Leitthema Ophthalmologe 2015 · 112:639–645 DOI 10.1007/s00347-015-0098-3 Online publiziert: 10. Juli 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

C.Y. Mardin

Seit der Erfindung des Augenspiegels sind wir es gewohnt, Papille und retinale Nervenfaserschicht als morphologischen Schädigungsort der Glaukome in der Aufsicht zu beurteilen. Die optische Kohärenztomographie (OCT) ermöglicht erstmals, retinale und papilläre Strukturen optisch zu durchdringen und im Querschnitt darzustellen. Die Technik der hochauflösenden OCT in der Glaukomdiagnostik ist einer der großen Meilensteine in der bildgebenden Diagnostik geworden.

lieren, werden zukünftige Studien zeigen müssen. Retinale Nervenfaserschicht, Makula und neuroretinaler Randsaum sind derzeit die glaukomrelevanten Strukturen, deren Schichtdickenmessung zur Glaukomdiagnostik einer Normalpopulation gegenübergestellt wird. In der Verlaufsbeobachtung ist bei einer Progression eine Verringerung der Schichtdickenmessungen zu erwarten, deren statistische Signifikanz zum Teil wie bei der Computerperimet-

Spectral-domain- und Swept-source-OCT ermöglichen hochauflösende und schnelle Bildaufnahmen mit bis zu 70.000 Schnitten (Scans) pro Sekunde. Damit sind empfindliche Strukturen wie die der Ganglienzellschicht der Makula, die retinale Nervenfaserschicht und der Sehnervenkopf bis zur Oberfläche der Lamina cribrosa mit einer axialen Auflösung von bis zu 4 µm ähnlich einem in vivo histologischen Schnitt darstellbar. Die Variabilität der Messungen beträgt nur 1,4 µm [14]. Die hohe Präzision der Messungen mit immer höherer Auflösung erlaubt es ebenfalls, den natürlichen Altersverlust von neuroretinalem Randsaum (NRR) und retinaler Nervenfaserschicht (RNF) zu messen. Die hochauflösende OCT-Technik hat schnell Verbreitung in der alltäglichen Versorgung gefunden. Die Glaukomfrüherkennung konnte mit der Messung der retinalen Nervenfaserschicht und der Ganglienzellschicht weiter vorangebracht werden – mit hoher Sensitivität im präperimetrischen Glaukomstadium. Wie gut geringe Änderungen der Schichtdickenmessungen mit der Funktion korre-

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Grundlagen der optischen Kohärenztomographiebasierten Glaukomdiagnostik rie oder Heidelberg-Retina-Tomographie (HRT, Heidelberg Engineering) auf dem 5 %-Niveau dargestellt werden kann. Dem Untersucher stehen damit Entscheidungshilfen zur objektiveren Glaukomdiagnose und Verlaufsbeobachtung zur Verfügung. Das präzise Wiederauffinden des früheren Scanortes ist hierfür unerlässlich und wird mit verschiedenen, technischen Verfahren der Mustererkennung erreicht (z. B. Eye Tracking, Heidelberg Engineering).

Abb. 1 8 OCT-Kreisscan um die Papille führt zu einem B-Bild der Netzhaut, das von temporal zu temporal ausgebreitet wird. X-Y-Achse, Z-Achse perpendikulär zur Netzhaut, R zirkumpapillärer Kreisscan der OCT, RNFL retinale Nervenfaserschicht, RPE retinales Pigmentepithel Der Ophthalmologe 8 · 2015 

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Leitthema

Abb. 2 8 Zirkumpapillärer B-Scan eines Auges mit Segmentierung der retinalen Nervenfaserschicht (dunkel) und Vergleich der Schichtdickenwerte der Messung mit der Normalpopulation. Werte werden als Mittelwert und in den jeweiligen Sektoren dargestellt

Abb. 3 8 Vergleich von Histologie einer Netzhaut und OCT-B-Bild. Der Anteil der Gefäße im B-Bild beträgt im Mittel 10 % der gesamten RNF auf dem Kreisscan. RNF retinale Nervenfaserschicht, GC Ganglienzellen, IPS innere, plexiforme Schicht, PR Photorezeptoren

Retinale Nervenfaserschichtdicke und Axone Ein papillenzentrierter Kreisscan mit einem üblichen Durchmesser von 3,4 mm erfasst alle Nervenfasern, die auf die Papille zulaufen. Üblich ist ein temporaler Beginn des Scanvorgangs, sodass das papil-

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lomakuläre Bündel im Randbereich einer TSNIT („temporal-superior-nasal-inferior-temporal“)-Grafik zur Darstellung kommt. Die RNF als innerste Netzhautschicht stellt sich im B-Bild hoch reflexiv dar und kann mit der Innen-und Außengrenze automatisch segmentiert werden. Die Dicke der RNF-Schicht wird in Sek-

toren wie auch als durchschnittlicher Gesamtwert in µm ausgegeben und mit einer Normalpopulation verglichen (.  Abb. 1 und 2). Die Messungen der RNF von verschiedenen Geräteherstellern weisen jedoch abweichende Ergebnisse auf, sodass die RNF-Werte von Geräten unterschiedlicher Hersteller nicht austauschbar sind Sung et al. [12] konnten zeigen, dass die mittlere normale RNF-Schichtdicke der Time-domain-Stratus-OCT mit 98,0 ± 18,0 µm und mit der Cirrus-OCT (Zeiss) 85,6 ± 14,6 µm betrug, dagegen mit dem RTVue (Optovue) 113,9 ± 16,3 µm im Vergleich zur Stratus-OCT 103,3 ± 12,6 µm [11]. Normaldaten von Bendschneider et al. [3] zeigten für Stratus-OCT 99,8 ± 10,8 µm und für Spectralis-OCT (Heidelberg Engineering) 98,6 ± 9,4 µm. Mittlere RNF-Schichtdicke ist negativ korreliert mit dem Alter und der Achsenlänge des Auges. Der Einfluss des Altersverlustes auf OCT-Verlaufsmessungen scheint für RNF geringer ausgeprägt zu sein als für die Makulaschichtdickenmessung (s. unten). So konnten Leung et al. [9] in einer Glaukomgruppe im Verlauf nach Bereinigung um den Altersverlust für RNF einen tatsächlichen Verlust von 26,7 statt 27,3 % und für die Makula einen Verlust von 16 statt 30 % vom Ausgangswert messen. Harwerth [8] postuliert nach theoretischen Überlegungen und praktischen Messergebnissen, dass eine 15 %ige Dickenabnahme der RNF zwischen dem 25. und 95. Lebensjahr wahrscheinlich einer tatsächlichen Reduktion von 50 % aller Axone entspricht. Dies bedeutet, dass die Schichtdicke der RNF mit der OCT gemessen wahrscheinlich nur einen Surrogatmarker für den Axonverlust darstellt und nicht die biologische Wirklichkeit wiedergibt. Retinale Gefäße werden im Messkreis mit erfasst, und ihr Anteil an der RNF-BBild-Fläche wird mit zunehmender Abnahme der Schichtdicke größer. Der Anteil der retinalen Gefäße beträgt bei Gesunden über 360° gemessen auf dem Scankreis ca. 10 % (Tornow et al., eigene Daten, . Abb. 3). Beeinflusst werden die Messungen der RNF im Verlauf durch Artefakte mit einer Häufigkeit von 15,2–36,1 % [2]. Wessel et al. (eigene Daten) konnten über 3 Jah-

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Zusammenfassung · Abstract re bei 26 von 121 Augen (21,5 %) Artefakte bei OCT-Messungen mit der Spectralis-OCT finden. Im Vordergrund standen vitreoretinale und choroidale Veränderungen. Diese waren „macular pucker“ (n = 5), Schisis-ähnlicher Umbau der RNF-Schicht (n = 6) (.  Abb. 4), choroidale und retinale Falten nach Filteroperation (n = 3), fokale Abhebungen des retinalen Pigmentepithels (n = 1) und abknickende, retinale Gefäße (n = 2). Bei Glaukomen kommt es zur segmentalen oder diffusen Verdünnung der RNF, welche sich grafisch an einer Änderung der normalen Doppelgipfelkontur (Maxima superior und inferior, Minima temporal und nasal) zeigt. Die farblich hinterlegte Normalpopulation mit einer Streubreite von einer 2-fachen Standardabweichung und die Darstellung der 95 %(gelb, grenzwertig) bzw. 99 %-Perzentile (rot, pathologisch) erlauben einen direkten Vergleich der individuellen Messung mit der Normalpopulation. Eine wichtige Einflussgröße ist hierbei die Achsenlänge des untersuchten Auges. Mit zunehmender Länge rücken die Gipfel nach temporal und teilweise außerhalb des Normdoppelgipfels, was eine Beurteilung von myopischen Augen deutlich erschweren kann. Auch die Normalisierung der RNF auf das retinale Pigmentepithel, welche die Betrachtung eines geraden B-ScanBandes erleichtert, gelingt in Augen mit einem myopischen Konus oder Staphyloma posticum nicht immer.

Makulaschichtdicke und retinale Ganglienzellen Nach Curcio et al. [6] befinden sich in der Makula als dem Ort der höchsten Ganglienzelldichte 50 % aller Ganglienzellen der Netzhaut in einem Radius von 4,5 mm um die Foveola. In dieser Region nehmen Ganglienzellen und RNF 30–35 % der gesamten Netzhautschichtdicke ein. Diese gehen im Verlauf der Glaukomerkrankung verloren, wenn man von einem diffusen Schaden ausgeht. Aufgrund der hohen Scangeschwindigkeit der Spectral-domain- und Sweptsource-OCT kann die Makula hochaufgelöst in einem Kubus, mit einer z. B. 8 × 8 mm Grundfläche in einem 30° Ausschnitt abgetastet werden (. Abb. 5 links).

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Ophthalmologe 2015 · 112:639–645  DOI 10.1007/s00347-015-0098-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 C.Y. Mardin

Grundlagen der optischen Kohärenztomographiebasierten Glaukomdiagnostik Zusammenfassung Hintergrund.  In den letzten Jahren führten zahlreiche OCT (optische Kohärenztomographie)-Anwendungen dazu, Glaukome bezüglich ihrer Morphologie besser zu begreifen. Im klinischen Alltag der Behandlung von Glaukompatienten spielen vor allem die modernen diagnostischen Aspekte eine bedeutende Rolle. Methoden.  Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche unter Berücksichtigung eigener Erfahrungen. Es werden die Prinzipien der 3 OCT-Messverfahren im Detail besprochen. Diagnostische Wertigkeit und Fußangeln der jeweiligen Messverfahren werden beleuchtet.

Ergebnisse.  Retinale Nervenfaserschicht, Makula und Ganglienzellschicht sowie minimale neuroretinale Randsaumdicke haben vor allem die objektivere Frühdiagnose und Verlaufsmessung erleichtert. Schlussfolgerung.  OCT-Messungen bei Glaukomen können nicht die ärztliche Glaukomdiagnose ersetzen, bieten jedoch eine wertvolle Entscheidungshilfe für Diagnose und Verlaufsbeobachtung. Schlüsselwörter Ganglienzellschicht · Morphologie · Randsaumbreite · Makula · Diagnose

Principles of glaucoma diagnostics with optical coherence tomography Abstract Background.  In recent years many applications of optical coherence tomography (OCT) have led to a better understanding of glaucoma morphology. The clinical routine in the treatment of glaucoma is strongly influenced by the modern diagnostic aspects. Methods.  A selective search of the literature was carried out and the important aspects are presented taking own experiences into account. The measurement principles, diagnostic ability and pitfalls of the three OCT measurement procedures are highlighted. Results.  Retinal nerve fiber layer, macula and ganglion cell layer thickness as well as the

Die so entstandenen B-Scans mit variabler Dichte werden von der Software zu einem 3-dimensionalen Block zusammengefügt. Die Netzhautdicke kann nun vom retinalen Pigmentepithel (RPE) bis zur Membrana limitans interna an jeder beliebigen Stelle gemessen werden. Durch die hohe retinale, iuxtafoveolare Zelldichte zeigt sich um die foveolare Depression eine typische, ringförmige Verdickung, die zum Rand wieder abnimmt (DonutForm). Die Makulascanaufnahmen können auf die Fovea-Papillen-Achse ausgerichtet werden, um dem anatomischen Verlauf der RNF Rechnung zu tragen und in der Verlaufsbeobachtung Kopflage­ artefakte zu reduzieren. Zur einfacheren Betrachtung der Makulatopografie kann

minimum neuroretinal rim width have facilitated in particular the objective early diagnosis and follow-up measurements. Conclusion.  For glaucoma, OCT measurements cannot replace the medical expert diagnosis but they represent a valuable decision-making aid for diagnostics and followup examinations. Keywords Morphology · Ganglion cell layer · Rim width · Macula · Diagnosis

eine Falschfarbendarstellung mit eingeblendetem Raster gewählt werden. Warme Farben zeigen eine höhere und kältere Farben dünne Schichtdicke an. Die hohe Bildauflösung erlaubt neben der Netzhautgesamtdicke, auch RNF, Ganglienzellschicht und die innere plexiforme Schicht zu segmentieren und in ihrer Schichtdicke zu messen. Der Vergleich des oberen mit dem unteren Halbfeld ermöglicht, ähnlich dem Gesichtsfeld feine Asymmetrien der Schichtdicken besser zu erfassen ([15], . Abb. 5b). Neben den Dickenkarten erweist sich auch das Durchscrollen der B-Bilder oftmals als aufschlussreich in Bezug auf frühe, mit dem Auge nicht erkennbare Veränderungen wie die von Wen et al. [13] in

einer kleinen Fallserie beschriebenen mikrozystischen Veränderungen der inneren nukleären Schicht mit Aufweitung in Makulabereichen mit Ganglienzellverlust (. Abb. 6, eigene Daten). Häufige Störartefakte sind auch hier Veränderungen des vitreoretinalen Interface und des RPE. Durch die größere Scanzeit sind Volumenscans anfälliger gegenüber Blickbewegungen als Linienoder Kreiscans. Wie bei RNF-B-Scans führen auch bei Makulavolumenscans Ödeme, Blutungen und myelinisierte Nervenfasern zu einer artifiziellen Verdickung der Netzhauschichten. Vergleicht man die diagnostische Wertigkeit von RNF-Schichtdicke und makulärer Ganglienzellschichtdicke (GCC), so konnten Akashi et al. [1] für 3 Spectral-domain-OCT-Geräte (RTVue, Cirrus, 3-D-OCT) in einer Gruppe von Augen mit frühem perimetrischem Glaukom [„mean defect“ (md) 2,61 ± 2,29 dB] eine leicht höhere diagnostische Wertigkeit für RNF (Fläche unter ROC Cirrus 0,94, RTVue 0,94, 3-D-OCT 0,93) gegenüber der GCC (Fläche unter ROC Cirrus 0,86, RTVue 0,90, 3-D-OCT 0,88) zeigen.

Abb. 4 8 RNF (retinale Nervenfaserschicht)-B-Scan eines Auges mit fokalem RNF-Defekt temporal unten. a Auf der Voraufnahme ist in diesem Bereich eine deutliche Aufspleißung der RNF mit epiretinaler Membran, die sich b im Verlauf abschwächt und so eine Verdünnung der RNF an dieser Stelle im Verlauf vortäuscht

Abb. 5 8 30°-Maculascan mit einem 8 × 8-Raster und Netzhautschichtdicke. a Das Makulavolumen ist auf die Fovea ausgerichtet. Auffallend ist die Verdünnung der gesamten Netzhaut mit deutlicher Betonung temporal oben und unten im Sinne eines Glaukomschadens. b Ein hemisphärischer Schichtdickenvergleich soll dem Untersucher die Abschätzung einer Asymmetrie erleichtern. i inferior, s superior

Neuroretinaler Randsaum – minimale Randsaumbreite Die hochauflösende OCT-Technik ermöglicht erstmals die In-vivo-Darstellung der exakten Papillengrenze. Elschnig-Skleralring, Elschnig-Gewebe und das Ende der Bruch-Membran begrenzen die Papille nach außen. Sie stellen sich in papillenzentrierten, radiären B-ScanSchnitten dar. Die Bruch Membran ist im B-Bild eine hochreflexive Linie unterhalb des RPE. Grundlegende histologische und tierexperimentelle Arbeiten der Arbeitsgruppe um Chauhan und Burgoyne [4] konnten zeigen, dass die Nervenfaserbündel der RNF diese Membran als Grenze respektieren und nicht durchdringen. So entstand die Idee, mit radiären OCTSchnitten die Papillengrenze als Öffnung der Bruch-Membran exakt zu bestimmen und die innere Öffnung der Bruch-Membran mit 48 Messpunkten aus 24 Schnitten als ovaläres bzw. kreisförmiges Gebilde zu extrapolieren. Im B-Bild bildet die

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Leitthema sicherlich in Zukunft das Gebiet der OCTGlaukomdiagnostik noch erweitern.

Fazit für die Praxis 55RNF-Schichtdicke, Makulaschichtdicke mit und ohne GCC und MRW als OCT-gestützte Parameter ergänzen in der Glaukomdiagnostik die klassische Beurteilung des Glaukoms mit Papille und Gesichtsfeld und vereinfachen die frühe Glaukomdiagnose und Verlaufsbeobachtung. 55Intraretinale als auch Veränderungen im vitreoretinalen Interface können OCT-Messungen beeinflussen. 55Für eine komplette Untersuchung mit dem OCT ist neben den Gewebsmessungen die Betrachtung der B-Bilder -zur Beurteilung von Artefakten von großer Bedeutung. Abb. 6 8 Linkes Auge mit fokalem Glaukomschaden temporal unten. a Im Infrarotbild und b auf dem Falschfarben-kodierten Bild (Netzhautdickenkarte und Infrarotbild) zeigt sich im unteren Halbfeld eine fokale Verdünnung der retinalen Nervenfaserschicht. c In dem OCT-B-Bild, entsprechend der grünen Linie bei a, ist die korrespondierende Ganglienzellschicht verdünnt (kurzer weißer Pfeil). Auffallend sind die Aufweitung und der zystoide Umbau der darunter liegenden inneren plexiformen Schicht (lange, weiße Pfeile)

Membrana limitans interna die innere Begrenzung des NRR zur Glaskörperseite. Die neueste Anwendung ist die Bestimmung der minimalen neuroretinalen Randsaumweite (MRW) in der Papille unter zu Hilfenahme der Detektion des Endes der Membrana limitans interna und der Bruch-Membran als präzise darstellbare anatomische Papillengrenze. Dieser Wert zeigte in ersten Pilotstudien mit der Spectralis-OCT (Heidelberg Engineering) eine höhere Diskriminierung von Glaukomen als die retinale Nervenfaserschichtdicke mit der OCT [5]. PolletVillard et al. [10] fanden mit der CirrusOCT (Zeiss) keinen signifikanten Unterschied zwischen MRW und RNF für die diagnostische Wertigkeit für Augen mit Glaukomverdacht und manifestem Glaukom. Dass die MRW tatsächlich besser mit Gesichtsfeld und RNF-Parametern bei frühen und manifesten Glaukomen korreliert als die klassische NRR-Weite in der Netzhautebene, konnten Gardiner et al. [7] zeigen. Die Messwerte der MRW auf einem 360°-Kreis werden wie die RNF in einer TSNIT-Grafik dargestellt, wobei die ak-

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tuelle Messung einer Normalpopulation gegenübergestellt wird. Wieder wird die 2-fache Standardabweichung in grün, die 95 %-Perzentile in gelb (grenzwertig) und die 99 %-Perzentile in rot (pathologisch) in verschiedenen Sektoren und gesamt dargestellt (. Abb. 7). Problematisch sind artifizielle Messungen von retinalen Gefäßen oder Abschattungen, Glaskörperverdichtungen an der Membrana limitans interna oder untypische Endigungen der Bruch-Membran. Letztere sind temporal bei flach auslaufenden, myopischen Papillen sehr peripher zu finden und führen zu ungewollten Dickenmessungen äußerer Netzhautschichten. Aus diesem Grund müssen alle Messpunkte im B-Bild vom Untersucher kontrolliert und bei Bedarf korrigiert werden. Weitere Studien mit dem OCT-geschaffenen Parameter MRW müssen zeigen, ob MRW in der Glaukomdiagnostik praktikabel und für Verlaufsbeobachtungen geeignet ist. Polarisationsempfindliche OCT für die RNF-Darstellung und Angio-OCT zur Darstellung der Papillenperfusion werden

Korrespondenzadresse Prof. Dr. C.Y. Mardin Universitätsaugenklinik Erlangen Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Schwabachanlage 6 91054 Erlangen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C.Y. Mardin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben.

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Fachnachrichten Terminankündigung DOG 2015 Augenheilkunde – grundlagenbasiert und interdisziplinär Berlin, 1.10.2015- 4.10.2015 Kongresspräsident: Prof. Dr. Karl Ulrich BartzSchmidt Veranstalter: DOG - Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft und Interplan Congress, Meeting & Event Management AG, Office Hamburg, Kaiser-Wilhelm-Straße 93, 20355 Hamburg http://dog2015.dog-kongress.de/ E-Mail: [email protected]

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Abb. 7 8 a Papille mit Glaukomverdacht. b OCT-Darstellung des neuroretinalen Randsaums in ausgewählten, radiären B-Scans durch die Papille. Die farbigen Pfeile kennzeichnen den kürzesten Abstand vom Ende der Bruch-Membran zur Membrana limitans interna als MRW („minimal rim width“) des neuroretinalen Randsaums. Grün sind Werte im Normbereich, gelb Werte im verdächtigen Bereich zwischen 95 %- und 99 %-Perzentile. c Infrarotbild, d OCT-B-Bild: Darstellung ei­nes B-Scans durch das Papillenzentrum im 2/8 Uhr Meridian mit MRW (blau), Darstellung der MRW-Messungen in einer TSNIT („temporal-superior-nasal-inferior-temporal“)-Grafik im Vergleich zur Normalpopulation (grün, gelb, rot) und der Messwerte in den Sektoren

  4. Chauhan BC, Burgoyne CF (2013) From clinical examination of the optic disc to clinical assessment of the optic nerve head: a paradigm change. Am J Ophthalmol 156:218–227   5. Chauhan BC, O’Leary N, Almobarak FA, Reis AS, Yang H, Sharpe GP, Hutchison DM, Nicolela MT, Burgoyne CF (2013) Enhanced detection of openangle glaucoma with an anatomically accurate OCT derived neuroretinal rim parameter. Ophthalmology 120:535–543   6. Curcio CA, Allen KA (1990) Topography of ganglion cells in human retina. J Comp Neurol 300:5–25   7. Gardiner SK, Ren R, Yang H, Fortune B, Burgoyne CF, Demirel S (2014) A method to estimate the amount of neuroretinal rim tissue in glaucoma: comparison with current methods for measuring rim area. Am J Ophthalmol 157:540–549   8. Harwerth RS, Wheat JL (2008) Modeling the effects of aging on retinal ganglion cell densitiy and RNF thickness. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 246:305–314   9. Leung CK, Ye C, Weinreb R, Yu M, Lai G, Lam DS (2013) Impact of age related change of RNF and macular thickness on evaluation of glaucoma progression. Ophthalmology 120:2485–2492

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In recent years many applications of optical coherence tomography (OCT) have led to a better understanding of glaucoma morphology. The clinical routin...
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