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Primär extrakranielles Meningeom des Augenlides A.]. Tasman, LA. Born, H. Maier*

Zusammenfassung Em Fall eines bisher nicht beschriebenen,

primar extrakraniellen Meningeoms des Augenlides

wird geschildert. Wie in der Literatur erwähnt, hat auch dieser Fall eines primär extrakraniellen Meningeoms den behandelnden Arzt und den Pathologen aufgrund des uncharakteristischen klinischen, radiologischen und histologischen Bildes zunächst irregefuhrt. Bei unklaren Raumforderungen im Kopf-Hals-Bereich sollte an die Möglichkeit eines extrakraniellen Meningeoms gedacht werden.

Primarily Extracranial Meningioma of the Eyelid A case of a primarily extracranial meningioma of the eyelid, so far not reported in literature, is discussed. As mentioned in literature, this case of an cxtracranial meningioma has also irritated both the physician and the pathologist, due to its uncharacteristic clinical, radiological and histological manifestation. The possibility of an extracranial meningioma as a cause of a head and neck mass should be borne in mind.

eine periphere Metastase eines malignen intrakraniellen Meningeoms in Betracht gezogen werden. Ektope Meningeome, die keine Verbindung zu nervalen Strukturen oder zurn Endokranium haben, sind schr selten. Die hdufigsten Lokalisationen extrakranieller Meningeome sind: die

Haut, die Orbita, die Nasenhaupt- und Nebenhöhlen, das Schläfenbein und der Parapharyngealraum.

In der vorliegenden Arbeit wird erstmals das Auftreten eines extrakraniellen Meningeoms im Bereich des Augenlides beschrieben.

Fallbericht Em

_____________

80Jahre alter Patient hatte seit 2Jahren eine

langsam zunehmende schmerzlose Schwellung im Bereich des rechten Oberlides bemerkt. Eine zusätzliche Rötung der Schwcllung führte den Patienten zum Arzt. Der Tumor hatte eine derbc Konsjstenz und war mit der darüberliegenden, leicht geröteten, tidematösen Haut fest verwachsen. Der konsultierte HNO-Arzt diagnostizieriv zunachst eine Stirnhtihlenmukozele und wies den Patienten zur Stirnhohlenoperation in die Univcrsitäts-HNO-Klinik Heidelberg em.

Der klinische Befund konnte durchaus an das Vorliegen einer Stirnhöhlenmukozele denken lassen. Gegen diese Vetdachtsdiagnose sprach allerdings die Tatsache, da1 weder em Trauma im Bereich des Gesichtsschädels noch eine Stirnhtihlenoperation

vorangegangen waren. In der Tat ergab die Nasenncbenhöhlcn-

Meningeoinc machen etwa 18 % der intrakraniellen Tumoren aus. Nicht selten (ca. 20 %) wachsen die Grenzen des zentralen Nervensystems hinaus sic und fallen dann u. U. primär als extrakranielle Raumforderungen auf. In 1 bis 3 % der Fälle treten diese Tumoren multipel auf. Ob es sich dabei urn eine Manifestation des Morbus Recklinghausen handelt, wird kontrovers diskutiert (4, 6, 9). Meningeome sind in der Regel gutartige Tumoten, die durch Proliferation von Arachnoidalzellen entstehen.

Weniger als 1% dieser Tumorcn wdchst ausschlieflich extrakraniell (8). Sic treten in erster Linie entlang groIer Hirnnerven oder — als Folge einer embryonalen Streuung von Arachnoidaizellen — am Rachen und irn Bereich der Schãdelnähte auf. Für die Entstehung wird auch die Entstehung in pluripotenten mesenchymalen Zellen diskutiert (6). SchlieIlich mu in seltenen Fallen auch Laryngo-Rhino-Otol. 70 (1991) 221-223 Georg Thieme Verlag Swttgart New York

Ubersichtsaufnahme röntgenologisch keinen Hinweis für das Vorliegcn einer Stirnhöhlenmukozele. Em zusätzlich angefertigtes Computertomogramm beschrieb einen extrakranieli gelegenen, weichteildichten Tumor ohne sichtbare Knochenveranderungen oder Verbindung zur Trãnendrüse.

Bei der daraufhin veranlaten chirurgischen Exploration fanden wit einen etwa 3 x 2 x 1 cm messenden, derben Tumor, der die umgebenden Weichteile infiltriert hatte, nicht abgekapselt war und keine Verbindung zum Gesichtsschädel zeigte. Eine intraoperative Schnellschnmttuntersuchung Crgab aufgrund des vergleichsweise gro6zelligen Bildes, z. T. mit soliden Zeilnestern und Infiltration dec ortsständigen Muskulatur, die vorläufige Diagnose eines malignen epithelialen Tumors. Da eine cntsprechende Einwilligung des Patienten zum Operationzeitpunkt nicht vorlag, wurde auf cine radikale Sanierung des Befundes im Sinne ciner totalen Oberlidresektion und ciner Exenteratio orbitae zurmãchst verzichtet.

Herrn Prof. Dr. H.-G. Boenninghaus zum 70. Geburtstag gewidmet.

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Universit5ts-Hals-Nasen-Ohrenkiinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. H. Weidauer) Parhologisches Institut der UniversitSt Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. H. F. Otto)

222 Laryngo-Riiino-OtoL 70 (1991)

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flj. j-'

A. j Tasman und Mitarb.

Abb.1 H.E.-Farbung, 25xOriginal. tvleningeales Ditterenzierungsmuster des Tumors mit knotig taszikularen Anteilen und zwiebelschalenartig angeordneten epitheloiden Zellen.

Abb.2 Immunhistologische Untersuchung (25xOriginal) zu Vimen-

Die histologisehen Schnittprãparate ergaben einen dberrasehenden Refund. Sic zeigten em durehgehend meningeales Differenzierungsmuster des Tumors outer EinsehluE knotig faszikularer Srrukturen sos zwiebelsehaienartig angeordneten epitheloiden Zellen (Abh. 1). Kernteilungsfiguren waren aul?erordentlieh selten. Die Tumorknoten batten die umgebende Muskulatur und das Fetrgewebe vielerorts durchsetzt. Die immunhistologisehe Untersuehung hatte eine krãftige Reaktion auf Vimentin gezeigt (Abb. 2). Nach der histologisehen Differenzierung lautete die endgiiltige Diagnose: primar extrakranielles Meningeom.

entschlossen wir uns, zunachsr lediglich den Turnor zu cx-

tn einem zweiten Sehritr resezierten wir die infiltrierre Lidhaur und enrfernren spärlieh vorhandenes Tumnrresrgewehe. Der entsrandene Liddefekr wurde prima•r dureh eine SehwenkLappenpiasrik versehiossen.

tin. Positive Reaktion tOt Anti-Vimentin (Vg-AntikOrper) im Bereich der knolig taszikular kontigurierten Zeilverbande.

srirpieren. Da sich intraoperativ zeigre, da]? der Turnor keine Kapsel harre und diffus die Urngebung infiltrierte, wurde

tin Schncllschnirr veranlaRr. Aufgrund des histologisch polyrnorphen Bildes rnit Infiltration der ortssthndigen Muskularur karn der begurachrende Pathologe nicht urnhin, die histologische Diagnose eines rnalignen epirhelialen Tumors zu stellen. Em exrrakranielles Meningeom wurde nieht emrnal differentialidagnostisch in Erwdgung gezogen. Ware

bereits prdoperativ em Malignorn vermutet und eine entsprechende einzeitige operative Sanierung rnit dern Patienten besproehen worden, hhtre die Schnellschnittdiagnose für den Patientcn fatale Folgen gehabt: Zur Wahrung eines Sieherheirsabstandes whren eine ausgedehnte Oberlidresektion und eine Exenteratio orbitae notwendig gewesen.

Diskussion Unsetes Wissens ist dies die erste Beschreihung cines prirndr im Oberlid lokalisierten, extrakraniellen Meningeoms. Zwar wurde eine Oberlidschwellung durch cinen derartigen Tumor in der Vergangenheit bereits emmai beschrieben (5). Es handelte sich jedoch urn em Meningeorn, das semen Ursprung am vorderen Orbiradach — dern Knochen anliegend — hatre und sekundar in das Oberlid eingewachsen war.

Meningeome der Orbira sind meist im Apex orbirae und arn kleinen Keilbeinflügel lokalisiert. Im vorliegenden Fall hingegen war das Meningeorn subkutan und ohne nachvollziehbare Verbindung zu nervalen oder ossdren Strukruren gewachsen. Es handeire sich sornit nichr

um em Meningeorn der Orbira, sondern urn em kutanes Meningeorn des Augenlides. Der klinische Befund lie]? zuniiehst trorz der weitgehenden Schrnerzfreiheir an die Ver-

Die Diagnostik exrrakranieller Meningeorne ist aufgrund der ungewohnlichen Lokalisation, des hi-

srologiseh polymorphen Bildes und ihrer Seltenheit erschwert. Die Röntgenübersichtsaufnahrnen des Schddels ergeben oft nur unspezifische Befunde. Sowohi Hyperostosen als auch Osteolysen wurden in der Urngebung derarri-

ger Turnoren beschrieben. Hinweise kann der Vergleieh des Cornpurerrornograrnrns nach Kontrasrmirrelinjekrion rnir der Darsrellung durch eine Angiographie gehen (8).

Die Therapie exrrakranieller Meningeome 1st in ersrer Lsnie chirurgisch. Dabei kann aufgrund der Lokalisarion eine Zusarnmenarbeit zwischen Hals-Nasen-Ohren-Arzr und Neurochirurg notwendig werden. Aufgrund der Dignirãr erscheinr em radikales und murilierendes chirurgische Vorgehen nichr indiziert. Die Rezidivrare wird mit 2,3 bms 30% angegeben (4).

Literatur

dachrsdiagnose ,,Stirnhohlenrnukozele" denken. Dieser Verdaeht wurde erst durch die Rdnrgenaufnahrnen der Nasennebenhohlen und insbesondere durch das Cornpurerromograrnrn ausgeräurnr. Lerzreres zeigte eine emndeurig auferha1b der Srirnhdhle gelegene, weichteildichte Raumforderung irn Bereich des Oberlides. Aufgrund des sehr langsamen Wachsrurns einen Verlauf von 2 Jabren erschien em Malignorn wenig wahrschemnlich. Aus diesern Grunde

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A case of a primarily extracranial meningioma of the eyelid, so far not reported in literature, is discussed. As mentioned in literature, this case of...
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