Deyhie: Vorsorgeuntersuchung beim IJickdarmkarzinom

Deutsche Medizinische Wochenschrift

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Aktuelle Diagnostik

Redaktion: Prof. Dr. H. Hornbostel, Hamburg Prof. Dr. W. Kaufmann, Köln Prof. Dr. W. Siegenthaler, Zürich

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1226-1228 @ Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Vorsorgeuntersuchung beim Dickdarmkarzinom Das Dickdarmkarzinom ist in zivilisierten Ländern neben dem Hautkrebs der häufigste bösartige Tumor und nimmt noch weiter zu. Neuere Untersuchungen zeigen, daß dies besonders im proximalen Kolon der Fall ist (2). Verglichen mit den anderen Karzinomen des Gastrointestinaitraktes hat es - obwohl meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert und behandelt - eine hohe Fünfjahres-Oberlebensrate (Tabelle 1). Die Fünfjahresgrenze ist beim Dickdarmkarzinom zwar kein absoluter Parameter für die Tumorheilung, zeigt aber, daß, im Gegensatz zu den meisten anderen bösartigen Turno-

P. Deyhle Departement für Innere Medizin der Universität Zürich

ren, auch das fortgeschrittene Stadium noch relativ erfolgreich zu behandeln ist. Bei Früherfassung, wenn der Tumor noch auf die Schleimhaut begrenzt ist, liegt die Fünfjahres-tJberlebensrate zwischen 80% und 90% (8). Tab.

1.

Fünfjahres-Uberlebensrate bei gastrointestinalen Karzinomen

Dickdarmkarzinom

40°/o

Magenkarzinorn

10°/o

Speiseröhrenkarzinom

Deyhie: Vorsorgeunrersuchung beim Dickdarmkarzinom

Es ist gegenwärtig damit zu rechnen, daß etwa 5% der Normalbevölkerung im Laufe ihres Lebens an einem Dickdarmkarzinom erkranken. Bei Risikopatienten liegt die Rate höher (Tabelle 2). Bei der Normalbevölkerung kommt das Dickdarmkarzinom im jugendlichen Alter kaum vor, im frühen Erwachsenenalter ist es selten, nach dem 45. Lebensjahr steigt die Rate jedoch steil an (5). Die krebsgefährdete Altersgruppe über dem 45. Lebensjahr umfaßt in der Bundesrepublik etwa 20 Millionen Menschen, von denen jährlich über 20000 an einem Dickdarmkarzinom erkranken. Tab. 2. Dickdarmkarzinomhäufigkeit bei der Normalbevölkerung und bei Risikopatienten 50/e

Normalbevölkerung Risikopatienten: familiäre Polyposis

-

100°/o

Colitis ulcerosa

50°/o

Zustand nach Dickdarmkarzinom

iSa/o

Zustand nach Ureterosignioidostomie

10°/o

Zustand nach Mammakarzinom

8°/o

Zustand nach Ovarialkarzinom

8°/o

Patienten mit Dickdarmpolypen

-

18°/o

Da Dickdarmkrebse im frühen Stadium keine Symptome verursachen, welche die Betroffenen veranlassen, den Arzt aufzusuchen, kann die Prognose nur verbessert werden, wenn die krebsgefährdete Gruppe vorsorglich regçlmäßig einmal jährlich untersucht wird. An eine Methode, die bei einer großen Probandenzahl als Vorsorgeuntersuchung eingesetzt wird, müssen folgende Forderungen gestellt werden: 1. sichere Befunderfassung, 2. keine wesentliche Belästigung des Probanden, 3. geringe Béanspruchung des medizinischen Personals, 4. niedriger Preis und S. bei indirekten Methoden, die nach positivem Test zusätzliche Untersuchungen zur Sicherung oder zum Ausschluß des Karzinoms erfordern, möglichst wenig falsch-positive Befunde, da sonst der finanzielle Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen steht. Morphologische Methoden, wie Kolonkontrasteinlauf oder Koloskopie, die heute eine sichere Befunderfassung gewährleisten, kommen aus finanziellen und personellen Gründen als Screening einer asymptomatischen Normalbevölkerung nicht in Frage und können nur bei Risikopatienten gezielt eingesetzt werden.

Vorsorge bei der asymptomatischen Normalbevölkerung Zur Erfassung des Dickdarmkarzinoms und der als

Prä-

kanzerosen zu betrachtenden neoplastischen Polypen wurden in der letzten Zeit die digitale rektale Untersuchung, die Rektoskopie und die Bestimmung von okkultem Blut im Stuhl diskutiert.

12.2.7

1. Digitale rektale Untersuchung. Von einigen Autoren wird auch noch heute immer wieder angegeben, daß 60% der asymptomatischen Dickdarmkarzinome bei der digitalen rektalen Untersuchung getastet werden könnten (14). Diese weitverbreitete Meinung, die letztlich dazu geführt hat, daß die digitale rektale Untersuchung in Deutschland in die Dickdarmkrebsvorsorge aufgenommen wurde, ist falsch. Nach O'Donnell und Mitarbeitern (13) können nur 13% der asymptomatischen Dickdarmkarzinome mit dem Finger getastet werden, weit über 80% würden damit bei einer Vorsorgeuntersuchung nicht erfaßt. Die digitale rektale Untersuchung ist deshalb als Vorsorgeuntersuchung zur Früherfassung des Dickdarmkrebses nicht geeignet. Starre Rektosigmoidosko pie. Mit dem starren Rektosigmoidoskop können etwa 60% der Dickdarmkarzinome erfaßt werden. Es wird jedoch praktisch kaum möglich sein, diese Methode als »Screening«-Verfahren einzusetzen. Etliche Faktoren limitieren ihren Einsatz, wie Zeitaufwand, Kosten, Unwille des Probanden zur jährlichen Teilnahme wegen zu großer Belästigung. Wie Gilbert und Mitarbeiter (6) gezeigt haben, wird es darüber hinaus schwer sein, Personal zu finden, das bereit ist, sozusagen am Fließband zu rektoskopieren. Hinzukommt, daß mit einer relativ aufwendigen Methode nur etwas mehr als die Hälfte der Dickdarmkarzinome erfaßt würde. Bestimmung von okkultem Blut im Stuhl. Ein großer Teil der Dickdarmkarzinome und Polypen verliert intermittierend kleine Mengen Blut. Okkultes Blut im Stuhl kann deshalb ein Hinweis auf eiñ Karzinom oder einen präkanzerösen Polypen im unteren lntestinaltrakt

sein.

Jeder positive Test auf okkultes Blut im Stuhl erfordert, um ein Karzinom nachzuweisen oder auszuschließen, eine röntgenologische oder endoskopische Kontrolluntersuchung. Pro 1000 Personen im gefährdeten Alter sind etwa 1-2 Dickdarmkarzinome zu erwarten. Bei 1% falsch-positiven Tests auf Blut im Stuhl würden somit zur Erfassung eines Karzinomes 11-12, bei 2% falschpositiven Tests 21-22 morphologische Dickdarmuntersuchungen anfallen. Die Zahl der falsch-positiven Tests bestimmt deshalb wesentlich die Zahl der weiterführenden Untersuchungen und somit bei dieser Art von Vorsorge entscheidend die Gesamtkosten. Die bisher üblichen Tests zur Bestimmung von okkultern Blut im Stuhl (Benzidin, o-Toluidin) haben zur Durchführung eines Massen-Screening abgesehen davon, daß mit frischem Stuhl gearbeitet werden muß, wozu wohl auf die Dauer kein Laboratoriumspersonal zu gewinnen ist einen entscheidenden Nachteil: Ohne Einhaltung einer strikten Diät ist die Zahl der falschpositiven Tests 30% oder höher. Die daraus resultierenden Nachuntersuchungen können allein schon aus personellen und finanziellen Gründen unmöglich bewältigt werden. Vor einigen Jahren wurde mit dem Haemoccult-Test eine Methode entwickelt, die sich für ein Massen-Screening zur Bestimmung von okkultem Blut im Stuhl eignet (7,9).

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Nr. 33, 13. August 1976, 101. Jg.

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Deyhie: Vorsorgeuntersuchung beim Dickdarmkarzinom

Ein Haemoccult-Testbriefchen enthält ein mit Guajakharz imprägniertes Filterpapier, das von zwei Seiten aus zugänglich ist. Der für das Laboratoriumspersonal unangenehme Teil üblicher Methoden wird dabei vom Patienten durchgeführt, der auf die Vorderseite des Filterpapiers eine kleine Menge Stuhl selbst aufstreicht und das Testbriefchen verschließt. Auf die Rückseite des Filterpapiers wird im Laboratorium eine Entwicklerlösung aufgeträufelt und das Ergebnis nach 30 Sekunden abgelesen. Die Empfindlichkeit des Tests ist so eingestellt, daß Zähneputzen erlaubt und eine strikte Diät nicht notwendig ist, nur >'rotes Fleischu ist verboten. In großen Serienuntersuchungen wurde festgestellt, daß die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen je ein Tcstbriefchen

mit einer Stuhiprobe beschickt wird.

Nach den bisherigen Publikationen sind nur 1-3% falsch-positive Befunde zu erwarten. Falsch-negative Ergebnisse, bei denen also ein vorhandenes Dickdarmkarzinom nicht angezeigt wird, sollen sehr selten sein (7, 9). Eine von uns durchgeführte prospektive, koloskopisch kontrollierte Serie zeigte jedoch, daß 20% der Karziforne und 50% der präkanzerösen Dickdarmpolypen mit dem Test nicht erfaßt werden (4). Trotzdem erfüllt der Haemoccult-Test im Vergleich mit den anderen Methoden (digitale rektale Untersuchung, Rektoskopie) am besten die Forderungen, die an eine Methode zur Vorsorge-Untersuchung des Dickdarmkarzinonss gestellt werden müssen.

Vorsorge bei Risikopatienten Erkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko, daß sich ein Dickdarmkarzinom entwickelt (Tabelle 2) (3). Die familiäre Polyposis entartet nahezu immer. Blutsverwandte von Patienten mit familiärer Polyposis müssen deshalb nach dem 14. Lebensjahr in jährlichen Abständen regelmäßig, am besten endoskopisch, kontrolliert werden, damit die Entwicklung einer Polyposis rechtzeitig erfaßt und die notwendige Kolektomie vor der Entwicklung eines Karzinoms vorgenommen wird. Die Kontrolluntersuchungen müssen bis ins hohe Alter durchgeführt werden, da bei jedem achten Patienten die Polypen erst nach dem 50. Lebensjahr auftreten (1). Bis zu 50% der Patienten mit schwerst ausgeprägter Colitis ulcerosa erkranken an einem Dickdarmkarzinom, wobei die Karzinomrate erst etwa 20 Jahre nach Krankheitsbeginn steil ansteigt (3). 10 bis 15 Jahre nach Krankheitsbeginn sollte deshalb in jährlichen Abständen rektoskopiert und biopsiert werden. Die Rektumbiopsie ist nach neuen Untersuchungen für das gesamte Kolon repräsentativ (Williams, C.: persönliche Mitteilung). Die histologischen Kriterien nach Morson (12) entscheiden dann, ob cine prophylaktische Kolektomie durchgeführt werden muß. Bei bestimmten

Bei 15% der Patienten entwickelt sich nach der Resektion des ersten Dickdarmkarzinoms ein zweites. Eine postoperative röntgenologische oder endoskopische Kontrolle ist daher angezeigt. Bei Ureterosigmoidostomie sowie Zustand nach Mamma- oder Ovarialkarzinom liegt das Dickdarmkrebsrisiko nur unwesentlich über dem der Normalbevölkerung. Wegen der Grundkrankheit ist in diesen Fällen der Wert einer Vorsorge fraglich. Bis zu 18% der neoplastischen Polypen mit einem Durchmesser über 1 cm enthalten karzinomatöses Gewebe (10), und ein großer Teil der Karzinome entsteht aus ihnen (11, 12). Leider verursacht die überwiegende Mehrzahl dieser Polypen keine Symptome, die den Patienten veranlassen, den Arzt aufzusuchen. Da die Polypen vor dem 45. Lebensjahr selten vorkommen und die Rate ähnlich wie beim Karzinom steil ansteigt, besteht die Chance, daß ein Teil von ihnen im Rahmen einer »Haemoccult-Vorsorge« der krebsgefährdeten Altersgruppe miterfaßt wird. Die erkannten Polypen müssen entfernt werden, wobei Methode der Wahl die koloskopische Polypektomie ist. Nur wenn histologisch ein invasives, die Muscularis mucosae überschreitendes Karzinom nachgewiesen wird, muß zusätzlich chirurgisch interveniert werden. Von unseren Kranken mit über 300 Polypen war das, einschließlich der hei der endoskopischen Polypektomic operativ behandlungsbedürftigen Komplikationen, nur in 3% der Fälle notwendig. Liieratur Bussey, H.

als Suchtest nach kolorektalem Krebs 1.

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11

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Prof. Dr. P. Deyhie Departement für Innere Medizin dci Universität CH-8091 Zürich, Rämistr. 100

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[Preventive screening in colonic carcinoma].

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