310

Fachwissen: Hygiene

Krankenhaushygiene

Bildnachweis: KH Krauskopf

Schutzimpfungen bei medizinischem Personal

Klaus Kerwat1, Marcel Goedecke2, Hinnerk Wulf1 Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg

2

Betriebsärztlicher Dienst, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Marburg

Impfungen gehören zu den wirksamsten und wichtigsten präventiven medizinischen Maßnahmen. Moderne Vakzine sind gut verträglich. Während Immunisierungen im Kindesalter meist noch als selbstverständlich angesehen werden, lässt die Bereitschaft dazu im Erwachsenenalter deutlich nach. Dass Impfungen neben dem medizinischen Personal auch die anvertrauten Patienten vor nosokomialen Infektionen schützen können, wird häufig nicht beachtet. In diesem Artikel lesen Sie, welche Impfungen für medizinisches Personal empfohlen werden, und welche Verordnungen sich mit dieser Thematik befassen. Keine Verpflichtung In der Bundesrepublik Deutschland besteht keine gesetzliche Impfpflicht mehr, weder für die Allgemeinbevölkerung noch für medizinisches Personal. Impfungen werden von den obersten Gesundheitsbehörden nur noch „öffentlich empfohlen“ – auf Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI), entsprechend dem § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Die Bundesländer garantieren die Versorgung bei Schäden durch „öffentlich empfohlene“ Immunisierungen, wenn die STIKO-Empfehlungen sie per Erlass ratifiziert haben. Im Bundesland Hessen ist dies durch die Veröffentlichung im Staatsanzeiger geschehen. Aufgaben des Arbeitgebers Auf Betriebsebene greifen noch die Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250), die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), die Biostoffverordnung (BioStoffV) und das 5. Sozialgesetzbuch (SGB V). Deshalb sind Arbeitgeber verpflichtet, medizinisches Personal in der Pflichtvorsorge über Impfungen zu informieren, zu beraten und die entsprechenden Immunisierungen gegen die Erkrankungen anzubieten, für die im Beruf ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Die anfallenden Kosten sind vollständig vom Arbeitgeber zu tragen.

Die Impfempfehlungen für medizinisches Personal entsprechen den allgemeinen Empfehlungen der STIKO am RKI, jeweils mit besonderer Rücksicht auf die berufliche Indikation (q Abb. 1).

nach 10 Jahren angezeigt. Alle Personen, die mit einem Infizierten umgehen, sollten unabhängig von ihrem Impfstatus eine Auffrischung erhalten. Im Gesundheitswesen ist daher die Anwendung von Kombinationsvakzinen indiziert, z. B. TdapIPV.

Hepatitis B Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, die Kontakt mit Hepatitis B haben könnten, sollten geimpft werden. Von einem suffizienten Schutz kann man ausgehen, wenn nach der 3. Immunisierung ein Anti-HBs-Titer von ≥ 100 IE/l besteht. Bei Verdacht auf eine Infektion mit Hepatitis B sollte Nichtimmunen gleichzeitig Hepatitis-B-Immunoglobulin und Hepatitis-B-Impfstoff verabreicht werden, also eine Aktiv-Passiv-Postexpositionsprophylaxe.

Einzelne Impfungen im Überblick



Tetanus / Diphtherie Es handelt sich um eine Standardimpfung, die unabhängig einer beruflichen Exposition für alle Personen empfohlen wird. Nach der Grundimmunisierung mit einer Kombinationsvakzine folgen 2 Impfungen im Abstand von 4–8 Wochen sowie eine dritte 6–12 Monate nach der zweiten. Eine Auffrischung steht nach 10 Jahren an. Dabei sollte ein Kombinationspräparat (Tdap) gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis zum Einsatz kommen. Bei Verletzungen sollte eine Tetanusauffrischimpfung durchgeführt werden, wenn die letzte > 5 Jahre zurückliegt. Bei Kontakt mit Diphtheriekranken ist eine Chemoprophylaxe mit Makroliden angezeigt, außerdem eine Diphtherieauffrischung, wenn die letzte Impfung > 5 Jahre zurückliegt. Poliomyelitis Medizinisches Personal, das Kontakt zu Erkrankten haben könnte, sollte geimpft sein. Eine Auffrischung ist

Hepatitis A Jeder, der im Gesundheitswesen tätig ist, einschließlich Reinigungspersonal und Küchenpersonal, sollte geimpft sein. Eine Grundimmunisierung erfolgt in aller Regel mit 2 Impfdosen. Zu Auffrischungen gibt es derzeit keine eindeutigen Empfehlungen. Es ist davon auszugehen, dass die vollständige Impfung mind. 25 Jahre schützt. Pertussis Die Grundimmunisierung erfolgt im Säuglingsalter. Alle Erwachsenen, insbesondere auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen, sollten sich im 10 Jahresturnus nachimpfen lassen. Pertussis wird bei Erwachsenen oft nicht erkannt. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko für die Übertragung auf Personen mit fehlendem Schutz, wie z. B. Säuglinge und Immunsupprimierte. Es gibt einen Kombinationsimpfstoff mit Tetanus und Diphtherie. Postexpositionsprophylaxe erfolgt z. B. mit Makroliden.

Kerwat K, Goedecke M, Wulf H. Krankenhaushygiene – Schutzimpfungen bei medizinischem Personal. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 310–312

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

1

Abb. 1

Kerwat K, Goedecke M, Wulf H. Krankenhaushygiene – Schutzimpfungen bei medizinischem Personal. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 310–312

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Impfkalender (Standardimpfungen) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Bildnachweis: Robert Koch-Institut. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 34 / 2013: 315

Fachwissen: Hygiene

311

Fachwissen: Hygiene

Kernaussagen ▶ Impfungen gehören zu den wirksamsten und wichtigsten präventiven medizinischen Möglichkeiten und sind in aller Regel gut verträglich. ▶ In Deutschland gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen Impfungen, auch nicht für medizinisches Personal. Es existieren lediglich „öffentlich empfohlene“ Impfungen, auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) und die einschlägigen Vorgaben des medizinischen Arbeitsschutzes zur Prävention.

Bildnachweis: © Josef Muellek / iStockphoto

▶ Impfungen schützen nicht nur das geimpfte Personal, sondern auch die Patienten.

Bei Erwachsenen lässt die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, deutlich nach. Ist das medizinische Personal richtig geschützt, bedeutet das aber auch mehr Sicherheit für die Patienten.

Masern, Mumps, Röteln, Varizellen (MMRV) Eine Impfung wird für alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen empfohlen, insbesondere wenn sie in der Pädiatrie, Neonatologie, Geburtshilfe oder Onkologie arbeiten. Prophylaxe bei Masern, Mumps, Röteln und Varizellen erfolgt bei ungeimpften Kontaktpersonen mit einer postexpositionellen Immunisierung innerhalb von 3 Tagen. Dadurch kann verhindert werden, dass die Krankheit ausbricht. Zusätzlich werden bei Abwehrgeschwächten, die Kontakt mit Masern und Varizellen hatten, Immunoglobuline empfohlen. Influenza Alle Mitarbeiter in medizinischen Bereichen sollen zum Selbstschutz und wenn sie Patienten infizieren können, jährlich im Herbst mit dem aktuellen von

der World Health Organization (WHO) empfohlenen Impfstoff immunisiert werden.

Meningokokken Berufliche Impfindikation besteht z. B. für Mitarbeiter der Pädiatrie, der zentralen Notaufnahme u. ä. Eine Postexpositionsprophylaxe mit z. B. Ciprofloxacin soll nur durchgeführt werden, wenn ein sehr enger Kontakt bis zu 7 Tage vor Ausbruch stattgefunden hat. Seit Kurzem ist ein neuer effektiverer Konjugat-Impfstoff gegen die Serogruppen ACWY sowie erstmals ein Konjugat-Impfstoff gegen die Serogruppe B zugelassen. Laborpersonal, das Kontakt mit Neisseriameningitidis-Aerosol haben kann, soll sich impfen lassen [1, 2].

▶ Die Bereitschaft sich impfen zu lassen, ist nicht bei allen Schutzimpfungen gleich stark ausgeprägt. Im medizinischen Bereich wird z. B. die Impfung gegen Hepatitis B gut angenommen. Andere Impfungen, wie z. B. gegen Pertussis oder Influenza, werden als weniger wichtig angesehen.

Literaturverzeichnis 1 Robert Koch-Institut. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert KochInstitut. Epidemiologisches Bulletin 34 / 2013: 313–344 2 Schulz-Stübner S, Hrsg. Repetitorium Krankenhaushygiene und hygienebeauftragter Arzt. Heidelberg: Springer; 2013: 221–227

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0034-1376449

Kerwat K, Goedecke M, Wulf H. Krankenhaushygiene – Schutzimpfungen bei medizinischem Personal. Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 310–312

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

312

[Preventive vaccinations for medical personnel].

Vaccinations are among the most efficient and important preventive medical procedures. Modern vaccines are well tolerated. In Germany there are no lon...
744KB Sizes 2 Downloads 4 Views