Leitthema Chirurg 2014 · 85:299–303 DOI 10.1007/s00104-013-2619-4 Online publiziert: 9. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

E. Kruse · L. Leifeld Medizinische Klinik III, St. Bernward Krankenhaus Hildesheim

Prophylaxe und konservative Therapie der Divertikelkrankheit

Divertikulose und die Divertikelkrankheit sind ein häufiges Problem im klinischen Alltag. Divertikel nehmen im Alter zu. Ein Drittel der Patienten mit Divertikeln entwickeln im Verlauf Beschwerden und damit eine Divertikelkrankheit. Bisher wurden Patienten auch mit unkomplizierter Divertikelkrankheit/Divertikulitis häufig mit Antibiotika behandelt. Die Evidenz für dieses Vorgehen ist aber gering, im Gegenteil liegen Daten vor, die keinen Vorteil der Antibiotikatherapie bei unkomplizierter Divertikulitis zeigen. Ein Problem hierbei ist sicherlich eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Einteilung und damit eine nur bedingte Vergleichbarkeit der Daten. Wir werden uns daher nach der von der ersten deutschen Leitlinie propagierten neuen „Classification of diverticular disease“ (CDD) richten und die in vielen Studien verwandten Einteilungen nach Hansen und Stock [13] sowie nach Hinchey [9] nur zur Erläuterung von Studien nutzen, die diese angewandt haben. Zunächst soll die Datenlage für die The­ rapie mit Antibiotika, mit Mesalazin, mit Probiotika und Ballaststoffen dargestellt werden. Dann wird auf eine stadienge­ rechte Therapie eingegangen, soweit die­ se aktuell evidenzbasiert ableitbar ist.

Therapie der Divertikulitis Antibiotika Aufgrund der Vorstellung, dass es sich bei der Divertikulitis um eine bakterielle Ent­ zündung der Darmwand durch die Ob­ struktion eines Divertikels handelt [17], wurde von verschiedenen Leitlinien [16, 26] lange Zeit die Therapie mit Antibioti­ ka empfohlen. Die Evidenz für diese Emp­ fehlung ist aber gering [8]. Daten aus Schweden legen nahe, dass eine milde Form der Divertikulitis auch mit Flüssigkeitsgabe allein einen güns­ tigen Verlauf nimmt. Eine retrospektive Beobachtungsstudie [14] verglich 118 Pa­ tienten mit einer Antibiotikatherapie (Ce­ phalosporine und Metronidazol i. v.) mit 193 Patienten mit konservativer Therapie ohne Antibiotikagabe. Die Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie wurde vom behandelnden Arzt nach kli­ nischer Symptomatik, Fieber, Labor und computertomographischem (CT-)Befund getroffen. Patienten mit einer Antibioti­ katherapie hatten signifikant höhere Ent­ zündungsparameter (C-reaktives Prote­ in [CRP] und Leukozyten). Das Outcome war in beiden Gruppen vergleichbar. Als ein Therapieversagen wurde die Notwen­ digkeit einer Operation oder die Gabe von Antibiotika bei zuvor nicht mit Antibioti­ ka behandelten Patienten gewertet. Insge­ samt 3% der initial mit Antibiotika behan­ delten Patienten mussten operiert werden. Bei einem kleinen Anteil von 7 Patienten

(4%), die zuvor nicht mit Antibiotika be­ handelt worden waren, wurde bei einer Verschlechterung der klinischen Sympto­ matik eine Antibiotikatherapie etabliert, mit dann gutem Outcome. Kein Patient in dieser Gruppe musste aufgrund einer Ver­ schlechterung operiert werden. Patienten mit einer Antibiotikatherapie waren län­ ger hospitalisiert (im Durchschnitt 5 Tage verglichen mit 3 Tagen ohne Antibiotika­ therapie). Rezidive wurden durch die An­ tibiotikatherapie nicht verhindert. Im Fol­ low-up von im Durchschnitt 30 Monaten kam es bei 29% in der Antibiotikagrup­ pe zu erneuten Ereignissen wie einem er­ neuten Schub einer Divertikulitis oder ei­ ner Operationsindikation, verglichen mit 28% in der Gruppe, die nicht antibiotisch behandelt wurden.

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Eine prospektive Analyse zeigte keinen Vorteil der Antibiotikagabe Dieselbe Arbeitsgruppe führte eine multi­ zentrische prospektive Studie an 623 Pati­ enten durch. Eingeschlossen wurden Pati­ enten mit im CT gesicherter milder links­ seitiger Divertikulitis. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen eines Abszesses, ei­ ner Fistel oder freier Luft im CT, hohes Fieber, Sepsis oder Peritonitis sowie ei­ ne immunsuppressive Therapie. In die­ ser Arbeit wurden 314 Patienten mit An­ tibiotikatherapie gegen 309 Patienten oh­ ne Antibiotikatherapie randomisiert. Die Der Chirurg 4 · 2014 

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Leitthema Gruppen unterschieden sich in der Rate vorangegangener Divertikulitiden mit ei­ ner höheren Rate von 44,8% in der nicht mit Antibiotika behandelten Gruppe ver­ glichen mit 35,6% in der Gruppe mit ei­ ner Antibiotikatherapie. In dieser pros­ pektiven Analyse ergab sich kein Vorteil der Antibiotikagabe: Es fand sich kein si­ gnifikanter Unterschied in der Dauer der Krankenhausbehandlung, der Perforati­ onsrate oder der Notwendigkeit der er­ neuten stationären Behandlung. 3 Pati­ enten in der Gruppe ohne Antibiotika­ therapie entwickelten einen Abszess, ver­ glichen mit keinem Patienten mit Antibi­ otikatherapie (nicht signifikant, p=0,8). Innerhalb eines Jahres kamen in beiden Gruppen bei 16% Rezidive vor [4]. Daten aus einer niederländischen Fall­ kontrollstudie mit 191 Patienten ohne An­ tibiotikabehandlung bei leichten Stadien der Divertikulitis (Hinchey 1a oder milde Divertikulitis nach den Ambrosetti-Krite­ rien im CT) wurden mit 81 Patienten mit Antibiotikatherapie verglichen. Die Er­ gebnisse waren in beiden Gruppen ver­ gleichbar [7].

Rifaximin

Rifaximin ist ein schwer resorbierbares Antibiotikum, es wird selbst bei entzün­ deter Kolonschleimhaut nur zu unter 1% absorbiert. Rifaximin ist in Deutschland zur Therapie von Reisediarrhöen und zur Therapie der hepatischen Enzephalopa­ thie zugelassen. Es wirkt gegen gramposi­ tive und gramnegative Bakterien. In einer Metaanalyse wurden die Da­ ten von 4 Studien zusammengefasst, die Rifaximin zur Prophylaxe der Divertiku­ litis untersuchten. Insgesamt wurden in die Metaanalyse die Daten von 1660 Pa­ tienten eingeschlossen. Die Diagnose Di­ vertikelkrankheit war entweder über ei­ nen Kolonkontrasteinlauf und oder eine Koloskopie gestellt worden. Eingeschlos­ sen wurden kontrollierte Studien, die Bal­ laststoffe allein mit der Kombination von Ballaststoffen mit Rifaximin 400 mg 2mal täglich über 7 Tage monatlich über 12 Monate verglichen. Die am häufigsten ge­ klagten Beschwerden waren Unterbauch­ schmerzen. Diese waren unter Rifaximin nach einem Jahr nur noch bei 34,9% vor­ handen verglichen mit 64,0% in der Kon­ trollgruppe. Hieraus errechnete sich eine

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„number needed to treat“ (NNT) von 3. Deutlich schlechter waren die Zahlen in Bezug auf das Vermeiden einer Diverti­ kulitis. Eine Divertikulitis trat bei 20 vom 690 Patienten in der Kontrollgruppe, ver­ gleichen mit 10 von 970 Patienten unter Rifaximin auf. Hieraus errechneten die Autoren eine NNT von 59 [1]. Sehr problematisch ist bei dieser Me­ taanalyse die methodische Schwäche der eingeschlossenen Studien. Nur eine der eingeschlossenen Studien war placebo­ kontrolliert, ein Teil der Komplikationen ging auf Divertikelblutungen zurück. Auch erhielten alle Patienten zusätzlich Ballaststoffe, sodass zusammenfassend die Datenlage unzureichend ist. Die Au­ toren der Metaanalyse kommen selber zu dem Schluss, dass die Symptomkontrol­ le mit Rifaximin wohl möglich sei, aber wohl nicht die Vermeidung einer Diver­ tikulitis.

Aminosalizylate (Mesalazin) Histologisch hat die Divertikulitis ge­ wisse Ähnlichkeiten mit chronisch ent­ zündlichen Darmerkrankungen (CED; [10, 12]). Beiden ist eine häufig chronisch rezidivierende Entzündung gemein, die (auch) die Kolonmukosa betrifft. In ei­ ner italienischen Arbeit wurden systema­ tisch bioptische Proben von 30 Patienten mit Divertikulose entnommen. 10 Pati­ enten waren asymptomatisch, 10 hatten eine symptomatische Divertikulose und 10 eine akute unkomplizierte Divertikuli­ tis. Patienten mit einer Divertikulose hat­ ten im Vergleich zu gesunden Kontrollen mehr Lymphozyten in der Mukosa. Die Anzahl an Lymphozyten nahm mit dem Ausmaß der Beschwerden zu (mediane Lymphzytendichte bei Gesunden 4, bei asymptomatischer Divertikulose 6,5, bei symptomatischer Divertikulose 7, akute milde Divertikulitis 11; [28]). D Aminosalizylate wirken

suppressiv auf verschiedene inflammatorische Signalketten. Zytokine und Second Messenger wie Interleukin (IL-)1, Tumornekrosefak­ tor (TNF-)α, nukleärer Faktor (NF-)κB, Leukotriene, Prostaglandine und freie Ra­ dikale werden gehemmt. Zudem wird die

Funktion von B- und T-Lymphozyten be­ einflusst. Die Wirksamkeit von Aminosalizyl­a­ ten bei der Divertikulitis wurde in meh­ reren Arbeiten analysiert. In einer deutschen multizentrischen Studie wurde die Wirksamkeit von Mesa­ lazin bei unkomplizierter Divertikel­ krankheit untersucht. Insgesamt 117 Pa­ tienten mit rechtsseitigen Unterbauch­ schmerzen mit Nachweis von mindes­ tens 4 Divertikeln im Kolon ohne Fieber oder Hinweis auf Komplikationen (Blu­ tung, Fistel, Abszess, Stenose oder Perito­ nitis) oder auf eine bekannte CED wurden randomisiert. Die Patienten erhielten ent­ weder 3-mal 1000 mg Mesalazin-Granulat (56 Patienten) oder Placebo (61 Patienten). Patienten in der Mesalazin-Gruppe hatten signifikant weniger Schmerzen als in der Placebogruppe. Allerdings war dieser Un­ terschied nur in der „Per-protocol“-Aus­ wertung und nicht in der „Intend-to-tre­ at“-Auswertung nachweisbar [18]. In der amerikanischen multizen­ trischen DIVA-Studie wurde Mesalazin alleine oder in Kombination mit Probi­ otika über 12 Wochen untersucht. Insge­ samt 117 Patienten mit im CT-gesicherter akuter Divertikulitis wurden in 3 Grup­ pen randomisiert: Placebo (41 Patienten), Mesalazin 2,4 g/Tag (40 Patienten) oder Mesalazin 2,4 g/Tag kombiniert mit Bifidobacterium infantis 35624 (36 Patienten). Die Patienten erhielten zunächst eine Standardtherapie mit Antibiotika. Mesa­ lazin oder Placebo wurde bereits initial additiv appliziert. Nach Ende der Antibi­ otikatherapie erfolgte die Gabe von Pro­ biotika bei der Hälfte der mit Mesalazin behandelten Patienten. Hier zeigte sich im Follow-up nach einem Jahr ein Unter­ schied im Symp­tomscore mit einem häu­ figeren Ansprechen unter Mesalazin. Pro­ biotika zeigten keinen zusätzlichen Effekt. Die Rezidivrate war in allen 3 Gruppen gering und vergleichbar [25]. In einer Studie aus Italien wurde die intermittierende Gabe von Mesalazin im Vergleich zu Placebo zur Prophyla­ xe eines erneuten Schubs einer Diverti­ kulitis untersucht. 92 Patienten mit einer akuten unkomplizierten Divertikulitis, die bis zu 5 Jahre zurücklag, erhielten entwe­ der Mesalazin 800 mg 2-mal Tag (45 Pa­ tienten) oder Placebo (47 Patienten). Un­

Zusammenfassung · Abstract tersucht wurde die Rezidivrate nach 12 und 24 Monaten. Nach 12 Monaten zeigte sich noch kein Unterschied (5/45 [11%] vs. 6/47 [13%]) im Vergleich zu 24 Monaten mit 13% (6/45) in der Mesalazin-Grup­ pe und 28% (13/47) in der Placebogrup­ pe [21]. Eine weitere italienische Studie un­ tersuchte den Einfluss von Mesalazin im Vergleich zu Rifaximin auf die Rezidiv­ rate bei Divertikulitis. Nach überstande­ ner akuter unkomplizierter Divertikulitis wurden 130 Patienten entweder mit Mesa­ lazin 1,6 g/Tag (59 Patienten) oder Rifaxi­ min 800 mg/Tag über 7 Tage/Monat (52 Patienten) behandelt. Die Patienten wur­ den klinisch wie endoskopisch nach 6, 12 und 24 Monaten nachuntersucht. Unter Mesalazin fand sich eine geringere Rezi­ divrate und eine Besserung des endosko­ pisch/histologischen Befundes im Ver­ gleich zu Rifaximin [30]. Zwei Studien (PREVENT I und PRE­ VENT II), die doppelblind und placebo­ kontrolliert den Effekt von Mesalazin bei großen Patientenkollektiven untersuchen sollten, wurden bei enttäuschenden Vor­ auswertungen abgebrochen [2].

Probiotika Eine verlangsamte Transitzeit kann durch die Stase des Stuhles die Bakterienflora beeinflussen. Hierdurch kann eine ent­ zündliche Reaktion getriggert werden. Zudem kann ein geringer Ballaststoffge­ halt der Nahrung zu einer Veränderung der Darmflora führen. Insbesondere die Anzahl der Anaerobier wird durch einen geringen Anteil an Ballaststoffen gestei­ gert [27]. Daher wurde in mehreren über­ wiegend kleinen Studien die Wirkung von Probiotika zur Prophylaxe einer Diverti­ kulitis untersucht. Eine kleine offene Studie ging der Fra­ ge nach, ob Escherischia coli Nissle die Symptome und die Rezidivrate bei ei­ ner unkomplizierten Divertikulitis beein­ flusst. 15 Patienten zeigten unter Probio­ tikazusatz ein längeres rezidivfreies In­ tervall (2,4 Monate) als ohne diesen Zu­ satz [11]. Der Effekt von Lactobacillus casei wur­ de als Zusatz zur Therapie mit Mesalazin in einer italienischen Arbeit untersucht. In diese multizentrische Arbeit wurden 90

Patienten, die mit Rifaximin 800 mg/Tag und Mesalazin 2,4 g/Tag bei einer akuten unkomplizierten Divertikulitis behandelt worden waren, eingeschlossen. Sie erhiel­ ten entweder Mesalazin oder Lactobacillus casei oder beide Substanzen. Das Followup betrug 12 Wochen. 85 Patienten konn­ ten ausgewertet werden. 75 Patienten wa­ ren am Ende der Beobachtungsphase ohne Symptome (23/27 in der Mesalazingrup­ pe, 23/29 in der Lactobacillus-casei-Grup­ pe und 29/29 in der Gruppe, die beides er­ hielt). Die Autoren folgerten, dass die ge­ testeten Substanzen alle einen Effekt auf das Vermeiden eines Rezidivs sowie auf die Symptomkontrolle haben [29]. An­ zumerken ist, dass die Studie doch sehr klein und mit einem sehr kurzen Followup nicht sehr aussagekräftig ist.

Prävention durch Ballaststoffe und Ernährung Lange Zeit wurde die Divertikulose als ei­ ne Erkrankung durch fehlende Ballaststof­ fe angesehen. Insbesondere die Beobach­ tung, dass die Divertikulitis eine Erkran­ kung der westlichen Welt ist und fast nicht in Afrika vorkommt, hat Anlass zu dieser Hypothese gegeben. Über die fehlenden Ballaststoffe komme es zu einer Obstipa­ tion, die wiederum zu Hochdruckzonen im Darm führe. Hierdurch werde die Ent­ stehung von Divertikeln begünstigt [20]. Neuere Daten legen nahe, dass es frag­ lich ist, ob einer Divertikulitis durch Bal­ laststoffe vorzubeugen ist. Kürzlich wurde eine englische Quer­ schnittstudie an 2014 Patienten publiziert. Die Patienten waren aus verschiedenen Gründen koloskopiert worden. 878 Pa­ tienten hatten Divertikel, 1226 Patienten hatten keine. Die Patienten waren zwi­ schen 30 und 80 Jahren alt. Retrospektiv waren die Ernährungsgewohnheiten für das Jahr vor der Koloskopie erfasst wor­ den. Die Prävalenz der Divertikel stieg mit dem Alter. Ein hoher Anteil an Ballaststof­ fen in der Nahrung war nicht mit einer re­ duzierten Prävalenz verbunden. Obstipa­ tion war kein Risikofaktor [22]. In einer weiteren großen Studie aus England und Schottland konnte hin­ gegen ein reduziertes Risiko bei Vegeta­ riern gefunden werden, aufgrund einer Divertikulitis in ein Krankenhaus einge­

Chirurg 2014 · 85:299–303 DOI 10.1007/s00104-013-2619-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 E. Kruse · L. Leifeld

Prophylaxe und konservative Therapie der Divertikelkrankheit Zusammenfassung Divertikulose und Divertikelkrankheit sind ein häufiges Problem im klinischen Alltag. Ein Drittel der Patienten mit Divertikeln entwickeln im Verlauf Beschwerden. Bisher wurden Patienten auch mit unkomplizierter Divertikelkrankheit/Divertikulitis häufig mit Antibiotika behandelt. Die Evidenz für dieses Vorgehen ist aber gering, im Gegenteil liegen Daten vor, die keinen Vorteil der Antibiotikatherapie bei unkomplizierter Divertikulitis zeigen. Ein Problem hierbei ist sicherlich eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Einteilung und damit eine nur bedingte Vergleichbarkeit der Daten. Rationale und Datenlage für die Therapie mit Antibiotika, mit Mesalazin, mit Probiotika und Ballaststoffen werden dargestellt und auf eine stadiengerechte Therapie eingegangen, soweit diese aktuell evidenzbasiert ableitbar ist. Schlüsselwörter Divertikelkrankheit · Divertikulitis · Antibiotika · Mesalazin · Ballaststoffe

Prevention and conservative therapy of diverticular disease Abstract Diverticulosis and diverticular disease are a common problem in daily practice and one third of the patients with diverticulosis develop symptoms. Patients with uncomplicated diverticulitis are very often treated with antibiotics. There is growing evidence that antibiotics are not necessary in uncomplicated cases. One problem is the different classification of diverticulitis and diverticular disease. Therefore, it is not easy to compare different studies. The evidence for therapy with antibiotics, mesalamine, probiotics and fibers are initially discussed and secondly therapeutic recommendations are given for the various stages of diverticular disease. Keywords Diverticular disease · Diverticulitis · Antibiotics · Mesalamine · Fibers

wiesen zu werden oder zu versterben. In dieser epidemiologischen Langzeitstudie waren 47.033 Männer und Frauen unter­ sucht worden. Von diesen gaben 14.459 (33%) an, sich vegetarisch zu ernähren. Der Chirurg 4 · 2014 

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Leitthema Die Diagnose einer Divertikulose wurde aus Krankenhausberichten und Todesbe­ scheinigungen entnommen. Das Risiko einer Krankenhauseinweisung aufgrund einer Divertikelkrankheit lag im Alter zwischen 50 und 70 Jahren bei Nichtve­ getariern bei 4,4% im Vergleich zu 3,0% bei Vegetariern. Probanden, die mehr als 25,5 g Ballaststoffe am Tag zu sich nah­ men, hatten ein um 41% reduziertes Ri­ siko verglichen mit einer Ballaststoffauf­ nahme von unter 14 g/Tag [6].

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Das Divertikulitisrisiko steigt mit zunehmendem BMI Eine prospektive Studie aus Schweden zeigte, dass Übergewicht mit einem er­ höhten Risiko für eine komplizierte Di­ vertikelkrankheit assoziiert ist. In der Stu­ die waren 7494 Männer aus Göteborg ein­ geschlossen worden. Sie waren über einen Zeitraum von bis zu 28 Jahren beobach­ tet worden. 112 (1,5%) Patienten waren we­ gen einer Divertikulitis stationär behan­ delt worden. Das Risiko war bei einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 20 und 22,5 kg/m2 am geringsten und stieg stetig mit dem BMI an. Bei einem BMI über 30 kg/m2 betrug die Hazard Ratio das 4,4-Fache [24]. Daten für Frauen kommen ebenfalls aus Schweden. Hier wurden 36.592 Frau­ en aus einer Mammographiekohorte, die zwischen 1914 und 1948 geboren wor­ den waren, eingeschlossen. BMI, körper­ liche Aktivität, Rauchen und andere Le­ bensstilfaktoren wurden per Fragebo­ gen erhoben. Die Diagnose Divertikuli­ tis wurde aus Krankenhaus- und Sterbe­ registern entnommen. Im Verlauf von 12 Jahren wurden 626 Frauen aufgrund ei­ ner Divertikulitis erstmals im Kranken­ haus behandelt. 2 Frauen mit einer Di­ vertikulitis wurden über das Sterberegis­ ter gefunden. In einer Multivariantana­ lyse zeigten Frauen mit einem BMI von 25–29,9 kg/m2 ein um 29% erhöhtes Ri­ siko, Frauen mit einem BMI über 30 kg/ m2 hatten ein 33% erhöhtes Risiko, ver­ glichen mit Frauen mit einem BMI zwi­ schen 20 und 24,99 kg/m2. Geringe kör­ perliche Aktivität (unter 30 min/Tag) war ebenfalls mit einem erhöhten Risiko von

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42% verglichen mit über 30 min Aktivi­ tät pro Tag [15].

Stadiengerechte Therapie Stadium 0 Im Stadium 0 (asymptomatische Diverti­ kulose) wird zur Prophylaxe der Diverti­ kulitis eine ballaststoffreiche, fleischarme bis vegetarische Kost, regelmäßige kör­ perliche Aktivität und das Vermeiden von Übergewicht empfohlen. Eine ballaststoffreiche Kost beugt darü­ ber hinaus Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs vor und wird daher generell als Vorbeugend empfohlen [3].

Typ 1a Bei der unkomplizierten Form der Di­ vertikulitis (vormals Hansen und Stock I, nach der neuen Leitlinien Klassifikati­ on Typ 1a: typische Klinik mit rechtssei­ tigen Unterbauchschmerzen und erhöh­ ten Entzündungswerten ohne Hinweis auf eine Abszedierung oder eine Perforation in einem bildgebenden Verfahren) kann eine überwachende Behandlung mit Flüs­ sigkeitsgabe ohne eine spezifische Thera­ pie ausreichend sein. Schmerzen sollten mit Spasmolytika und ggf. Analgetika behandelt werden. Wahrscheinlich haben auch Mesalamine Effekte auf den Schmerz. In vielen Fällen hilft eine Nahrungs­ karenz zur Schmerzlinderung. Nichtste­ roidale Antirheumatika (NSAR) sollten vermieden werden, da es Hinweise auf ei­ ne erhöhte Rezidivrate gibt [7] und eine eventuell erhöhte Perforationsrate [19]. Das Vermeiden von Antibiotika setzt ei­ ne ausreichende klinische Kontrolle der Patienten voraus, die je nach Risikokon­ stellation ambulant oder stationär erfol­ gen kann.

Typ 1b, 3b und und IIa In einem Stadium Typ 1b oder 3b (Diver­ tikulitis mit phlegmonöser Umgebungsre­ aktion) und IIa (gedeckte Perforation, Mi­ kroabszesse unter 1 cm) sollte eine Anti­ biotikatherapie erwogen werden. Ebenso sollte eine Antibiotikatherapie bei deut­ lich erhöhten Entzündungszeichen (CRP

und Leukozyten) sowie Fieber über 38,5°C erwogen werden. Als häufigste Keime sind Anaerobier (Bakteroides, Peptostreptokokken, Clos­ tridien und Fusobakterien) gefolgt von gramnegativen Aerobiern (Escherischia coli) zu erwarten. Seltener finden sich grampositive Keime wie z. B. Streptokok­ ken [17]. Entsprechend sollte eine Anti­ biotikatherapie dieses Keimspektrum ab­ decken. Empfohlen werden Quinolone in Kombination mit Metronidazol, alterna­ tiv Amoxicillin mit einem β-LactamaseHemmstoff oder ein Cephalosporin der 3. Generation. Bei deutlich alterierten Pa­ tienten ist die i. v. Gabe angezeigt, insbe­ sondere, wenn keine stabile orale Nah­ rungsaufnahme möglich ist. Bei allen an­ deren Patienten kann die orale Gabe er­ folgen. Hier bietet sich insbesondere auf­ grund der guten Bioverfügbarkeit ein Quinolon z. B. in Kombination mit Me­ tronidazol an.

Stadium 3 Die Therapie des Stadiums 3 ist schwierig. Hier ist zunächst die Therapie der SUDD (symptomatische unkomplizierte Diver­ tikelkrankheit – Stadium 3a) von der Se­ kundärprophylaxe der rezidivierenden Divertikulitis ohne Komplikationen (Sta­ dium 3b) bzw. mit Komplikationen (Sta­ dium 3c) zu unterscheiden Die Datenlage ist aber unzureichend. Daher kann derzeit keine valide generelle Empfehlung für ei­ ne medikamentöse Sekundärprophylaxe gegeben werden. Ein Reizdarmsyndrom als Folge einer akuten Divertikulitis sollte ausgeschlossen werden. Es gibt Hinweise, dass sich das Risiko für ein Reizdarmsyn­ drom nach einer durchlaufenen Diverti­ kulitis erhöht. In einer amerikanischen re­ trospektiven Studie wurden 1102 Patienten mit einer Divertikulitis mit 1102 Kontroll­ personen ohne Divertikulitis verglichen. Patienten, bei denen vor der Diagnose der Divertikulitis bereits ein Reizdarm­ syndrom vorlag, wurden ausgeschlossen. Das Risiko für ein diagnostiziertes Reiz­ darmsyndrom nach einer Divertikulitis war 4,7-fach erhöht. Ebenfalls war das Ri­ siko für eine funktionelle gastrointestinale Störung um das 2,4-Fache erhöht [5].

Fazit für die Praxis F Die Divertikelkrankheit rückt vermehrt in den Fokus des Interesses mit zunehmendem Verständnis für die Pathophysiologie und medikamentöse Interventionsmöglichkeiten. F Dies führt derzeit nicht zu einer Zunahme medikamentöser Behandlungsoptionen, sondern stellt althergebrachte Vorstellungen wie eine überzogene Antibiotikatherapie bei unkomplizierten Fällen infrage. F Weitere Entwicklungen in der medikamentösen Therapie bleiben abzuwarten.

Korrespondenzadresse Dr. E. Kruse Medizinische Klinik III,   St. Bernward Krankenhaus Hildesheim, Treibestr. 9, 31134 Hildesheim [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  E. Kruse und L. Leifeld geben an, Vortragshonorare von Falk erhalten zu haben. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Diverticulosis and diverticular disease are a common problem in daily practice and one third of the patients with diverticulosis develop symptoms. Pat...
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