Leitthema Chirurg 2014 · 85:969–974 DOI 10.1007/s00104-014-2798-7 Online publiziert: 26. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Ordemann1 · U. Elbelt2 · C. Menenakos1 1 Zentrum für Adipositas und Metabolische Chirurgie, Klinik für Allgemein-, Visceral-,

Gefäß- und Thoraxchirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Berlin 2 Medizinische Klinik m.S. Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin,

Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Berlin

Verfahrenswahl und Technik der metabolischen Chirurgie Die bariatrische Chirurgie erweist sich nicht nur in der Behandlung der Adipositaserkrankung als eine effektive und nachhaltige Therapieoption, sondern auch in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 werden eindrucksvolle Verbesserungen erreicht. Je nach Ausprägung der DiabetesErkrankung und Wirkmechanismus des gewählten bariatrischen Operationsverfahrens scheinen die Therapieerfolge unterschiedlich auszufallen. Die vorliegende Arbeit soll neben einer kurzen Beschreibung der gängigen metabolischen Eingriffe die Erfolgsmöglichkeiten zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 aufzeigen und somit eine Entscheidungshilfe für die Verfahrenswahl geben. Ein Drittel der Weltbevölkerung ist übergewichtig bzw. adipös [13]. Die Zunahme des Übergewichts und der Adipositas bedingt, dass weltweit mehr als 370 Mio. Menschen an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind [8]. Diese Entwicklung ist dramatisch und stellt Betroffene wie auch zuständige Gesundheitssysteme vor große Probleme [23]. Darüber hinaus erweisen sich konservative Therapien der Adipositas und des Diabetes mellitus Typ 2 langfristig als nur wenig erfolgreich und insgesamt schwierig. Multimodale Therapien wie Ernährungsumstellung, Bewegungssteigerung und Verhaltenstherapie sind wenig effektiv [21]. Für die Adipo-

sitaserkrankung hat sich die bariatrische Chirurgie als die erfolgreichste und nachhaltigste Therapieform erwiesen [21]. Es überrascht also nicht, dass die bariatrische Chirurgie weltweit zunehmend Anwendung findet. Es gibt keinen Zweifel, dass der Roux-en-Y-Magenbypass (Roux-en-Y gastric bypass, RYGB), der Schlauchmagen („sleeve gastrectomy“, SG), das Magenband („gastric banding“, GB) und die biliopankreatische Diversion (BPD; mit oder ohne „duodenal switch“ [DS]) kombiniert mit einer internistischen Begleitung und gegebenenfalls verhaltenstherapeutischer Unterstützung die erfolgreichste Therapieform bei Adipositas sind [2, 21].

die außergewöhnlichen Ergebnisse der metabolischen Chirurgie [15]. Und auch heute noch hat der Titel der damaligen Publikation „Who would have thought it“ Gültigkeit. Inzwischen weisen zahlreiche Beobachtungsstudien und Metaanalysen auf eine Überlegenheit der chirurgischen Therapie gegenüber der konservativen Therapie in der Behandlung der Diabetes mellitus Typ 2 hin [2, 4, 13, 20, 25, 26]. Diese bemerkenswerten Arbeiten deuten darauf hin, dass die metabolische Chirurgie zukünftig einen hohen Stellenwert für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 haben wird.

Die chirurgische Therapie ist eine vielversprechende Option bei Typ-2-Diabetes

Schon in den 1950er Jahren wurden erste Operationen durchgeführt, um das Übergewicht schwer adipöser Patienten zu verringern. In den 1960er Jahren wurde von Mason der Magenbypass entwickelt [11]. Mitte der 1970er Jahre entwickelte Scopinaro den biliopankreatischen Bypass, der sich hauptsächlich durch einen sehr kurzen „common channel“ definiert [20]. In den 1990er Jahren wurde diese Methode durch eine Schlauchmagenbildung modifiziert [10]. Diese als biliopankreatische Diversion mit „duodenal switch“ bezeichnete Operation wurde bei extrem hohem Body-Mass-Index (BMI) empfohlen und häufig als Zweistufenkonzept durchgeführt. Dabei zeigte sich rasch, dass die alleinige Schlauchmagenbildung sowohl

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Inzwischen erweist sich die bariatrische bzw. metabolische Chirurgie auch als eine vielversprechende Therapieoption für morbid adipöse Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Schon vor mehr als einem halben Jahrhundert vermuteten Friedmann und Kollegen in New York, dass die Magenchirurgie möglicherweise einen positiven Effekt auf die Blutzuckerkontrolle diabetisch erkrankter Patienten haben könnte [6]. Vor ungefähr 20 Jahren beschrieben Pories und Kollegen in einer ersten Beobachtungsstudie

Techniken

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Leitthema bei sich bisher keine als überlegen erwiesen hat (. Abb. 1).

Schlauchmagen

Abb. 1 8 Darstellung des Roux-Y-Magenbypass („gastric bypass“). (Aus [27] mit freundl. Genehmigung der Universitätsklinik Würzburg)

Abb. 2 8 Darstellung Schlauchmagen („sleeve gastrectomy“). (Aus [27] mit freundl. Genehmigung der Universitätsklinik Würzburg)

Roux-en-Y-Magenbypass

Abb. 3 8 Darstellung Magenband („gastric banding“). (Aus [27] mit freundl. Genehmigung der Universitätsklinik Würzburg)

für den Gewichtsverlauf als auch metabolisch ähnlich gute Ergebnisse aufwies wie der Magenbypass. In den 1990er Jahren wurde das Magenband erstmalig implantiert. Seither werden praktisch alle bariatrischen Operationen in minimal-invasiver Technik durchgeführt. Die konventionelle, offene Operation ist die Ausnahme. Innerhalb der jeweiligen Operationsverfahren existiert eine Vielzahl technischer Varianten, die sich nach Erfahrung und technischer Expertise des Operateurs richten.

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Bei der laparoskopischen Anlage eines Magenbypass erfolgt zunächst die Bildung eines kleinen Magenpouches (20– 30 ml). Der subkardiale Bereich des Magens wird vom Restmagen mithilfe von Staplern getrennt, sodass keine Verbindung mehr zum Restmagen besteht. Der gebildete Magenpouch wird mit einer nach Roux-Y ausgeschalteten Jejunumschlinge anastomisiert. Das Duodenum und ein Teil des Jejunums werden somit aus der Nahrungspassage ausgeschaltet. Die Anastomosierung kann in unterschiedlicher Technik (Naht, zirkulärer Stapler, linearer Stapler) erfolgen. Vorteile der verschiedenen Techniken sind bisher wenig belegt. Die hochgezogene Jejunumschlinge wird als „alimentäre Schlinge“ bezeichnet. Die Fußpunktanastomose erfolgt bei ca. 150 cm aboral der Pouchanastomose (Gastrojejunostomie) und ca. 50 cm aboral des Treitz-Bandes. Somit wird die „alimentäre Schlinge“ mit der „biliopankreatischen Schlinge“ anastomisiert. In der sog. „Common-Schlinge“ erfolgt die eigentliche Resorption der Nahrung. Für die operative Durchführung des Magenbypass hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten durchgesetzt, wo-

Der sog. Schlauchmagen bzw. die Sleeve-Gastrektomie (SG) kam ursprünglich im Rahmen der biliopankreatischen Diversion mit duodenalem Switch zur Anwendung [10]. Inzwischen wird die SG als alleinige Prozedur durchgeführt und ist nicht nur in den USA der am häufigsten durchgeführte bariatrische Eingriff [16]. Dabei wird die gesamte große Magenkurvatur unter Durchtrennung des Ligamentum gastrocolicum und gastrosplenicum mit den Vasa gastricae breves gelöst und anschließend ab 2–6 cm oral des Pylorus bis zum linken Zwerchfellschenkel unter Gebrauch einer entsprechenden Kalibrierungssonde (32–44 French) abgesetzt. Die Entfernung des Magenresek­ tats erfolgt über eine erweiterte Trokarinzision. Auch bei diesem Verfahren existieren Unterschiede im operativen Vorgehen. Der Absetzungsabstand vom Pylorus und der Kalibrierungsdurchmesser werden unterschiedlich durchgeführt und diskutiert. Verlässliche Daten bezüglich der Überlegenheit der verschiedenen Vorgehensweisen gibt es bisher nicht (. Abb. 2).

Magenband Die Implantation des verstellbaren Magenbandes bzw. eines „gastric bandings“ (GB) erfolgt laparoskopisch. Ein Silikonband wird unterhalb des Mageneingangs in „Pars-flaccida“-Technik [3] um den Magen platziert. Dabei wird der rechte Zwerchfellschenkel nach Eröffnung des Omentum minus dargestellt und das verstellbare Magenband um die Kardia positioniert. Die Innenseite des Bandes besteht aus einem auffüllbaren Kissen, welches über ein Portsystem gefüllt werden kann. Somit lässt sich der Grad der Einengung des Magens (Restriktion) variieren. Um ein sog. „slippage“ zu vermeiden, sollte das Band mit einigen gastrogastrischen Sicherungsnähten fixiert werden. Das Portsystem wird im Bereich der vorderen Bauchwand im linken Oberbauch platziert. Ungenügende Gewichtsabnahme und bandspezifische Probleme wie

Zusammenfassung · Abstract Reflux und Pseudoachalasie haben dazu geführt, dass das Band in Deutschland zunehmend geringer implantiert wird (. Abb. 3).

Biliopankreatische Diversion mit/ohne „duodenal switch“ Diese hauptsächlich durch Malabsorption geprägte Operation wird in Deutschland sehr selten durchgeführt und findet bei extremer Adipositas Anwendung. Sowohl für die „biliopankreatische Diversion nach Scopinaro“ [20] als auch für die „biliopankreatische Diversion mit DS“ [10] ist die Bildung eines sehr kurzen „common channel“ charakteristisch. Die Länge der Schlinge liegt zwischen 50 und 100 cm. Bei der BPD nach Scopinaro erfolgt eine distale Magenresektion, bei der BPD mit DS wird eine Schlauchmagenbildung durchgeführt. Beide Operationen können laparoskopisch durchgeführt werden (. Abb. 4).

Verfahrenswahl Die Verbesserung der Blutzuckerkontrolle oder sogar die Remission des Diabetes mellitus Typ 2 durch bariatrische Eingriffe wie RYGB, SG, GB und BPD ist beeindruckend. Das Verständnis der Wirkung dieser verschiedenen metabolischen Eingriffe soll helfen, eine Entscheidung bei der Verfahrenswahl treffen zu können. Schwerpunkt in der bisherigen Literatur ist der Vergleich der konservativen mit der operativen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2. Im Vergleich zu konservativen Therapieansätzen führen grundsätzlich alle metabolischen Operationsverfahren zu einer deutlich besseren Remissionsrate und einer Verbesserungen des Blutzuckerstoffwechsels [2]. Erst in den letzten Jahren wurden randomisierte Studien publiziert, die die Effektivität der unterschiedlichen operativen Verfahren auch untereinander verglichen [12, 18, 19]. Für die Verfahrenswahl ist Folgendes zu beachten: 1. Wie ausgeprägt ist die zu erwartende Gewichtsabnahme nach einem bariatrischen Eingriff? 2. Welches Verfahren hat den stärksten Einfluss auf den Blutzuckerstoffwechsel?

3. Wie hoch ist das Risiko für Komplikationen? Darüber hinaus spielen Alter, kardiovaskuläres Risikoprofil, Essverhalten, berufliche Tätigkeit und persönliche Lebenslage des Patienten eine entscheidende Rolle in der Empfehlung für oder gegen ein bestimmtes bariatrisches Verfahren [17]. Auch das Wissen über die verschiedenen Wirkmechanismen der einzelnen operativen Verfahren sollte einen Einfluss auf die Verfahrenswahl haben. Aktuelle Studien haben das Verständnis für die unterschiedlichen operativen Verfahren grundsätzlich erweitert [22]. Restriktion und Malabsorption sind zwar Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie, doch scheinen hormonelle und neuronale Wirkmechanismen ausschlaggebend für die verbesserte diabetische Stoffwechsellage des Patienten zu sein [20, 23]. Das komplexe Netzwerk von Hunger und Sättigung sowie von Stoffwechsel- und Energiehaushalt erfährt durch die unterschiedlichen Operationen spezifische Veränderungen. Ohne in diesem Artikel detailliert auf diese spannenden Mechanismen einzugehen, sollten die aktuellen Erkenntnisse jedoch bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden [22, 23]. Im Jahr 2008 wurde erstmalig eine randomisierte Studie von Dixon publiziert, die eine signifikant verbesserte Blutzuckerkontrolle nach GB im Vergleich zur konservativen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zeigen konnte [5]. 2012 wurden zwei weitere randomisierte Studien im New England Journal of Medicine publiziert. Schauer und Kollegen behandelten 150 Patienten mit unzureichend kontrolliertem Diabetes mellitus Typ 2 [18]. Ein Drittel der Patienten erhielten eine intensive konservative Therapie, ein weiteres Drittel der Patienten erhielt zu der konservativen Betreuung einen RYGB und ein weiteres Drittel der Patienten erhielt zur konservativen Therapie eine SG. 42% der Patienten mit einem RYGB erreichten ein Jahr nach der Operation eine Remission ihrer Diabeteserkrankung und somit eine „Heilung“. 37% der Patienten mit SG kamen in Remission im Vergleich zu nur 12% der konservativ behandelten Patienten. Damit schnitten die beiden operativen Gruppen deutlich besser ab als

Chirurg 2014 · 85:969–974 DOI 10.1007/s00104-014-2798-7 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Ordemann · U. Elbelt · C. Menenakos

Verfahrenswahl und Technik der metabolischen Chirurgie Zusammenfassung Die metabolische Chirurgie entwickelt sich zu einer eindrucksvollen Therapieoption des Diabetes mellitus Typ 2 und anderen metabolischen Erkrankungen. Im Vergleich zur konservativen Therapie können mit bariatrischen Verfahren (Magenbypass, Schlauchmagen, Magenband und biliopankreatischer Diversion) sowohl höhere Remissionsraten als auch eine deutliche Verbesserungen des Blutzuckerstoffwechsels erreicht werden. Zunehmend beschreiben Studien Wirkmechanismen, die über das bisherige Verständnis wie Restriktion und Malabsorption hinausgehen. Die aktuelle Literatur deutet darauf hin, dass Magenbypass und Schlauchmagen das günstigste Nutzen-Risiko-Profil erzielen. Magenband und die biliopankreatische Diversion sind in Einzelfällen zu empfehlen. Schlüsselwörter Adipositas · Diabetes mellitus ·   Metabolische Chirurgie · Operative Technik · Verfahrenswahl

Procedure selection and technique of metabolic surgery Abstract Metabolic surgery is becoming an impressive therapeutic option for type 2 diabetes mellitus and other metabolic diseases. Compared to conservative therapy bariatric procedures, such as gastric bypass, sleeve gastrectomy, gastric banding and biliopancreatic diversion, seem to achieve significantly higher remission rates and improvements in blood glucose metabolism. Recent studies describe additional effect mechanisms which go beyond the assumed mechanisms of restriction and malabsorption. The results in the current literature suggest that gastric bypass and sleeve gastrectomy provide the best metabolic riskbenefit profiles. Gastric banding and biliopancreatic diversion can only be recommended in specific cases. Keywords Obesity · Diabetes mellitus · Bariatric surgery · Operative technique · Procedure selection

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Leitthema

Abb. 4 8 Darstellung der biliopankreatischen Diversionsopertion a nach Scopinaro, b nach „duodenal switch“. (Aus [27] mit freundl. Genehmigung der Universitätsklinik Würzburg)

die ausschließlich konservativ behandelte Gruppe. Innerhalb der beiden operativen Gruppen profitierten die RYGB-Patienten stärker als die SG-Patienten. Somit konnte diese Arbeit den Unterschied zwischen den am häufigsten durchgeführten bariatrischen Eingriffen Magenbypass und Schlauchmagen demonstrieren. Mingrone und Kollegen publizierten im gleichen Jahr eine randomisierte Studie mit 60 adipösen Typ-2-Diabetes-Patienten [12]. 20 Patienten erhielten einen RYGB, 20 Patienten einen BPD und 20 Patienten wurde konservativ therapiert. Zwei Jahre nach der Operation beobachteten die Autoren eine komplette Remission des Diabetes bei 75% der RYGB-Patienten und bei 95% der Patienten mit BPD. Die konservativ therapierten Patienten erreichten keine Remission. Auch diese Studie verdeutlicht, dass die metabolische Chirurgie der konservativen Therapie in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 überlegen ist. Die BPD erwies sich in dieser Studie deutlich erfolgreicher als der RYGB. In diesem Jahr publizierten Schauer und Kollegen die 3-Jahres-Daten der schon zuvor beschriebenen Kohorte [19]. Dabei bestätigten sich auch im „Langzeitverlauf “ die günstigen Therapieergebnisse in den operierten Gruppen. In den bariatrischen Gruppen sank der HbA1c im Verlauf von 3 Jahren durchschnittlich von 9,3% auf 6,7% (RYGB) bzw. von 9,5% auf 7% (SG). In der konservativen Grup-

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pe lag der durchschnittliche HbA1c nach 3 Jahren erneut bei 8,4%. Darüber hinaus konnte in dieser Studie eine höhere Lebensqualität nach operativer Intervention beobachtet werden. In einer Langzeitstudie von Brethauer und Kollegen wurden unterschiedliche metabolische Operationen und ihre Effektivität bezüglich der diabetischen Stoffwechsellage im 6-Jahres-Verlauf analysiert [1]. In dieser 2013 publizierten Studie wurden insgesamt 217 Patienten untersucht. 162 Patienten erhielten einen RYGB, 23 Patienten eine SG und 32 ein GB. Die günstigsten Resultate in Bezug auf die Remission der Diabetes-Erkrankung erreichten dabei die Patienten mit einem RYGB. Weniger günstige Ergebnisse zeigten sich nach SG und GB.

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Den stärksten Einfluss auf die Diabetes-Erkrankung hat die BPD Aktuelle Metaanalysen bestätigen die Ergebnisse der vorliegenden randomisierten Studien. Die am häufigsten zitierte Metaanalyse ist die von Buchwald und Kollegen 2009 [2]. Sie demonstriert den erheblichen Einfluss der bariatrischen Chirurgie auf die Diabetes-Erkrankung. 82% der Patienten wiesen eine Verbesserung des Blutzuckerstoffwechsels innerhalb der ersten 2 Jahre nach Operation auf und 62% waren länger als 2 Jahre in Remission. Den stärksten Einfluss auf die Dia-

betes-Erkrankung hat die BPD (95,1%), gefolgt von RYGB (80,3%), Gastroplastie (79,7%) und schließlich dem GB (56,7%). In diese Metaanalyse wurden Studien der Jahre 1990 bis 2006 mit insgesamt 135.246 Patienten einbezogen. In einer 2014 von Chang und Kollegen in JAMA publizierten Metaanalyse wurden 37 randomisierte Studien und 127 Beobachtungsstudien aus den Jahren 2003 bis 2012 einbezogen [4]. Diese Metaanalyse beschreibt eine deutlich erfolgreichere Gewichtsreduktion nach operativer Intervention und gleichzeitig eine verbesserte Diabetesstoffwechsellage. Die Autoren zeigen eine höhere Remissionsrate des Diabetes mellitus Typ 2 nach RYGB im Vergleich zum GB. Die Remissionsrate nach SG war in den Beobachtungsstudien der Metaanalyse mit den Resultaten RYGB vergleichbar. Für den RYGB wird jedoch eine erhöhte Komplikationsrate angegeben, obwohl die Reoperationsrate nach GB am höchsten lag. Eine ebenfalls 2014 publizierte Metaanalyse von Zhang und Kollegen untersuchte die 2-Jahres-Ergebnisse nach RYGB und SG unter Berücksichtigung von 16 Studien mit insgesamt 9756 Patienten [26]. Dabei zeigte sich eine signifikant stärkere Gewichtsreduktion nach RYGB, jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen RYGB und SG bezüglich der Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage. Die Autoren gaben keine Informationen über Komplikationen nach den genannten Verfahren an. Li und Kollegen publizierten im Jahr 2013 eine Metaanalyse von 5 prospektiv randomisierte Studien, die den Einfluss des RYGB und der SG analysierten [9]. Dabei konnten die Kollegen eine signifikant ausgeprägtere Gewichtsreduktion und eine stärkeren Effekt auf die Blutzuckerstoffwechsellage nach RYGB nachweisen. Allerdings war der RYGB auch mit einer signifikant höheren Morbidität verbunden. Die Reoperationsrate zeigte bei beiden Verfahren keinen Unterschied. Im Gegensatz zu der Metaanalyse von Li zeigte sich in der Analyse von Yip und Kollegen kein Unterschied zwischen RYGB und SG [25]. In diese Analyse wurden 21 prospektive und 12 retrospektive Studie der Jahre 2007 bis 2012 mit insgesamt 1375 Patienten einbezogen. Weder

bezüglich der Gewichtsreduktion noch der Remissionsrate des Diabetes mellitus konnte ein Unterschied zwischen RYGB und SG gefunden werden. Im Jahr 2014 wurde von Hedberg und Kollegen eine Metaanalyse publiziert, die den Unterschied von RYGB und BPD analysierte [7]. In diese Metaanalyse wurden 16 Studien einbezogen, wobei 874 Patienten mit einer BPD operiert wurden und 1149 Patienten mit einem RYGB. Die Ergebnisse dieser Analyse bestätigen eine ausgeprägtere Gewichtsreduktion und auch eine höhere Remissionrate des Diabetes mellitus Typ 2 nach BPD im Vergleich zum RYGB. Allerdings war auch die Früh- und Spätkomplikationsrate in der Gruppe mit BPD signifikant höher als nach RYGB. Wenig überraschend ist die Metaanalyse von Wang und Kollegen, die 2013 in Obesity Surgery publiziert wurde [24]. Die Kollegen verglichen die Effektivität des SG mit dem GB bezüglich Gewichtsreduktion und Diabetes-Remission. 1004 Patienten aus 11 Studien wurden eingeschlossen und es zeigte sich eine signifikant stärkere Gewichtsreduktion und eine signifikant verbesserte Blutzuckerkontrolle nach SG im Vergleich zum GB. Eine weitere interessante Metaanalyse von Parikh und Kollegen verglich die verschiedenen Operationsverfahren bei Patienten mit einem BMI von unter 35 kg/ m2 [14]. Diese Ergebnisse bestätigten die Ergebnisse der bisher referierten Meta­ analysen bei Patienten mit einem höheren BMI. In der operativen Gruppe kam es nach einem Jahr bei 55% der Patienten zu einer Remission ihres Diabetes mellitus Typ 2 und bei 95% der Patienten zu einer Verbesserung der Blutzuckerstoffwechsellage. Dabei schnitt die Patientengruppe mit einem BPD am besten ab. Patienten mit einem RYGB bzw. einer SG hatten gleich gute Erfolge. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob übergewichtige, also nicht adipöse Typ-2Diabetiker auch von den metabolischen Effekten bariatrischer Operationen profitieren können.

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Mit der Komplexität des Eingriffs steigt die Komplikationsrate

Insgesamt bestätigen die bisherigen Studien und Metaanalysen sehr robust den positiven Einfluss der metabolischen Chirurgie auf die Blutzuckerstoffwechsellage bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2. Die referierten Studienergebnisse und Metaanalysen demonstrieren, dass je invasiver ein Verfahren ist, desto eindrucksvoller auch die Erfolge bezüglich Gewichtsreduktion und Blutzuckerkontrolle sind. Mit der Komplexität des Eingriffs steigt aber auch die Komplikationsrate an. Aus unserer Sicht deutet sich somit ein „Empfehlungsgrad“ an, der für die differenten bariatrischen Verfahren sehr unterschiedlich ausfällt. Das GB sollte in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die reine Restriktion des Bandes ermöglicht keinen überzeugenden metabolischen Effekt. Deutlich effektiver und mit guten Remissionsraten auch 3 Jahre nach Intervention sind der RYGB und die SG. Beide Verfahren haben trotz unterschiedlicher Wirkprinzipien hervorragende Resultate nicht nur bezüglich der Gewichtsreduktion, sondern auch bezüglich der Verbesserung des Blutzuckerstoffwechsels. Tendenziell scheint der RYGB eine stärkere Wirkung auf die Blutzuckerregulation zu haben als die SG. Weitere Daten, besonders in Bezug auf Langzeitergebnisse und Lebensqualität, sind wünschenswert. Grundsätzlich sollten beide Verfahren als wirksame Therapieoption bei Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 empfohlen werden. Den größten Effekt auf die Diabetes-Kontrolle zeigt der BPD. Problematisch jedoch sind häufiger frühe und späte postoperative Komplikationen, sodass eine Empfehlung nicht so überzeugend ausgesprochen werden kann wie beim RYGB und bei der SG. Für sehr schwer adipöse Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist aber auch der BPD eine Therapieoption. In der Euphorie der Beurteilung der Resultate muss berücksichtigt werden, dass die Ergebnisse der publizierten Metaanalysen mit Zurückhaltung bewertet werden müssen. Problematisch ist die starke Heterogenität der Studien. Auch die nicht einheitliche Definition von Diabetes mellitus und Diabetes-Remission in den Publikationen muss kritisch betrachtet werden.

Leitthema Eine Empfehlung für oder gegen ein Verfahren ist sehr individuell und hängt im Wesentlichen von den persönlichen Lebensumständen der Patienten ab. Trotzdem hat sich die Evidenz bezüglich der metabolischen Chirurgie soweit entwickelt, dass adipösen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 eine chirurgische Therapie empfohlen werden sollte und den Patienten von Seiten der Krankenkassen diese erfolgreiche Therapie nicht mehr vorenthalten werden darf.

Korrespondenzadresse

Fazit für die Praxis

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

F Die Entwicklung der Adipositas- und metabolische Chirurgie ist eine der spannendsten Entwicklungen der Chirurgie seit Einführung der minimal-invasiven Chirurgie. Zunehmend etabliert sich die metabolische Chirurgie auch in Deutschland und bildet eine weitere, vielversprechende Therapieoption für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2. F Die referierten Studien und Metaanalysen bestätigen die überzeugenden Vorteile der chirurgischen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 im Vergleich zu konservativen Therapien. Mit steigender Komplexität des chirurgischen Eingriffs nimmt die Remissionsrate des Diabetes mellitus Typ 2 zu. F Die vorliegenden Daten legen nahe, dass die Remissionsrate bei der Magenbandimplantation geringer ist als bei den übrigen metabolischen Eingriffen. Der Magenbypass schneidet tendenziell besser ab als der Schlauchmagen und die biliopankreatische Diversion weist die höchsten Remissionsraten auf, allerdings auch die häufigsten peri- und postoperativen Komplikationen. F Grundsätzlich sollten aufgrund des besten Nutzen-Risiko-Profils der Magenbypass und der Schlauchmagen als wirksame Therapie bei Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 empfohlen werden.

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Prof. Dr. J. Ordemann Zentrum für Adipositas und   Metabolische Chirurgie, Klinik für Allgemein-,   Visceral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, Charité –   Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Charitéplatz 1, 10117 Berlin [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Ordemann, U. Elbelt und C. Menenakos geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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[Procedure selection and technique of metabolic surgery].

Metabolic surgery is becoming an impressive therapeutic option for type 2 diabetes mellitus and other metabolic diseases. Compared to conservative the...
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