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Pränatale Diagnostik der Holoprosenzephalie mit postaxialer Polydaktylie, Kardiopathie bei normalem Karyotypus A. Salamanca. Ma. Carmen Padilla, Rosa Ma. Saba tel, M. A. Motos. K. S temp er; F Gonzalez-Gomez Univers itäts-Frauenklinik Granada , Spanien (Direktor: Prof. Gonzalez-Gomez)

Die Holoprosenzephalie ist eine ätiologisch heterogene Fehlbildung, bei der das Prosenz ephalon unvollständig gespalten ist. In den letzten Jahren ist ein neues Syndrom beschrieben worden, das neben der Holoprosenzephalie eine postaxiale Polydaktylie sowie eine Kardiopathie bei normalen Chromosom en aufweist. Es wird ein neuer Fall mit diesem Syndrom vorgestellt, der pränatal mittels Sonographie und fetaler Blutprobe diagnostiziert wurde , wobei auf wichtige Verflechtungen hinsi chtlich einer ang emessenen genetischen Beratung eingegangen wird .

Einleitung Die Holoprosenz ephalie umfaßt ein Spektrum von Fehlbildungen des Gehirns und des Ventrik elsystems neben Anomalien des Gesichtsbereichs , die abgeleitet werd en könn en von einer mehr oder weniger unvollstä ndigen Spaltun g des Prosenzephalons und Störungen der Gesichtsentwicklung. Die prän atal e Ultrascha lluntersuchung erm öglicht die Diagnose dieser Defekte kraneofazialer Strukturen mit einer präzisen Bestimmung der Ausdehn ung der Holoprosenzephali e (Chevernak et al., 1984). Dieses erleichtert die Einnahme einer ang emess enen Position hinsi chtlich des geburtshilfli eh-perinatalen Vorgeh ens und ermöglicht eine genetisch e Beratung. die der Realität des Befund es entspricht. In den letzten Jahren ist ein neues Syndrom von Fehlbildungen beschri eben worden, bei der neben einer Holoprosenz ephali e eine postaxiale Polydaktylie und eine Kardiopathie auftritt. wobei normale Chromosomen vorhanden sind (Young und Modders. 1987) . Dieses könnte wichtige Korre kture n bezüglich der Ver erbung dieses Syndroms implizier en. Wir berichten über die pr än atal e Diagnose eines neu aufgetre tenen Falles mit diesem Syndrom.

Geburts h. u. Fra uenhe ilk. 52 (1992) 783 - 785 © Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

PrenataI Diagnosis in HoIoprosencephaly with Postaxial Polydactyly, Cardiopathy in Normal Karyotype Holoprosencephaly is a malform ation complex, in which the foetal forebr ain (prosencephalon) fails to cleave. The aetiology of holopros encephaly is heterogeneous . In the last years , a new malformation syndr ome has been described , including holopros encephaly. postaxial polydactyly, congenital heart defects and nor mal karyotype. In this report, a new case of this syndr ome, prenatally diagn osed, is discussed, based on ultrasound and foetal blood samplin g. The important implications ar e pointed out in relation to adequate genetic counselling.

Kasuistik Zweitgravida, 31 Jahre alt, mit unauffälliger Eigen- und Familienanamnese und nor ma len Blutzuckerwerten, die in der 30. Schwangers chaftsw oche wg. Verdacht auf fetale Fehlbildung an unser e Abteilung für Pränataldiagnostik überw iesen wurde. Die ers te sonographis ehe Untersuchung (mit Toshiba SAL 77-B mit konvexem Schallkopf, 3,5 Mhz) zeigt das Vorhandensein einer intrakran iellen Anomalie mit einem einzigen Ventrikel. Möglicherweise sind auch Vorderh örn er der Seitenventrikel vorhanden. Allerdings lass en sich keine normalen Strukturen einer Mittellinie unters cheiden. All dies weist auf eine semilobäre Holoprosenzephali e hin. Der Gesichtsbefund, deutlicher HypoteIorismu s und zentrale Gesichtsspalte, scheint die Ver dachtsdiagnose eines Falles von Holopros enzephali e zu bestätigen. Außerdem zeigt sich eine Polydaktylie der obere n Extremitäten (Abb. 2 a) sowie eine Kardi opathi e, bestehend aus einem dreigekamm erten Herzen mit einem einzigen Vorhof und Hypoplasie des linken Ventrik els (Abb. 2 h). Abdominal fallt ein Aszites auf, dessen Ursac he eher kardio gen als immun ogen sein dürft e (Abb. 2c). Angesichts der sonographischen Befunde wird eine transamiotische Nabelschnurpunktion dur chgeführt, bei der 6 cm-' rein fetales Blut gewonnen werden (Coulter Counter Channali zer 256®). Die zytogenetische Untersuchung ergibt einen normalen weiblichen Karyotyp 46 xx.

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Zusammenfassung

Geburtsh. u. Frauenh eilk. 52 (1992)

A. Sa lamanca et al.

Eine weitere sonographische Untersuchung nach ein er Woche offenbarte den intrauterinen Fruchttod. Daher entschloß man sich , die Entbindung mittels intraamniotischer Injektion von Prostaglandin F2alpha einzuleiten . Die vaginale Geburt eines weiblich en Fetus von 2300 g mit deutlicher Hautmazeration erfolgte 20 Stunden spät er. Der Autopsi eb efund bestätigte die pränatal gestellten Diagnosen: Holoprosenzephalie mit einem einzigen Ventr ikel, Hypotelorismus, Lippen- und Gaum enspalte und nasale Agenesie. Komplexe kardiale Fehlbildung mit dr eigekammertem Herz en (ein Vorhof und zwei Ventrikel), Hypoplasie des linken Ventrikels und der Aorta . Hypoplasie der Nebennier en . Postaxial e Polydaktyli e beider Hände, Aszites (Abb. 3). Dis kussion Die sonographischen Befund e der Holoprosenz ephalie sind bereits gut systematisch eingeordne t (Holzgreve et al., 1985 ; Pilu et al., 1987) . Bei der semilobären Form läßt sich eine größere Paren chymm enge nachweisen, im Vergleich zu der alobären Form , bei der Temporallappen und der Okzipitallapp en betroffen sind , un d ein monoventrikulärer Hohlraum fortb est eht. Der Thalamus ist üblicherweise eingeschmolzen. Meistens sind rudimentär erhaltene Hinterhörner sowie eine Teilung der beiden Hinterhauptslappen nachweisbar. Gesichtsanomalien bestehen in 90 % der Fälle von Holoprosenzephalie, was eine Bestätigung der Diagnose ermöglicht. Dennoch werden bislang nicht mehr als 60 % der Holopros enzephalien pränatal diagnostiziert (McGahan et al., 1990). In 52 % der Fälle sind außer den Gesichtsanomalien noch andere Anomalien na chweisb ar. Von diesen werden die Kardiopathien am seltensten pr änatal erlaßt. In 50 % der Fälle von Holoprosenz ephalie konnten Chromosomenanomalien festgestellt werd en : Trisomi e 13, Trisomie 18, Triploidie, Deletion en und Translokationen, die vor allem die Chromosomen 13 und 18 betr effen . Die häufigste Chromosomenanomalie ist dab ei die Trisomie 13. Die Holopros enz ephalie ist eine ätiologis ch heterogene Fehlbildung. Das Wied erholungsrisiko ist klein; unter 1 %, wenn ein e fetal e Chromosomopathie nachweisbar ist. Das Wied erho lungsrisiko wäre ab er weitaus größer, wenn bei eine m Elternteil ein e Translokation bestehen würde. Wenn keine Chromosomenanomalien vorhanden sind, liegt das empirisch bestimmte Wiederholungsrisiko bei 6 % (Roach et al., 1975) . Young und Mad ders beschrieben 1987 ein Syndrom von Fehlbildungen mit Holoprosenzephalie, Kardiopathie und postaxialer Polydaktylie bei normalem Karyotyp . Der Fall, den wir vorstellen, paßt vollkomm en in den Rahm en dies es Syndroms (Tab. 1). Unser e Befunde stimmen mit der Beschreibung von Young und Madders überein, mit Ausnahme der hypothalamisch-hypophysären Insuffizienz, die sich bei uns durch eine Hypoplasi e der Neb enni er en manifestierte (uns er Fall war ein weiblicher Fet). Die Bedeutung einer genau en Katalogisierung dieser Fälle liegt im Wiederholungsrisiko, das eine angemessene genetische Beratung impliziert. Bei diesem neuen Syndrom ist ein e monogen e, autosomal r ezessive (Ramaekers et al., 1990) Vererbung diskuti ert worden . In

Abb. 1 Pränatale Sonographie die eine semilobäre Holoprosenzephalie (Al und Hypotelorismus (B) zeigt (+ + interorbitäre Distanz).

Abb. 2 Polydaktylie (A). Schnitt durch die .4 Kammern" des Herzens (B), ein einziger Vorhof ·A·, rechter Ventrikel ·RV·, hypoplastischer linker Ventrikel ·LV·. Nicht immunogener Aszites (Cl.

Abb. 3 Die Abbi ~ dung zeigt das Iotgeborene. Deutlicher Hypotelorismus, prämaxillare Agenesie und postaxiale Polydaktylie an beiden oberen Extrem ~ täten.

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Pränatale Diagnost ik der Holoprosenzepha Lie

Geburtsh. u. Frauenheilk. 52 (1992)

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Tab. !

Holeprosenzephalie

Gesicht

CHO'

postaxiale Polydaktylie

hypothalamisch hypophysäre Insuffizienz

Karyotyp

Young & Madders (l 987)

alobär

VSO' ASO'

obere Extremitäten

kleiner Penis

46 XY (NEO)

Moerman & Fryns (l988)

alobär

mediane Gesichtsspalte Agenesie der Prämaxilla Zäbozephalie

obere Extremitäten

46 XX (AMNIO)

Shiota & Tanimura (1988) Andre et al. (1988)

alobär

Ethmozephalie

VSO'

lobär

Zäbozephalie

ASO'

obere + untere Extremitäten rechter Fuß

Hypoplasie der Schilddrüse und der Nebennierenrinde ?

sernilobär sernilobär

Zäbozephalie CA' HLV

obere + untere Extremitäten obere Extremitäten

mediane Gesichtsspalte Agenesie der Prämaxilla

46 XY (AMNIO)

46 XY (NEO) Hypoplasie der Nebennierenrinde

46 XX (FUNIC)

'CHD: Angeborene Herzfehlbildungen; ASD: Vorhof·SeptumOefekt; VSD: Ventrikel-SeptumOefekt; CA: Einziger Vorhof; HLV: Hypoplastischer linker Ventrikel. "Karyotyp bestimmt: NEO: Am Neugeborenen; AMNIO: Durch Amniozentesis; FUNIC: Durch Nabelschnurpunktion.

diesem Fall könnte das Wiederholungsrisiko in den betroffenen Familien 25 % erreichen . Die zytogenetische Untersuchung gewinnt daher erheblich an Bedeutung für eine korrekte genetische Berat ung bei zukünftigen Schwangerschaften. Danksagung Die Autoren möchten ferner danken : Herrn Dr. Wilhelm , Universitäts-Frauenklinik Freiburg, Herrn Prof. Hillemanns , Universitäts-Fra ue nklinik Freib urg , Herrn Prof. Steiner. Kreiskr an kenh au s Bad Säckin gen .

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Depto. Obste tricia y Gineco logia Hosp ital Univers itario de Gra na da Avda . Dr. Olöriz, 16 1801 2. Granad a Span ien

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Ramaekers et al. (l990) Diese Fallbeschreibung

kleiner Penis Schilddrüse und Nebennierenrinde

46 XY (NEO)

[Prenatal diagnosis of holoprosencephaly with postaxial polydactyly, cardiopathy with normal karyotype].

Holoprosencephaly is a malformation complex, in which the foetal forebrain (prosencephalon) fails to cleave. The aetiology of holoprosencephaly is het...
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