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SCHWERPUNKT

Hausärztliche Prävention zwischen Evidenz und Narration - Eine Quadratur des Kreises? Prevention in general practice between evidence- and narrative-based medicine: Squaring the circle? Christoph Heintze ∗ Charité, Universitätsmedizin Berlin, Institut für Allgemeinmedizin Eingegangen/submitted 15. Oktober 2013; überarbeitet/revised 28. Februar 2014; akzeptiert/accepted 21. März 2014

SCHLÜSSELWÖRTER Prävention; Tumorscreening; kardiovaskuläre Prävention; Allgemeinmedizin; Narrativ basierte Medizin

KEYWORDS Prevention; tumour screening; cardiovascular prevention; general practice; narrative-based medicine

Zusammenfassung Für die individualisierte Prävention sind Hausärzte häufig erste Ansprechpartner im deutschen Gesundheitssystem. Auch aus Patientensicht besteht ein hoher Bedarf für Angebote zur präventiven Beratung. Für die derzeit in Deutschland etablierten Präventionsmaßnahmen steht jedoch der Beleg eines Nutzes aus. Deutlich wird, dass zukünftig Präventionskonzepte nach evidenzbasierten Kriterien weiter entwickelt werden müssen. Die narrativ basierte Medizin stellt einen vielversprechenden komplementären Ansatz zur Stärkung der individualisierten Prävention in der Primärversorgung dar.

Summary In the German healthcare system, general practitioners (GPs) play an important role with regard to individualised prevention, as they are often the first contact for patients seeking advice. Additionally, there is great need for preventive counselling from the patient’s perspective. However, there is no clear evidence for the effectiveness of the prevention programmes established in Germany. Future prevention models need to be developed according to evidence-based criteria. Narrative-based medicine is seen as a promising complementary approach to strengthen individualised prevention in primary care.

Einleitung ∗

Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Christoph Heintze, MPH, Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, D-10117 Berlin. Tel.: 030/450-514226; FAX.: 030/450-514092. E-Mail: [email protected]

Seit vielen Jahren wird in Deutschland eine gesundheitspolitische Debatte geführt, welche zukünftigen Präventionsstrategien nun die sinnvollsten sind. Die jeweiligen Argumente spiegeln ganz unterschiedliche Sichtweisen wieder, die sich

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.03.016 1865-9217/

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um gemeindebezogene und individualisierte Präventionsprogramme bewegen. Innerhalb der individualisierten und arztbezogenen Präventionsangebote ist die Debatte ebenfalls heterogen. Die spezialisierten Disziplinen favorisieren erwartungsgemäß Präventionsangebote, die in den jeweiligen Kontext ihres Fachgebiets zielen. Hausärzte wiederum sehen sich als Ansprechpartner unterschiedlichster Gesundheitsanliegen. Häufig kennen sie ihre Patienten generationsübergreifend über längere Zeiträume. Als Begleiter über viele Jahre und durch die Kenntnis der individuellen sozialen Lage können Hausärzte Verhaltens- und Einstellungsänderung ihrer Patienten situationsgebunden anstoßen. Mit einem Patienten, der mit Husten in die hausärztliche Sprechstunde kommt, kann zum Beispiel eine begleitende Raucheranamnese erhoben und die Möglichkeit einer Tabakentwöhnung erörtert werden. Es ist auch bekannt, dass adipöse Patienten ihren Hausarzt als wichtigen Berater in Ernährungsfragen sehen [1]. Aus der Sicht der hausärztlichen Versorgung bleibt Prävention schwer abgrenzbar. Abholz spricht von einer ,,spezifisch hausärztlichen Prävention‘‘, die insbesondere von der langfristigen Betreuung und dem gewachsenen Vertrauensverhältnis geprägt wird [2]. Hier sind die Ebenen der Prävention fließend und hängen von dem individuellen Beratungsbedürfnis ab. Zusätzlich existieren neben definierten und standardisierten Angeboten der gesetzlichen Krankenversicherung Angebote, die von den betreuenden Hausärzten initiiert werden, die zum Beispiel Remindersysteme für Impfungen betreffen. Diese Dimension der hausärztlichen Betreuung, ist bisher allerdings kaum erforscht [3] und kommt auch in der gesundheitspolitischen Debatte zu kurz. Zu berücksichtigen ist, dass diese schwer zu fassende hausärztliche Begleitung nur schwer gemessen oder bezüglich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden kann. De facto wird die hausärztliche Prävention gesundheitspolitisch häufig auf den Bereich der Früherkennung (Screening) reduziert. Kriterien für den Nutzenbeleg von Screeninguntersuchungen wurden von Wilson und Jungner bereits im Jahr 1968 postuliert, die bis heute Gültigkeit besitzen: Gefordert wird, dass für entsprechende Maßnahmen der Nutzen belegt und größer als ein möglicher Schaden sein soll, dass Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu etablieren sind und dass den potentiellen Teilnehmern eine informierte Entscheidung ermöglicht wird [4]. Die derzeit im deutschen System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) etablierten und für Hausärzte anzuwendenden Vorsorgeleistungen im Bereich der kardiovaskulären Prävention sind aber unzureichend auf diese Kriterien untersucht. So wurde in den letzten 20 Jahren versäumt, die vom Gesetzgeber nach § 25 SGB V etablierte Gesundheitsuntersuchung systematisch zu evaluieren und auf den Prüfstand zu stellen. Screeninguntersuchungen werden sowohl von Hausärzten und Patienten geschätzt. Viele gesundheitsbewusste Patienten sorgen sich um ihre Gesundheit und möchten präventive Leistungen nutzen. Entsprechend hat sich ein wachsender Gesundheitsmarkt jenseits der geforderten Qualitätssicherung im ambulanten Markt der präventiven Möglichkeiten entwickelt [5]. Hausärzte spielen auf dem Markt an individuellen Gesundheitsleistungen (IGEL) eine untergeordnete

Rolle, müssen aber zunehmend Patienten beraten, die nach Orientierung und Klärung auf dem Markt der Möglichkeiten suchen. Zu berücksichtigen ist, dass die ärztlichen Präventionsangebote für Herz-Kreislauferkrankungen nur sehr eingeschränkt jene Zielgruppen erreichen, die sie eigentlich erreichen sollen [6]. Der Einfluss von Bildung und dem sozioökonomischen Status der Versicherten auf die Nutzung solcher präventiven Angebote ist zwar bekannt, ohne das bisher zielgruppenorientierte Programme exisiteren. Die Notwendigkeit der Anpassung an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen darf bei der Etablierung neuer Präventionsmaßnahmen nicht unterschätz werden. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich hausärztliche Präventionsbemühungen in einem Spannungsfeld zwischen der Forderung nach bestmöglicher Evidenz und subjektiven Patientenanliegen bewegen. Einerseits wird der Bedarf zur Weiterentwicklung evidenzbasierter Präventionskonzepte hoch eingeschätzt. Andererseits wird die narrativ basierte Medizin als zukunftsweisende Möglichkeit für Hausärzte beschrieben, Patientenanliegen besser erfassen und für präventive Ansätze nutzen zu können.

Kardiovaskuläre Prävention in der Hausarztpraxis Bekannt ist, dass allgemeine regelmäßige Gesundheitschecks (,,general health checks‘‘) zumindest bezogen auf harte Endpunkte wenig bringen: Eine kürzlich publizierte Übersicht stellt heraus, dass weder die Morbidität noch die Mortalität kardiovaskulärer Erkrankungen und/oder Tumorerkrankungen durch diese unspezifisch ausgerichteten Programme reduziert werden [7]. In Deutschland stellt die Gesundheitsuntersuchung (GU) zur Früherkennung von Diabetes mellitus, Herz-Kreislaufund Nierenerkrankungen ein etabliertes Präventionsprogramm dar, das gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr seit 1989 in Anspruch nehmen können [8]. Mit dem Ziel, dieses Präventionsinstrument weiterzuentwickeln, fand im Dezember 2011 ein Expertentreffen statt, bei dem Vertreter des GKV Spitzenverbands, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KB-V), dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), dem Ärztlichen Zentrum für Qualitätssicherung (ÄZQ), der Bundesärztekammer und Vertreter aus der Forschung teilnahmen. Trotz der großen Übereinstimmung der Experten über die Notwendigkeit einer Überarbeitung der bestehenden GU wurden unterschiedliche Ausrichtungen für die Weiterentwicklung dieses Präventionsinstrument favorisiert, sodass die Erwartungen eher einer Quadratur des Kreises nahe kamen. Die ausschließliche Ausrichtung nach Kriterien der Evidenzbasierung kontrastiert mit dem hohen Beratungs- und Orientierungsbedarf aus Patientensicht [9]. Dennoch haben sich in England und auch Kanada die periodische Gesundheitsuntersuchung, wenn auch mit unterschiedlicher Ausrichtung, in den letzten Jahren neu etabliert. Zu vermuten ist, dass hier der hohe Beratungsund Orientierungsbedarf von Patienten gesehen wird. Diese Länder, die mit Deutschland vergleichbar sind, richten ihren

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Hausärztliche Prävention zwischen Evidenz und Narration - Eine Quadratur des Kreises? Fokus auf die ärztliche Primär- und Sekundärprävention [10]. Analysen über das derzeitige Beratungsgeschehen in der GU zeigen, dass in Deutschland, [11] aber auch in Großbritannien [12] die Umsetzung sehr heterogen erfolgt. Deutlich wird, wie stark die Durchführung durch die individuellen Präferenzen der beteiligten Ärzte und Patienten beeinflusst wird. Diese Präferenzen scheinen sich einem starren und durchstrukturierten Screeningkonzept zur Prävention eher entziehen zu wollen, wie die Ergebnisse aus beiden Ländern nahe legen. Entsprechend stellt es eine Herausforderung dar, die jeweilige Inanspruchnahme oder auch Erbringungsqualität messen und bewerten zu wollen. Zu diskutieren ist, ob eine stärkere Formalisierung und Strukturierung hier unterstützend wirken kann, soweit sie individuelle Patientenpräferenzen berücksichtigt. Die Integration von Visualisierungs- und Beratungshilfen in die Beratungssituation, wie sie z.B. arriba [13] bietet, kann als konstruktive Unterstützung für einen solchen Beratungsprozess gesehen werden. Hilfreich können aber auch Ansätze sein, die hausärztliche Beratung durch die Bereitstellung von ,,Werkzeugkästen‘‘ unterstützt, die nach individuellem Bedarf und Präferenz in die hausärztlichen Konsultationen integriert werden können. Ein ,,Werkzeugkasten‘‘, wie ihn das Bremer Modell der Gesundheitsuntersuchung vorsieht, stellt hier eine vielversprechende Möglichkeit dar, da er die ärztliche Beratung mit einer Sammlung von Materialien unterstützt, die sowohl spezifische lokale Angebote (z.B.: Adressen und Ansprechpartner) als auch übergreifende Angebote (diagnostische Hilfsmittel, Leitlinien) beinhalten. Zusätzlich werden Hintergrundmaterialien hinterlegt, die sich auf die zugrundeliegende Evidenz beziehen [14]. Menschen, die an den positiven Wert einer regelmäßigen Gesundheitsuntersuchung glauben, werden erwartungsgemäß vermehrt präventive Leistungen von Ärzten angeboten [15]. Andererseits werden gerade jene Patientengruppen schlecht von solchen Gesundheitsprogrammen erreicht, die aufgrund des Risikoprofils am meisten von der Teilnahme profitieren könnten [16]. Obwohl diese Zielgruppen grundsätzlich durch Hausärzte erreicht und angesprochen werden können, fehlen Ansätze, diese Menschen situationsangemessen zu erreichen. Ein strukturiertes aber ergebnisoffenes Gesprächsangebot unabhängig vom Beratungsanlass erscheint hier hilfreich, um individuell präventive Themen vertiefen zu können. Qualifikationserweiterung und Einbezug der Medizinischen Fachangestellten (MFA) in die hausärztliche Präventionsberatung, zur Verbesserung des Patientenumgangs mit kardiovaskulären Risiken und Reduktion des kardiovaskulären Risikoprofils In diesem Kontext kann auch die Integration der Medizinischen Fachangestellten (MFA) in die hausärztliche Präventionsberatung hilfreich sein [17] Die Stärkung und Verbindung mit wohnortnahen und Hausarzt-vernetzenden Angeboten stellt eine weitere Möglichkeit dar, gemeindebezogene und individualisierte Präventionsprogramme zu verbinden [18]. Aufgrund der Fragmentierung der Gesundheitsversorgung und dem vielstimmigen Konzert der Akteure im Kontext der Prävention sind diese Forderungen allerdings eher visionär.

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Narrativ basierte Medizin und hausärztliche Prävention Das Potential der narrativen Medizin zur Gestaltung ärztlicher Prävention liegt in der gemeinsamen Erfassung des Erfahrungsgeschehens von Patienten, um subjektive Krankheits- und Gesundheitsvorstellungen und die konkrete Einbettung in die jeweilige Lebenswelt erfassen und verstehen zu können. Dieser individuelle Konstruktionsprozess kann sowohl Entscheidungsprozesse über die Sinnhaftigkeit von Tumorscreening-Maßnahmen unterstützen als auch Impulse für die Lebensstilberatung geben, die bei der Prävention kardiovaskulärer Risiken im Vordergrund der ärztlichen Beratung steht. Die narrativ basierte Medizin ist allerdings kein homogenes Konzept sondern eine kommunikationsorientierte und bewusst interpretative Methode im Umgang mit Patienten [19]. Es versteht sich als komplementäres Konzept zur evidenzbasierten Medizin [20], in dem die klinische Einordnung und Beurteilung medizinischer Sachverhalte mit den individuellen Patientenpräferenzen, der jeweiligen Kontextsituationen und auch der intuitiven Einschätzung des Arztes aufgrund der Erzählung des Patienten in Einklang gebracht werden müssen. Gerade die Bedeutung der intuitiven Einschätzung von Ärzten wird in den letzten Jahren zunehmend untersucht und als hilfreich für ärztliche Entscheidungsprozesse beschrieben [21]. Die Relevanz dieses Konzepts der sprechenden Medizin wird durch Sacket und Kollegen verdeutlicht, die 1996 explizit die Notwendigkeit der Integration evidenzbasierter Medizin in die ärztliche Entscheidungsfindung beschreiben [22]:

,,Die Praxis der evidenzbasierten Medizin bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestmöglichen externen Evidenz aus systematischer Forschung [. . .]. Mit individueller Expertise meinen wir das Können und die Urteilskraft, die Ärzte durch ihre Erfahrung und klinische Praxis erwerben.‘‘ Das individuelle Narrativ des Gesundheits- und Krankheitserlebens des Patienten und die professionelle Interpretation der Geschichte durch den Arzt/die Ärztin sind wichtig, um konkrete Beratung- und Entscheidungsprozesse im Kontext des Tumorscreenings oder der Lebensstilberatung entwickeln zu können. Gesprächsbasierte Ansätze werden bereits in einzelnen Interventionsstudien untersucht. So analysieren Altiner und Kollegen, ob nach ärztlichen Schulungen im Sinne eines narrativ basierten Arzt-Patientendialoges die Polypharmakotherapie von älteren Patienten überdacht und reduziert werden kann. Postuliert wird, dass diese Form der patientenzentrierten Kommunikation auch das Wissen der Ärzte bezüglich der patientenseitig eingenommenen Medikamente unterstützt [23]. Larkey und Kollegen untersuchten, inwieweit narrative Interventionsansätze (,,story telling‘‘) von Ärzten präventiv genutzt werden können, um einzelne Zielgruppen (Latinos in den USA) besser erreichen zu können. Dabei stand die Beratung in Lebensstilfragen zur Prävention kolorektaler Tumore im Fokus der Intervention. Sie beschreiben, dass die subjektive Bereitschaft der Beratenden steigt,

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Ernährungsgewohnheiten zu verändern oder sich vermehrt körperlich zu betätigen. Die Autoren schlussfolgern, dass durch diese narrativ ausgerichtete Intervention diese Zielgruppen besser zu erreichen waren als durch klassische öffentliche Präventionsprogramme [24]. Trotz kleiner Fallzahl und der fraglichen Übertragbarkeit auf den deutschen Kontext verdeutlicht die Studie die Innovation, die narrationsbezogene Ansätze für die Prävention haben können.

[27], wobei bestehende Abrechnungsstrukturen verändert werden müssten. Zu berücksichtigen ist, dass jegliche Präventionsansätze auch in einem Spannungsfeld von öffentlichem Gesundheitsinteresse und der Eigenverantwortung des Patienten steht, mit dem auch Hausärzte in der Langzeitbetreuung konfrontiert sein können [28]. Dummy zum Interessenkonflikt

Ausblick

Literatur

Deutlich wird, dass insbesondere im Bereich der kardiovaskulären Prävention die bestehenden, im SGB V festgelegten Instrumente weiterentwickelt werden müssen. Offenbar steigt durch die Vielfalt angebotener Präventionsmaßnahmen der Informationsbedarf von Patienten. Ärztliche Aufgabe bleibt, Nutzen präventiver Maßnahmen von möglichen Schäden zu unterscheiden und diesen Abwägungsprozess gemeinsam mit dem Patienten zu eruieren. Zu fordern ist, dass bei der Auswahl zukünftiger präventiver Maßnahmen der Nutzen wissenschaftlich nachgewiesen und relativ zum möglichen Schaden bewertet werden sollte. Die hausärztliche Beratung schließlich kann einen wichtigen Beitrag leisten, zwischen der Individualität des Patienten und den Prinzipien eines Programms zu vermitteln. Damit wird die Notwendigkeit deutlich, pragmatische Abwägungsprozesse in den Mittelpunkt der ärztlichen Beratung zu stellen, die auch berücksichtigt, dass große Unterschiede über die Evidenz einzelner präventiver Maßnahmen bestehen. Insbesondere die Bewertung und Abwägung einzelner Tumorscreening-Maßnahmen sind hier zu nennen. Sicherlich besteht Optimierungsbedarf für die Beratungskompetenz der Ärzte in der Beschreibung von Risiken [25] und für die Unterstützung des jeweiligen Beratungsprozesses durch Handreichungen [14] oder Visualisierungen [13]. Voraussetzung dafür bleiben aber auch Freiräume in der ärztlichen Sprechstundengestaltung, die von der Selbstverwaltung und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bei der Konzeption zukünftiger präventiver Maßnahmen berücksichtigt werden sollten. Gleichzeitig gilt es Forschungsansätze zu etablieren, die den Nutzen solcher Programme fortlaufend evaluieren und dabei neben der Auswirkung der Patientenbeteiligung auch das Auslösen von Folgeuntersuchungen und -maßnahmen berücksichtigen. Zusätzlich sind Forschungsansätze zu stärken, die narrativ bezogene Interventionen im Kontext präventiver Aktivitäten untersuchen. Diese Ansätze sind aus hausärztlicher Sicht interessant, da sie die Patienten-Arzt-Beziehung, die erlebte Anamnese und die biographische Kenntnis in den Mittelpunkt stellen, die im Selbstverständnis der Allgemeinmedizin so eine große Bedeutung hat. Gerade für schwer zu erreichende Zielgruppen erscheint dieser Ansatz hilfreich. Die Integration weiterer Gesundheitsfachberufe in ärztliche Präventionsbemühungen sollte ebenfalls gestärkt werden und stellt keinen Gegensatz zu der beschriebenen patientenzentrierten Prävention dar, die mit der narrativen Medizin verbunden ist. Dieser Ansatz stellt aufgrund der knappen Zeit und der Arbeitsverdichtung vieler Ärzte [26] eine gute Ergänzungsmöglichkeit dar. Die grundsätzliche Bereitschaft von Seiten der Patienten ist beschrieben

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