologischen Erkrankungen F Exsikkose F Entzugssyndrome (hauptsächlich Alkohol und Benzodiazepine) F Intoxikationen Jedes Delir ist ein akuter, potenziell lebensbedrohlicher Zustand und erfordert in der Regel eine Krankenhausbehandlung

Die internistische Basistherapie bei Delir umfasst eine Flüssigkeitszufuhr bei Exsikkose und, falls notwendig, eine kardiozirkulatorische Stabilisierung Die psychopharmakologische Basistherapie besteht aus einer primär antipsychotischen Therapie Anticholinerg wirksame Pharmaka können das Delir verstärken und sollten daher nicht zum Einsatz kommen

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Jedes Delir ist ein akuter, potenziell lebensbedrohlicher Zustand und erfordert in der Regel eine Krankenhausbehandlung. Frühes Erkennen und adäquate Behandlung verbessern die Prognose. Eine  kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter ist erforderlich.

Notfalltherapie beim Delir (außer Alkoholentzug)

Durch Anamnese (Fremdanamnese) und weitere diagnostische Schritte sollte das Vorliegen eines Alkoholentzugsdelirs (Delirium tremens) von anderen Delirformen abgegrenzt werden, da sich seine Behandlung von der anderer Delirformen unterscheidet. Die Notfalltherapie beim deliranten Syndrom besteht aus internistischen und psychopharmakologischen Maßnahmen. Zu Letzteren liegen kaum empirische Daten vor. Die internistische Basistherapie umfasst eine Flüssigkeitszufuhr bei Exsikkose (häufig) und eine kardiozirkulatorische Stabilisierung (falls notwendig). Nach stationärer Aufnahme sollten ein gestörter Elektrolytstatus korrigiert sowie die Medikation auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden. Die psychopharmakologische Basistherapie besteht aus einer primär antipsychotischen Therapie. Initial bietet sich Haloperidol (1–2 mg p. o. oder i.m.) 2- bis 4-stündlich an, da hierzu die meisten Erfahrungen und Daten vorliegen. Im Gegensatz zur Behandlung von psychomotorischer Erregung anderer Genese sollte mit niedrigeren Dosen schweregradabhängig begonnen werden, die ggf. sukzessive erhöht werden. Bei älteren Patienten empfehlen sich deutlich niedrigere Dosen. Auch Benzodiazepine (bevorzugt Lorazepam 0,5–1 mg p. o. oder i.m./i.v., 2- bis 4-stündlich, nicht mehr als 7,5 mg/24 h) können zusätzlich oder alternativ zu Antipsychotika eingesetzt werden. Prinzipiell gilt, dass anticholinerg wirksame Pharmaka nicht zum Einsatz kommen sollten, da sie das Delir potenziell verstärken können (z. B. Promethazin, Chlorprothixen, Levomepromazin, Olanzapin).

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CME Tab. 3  Notfallmedikation bei Erregungszuständen Präparat

Haloperidol i.m.

Psychotische Störungen 5–10 mg

Demenzielle Störungen 0,5– 1,5 mg. maximal 5 mg/Tag Keine Angaben, vermeiden

Wiederholung

Dauer

Maximaldosis

Bemerkungen

Abstand 30–60 min



60 mg/Tag

Risiken: EPS, QTc-Verlängerung

1- bis 2-mal nach 2 bis 3 Tagen





2,5–5 mg nach 2 h, maximal 3 Injektionen/ Tag, maximal 20 mg/Tag 10 mg alle 2 h

Bis zu 3 Tage

20 mg/Tag

Risiken: EPS, auch anticholinerge Nebenwirkungen Nicht mit Benzodiazepinen kombinieren

Bis zu 3 Tage

40 mg/Tag

1- bis 2-mal nach 2 h möglich, maximal 3 Injektionen/ Tag Nach 2 h, ggf. 50–100 mg/Tag

Wenige Tage

30 mg/Tag

Wenige Tage

200 mg/Tag

Anticholinerge Wirkungen (Cave Delir)

Ggf. gleiche Dosis nach 2 h

Kurzfristig adjuvant

7,5 mg/Tag

Sedierung, Abhängigkeit (Cave Atemdepression)

Zuclopenthixolazetat i.m.

50–150 mg

Olanzapin i.m.

5–10 mg

Initial 2,5–5 mg

Ziprasidon i.m.

10(–20) mg

Nicht empfohlen

Aripiprazol i.m.

9,75 mg, ggf. 5,25 mg bei Vormedikation

Nicht empfohlen

Promethazin i.m. oder i.v.

25 mg (maximal 25 mg/min) i.m. oder i.v. 0,05 mg/kgKG i.v. (oder i.m.)

Nicht empfohlen

Lorazepam i.m. oder i.v.

Möglichst geringe Dosis

Vorsicht bei Kombination mit Benzodiazepinen Vorsicht bei Kombination mit Benzodiazepinen

Erläuterung der Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

Ebenfalls sollte beim Verdacht auf eine Intoxikation auf Benzodiazepine oder andere Sedativa verzichtet werden. Beim Delirium tremens steht alternativ als Basistherapie Clomethiazol (initial 1 bis 2 Kapseln) in der Klinik zur Verfügung. Dieser Wirkstoff kann Atem- und Kreislaufdepression sowie eine Hypersekretion der Atemwege auslösen. Entsprechend sorgfältig müssen Patienten überwacht werden. Abhängig von der Differenzialdiagnose des deliranten Syndroms gelten ergänzend die in . Tab. 2 aufgeführten Empfehlungen.

Psychomotorische Erregungszustände Im Vordergrund stehen häufig eine ausgeprägte und ungerichtete Antriebssteigerung mit motorischer Hyperaktivität (Agitiertheit). Teilweise geht diese mit Gereiztheit, verbaler und tätlicher Aggressivität einher. Insbesondere bei psychotischen Erregungszuständen und Angst- oder Anpassungsstörungen besteht eine ängstlich-gespannte Grundstimmung. Da eine Diagnosestellung bezüglich der zugrunde liegenden Störung häufig nicht möglich ist, muss die Behandlungsindikation aufgrund der Symptomatik (. Tab. 1) gestellt und gegenüber möglichen potenziellen Risiken abgewogen werden ([4], s. . Tab. 3). Das primäre Ziel einer pharmakologischen Intervention bei psychomotorischen Erregungszuständen ist die rasche und sichere Beruhigung („rapid tranquilization“; [5, 6, 7]). Haloperidol wurde in mehreren randomisierten kontrollierten Studien mit atypischen Antipsychotika [8, 9, 10] und Benzodiazepinen [11, 12, 13, 14, 15, 16] zur Wirksamkeit bei psychomotorischer Erregung verglichen und erweis sich jeweils im Wesentlichen als vergleichbar effektiv. Jedoch zeigte sich bei höheren Dosierungen ein deutlich gesteigertes Risiko für EPS. Die 2012 publizierte

Primäres Ziel einer pharmakologischen Intervention bei psychomotorischen Erregungszuständen ist die rasche und sichere Beruhigung Höhere Haloperidoldosierungen gehen mit einem deutlich gesteigerten Risiko für EPS einher

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CME Tab. 4  Medikamentöse Notfalltherapie des Stupors Differenzialdiagnose Stupor unklarer Ätiologie

Stupor und Katatonie bei Schizophrenie Depressiver bzw. manischer Stupor Stupor bei organischer katatoner Störung Dissoziativer (psychogener) Stupor

Therapie Initial Versuch mit Lorazepam, z. B. 1–2,5 mg p. o. (z. B. Expidet®-Formulierung) oder 0,5–1 mg i.v. (maximal 7,5 mg/24 h) Bei ausbleibendem Erfolg: Haloperidol 5–10 mg p. o. oder i.m. (maximal 100 mg/24 h p. o. bzw. 60 mg/24 h i.m.), wenn MNS ausgeschlossen ist Bei perniziöser Katatonie zusätzlich Kühlung, Volumensubstitution, ggf. intensivmedizinische Behandlung EKT nach Ausschluss einer Enzephalitis Initial Lorazepam, wenn ohne Wirkung: Haloperidol, alternativ Olanzapina oder Risperidonb, Aripirazolc Lorazepam; nach Abklingen des Akutzustands antidepressive bzw. antimanische und stimmungsstabilisierende Behandlung Haloperidol, Behandlung der Grunderkrankung, bei substanzinduzierter Genese Absetzen bzw. Entzug der verursachenden Substanz Lorazepam, ggf. psychotherapeutische Krisenintervention

Erläuterung der Abkürzungen s. AbkürzungsverzeichnisaParenteral nicht mit Benzodiazepinen kombinierenbBisher nicht systematisch untersucht (Fallserien; z. B. Babington u. Spiegel [34], Aboraya et al. [33], Peralta et al. [36])cKasuistik (Kirino [35])

Loxapin als Inhalat wurde im Februar 2013 von der EMA zur Therapie von Unruhe- und Spannungszustände zugelassen

Im Notarztdienst kommen bei Erregung vorerst weiterhin Haloperidol als „first-line treatment“, alternativ Aripiprazol und Benzodiazepine zur Anwendung

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Konsensuserklärung der amerikanischen Gesellschaft für Notfallpsychiatrie empfiehlt die gleichzeitige Gabe eines Benzodiazepins bei Nutzung von Haloperidol, um EPS zu reduzieren [7]. In einer aktualisierten Cochrane-Übersichtsarbeit wurden eine Haloperidolmonotherapie und Haloperidol in Kombination mit Promethazin und Benzodiazepinen bei psychoseinduzierten Erregungszuständen und Aggressivität verglichen. Bei alleiniger Gabe von Haloperidol stieg die Nebenwirkungsrate, insbesondere hinsichtlich EPS. Unter Benzodiazepinen zeigten sich mehr Atemdepressionen (0,7–1%) [17, 18]. Eine weitere Metaanalyse lieferte ähnliche Ergebnisse [19]. Ein altes Antipsychotikum, sozusagen in neuem Gewand, könnte zukünftig ebenfalls bei Unruhe- und Spannungszuständen sowie Erregungszuständen zum Einsatz kommen: Loxapin als Inhalat. Die Lösung zur i.m. Applikation wurde bereits erfolgreich zur „rapid tranquilization“ bei Aggression, Spannungs- und Erregungszuständen sowie Angst eingesetzt [20]. In aktuellen Studien wurden viel versprechende Effekte bei Unruhe- und Spannungszuständen sowie Erregungszuständen bei BipolarI-Störung und Schizophrenie durch Loxapininhalat in Dosierungen von 5 und 10 mg im Vergleich zu Plazebo gefunden [21, 22, 23]. In einer gepoolten Auswertung der aktuellen Studien errechnete Citrome [24] eine NNT von 3 für die10-mg-Dosierung. Loxapin als Inhalat wurde im Februar 2013 von der EMA zur Therapie von Unruhe- und Spannungszustände zugelassen. Im metaanalytischen Vergleich [25] waren die 3 parenteral applizierbaren neueren Antipsychotika (Ziprasidon, Olanzapin, Aripiprazol) bei Erregungszuständen gegenüber Plazebo überlegen. Nebenwirkungen waren insbesondere Kopfschmerzen, Übelkeit und Hypotension. Das EPS-Risiko war sehr gering. Aripiprazol war bei Patienten mit Agitiertheit im Rahmen einer schizophrenen oder manischen Grunderkrankung im Vergleich zu Plazebo überlegen. Insbesondere die Verträglichkeit war gut, allerdings waren recht häufig Nachinjektionen notwendig [26]. In Studien zur Wirksamkeit von Lorazepam fanden sich im Vergleich zu Haloperidol [11, 12, 14, 15] sowie zu Olanzapin [27] und der Kombination aus Haloperidol und Promethazin [28] keine bedeutsamen Unterschiede hinsichtlich des Zielkriteriums rasche Beruhigung. In der von Gillies et al. [29] durchgeführten Metaanalyse wurde keine Empfehlung zur Bevorzugung einer der Substanzgruppen (Benzodiazepine, Antipsychotika, Kombination beider Substanzgruppen) abgegeben. Die amerikanische Gesellschaft für Notfallpsychiatrie sprach sich für die primäre Verwendung neuerer Antipsychotika, wie Olanzapin, Risperidon oder Ziprasidon, bei Erregung aus [7]. Da diese im Notarztdienst üblicherweise nicht vorgehalten werden und die Sicherheit und Universalität nicht gegeben sind (s. oben), wird Haloperidol vorerst weiterhin als „first-line treatment“ bei dieser Indikation präklinisch genutzt werden. Eine atypische Alternative bei psychomotorischer Erregung könnte Aripiprazol darstellen, da es wirksam und gut verträglich ist. Auch in dieser Indikation sind Benzodiazepine wie Lorazepam und Midazolam gut wirksam. Midazolam hat für diese Indikation aber keine Zulassung.

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CME

Stupor und Dissoziation Gemeinsames Kennzeichen von Stupor und Dissoziation sind qualitative Bewusstseinsstörungen. Beim Stupor liegen eine abnorme psychomotorische Hemmung und reduzierte Reaktivität auf Umweltreize vor; es besteht ein Mutismus, in der Regel sind das Wachbewusstsein und die Wahrnehmungsfähigkeit erhalten. Dissoziative Störungen sind v. a. durch vorübergehende Bewusstseinsveränderungen oder traumartige Einengungen des Bewusstseins mit meist erhaltener, aber intentional geringer Handlungsfähigkeit charakterisiert. Aufgrund der oft unklaren Ätiologie – es kommen verschiedene psychiatrische und internistische Grunderkrankungen als Ursache in Frage – haben diagnostische Untersuchungen zunächst Vorrang, deshalb sollte die pharmakologische Notfallintervention zurückhaltend und vorsichtig ausfallen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei Minderung des Bewusstseins Medikamente parenteral zu applizieren. Darüber hinaus ist die Evidenz zur Behandlung stuporöser, dissoziativer und katatoner Zustände sehr gering. Bei Störungen der Vigilanz mit den Ausprägungen von Somnolenz über Sopor bis zum Koma sind Psychopharmaka in der Regel kontraindiziert, und die Notwendigkeit einer Psychopharmakotherapie ist nicht gegeben. In diesen Fällen sind Überwachung und ggf. eine intensivmedizinische Betreuung von vorrangiger Bedeutung. Zum Ausschluss einer epileptischen Aktivität sollte in der Klinik ein EEG durchgeführt werden. Bei Somnolenz im Rahmen einer hepatischen Enzephalopathie oder einer Intoxikation mit Benzodiazepinen kann ein Versuch mit Flumazenil i.v. (fraktioniert 0,1–1 mg) unternommen werden. Am häufigsten wird bei stuporösen Zuständen die orale oder parenterale Gabe von Lorazepam empfohlen, bei Katatonien bis 20 mg/Tag [30]. Der besondere Nutzen dieses Benzodiazepins ist bei dieser Indikation nicht gut belegt [30]. Am ehesten sind seine pharmakokinetischen Eigenschaften wie schnelle Resorption und hohe Anflutungsgeschwindigkeit im ZNS für das gute Ansprechen verantwortlich. Eine randomisierte Cross-over-Studie mit Lorazepam (2 mg) und Oxazepam (60 mg) ergab keine sicheren Unterschiede bei der Behandlung schwerer psychomotorischer Retardation und Mutismus [31]. Die Reagibilität auf Lorazepam bei stuporösen Zuständen unterschiedlicher Ätiologie gibt zudem keine diagnostischen Hinweise [32]. Die Wirksamkeit von Haloperidol und einiger neuerer Antipsychotika (Olanzapin, Risperidon, Aripiprazol) bei katatonen Zuständen im Rahmen schizophrener Störungen ist lediglich durch Fallberichte und Kasuistiken belegt [33, 34, 35, 36]. Bei epileptischer Genese bzw. sicherem Ausschluss einer Intoxikation sollten vorrangig Benzodiazepine, wie Lorazepam 2 mg i.v./i.m., zum Einsatz kommen. Bei katatonen Zuständen mit Stupor im Rahmen einer (diagnostizierten) schizophrenen Störung oder bei ätiologisch unklarem Stupor sollte als pharmakologische Notfalltherapie initial ein Versuch mit Lorazepam, z. B. 2,5 mg Expidet® p. o. oder 2–4 mg i.v./i.m., durchgeführt werden. Bei ausbleibendem Erfolg ist ein  Antipsychotikum zu verabreichen, z. B. Haloperidol 2–10 mg i.m. Zuvor ist ein MNS auszuschließen, was präklinisch nicht immer möglich ist. Bei perniziöser (febriler) Katatonie sind zusätzlich Kühlung, Volumensubstitution und ggf. eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich. Innerklinisch ist eine EKT nach Ausschluss einer Enzephalitis zu erwägen. In . Tab. 4 werden die Empfehlungen in Abhängigkeit von der Differenzialdiagnose stuporöser Zustandsbilder präzisiert.

Bei Stupor und Dissoziation sollte die pharmakologische Notfallintervention zurückhaltend und vorsichtig ausfallen

Bei Störungen der Vigilanz sind Überwachung und ggf. eine intensivmedizinische Betreuung von vorrangiger Bedeutung

Bei Stupor/Dissoziation mit epileptischer Genese bzw. sicherem Ausschluss einer Intoxikation sollten vorrangig Benzodiazepine zum Einsatz kommen Bei perniziöser (febriler) Katatonie sind zusätzlich Kühlung, Volumensubstitution und ggf. eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich

Psychopharmakainduzierte Syndrome Psychopharmaka sind durchaus in der Lage, ihrerseits psychiatrische Akutsituationen auszulösen. Zunächst gilt es, beim Auftreten von psychomotorischer Unruhe, Umtriebigkeit, Erregtheit (z. B. unter Antidepressiva) oder Verwirrtheit, Apathie, Somnolenz (z. B. unter Antipsychotika) die potenziell auslösenden Substanzen sofort abzusetzen. Neben anderen diagnostischen Maßnahmen sollte zur Bestimmung der Plasmakonzentration eine Blutprobe (Serumröhrchen) asserviert werden. Im Folgenden sind spezifische Störungen von notfallpsychiatrischer Relevanz, die unter einer Behandlung mit Psychopharmaka auftreten können, zusammengefasst. Kontrollierte randomisierte Studien oder Beobachtungsstudien mit höherer Fallzahl liegen nicht vor, die Empfehlungen basieren auf klinischer Erfahrung und Experteneinschätzungen [5].

Beim Auftreten von psychomotorischer Unruhe, Umtriebigkeit, Erregtheit, Verwirrtheit, Apathie oder Somnolenz sind die potenziell auslösenden Substanzen sofort abzusetzen

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CME Malignes neuroleptisches Syndrom Das MNS tritt in der Regel innerhalb von 2 Wochen nach Beginn der Antipsychotikatherapie auf

Differenzialdiagnostisch müssen bei MNR febrile Katatonie und Enzephalitis ausgeschlossen werden

Das MNS stellt eine seltene Nebenwirkung einer Antipsychotikatherapie dar. Ausgelöst wird es vorwiegend durch hohe Dosen hochpotenter Antipsychotika, in Einzelfällen auch durch neuere Antipsychotika und auch bei normaler Dosierung. In der Regel tritt es innerhalb von 2 Wochen nach Beginn der Antipsychotikatherapie auf und nicht unmittelbar nach erstmaliger Applikation. Dabei besteht im Vollbild vitale Gefährdung. Die Symptome entwickeln sich innerhalb von 24–72 h: F Extrapyramidale Störungen (Rigor, Akinesie, z. T. Dys- und Hyperkinesien) F Fieber F Fluktuierende Bewusstseinsstörungen, Stupor bis Koma F Autonome Funktionsstörungen [Tachykardie, (labiler) Hypertonus, Tachy- bzw. Dyspnoe, Hautblässe oder -rötung, Hypersalivation, Hyperhidrose, Harninkontinenz] Die Serumanalyse zeigt neben einer erhöhten Kreatinkinaseaktivität u. U. auch eine Erhöhung der Transaminasen sowie der alkalischen Phosphatase. Ferner findet man eine Leukozytose sowie eine metabolische Azidose. Durch Rhabdomyolyse kommt es zur Myoglobinämie und -urie mit evtl. konsekutiver renaler Schädigung. Differenzialdiagnostisch müssen febrile Katatonie und Enzephalitis ausgeschlossen werden. Die Differenzialdiagnose maligne Hyperthermie spielt notfallmedizinisch eine untergeordnete Rolle. Die präklinische Therapie des MNS besteht aus Absetzen der antipsychotischen Therapie, Kühlung, Infusionstherapie und Monitoring. Die Weiterbehandlung muss auf einer Intensivstation erfolgen. Hierbei kommen folgende Therapeutika zum Einsatz: F Dantrolen i.v. 2,5 mg/kgKG, ggf. danach Dauerinfusion bis zu 10 mg/kgKG/24 h i.v. und anschließend 2,5 mg/kgKG/24 h i.v., F alternativ Bromocriptin 10–30 mg/24 h (bis 60 mg/24 h), F Amantadin i.v. 200–400 mg/24 h oder F Lorazepam 2–4 mg/24 h i.v./i.m. (maximal 7,5 mg/24 h), F wenn keine Besserung eintritt: EKT.

QT-Zeit-Verlängerung und Torsades de pointes

Viele Antipsychotika können die QT-Zeit verlängern. Diese QT-Prolongation kann in eine Spitzenumkehrtachykardie münden. Der Einfluss der Antipsychotika auf die elektrische Herzaktivität ist interindividuell sehr unterschiedlich und von mehreren Faktoren abhängig, u. a. von: F der Dosis (im Hochdosisbereich häufiger) F der Anflutungsgeschwindigkeit (z. B. schnelle i.v. Injektion) F einer QT-Zeit verlängernden Komedikation (nicht nur Psychopharmaka; s. auch http://qtdrugs. org und [37]) F einem evtl. vorliegenden angeborenen Long-QT-Syndrom F Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie) Torsades de pointes äußern sich klinisch als Schwindel, Palpitationen oder Synkope, sind oft selbst terminierend, können aber auch in Kammerflimmern übergehen

Torsades de pointes äußern sich klinisch als Schwindel, Palpitationen oder Synkope. Oft sind sie selbst terminierend, können aber auch in Kammerflimmern übergehen. Zur Therapie wird Magnesium (2– 4 g langsam bzw. als Kurzinfusion i.v.) verabreicht oder elektrisch kardiovertiert. Speziell für Haloperidol i.v. wurde 2007 eine „FDA warning“ veröffentlicht (obwohl niemals zur i.v. Applikation in den USA zugelassen). Daraufhin strich der Hersteller des Originalpräparats die i.v. Anwendung aus der Fachinformation. Allerdings findet sich in der Haldol® Fachinformation der Hinweis: „bei intravenöser Verabreichung von Haldol-Janssen sollte ein kontinuierliches EKG-Monitoring zur Erkennung einer QT-Intervall-Verlängerung und schwerer Herzrhythmusstörungen durchgeführt werden“ [38] . Bei den Generika ist die i.v. Applikation weiterhin in den Fachinformationen aufgeführt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt in ihrer „Drug Safety Mail 2010-098“ vom 05.05.2010 eine

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CME „sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vor intravenöser Anwendung und die Sicherheitsvorkehrungen (kontinuierliches EKG-Monitoring)“ [39] einzuhalten. Im Notarztdienst existieren im Wesentlichen 2 Szenarien: der agitierte, aggressive Patient und der Kooperative. Ersterer lässt sich weder EKG noch Venenverweilkanüle anlegen und wird die Medikation zur „rapid tranquilization“ i.m. erhalten. Der kooperative Patient erlaubt sowohl Anlage einer Kanüle zur i.v. Applikation als auch eines EKG. Somit wird der Notarzt auf natürliche Weise allen Sicherheitsanforderungen gerecht. Haloperidol, das belegten mehrere Untersuchungen aus dem Notarztdienst, wird ohnehin höchstens bei 3,8% der psychiatrischen Patienten eingesetzt ([40, 41], davon aber zu 100% i.v.). Damit ist es innerhalb der präklinischen Notfallmedizin ein sehr seltenes Medikament, bei dem die Notwendigkeit einer i.v. Therapie kritisch hinterfragt werden könnte.

Serotonerges Syndrom

Beim zentralen Serotoninsyndrom liegt eine seltene Neben- bzw. Wechselwirkungen von Pharmaka mit serotonerger Wirkkomponente, v. a. bei SSRI, Venlafaxin, Mirtazapin (additiv), trizyklischen Antidepressiva, insbesondere in Kombination mit MAO-Inhibitoren, Serotoninagonisten, Tryptophan, Kokain, Amphetaminen, aber auch mit Lithium vor. Das zentrale Serotoninsyndrom ist potenziell lebensbedrohlich und tritt überwiegend innerhalb der ersten 24 h nach Applikation auf. Es imponiert die Symptomentrias aus F Fieber (Schüttelfrost), F neuromuskulären Symptomen (Hyperrigidität, Hyperreflexie, Myoklonie, Tremor) und F psychopathologischen Auffälligkeiten (delirante Symptome). Zusätzlich kommt es zu gastrointestinalen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und/oder Diarrhö. Vital bedrohliche Komplikationen können durch epileptische Anfälle, Herzrhythmusstörungen, Koma, Multiorganversagen und im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie auftreten. Die Akuttherapie besteht aus dem Absetzen der Medikation, was in 90% der Fälle ausreichend ist. Das weitere Vorgehen erfolgt symptomorientiert, mittels Kühlung, Volumensubstitution und ggf. Sedierung. Bei Persistenz (selten) besteht in der Klinik die Möglichkeit einer Behandlung mit Cyproheptadin 4–8 mg initial p. o. bis 0,5 mg/kgKG/24 h. Es wirkt als zentraler Serotonin- und HistaminH1-Rezeptor-Antagonist mit zudem schwacher anticholinerger Wirkung [42]. Bei Komplikationen wird u. U. eine intensivmedizinische Behandlung notwendig.

Haloperidol ist in der präklinischen Notfallmedizin ein sehr seltenes Medikament, bei dem die Notwendigkeit einer i.v. Therapie kritisch hinterfragt werden kann

Das zentrale Serotoninsyndrom ist potenziell lebensbedrohlich und tritt überwiegend innerhalb der ersten 24 h nach der Applikation auf

Nach Absetzen der Medikation kommen beim Serotoninsyndrom symptomorientiert Kühlung, Volumensubstitution und Sedierung in Frage

Zentrales anticholinerges Syndrom

Das ZAS tritt bei Überdosierung bzw. Intoxikation mit anticholinerg wirksamen Pharmaka (z. B. trizyklischen Antidepressiva, Clozapin) auf und ist potenziell lebensbedrohlich, kann sich aber auch bereits bei üblichen Dosierungen anticholinerger Pharmaka manifestieren, wenn diese beispielsweise kombiniert werden, bei Alzheimer Demenz oder bei „slow-metabolizern“. Die anticholinerge Wirkung zeigt sich in peripheren und zentralen Symptomen. Peripher imponieren trockene Haut und Schleimhäute, Hyperthermie, Mydriasis, Harnverhalt, Obstipation (bis zum paralytischen Ileus), Tachykardie und ggf. Herzrhythmusstörungen. Die zentrale Symptomatik zeigt sich in Form von Agitation, Delirien, Desorientiertheit, Verwirrung, evtl. Sinnestäuschungen (optische und z. T. akustische Halluzinationen) und Dysarthrie. Grundsätzlich ist das Absetzen der anticholinerg wirksamen Substanzen eine der ersten Maßnahmen. Vital bedrohliche Zustände wie Hypotonie, Herzrhythmusstörungen oder Krampfanfälle werden symptomatisch behandelt. Bei agitierter Verlaufsform kommen Benzodiazepine und/oder Antipsychotika je nach Ausprägung der Symptome zum Einsatz (s. Delir und psychomotorische Erregungszustände). Im Falle einer Persistenz bzw. schweren Ausprägung ist eine intensivmedizinische Überwachung indiziert. Die Applikation von 2–4 mg Physostigmin i.m. oder langsam i.v. (sowohl bei agitierter als auch sedativer Verlaufsform wirksam) und ggf. als Dauerinfusion über Perfusor (2– 4 mg/h) wirkt kurativ und hilft ggf. die Diagnose ex juvantibus zu stellen.

Lithiumintoxikation

Bei ZAS ist das Absetzen der anticholinerg wirksamen Substanzen eine der ersten Maßnahmen

Die Applikation von Physostigmin wirkt kurativ und hilft ggf. die Diagnose ZAS ex juvantibus zu stellen

Bereits unter hochnormalen Spiegeln (ab 1,0 mval/l) können Symptome einer Lithiumvergiftung auftreten. Sowohl akzidentelle Lithiumerhöhungen (durch gleichzeitige Einnahme von Diuretika, Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2013 

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CME Tab. 5  Symptome einer Lithiumintoxikation (>2,0 mval/l im Serum) Gastrointestinal Zentral Neuromuskulär Kardiozirkulatorisch Renal

Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhöe, Durst, Mundtrockenheit Dysarthrie, Tremor, Schwindel, Stupor, Somnolenz, Koma, zerebrale Krampfanfälle, Hyperthermie, EEG-Veränderungen Hyperreflexie, Muskelfaszikulationen Hypotonie, Herzrhythmusstörungen (EKG-Veränderungen mit QTc-Zeit-Verlängerung, T-Abflachung), Asystolie Niereninsuffizienz

Erläuterung der Abkürzungen s. Abkürzungsverzeichnis

Lithiumintoxikationen gehen mit einer hohen Letalität einher

Bei schweren Intoxikationen sowie bei symptomatischen Lithiumintoxikationen bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine sekundäre Giftelimination durch Hämodialyse erforderlich

Risikogruppen für psychiatrisch relevante Nebenwirkungen von Medikamenten sind geriatrische und mehrfach erkrankte bzw. vorbehandelte Patienten

Arzneimittelinduzierte psychiatrische Syndrome können heterogen sein und nehmen häufig atypische oder abortive Formen an

NSAID bei natriumarmer Diät, Diarrhö, Fastenkuren, großer Hitze mit Hyperhidrose usw.) als auch Überdosierungen in suizidaler Absicht kommen vor. Die geringe therapeutische Breite der Lithiumsalze erhöht das Risiko einer Intoxikation. Lithiumvergiftungen gehen mit einer hohen Letalität einher. Ab einer Lithiumkonzentration im Serum von mehr als 2,0 mval/l sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die in . Tab. 5 aufgeführten Symptome zu erwarten: Die kausale Therapie besteht in einer primären Detoxifikation im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung. Bei leichter Lithiumintoxikation (Lithiumspiegel von 1,5–2 mval/l) kann mit Hilfe einer Natriumsubstitution die renale Lithium-Clearance erhöht werden. Eine  Steigerung der Diurese wird mit Triamteren, Spironolakton oder Theophyllin erreicht. Thiazide und Schleifendiuretika sind kontraindiziert. Bei schweren Intoxikationen sowie bei jeder symptomatischen Lithiumintoxikation bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muss eine sekundäre Giftelimination durch Hämodialyse erfolgen. Bei schwerer Lithiumintoxikation sind aufgrund einer Rückverteilung oft wiederholte Hämodialysebehandlungen, die im Intervall durch kontinuierliche Hämofiltration ergänzt werden, notwendig.

Arzneimittelinduzierte psychiatrische Akutsituationen durch andere Pharmaka

Unter einer großen Zahl von Pharmaka unterschiedlicher Klassen können psychiatrisch relevante Nebenwirkungen auftreten. Häufig sind sexuelle Funktionsstörungen und Schlafstörungen sowie ängstlich-depressive Verstimmungen. Daneben können jedoch auch manische oder psychotische Syndrome mit paranoid-halluzinatorischer Symptomatik sowie delirante Syndrome vorkommen. Risikogruppen sind geriatrische und mehrfach erkrankte bzw. vorbehandelte Patienten. Die Latenzzeit nach Medikationsbeginn ist bis zum Auftreten psychotischer Nebenwirkungen (unmittelbar bis Tage nach der Erstgabe) meist gering. Besteht in der Akutsituation der Verdacht auf eine pharmakogene psychiatrische Störung, sollte die Medikation zunächst abgesetzt werden; bei Persistieren der Störung muss eine syndromgerichtete psychiatrische Pharmakotherapie eingeleitet werden. Schwierigkeiten bei der Erfassung von psychiatrischen Nebenwirkungen von Nichtpsychopharmaka ergeben sich auch, weil diesbezüglich bisher keine systematischen Untersuchungen vorliegen und die Syndrome in der Regel nicht mit evaluierten Symptomskalen erfasst werden. Meist existieren nur sporadische Berichte primär nichtpsychiatrisch tätiger Ärzte. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass arzneimittelinduzierte psychiatrische Syndrome heterogen sein können. Sie nehmen häufig atypische oder abortive Formen an, wie in einer Metaanalyse für iatrogene, depressive Syndrome gezeigt werden konnte [43].

Fazit für die Praxis F Viele psychiatrische Erkrankungen lassen sich präklinisch mit den Medikamenten Haloperidol und/oder Lorazepam behandeln. F Trotz der übersichtlichen Anzahl der im Notarztdienst zum Einsatz kommenden Pharmaka dürfen Hintergrundwissen über die zugrunde liegenden Störungen und Syndrome und ein Feingefühl im Umgang mit dem Patienten nicht fehlen. F Eine psychotherapeutische Krisenintervention kann in vielen Situationen den Einsatz von Medikamenten überflüssig machen.

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CME F Ziel einer pharmakologischen Intervention ist in der Regel die „rapid tranquilization“, die Diagnostik, Transport und Therapie ermöglicht und im Gegensatz zu einer tiefen Sedierung eine Exploration bei der Klinikaufnahme zulässt.

Korrespondenzadresse A. Wolf Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 100 66421, Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 100, 66421 Homburg/Saar [email protected]

Einhaltung der ethischen Richtlinien Interessenkonflikt.  A. Wolf gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. M. J. Müller hat Reisekostenerstattungen für wissenschaftliche Kongresse und Unterstützung für wissenschaftliche Veranstaltungen von Servier, Lilly, Pfizer, Janssen-Cilag und AstraZeneca erhalten. Diese stehen in keinem Bezug zur vorliegenden Publikation. F.-G. B. Pajonk war oder ist in den letzten 3 Jahren Mitglied in Advisory Boards der Firmen Merz und Trommsdorff. Er hat bezahlte Vorträge mit Unterstützung der Unternehmen AstraZeneca, Eli Lilly, Janssen, Pfizer und Servier gehalten sowie Reisekostenerstattungen der Unternehmen AstraZeneca, Eli Lilly, Janssen und Merz in Anspruch genommen. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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springermedizin.de/eAkademie

CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich.

??Ein Patient, 43 Jahre, mit bekannter bi-



polarer Störung (mit Lithium eingestellt) zeigt die Symptome Muskelfaszikulation, Leibschmerzen und eine T-Abflachung im EKG. Der Patient gibt an, an diesem heißen Sommertag viel im Garten gearbeitet und wenig getrunken zu haben. Während der Anamnese kommt es zum Krampfanfall, der erfolgreich mit 4 mg Lorazepam durchbrochen wird. Welche Maßnahme ist indiziert? Gabe von Physiostigmin 2–4 mg i.m. Applikation von 40 mg Furosemid i.v. Gabe von Kaliumchlorid Gabe von Kalziumantagonisten (z. B. Isoptin 2,5 mg i.v.) Substitution von Natrium

??Welche Aussage zu dem Syndromen



durch Zerstörung des Mobiliars und verbale Aggression auf. Der Notarzt findet einen agitierten Patienten vor. Der Blutzucker beträgt 112 mg/dl. Anamnestisch liegen keine Erkrankungen und kein Anhalt für Substanzmissbrauch vor. Im Gespräch willigt der Patient in eine Medikation ein, die seinen Leidensdruck mildert. Welches Medikament bzw. welche Kombination ist initial sinnvoll? Haloperidol 25 mg i.m. Lorazepam Expidet® bis 20 mg/Tag Haloperidol 5 mg i.m. in Kombination mit Lorazepam 2 mg i.m. Aripirazol 0,5 mg i.m. Aripirazol i.m. in Kombination mit Haloperidol i.m

??Der Notarzt wird zu einer 81-jährigen Be-



??Das Delir unterscheidet sich in Ätiologie

??Ein 21-jähriger Mann fällt im Elternhaus

komplex Stupor und Dissoziation ist korrekt? Es handelt sich um quantitative Bewusstseinsstörungen. Für die Behandlung des Stupor wird ausschließlich Diazepam empfohlen. Eine Differenzialdiagnose bei Katatonie ist das maligne neuroleptische Syndrom. Zur Therapie dissoziativer Störungen sollte Ziprasidon appliziert werden. Bei perniziöser Katatonie kann eine Defibrillation erwogen werden.



und Behandlung. Welche Behandlung ist korrekt? Delirium tremens (Alkoholentzug): Alkoholgabe i.v. Hypoglykämiebedingtes Delir: Risperidongabe i.m. Delir durch Drogenintoxikation: Dantrolengabe i.v. Delir bei Benzodiazepinentzug: Flumazenilgabe i.v. Delir bei Elektrolytentgleisung: Korrektur der Elektrolyte



wohnerin eines Altenheims gerufen, die zunehmend verwirrt und bettflüchtig ist. Als Vorerkrankung sind eine milde kognitive Einschränkung, ein Hypertonus sowie eine KHK bekannt. Die Hypertonie ist mit Metoprolol und Enalapril gut eingestellt. Bei Bedarf erhält die Patientin Levomepromazin zur Nacht. Bei der körperlichen Untersuchung imponieren stehende Hautfalten. Welche Aussage zum weiteren Vorgehen ist richtig? i.m. Gabe von Olanzapin i.v. Gabe von Aripiprazol Gabe von Clomethiazol in der Klinik Beginn der Rehydratation mit Vollelektrolytlösung i.v. Gabe von Promethazin 50 mg

??Die Besatzung des Rettungswagens wird zu einer Patientin mit Suizidversuch alarmiert und fordert den Notarzt nach. Die Patientin sitzt im Badezimmer. In der Badewanne steht etwas Blut. Die selbst zugefügten Schnittverletzungen an den Unterarmen sind bereits professionell verbunden. Die Patientin weint und sieht keinen weiteren Ausweg außer Selbstmord. Welche Aussage ist richtig? Einen protektiven Faktor für Suizid stellt eine psychiatrische Vorbehandlung dar. Anamnese und ein gezieltes Gespräch sollten durch eine psychopharmakologische Intervention verkürzt werden. Die Gabe von 1–2,5 mg Lorazepam kann eine sinnvolle psychopharmakologische Intervention sein.

DFür Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2013 

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CME-Fragebogen



 ls Erstlinientherapie bei Suizidalität wird A die Gabe von Melperonsaft zur Beruhigung durch die Fachgesellschaft empfohlen. Die zeitnahe Gabe von 5 mg Haloperidol i.m. unterstützt die Distanzierung von der Suizidhandlung.



??Welches Symptom ist den Syndromen

??Welche Initialtherapie des Stupors ist

korrekt? Stupor bei organischer katatoner Störung: Risperidon Stupor unklarer Ätiologie: Olanzapin Depressiver Stupor: Haloperidol Katatonie bei Schizophrenie: Lorazepam Psychogener Stupor: Olanzapin

??Welche Aussage zum MNS ist falsch?





 as maligne neuroleptische Syndrom D kann durch Haloperidol verursacht werden. Im Notarztdienst besteht die Therapie des MNS aus Kühlung und Infusionsgabe. Patienten, die atypische Antipsychotika einnehmen, sind sicher vor einem MNS. Das MNS kann, wie die maligne Hyperthermie, mit Dantrolen behandelt werden. Das höchste Risiko für das Auftreten eines MNS besteht innerhalb von 2 Wochen nach Initiierung einer antipsychotischen Therapie.

 abe von 2–4 mg Physostigmin i.m. G Cyproheptadingabe in der Klinik



Delir und psychomotorische Erregung nicht gemein? Angst Unruhe Tachykardie Langsames Auftreten (Wochen) Hyperhidrose

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

??Der Notarzt wird zu einem 42-Jahre alten Mann alarmiert. Die Ehefrau berichtet, dass er seit wenigen Stunden verwirrt sei und unter starken Durchfällen leide. Er sei wegen einer Depression in psychiatrischer Behandlung und habe seit etwa 10 Tagen ein neues Medikament verordnet bekommen: Venlafaxin. Bei der Untersuchung imponieren Hyperpyrexie, Muskelrigidität und Myoklonien. Der Patient wirkt delirant. Im EKG zeigt sich eine Sinustachykardie. Welches weitere Vorgehen ist richtig? Gabe von Haloperidol 5 mg i.v. Elektrokrampftherapie in der Klinik Gabe von Theophyllin 200 mg i.v.

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[Psychopharmacotherapy in emergency medicine].

Part two of the CME article Psychotropic agents and psychopharmacotherapy in emergency medicine aims to give an understanding of the pharmacotherapy o...
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