AKTUELLE MEDIZIN

Fortschritte und neue Herausforderungen

© Michael Reichel / dpa

HIV: Die Heilung rückt näher



Weltweit leben etwa 35 Millionen Menschen, die sich mit dem AIDS-Erreger infiziert haben, in Deutschland sind es etwa 80.000. 82% der Infizierten erhalten hier eine antiretrovirale Therapie. Doch viele HIV-Infizierte wissen nichts von ihrer Infektion. Man schätzt, dass das weltweit bei 19–20 Millionen, in Deutschland bei 14.000 Menschen der Fall ist. Jährlich haben sich hier in den vergangenen Jahren etwa 3.500 Menschen angesteckt, mit leichtem Trend nach oben. Der Großteil der Neuinfizierten fällt auf Männer, die Sex mit Männern haben, rund 2.400 Infizierte im Jahr 2013.

Hohe Lebenserwartung Aufgrund der sehr guten Therapieoptionen haben behandelte HIV-Infizierte inzwischen eine ähnliche Lebenserwartung wie Gesunde. Die Palette der ArzTabelle 1

HIV-Infizierte in Deutschland Menschen mit HIV/Aids Ende 2013:

Epid. Bulletin 2014: 44: 429–440

− − −

80.000

Männer:

65.000

Frauen:

15.000

Kinder:

etwa 200

Menschen, die nichts von ihrer HIV-Infektion wissen: 14.000 Neu-Infektionen im Jahr 2013:

− −

3.200

Männer:

2.700

Frauen:

460

Schätzungen des RKI

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (2)

Wer in Deutschland lebt, hat gute Chancen, trotz HIV-Infektion eine ähnlich hohe Lebenserwartung wie die übrige Bevölkerung zu haben. Die moderne antiretrovirale Therapie macht das möglich. Mithilfe Gentherapie-Strategien erhoffen sich Forscher eines Tages sogar die Heilung.

neien wurde bis heute auf weit über 20 Präparate aus fünf Wirkstoffk lassen erweitert. Acht Fixkombinationen mit zwei oder drei Wirkstoffen – ggf. mit einer Booster-Substanz – in einer Tablette, einmal täglich eingenommen, vereinfachen die Therapie und erhöhen die Adhärenz. Weil die Therapie viel verträglicher als zu Beginn der Pandemie ist und da sich in Studien gezeigt hat, dass optimal behandelte HIV-Infizierte mit maximaler Virusunterdrückung den Erreger nicht weitergeben, ist das Interesse an dem Konzept „treatment as prevention“ stark gewachsen. Studien zufolge lässt sich durch eine solche Behandlung das HIVÜbertragungsrisiko um 96% verringern. Präexpositionsprophylaxe Inzwischen wurde dieses Konzept in Empfehlungen der Centers for Disease Control and Prevention aufgenommen. Danach muss vor einer solchen Prophylaxe belegt sein, dass keine HIV-Infektion vorliegt und die Nierenfunktion normal ist. Empfohlen wird das Kombiprärat Tenofovir plus Emtricitabin bei Männern mit HIV-infiziertem Sexualpartner. Dass diese Prophylaxestrategie erfolgreich ist, zeigt auch die iPrEx-Studie (Pre-Exposure Prophylaxis Initiative) mit über 1200 HIV-negativen Probanden, die täglich Tenofovir und Emtricitabin einnehmen sollten. In der Gruppe derer, die auf die Prophylaxe per Tablette setzten (76% der T Teilnehmer), aber auf Kondome verzichteten, lag die HIV-Inzidenz bei 1,8 Infektionen pro 100 Personenjahre. In der Gruppe ohne medi-

kamentöse Prophylaxe und Kondomgebrauch waren es mit 2,6 Infektionen pro 100 Personenjahre deutlich mehr. Hoffnung auf Heilung Große Hoffnung setzen AIDS-Forscher in gentherapeutische Strategien, die die von HIV bevorzugten Immunzellen resistent gegen den AIDS-Erreger machen. Fehlt den Zellen die Andockstelle für das Virus, kann es die Zellen nicht entern, was eindrucksvoll bei Timothy Ray Brown, dem „Berlin-Patienten“ zu sehen ist. Er hatte vor mehr als fünf Jahren im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung Knochenmark von einem Spender erhalten, dessen Immunzellen aufgrund einer Mutation die Andockstellen für HIV fehlten. Trotz Absetzen der antiretroviralen Therapie ist bei ihm auch heute – mehr als fünf Jahre nach Therapieende – HIV nicht nachweisbar. Brown gilt als geheilt. Jetzt versuchen Forscher, den Erfolg mit weniger drastischen Therapien zu wiederholen. Dabei werden autologe Immunzellen ex vivo genetisch verändert und dann reinfundiert. Eine erste Studie mit zwölf Patienten lässt vermuten, dass der Eingriff sicher ist und die veränderten und dadurch HIV-resistenten Zellen mit einer Halbwertszeit von fast einem Jahr lange im Körper verweilen. Peter Leiner ■ Quellen: 1. RKI – Epid. Bulletin; 44/2014: 3. November. 2. Unaids Report on the global AIDS epidemic 2013 3. iPrEx-Studie: http://www.iprexnews.com 4. MMWR 2014; 63: 437 5. Teba P et al. NEJM 2014; 370: 901–91 6. Grant RM et al. Lancet Infect Dis 2014; 14: 820–829

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[Progress and new challenges. HIV: the cure moves closer].

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