Übersicht 297

Vorzeitige Beendigung der Therapie in der stationären psychosomatischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation Premature Termination of Inpatient Psychotherapy

Autoren

Laurence Reuter1, Carl Eduard Scheidt1, 2

Institute

1

Zentrum für psychische Erkrankungen, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universtitätsklinikum Freiburg im Breisgau 2 Thure-von-Uexküll-Klinik, Akutklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Freiburg im Breisgau

Schlüsselwörter ▶ vorzeitige Behandlungsbe● endigung ▶ stationäre Psychotherapie ● ▶ psychosomatische Medizin ● ▶ Therapieabbruch ● ▶ therapeutischer Misserfolg ●

Zusammenfassung

Abstract

In der folgenden Übersicht werden Häufigkeit und Ursachen von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen in der stationären psychosomatischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation von erwachsenen Patienten in Deutschland untersucht. Der an den Stichproben der 15 einbezogenen Arbeiten gewichtete Anteil vorzeitiger Behandlungsbeendigungen beträgt 12,5 %. (Junges) Alter, Erwerbslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit, die Diagnose einer Essstörung, einer somatoformen Störung oder einer Persönlichkeitsstörung sowie eine geringe Symptombelastung zu Therapiebeginn erhöhen das Risiko einer frühzeitigen Beendigung der Therapie. Neben diesen soziodemografischen und klinischen Variablen spielen auch die Therapiemotivation sowie die patientenseitigen Behandlungserwartungen eine Rolle in der Vorhersage von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen.

This systematic review examines the frequency and possible causes of premature termination of psychotherapeutic treatments. The literature search focused on adult patients who drop-out of acute and rehabilitative inpatient psychosomatic care in Germany. The weighted average drop-out-rate of the 15 included studies was 12.5 %. Young age, unemployment, inability to work, the diagnosis of an eating disorder, a somatoform disorder or a personality disorder and a low impairment at intake show a relation to a higher risk for a premature termination of the treatment. Beside these sociodemographic and clinical variables, the motivation for treatment as well as treatment expectations seem to play a role in the prediction of attrition.

Einleitung

Die hier durchgeführte Untersuchung beschränkt sich auf die psychosomatische Krankenhausbehandlung und die psychosomatische Rehabilitation, da die Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Versorgungssegmenten besonders groß sind. In der psychosomatischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation werden jährlich mehr als 100 000 Patienten mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen behandelt. Die hochfrequente, multimodale Behandlung erzielt in der Regel gute Therapieeffekte1 [2, 3]. Nicht alle Patienten durchlaufen jedoch das Therapieprogramm in dem vorgesehenen Umfang. Wenngleich vorzeitige Beendigungen der Behandlung nicht zwangsläufig mit schlechteren Behandlungsergebnissen

eingereicht 15. Juli 2013 akzeptiert 23. Dezember 2013 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1368730 Online-Publikation: 23.4.2014 Psychother Psych Med 2014; 64: 297–308 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0937-2032 Korrespondenzadresse Dipl.-Psych. Laurence Reuter Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Universtitätsklinikum Freiburg Hauptstraße 8 79104 Freiburg im Breisgau [email protected]



Die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen wird in Deutschland durch ein differenziertes Versorgungsangebot gewährleistet, das sich auf drei Säulen stützt: (1) die psychosomatischen Rehabilitationskliniken, (2) die psychosomatischen Akutkliniken und (3) die psychiatrischen Krankenhausabteilungen und Krankenhäuser. Die Behandlungszielsetzungen und die Patientenzusammensetzung in diesen Versorgungsbereichen unterscheiden sich zwischen Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen vor allem aufgrund der unterschiedlichen sozialrechtlich definierten Aufgabenstellung und Zielsetzung. Es gibt jedoch sowohl im Diagnosespektrum der behandelten Patienten als auch in den Therapieangeboten zwischen den drei Versorgungsbereichen Überschneidungen.



1

Für die Veränderung der Symptombelastung, gemessen mit dem GSI der SCL-90-R [1] werden durchschnittliche Effektstärken von 0.51 für die stationäre Rehabilitation [2] und 0.73 für die Krankenhausbehandlung [3] berichtet.

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Keywords ▶ premature termination ● ▶ in-patient psychotherapy ● ▶ psychosomatic medicine ● ▶ drop-out ● ▶ treatment failure ●



einhergehen müssen, so scheinen sie doch auf ein Misslingen der Behandlung hinzuweisen [4–7].

Definition



In der Literatur werden vorzeitige Beendigungen psychotherapeutischer Maßnahmen häufig als Therapieabbrüche (engl. attrition oder drop-out) bezeichnet. Die Definitionen von Therapieabbrüchen stützen sich dabei entweder auf das Kriterium der Therapiedauer oder auf das der Therapieziele. Im ersten Fall wird dann von einem Therapieabbruch gesprochen, wenn eine begonnene psychotherapeutische Behandlung vor dem Ablauf der vereinbarten oder bewilligten Behandlungsdauer beendet wird [8, 9]. Uneinigkeit besteht darüber, inwieweit jedes Fernbleiben von bereits vereinbarten Sitzungen, insbesondere zum Ende der Therapie hin, nach als Therapieabbruch angesehen werden muss. Es ist daher sinnvoll, Zeitintervalle zu definieren, innerhalb derer Therapieabbrüche als solche zu werten sind. Häufig wird in diesem Zusammenhang zwischen frühen und späten Therapieabbrüchen unterschieden. Laut der zweiten Definition wird von einem Abbruch gesprochen, wenn die Behandlung beendet wird, bevor die Therapieziele erreicht werden konnten. Diese Definition setzt jedoch voraus, dass die gesetzten Therapieziele innerhalb der geplanten Behandlung auch grundsätzlich erreichbar sind. Eng gefasste Definitionen sprechen nur dann von einem Therapieabbruch, wenn dieser vom Patienten initiiert wird und gegen den ärztlichen Rat erfolgt. Ist der Therapeut an der Entscheidung mitbeteiligt, wird eher auf den allgemeineren und wertneutraleren Begriff der „vorzeitigen Behandlungsbeendigung“ zurückgegriffen. Eine vorzeitige Beendigung der Behandlung kann sich auch aus externen Gründen, wie z. B. einer abgelehnten Therapieverlängerung durch den Kostenträger oder einer Verlegung in eine andere Einrichtung, ergeben. In der Literatur begegnet man dem Begriff des Therapieabbruchs nicht selten im Kontext der Risiken und Nebenwirkungen psychotherapeutischer Verfahren. Neben Misserfolgen aufgrund von Zugangsschwierigkeiten oder durch Ablehnung der Therapie, Symptomverschlechterungen, Non-Response und Rückfällen werden Therapieabbrüche als eine Form des therapeutischen Misserfolges beschrieben [6, 7, 10]. In der vorliegenden Arbeit wird, um der Bewertung zu entgehen, die der Begriff des Therapieabbruchs impliziert, die Bezeichnung der „vorzeitigen Beendigung der Behandlung“ bevorzugt. Sie bezieht sich somit auf das breite Spektrum unterschiedlich begründeter und initiierter Beendigungen der Therapie, die vor dem vereinbarten Behandlungsende oder vor dem Erreichen der Therapieziele erfolgen. Der Begriff des Therapieabbruchs wird nur dann verwendet, wenn ausdrücklich ein patientenseitiger Abbruch gemeint ist.

Empirische Datenlage



Für den ambulanten Versorgungsbereich liegen unterdessen mehrere Übersichtsarbeiten vor, die sich mit dem Thema der vorzeitigen Therapiebeendigung befassen. Die Arbeiten, die sich v. a. auf Primärstudien aus dem angloamerikanischen Sprachraum beziehen, gehen davon aus, dass 30–50 % der Behandlungen frühzeitig beendet werden [9, 11, 12]. In Deutschland werden, wie Einzelarbeiten berichten, zwischen 20 und 40 % der

ambulanten Therapien vorzeitig beendet [13, 14]. Nach den Daten von Jacobi et al. [14] zu urteilen, verlassen 20 % der Patienten die ambulante Therapie bereits in der Probatorik, weitere 19 % der Patienten beenden die Behandlung vor dem Ablauf der bereits genehmigten Sitzungen. Vorzeitige Beendigungen sind im ambulanten Einzelsetting etwa doppelt so häufig wie im Gruppensetting. Die erwähnten Forschungsarbeiten konzentrieren sich v. a. auf die Frage nach den Gründen für eine vorzeitige Beendigung der Behandlung. Zumeist wird das Ziel verfolgt, Frühindikatoren zu bestimmen, die es erlauben, rechtzeitig auf Abbruchintentionen der Patienten zu reagieren. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst: Swift und Greenberg [9] berichteten in einer Übersichtsarbeit, in die insgesamt 669 ambulante Therapiestudien eingeschlossen wurden, dass jüngere Patienten sowie Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und Essstörungen die Therapie häufiger vorzeitig verließen. Zeitlich unbegrenzte, nicht-manualisierte Behandlungen sowie Therapien bei unerfahrenen Therapeuten endeten häufiger frühzeitig. Wierzbicki und Pekarik [11] brachten in ihrer Metaanalyse einen niedrigen Bildungsstand, ein geringes Einkommen sowie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit mit einem vorzeitigen Therapieende in Zusammenhang. Im Übrigen waren soziodemografische Variablen, wie z. B. Geschlecht und Familienstand, zur Vorhersage ungeeignet. Eine positive therapeutische Beziehung erwies sich in mehreren Untersuchungen als protektiver Faktor, der die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Behandlungsbeendigung senkte [12, 15]. In einer deutschen Arbeit von Cinkaya et al. [13] wurden frühzeitige Behandlungsbeendigungen mit einer unzureichenden Veränderungsmotivation, einer geringen Erfolgserwartung, einer erhöhten Psychopathologie sowie der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in Verbindung gebracht. Ähnliche Zusammenhänge zwischen patientenbezogenen Variablen und der Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Beendigung der Therapie können auch für das stationäre Behandlungssetting angenommen werden. Therapeuten- und prozessbezogene Variablen (z. B. die Erfahrung des Therapeuten oder die Manualisierung) können hingegen nicht ohne Weiteres auf ein multimodales und interdisziplinäres Setting übertragen werden. In einem stationären Behandlungskontext sind weitere Variablen zu berücksichtigen, die eine vorzeitige Beendigung der Behandlung begünstigen können. Man denke z. B. an Therapieabbrüche, die sich aus der Unvereinbarkeit des Klinikaufenthaltes mit beruflichen oder familiären Verpflichtungen oder aus der Unzufriedenheit mit strukturellen Gegebenheiten (z. B. Essen, überfüllter Therapieplan) ergeben. Grundsätzlich ist zu den Ergebnissen der ambulanten Übersichtsarbeiten anzumerken, dass es sich bei den meisten der eingeschlossenen Arbeiten um Psychotherapieergebnisstudien handelt, die andere Hauptfragestellungen untersuchen und Angaben zu vorzeitigen Behandlungsbeendigungen nur als Zusatzinformation enthalten. In solchen Metaanalysen können demnach für die Frage nach den Ursachen vorzeitiger Behandlungsbeendigungen nur die gängigsten soziodemografischen und klinischen Variablen ausgewertet werden. Die genannten Variablen haben jedoch in der Regel eine geringe Vorhersagekraft. Dies kann als Hinweis gedeutet werden, dass weitere relevante Variablen noch nicht erfasst wurden. Etwas kritisch stimmt auch die Tatsache, dass die Häufigkeit vorzeitiger Behandlungsbeendigungen in Abhängigkeit von den verwendeten Definitionen variierte

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298 Übersicht

Übersicht 299

[9, 11]. Dies verdeutlicht die Bedeutung der operationalen Definition des untersuchten Phänomens für die Ergebnisse. In den letzten Jahren ist auch im stationären Bereich das Forschungsinteresse an der Thematik gestiegen. Vorzeitige Behandlungsbeendigungen sind für bestimmte Störungsbilder, wie z. B. Essstörungen [16–19], bereits in mehreren Arbeiten untersucht worden. Eine Forschungsgruppe aus Hamburg beschäftigte sich ausgiebig mit Therapieabbrüchen in der stationären Rehabilitation [20]. Allein in diesem Forschungsprojekt wurden mehrere Teilstudien publiziert. Durch das steigende Forschungsinteresse ist die Studienlage unübersichtlich geworden. Es liegt auch noch keine Arbeit vor, die den aktuellen Forschungsstand zusammenfasst. In der vorliegenden Arbeit wollen wir daher, auf der Grundlage einer systematischen Literaturrecherche, eine Übersicht über die Studienergebnisse zum Thema vorzeitiger Behandlungsbeendigungen geben, die in den letzten 20 Jahren im Bereich der stationären psychosomatischen Rehabilitations- und Krankenhausbehandlung publiziert wurden. Bezugnehmend auf die Erkenntnisse der ambulanten Studien legen wir den Schwerpunkt der Arbeit auf die folgenden vier Fragestellungen: a) Wie werden vorzeitige Behandlungsbeendigungen in einem stationären Setting operationalisiert? b) Wie häufig sind vorzeitige Behandlungsbeendigungen in der stationären psychosomatischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation in Deutschland? c) Anhand welcher soziodemografischer und klinischer Merkmale lassen sich Patienten, welche die Behandlung vorzeitig beenden, von regulär entlassenen Patienten unterscheiden? d) Lassen sich vorzeitige Behandlungsbeendigungen anhand von soziodemografischen und klinischen Merkmalen vorhersagen?

wortsuche mit MeSH2 – Begriffen aus den Bereichen „Psychosomatik“ (z. B. „psychosomatic medicine“) „Stationäres Setting“ (z. B. „hospitalized patients“) und „Therapieabbruch“ (z. B. „treatment dropouts“, „treatment termination“). Die Schlagwortsuche wurde durch eine Stichwortsuche ergänzt. Die ausführliche Suchstrategie kann in Tab. 1 (im Internet) eingesehen werden. Aus den ermittelten 133 Arbeiten wurden in mehreren Schritten 13 Studien ausgewählt. Durch eine manuelle Suche in den Literaturangaben konnten zwei weitere Studien einbezogen werden ▶ Abb. 1). (●

Methodik

Datensynthese

Suchstrategie und Studienauswahl Die Ein- und Ausschlusskriterien, die Suchstrategie sowie die Studienauswahl orientieren sich an den von der Cochrane Collaboration formulierten Richtlinien für Metaanalysen [21, 22]. Eingeschlossen wurden alle Studien mit erwachsenen Patienten, die Ursachen von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen in der stationären und teilstationären psychosomatischen Rehabilitation und Krankenhausbehandlung störungsübergreifend untersuchten. Ausgeschlossen wurden Studien aus dem Kinder- und Jugendbereich, der psychiatrischen und neurologischen Versorgung, dem Konsil- und Liaisondienst, der Suchttherapie sowie der Rehabilitationsbehandlung bei rein medizinischen Indikationen. Die Suche wurde auf deutsch- und englischsprachige Studien der letzten 20 Jahre beschränkt. Studien mit einer ausschließlich qualitativen Methodik, wie z. B. Fallbeschreibungen, wurden nicht aufgenommen. Um den derzeitigen Forschungsstand möglichst umfassend darzustellen, wurden in Bezug auf die methodische Qualität der Studien keine weiteren Ausschlusskriterien formuliert. Die Bewertung der Studienqualität soll als Anhaltspunkt zur Einordnung der Relevanz der Studienergebnisse dienen. Die Literaturrecherche wurde mit der Suchmaschine EBSCOHost in den Datenbanken MEDLINE, psycARTICLES, PsycINFO und PSYNDEX durchgeführt. Die Suchstrategie umfasste eine Schlag2

Medical Subject Headings.

Die Untersuchung der Häufigkeit und der Ursachen von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen in der stationären psychosomatischen Behandlung erfolgt zumeist nicht in experimentellen, randomisiert-kontrollierten Studien, sondern in klinischen (naturalistischen) Beobachtungsstudien. Zur Bewertung der methodischen Qualität dieser Studien wurde, in Anlehnung an die STROBE-Leitlinien für Beobachtungsstudien [23] sowie an die Kriterien zur Bewertung von Psychotherapiestudien [24], eine eigene Qualitätscheckliste mit 16 Items zusammengestellt. Bei der Bewertung wurden die folgenden Aspekte berücksichtigt: die Aufarbeitung und Einbeziehung des aktuellen Forschungsstandes, die Qualität und die Angemessenheit des Studiendesigns, die Vollständigkeit der Ergebnisdarstellung, die Angemessenheit der Methodik und die kritische Diskussion der Ergebnisse. Die Kriterien wurden von der Erstautorin auf einer Skala von 1 bis 3 Punkten (bei 1 = geringe und 3 = hohe Studienqualität) eingestuft. Für jede Studie wurde die durchschnittliche Studienqualität (Mittelwert aus den 16 Items) berechnet. Die Liste der Kriterien sowie das Rating der Studien ist in Tab. 2 (im Internet) hinterlegt.

Zur Extraktion und Synthese der Daten wurde das Prinzip des Box-Counting angewendet. Dazu wurden aus den Studien alle Variablen entnommen, welche im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Behandlungsbeendigung getestet wurden. Ergebnisse zu Variablen, die in mehr als drei Studien untersucht wurden, wurden in einer Übersichtstabelle zusammengefasst. Für signifikante Mittelwertsunterschiede (t-Test für kontinuierliche Variablen) sowie signifikante Verteilungsunterschiede (Vierfelder-Chi2-Test für zweistufige kategoriale Variablen) wurde die Richtung des Unterschiedes für die Gruppe der vorzeitig entlassenen Patienten angegeben. Befanden sich bspw. unter den vorzeitig entlassenen Patienten signifikant mehr Männer als unter den regulär entlassenen Patienten, wurde für die Variable „Geschlecht (männlich)“ ein positiver Zusammenhang ( + ) mit vorzeitigen Behandlungsbeendigungen vermerkt. Für signifikante Verteilungsunterschiede bei kategorialen Variablen mit mehr als zwei Stufen (Chi2-Test bei mehr als vier Feldern) kann keine Aussage zur Signifikanz bezüglich der Unterschiede auf den einzelnen Stufen der Variablen getroffen werden. So sagt bspw. ein signifikanter Chi2-Test für die sechsstufige Variable „Diagnose“ lediglich aus, dass sich vorzeitig und regulär entlassene Patienten signifikant in der Verteilung der Diagnosen unterscheiden. Ob dieser signifikante Unterschied nun z. B. durch mehr Persönlichkeitsstörungen unter den vorzeitig entlassenen Patienten oder durch mehr depressive Störungen bei den regulär entlassenen Patienten bedingt ist, kann aufgrund des Chi2-Tests nicht gesagt werden. Daher konnten zu den

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Bewertung der methodischen Qualität der Studien

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Abb. 1 Darstellung der einzelnen Schritte der Studienauswahl sowie der jeweiligen Ausschlussgründe. Die detaillierte Suchstrategie ist in Tab. 1 (im Internet) dargestellt.

Datenbankrecherche MEDLINE, PsycARTICLES, PsychINFO & PsychINDEX Suchkriterien aus drei Bereichen: Psychosomatische Medizin, stationäres Setting und vorzeitige Behandlungsbeendigung

133 Studien Sichtung Titel

n = 91 (68,4 %)

42 Studien (31,6 %) Sichtung Abstracts

n = 21 (50,0 %)

21 Studien (50,0 %) Sichtung Artikel

Mehrfachnennungen (n = 24) störungsspezifische Studien (n = 30) psychiatrisches Setting (n = 19) ambulantes Setting (n = 10) Kinder oder jugendliche Patienten (n = 6) Suchttherapie (n = 16) sonstige Gründe (n = 15)

n = 8 (33,4 %)

13 Studien (65,6 %) (15,8 % von Gesamt) n=2

manuelle Suche

Unterstufen diesartiger Variablen lediglich deskriptive Angaben gemacht werden. Für korrelative Berechnungen wurde die Richtung des Zusammenhangs der getesteten Variablen mit der Wahrscheinlichkeit für einen vorzeitigen Behandlungsabbruch angegeben. Studienergebnisse mit unzureichenden statistischen Angaben (fehlende Angaben zur deskriptiven Statistik oder zur Signifikanztestung) konnten nicht berücksichtigt werden. Zur Berechnung des studienübergreifenden mittleren Anteils an vorzeitigen Behandlungsbeendigungen wurden die Werte der einzelnen Studien zuerst an der jeweiligen Stichprobengröße gewichtetet und anschließend gemittelt.

Ergebnisse



Charakterisierung der Studien Die Literaturübersicht schließt 15 Studien zu vorzeitigen Behandlungsbeendigungen ein. 11 Arbeiten stammen aus Fachkliniken für psychosomatische Rehabilitation, 4 aus psychosomatischen Krankenhauseinrichtungen. Die Größe der einbezogenen Stichproben variiert zwischen N = 64 und N = 4 153. Insgesamt nahmen 18 147 Patienten an den Studien teil. Bei den meisten der eingeschlossenen Arbeiten handelt es sich um Fall-Kontroll-Studien, d. h. zwei natürlich entstandene Untergruppen, vorzeitig (Fälle) und regulär (Kontrolle) entlassene Patienten werden in Bezug auf mögliche Risikofaktoren verglichen. 13 von 15 Studien verwenden ein retrospektives Studiendesign. D. h., die Daten liegen entsprechend bereits zum Untersuchungszeitpunkt vor oder die Patienten werden gebeten, ihren Aufenthalt rückblickend zu beurteilen. In den beiden Studien mit einem prospektiven Studiendesign wurden die Patientendaten bereits im Vorfeld der Behandlung erhoben [25, 28]. Ob es zu einer vorzeitigen Beendigung der Behandlung kommen würde, war somit zum Erhebungszeitpunkt noch nicht bekannt. Als Datengrundlage wird überwiegend auf die routinemäßig erfolgende Evaluation der jeweiligen Einrichtung zurückgegriffen. 3 Studien verwenden Patientendaten aus einem Datenpool

verschiedener Rentenversicherungsträger. Die Informationen zur Entlassungsform und zum Entlassungszeitpunkt werden dem Dokumentationssystem, der Patientenakte, einem Therapeutenfragebogen oder dem Entlassungsbrief entnommen. Die Datenerhebung erfolgt größtenteils anhand gängiger, reliabler und valider Evaluationsinstrumente. Zusätzlich werden Abbruchfragebögen (n = 5) und themenzentrierte Interviews eingesetzt (n = 1). In 11 Studien wird auf eine Einpunktmessung, meist zu Therapiebeginn (n = 7), seltener zum Therapieende (n = 1) oder zur Katamnese (n = 3) zurückgegriffen. 4 Arbeiten enthalten Daten zu zwei Messzeitpunkten. 12 Studien werten die Daten ausschließlich quantitativ aus, 3 Arbeiten nutzen sowohl quantitative als auch qualitative Methoden. In 8 Arbeiten werden regulär und vorzeitig entlassene Patienten in Bezug auf ausgewählte Variablen verglichen. Zusätzlich werden innerhalb der Gruppe vorzeitig entlassener Patienten Vergleiche zu dem Zeitpunkt (früh vs. spät) und der Art der Beendigung (Beendigung durch den Therapeuten vs. Beendigung durch den Patienten) berechnet. Die statistische Auswertung der Gruppenunterschiede erfolgt mit univariaten Testverfahren (t-Test, χ2-Test). In 2 Arbeiten werden zusätzlich prognostische Fragestellungen mit regressionsanalytischen Modellen überprüft. Eine zusammenfassende Cha▶ Tab. 3. rakterisierung der Studien befindet sich in ●

Methodische Bewertung der Studien Die methodische Qualität der Studien variiert beträchtlich (Tab. 2, im Internet). Im Möglichkeitsbereich von 1 bis 3 Punkten (1 = niedrige, 3 = hohe Studienqualität) weisen 4 Arbeiten ( < 1,5 Punkte) deutliche methodische Mängel auf. 5 Studien erreichen eine mittlere, 6 eine überdurchschnittlich gute Bewertung ( > 2,5 Punkte). Im Schnitt liegt die methodische Qualität der Studien mit 2,1 Punkten im mittleren Bereich. Nur in wenigen Arbeiten wurden vorab klare Fragestellungen und Hypothesen formuliert. Die Suche nach Prädiktoren hat meist einen explorativen Charakter und resultiert häufig in multiplen statistischen Testungen. Wenngleich die statistischen Verfahren größtenteils angemessen sind, wird kaum beschrieben,

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15 Studien

2008 2007 2006 2005 2005 2002 2002 2001 2000 2000 1999

1999 1998 1995 1994

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12 13 14 15

Setting

R KH R R R R KH R KH R R

KH R R R

Erstautor

Zwerenz et al.1 Klauer et al.2 Lang et al.3 Barghaan et al.3 Paar et al.4 Damke et al.5 Donaubauer et al.6 Mussgay et al.7 Lieberz et al.8 Lotz-Rambaldi et al.3 Schulz et al.3

Wilmers et al.6 Cronjaeger et al.9 Costa2 Paar et al.4 209 325

3 083

184

402 6 686 586

NG 2 059 381 4 153 63 3 037 104 157 829 645 306 A: 2 699 B: 2 215 144 239 734 382

NS

Stichprobengröße

E E E E

E E RV RV E E E E E RV E

Daten

x

Bew

x x x

x

x x x x

x x x

Auf

x x

x

x

Ent

Messzeitpunkte

x

x

x

Kat

x

x x

x x x x

x x

x

V/R

x

x

x

Art

Vergleiche

x

x

x x x

x x

Zeit

x

x

Reg

x x x x

x x x

x x x x

x x

Retro

x

x

Prosp

Methodik

x x x x

x x x x x x x x x x x

QT

x

x

x

QL

* ** ** *

*** *** *** *** ** * ** *** ** ** ***

Qualität

[38] [48] [26] [33]

[32] [35] [31] [37] [36] [47] [41] [28] [27] [34] [30]

Literatur

Literatur: Literaturangaben zur jeweiligen Studie.

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Qualität: Bewertung der methodischen Qualität der Studie: * 1–1,5 Punkte, **1,6–2,4 Punkte, ***2,5–3 Punkte (zur Berechnung, siehe Tab. 2 im Internet).

Methodik: Retro: retrospektives Studiendesign, Prosp: prospektives Studiendesign, QT: quantitative Methodik, QL: qualitative Methodik.

vorzeitiger Therapiebeendigungen mit regressionsanalytischen Modellen.

Vergleiche: V/R: Vergleich von vorzeitig und regulär entlassenen Patienten, Art: Vergleich unterschiedlicher Arten der vorzeitigen Therapiebeendigung, Zeit: Vergleich unterschiedlicher Zeitpunkte der vorzeitigen Therapiebeendigung, Reg: Vorhersage

Messzeitpunkte: Bew: Bewilligung der Maßnahme, Auf: Aufnahme, Ent: Entlassung, Kat: Katamnese.

Daten: E: Evaluationsdaten, RV: Daten der Rentenversicherungsträger.

Stichprobengröße: NG: Gesamtstichprobe, NS: Stichprobe der Studienteilnehmer, A/B: Die Studie von Schulz et al. (1999) enthält Angaben für zwei unterschiedliche Stichproben.

Setting: R: Rehabilitationsbehandlung, KH: Krankenhausbehandlung.

nik, St. Franziska Stift Bad Kreuznach; 8 Klinik für psychosomatische & psychotherapeutische Medizin, Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim; 9 Psychosomatische Fachklinik Bad Herrenalb.

klinink für psychosomatische Medizin & Psychotherapie, Gelderland; 5 Eifelklinik Manderscheid, Klinik für psychosomatische Medizin; 6 Werner-Schwidder-Klinik für psychosomatische Medizin & psychotherapeutische Medizin; 7 Psychosomatische Fachkli-

Institutionen: 1 Klinik für psychosomatische Medizin & Psychotherapie, Bad Neustadt/Saale; 2 Klinik für psychosomatische & psychotherapeutische Medizin, Universitätsklinik Rostock; 3 Zentrum für psychosoziale Medizin, Hamburg-Eppendorf; 4 Fach-

Jahr



Tab. 3 Darstellung der Studiencharakteristika.

Übersicht 301

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302 Übersicht

Operationalisierung vorzeitiger Therapiebeendigungen (Fragestellung a) In den meisten Studien werden die Begriffe der „vorzeitigen Therapiebeendigung“ und des „Therapieabbruchs“ synonym verwendet. Nur wenige Studien enthalten exakte Angaben zur Operationalisierung der vorzeitigen Therapiebeendigung. Beschrieben wird in der Regel lediglich, dass es sich um „Entlassungen vor dem geplanten Ende“ oder um „nicht regulär kodierte Entlassungen“ handelt. Eine zeitliche Eingrenzung nimmt lediglich Costa [25] vor, indem er nur Entlassung im ersten Monat der Therapie berücksichtigt. In 2 Studien werden ausschließlich Therapieabbrüche, d. h. patientenseitige Abbrüche gegen den ärztlichen Rat, einbezogen [26, 27]. 11 Studien differenzieren weiter nach dem Zeitpunkt der vorzeitigen Entlassung. Erfolgt diese in den ersten beiden Wochen, wird von einer frühen Behandlungsbeendigung gesprochen. Nach vier Wochen spricht man von einer späten Behandlungsbeendigung. Die in den einzelnen Studien definierten Zeiträume ▶ Tab. 4 entnommen werden. können der ●

Häufigkeit vorzeitiger Therapiebeendigungen (Fragestellung b) 12 der 15 Studien enthalten prozentuale Angaben zur Häufigkeit ▶ Tab. 4 hervorvorzeitiger Therapiebeendigungen. Wie aus ● geht, werden zwischen 7,1 % und 27,3 % der Patienten vorzeitig entlassen. In 5 Arbeiten liegt der Anteil an vorzeitigen Therapiebeendigungen unter 10 %, in 4 Studien zwischen 10 und 20 % und in weiteren 4 Studien über 20 %. Insgesamt werden 12,5 % der Behandlungen vorzeitig beendet. Die Patienten werden aus der Krankenhausbehandlung mit 16,4 % etwas häufiger vorzeitig entlassen als aus der Rehabilitationsbehandlung (12,3 %). Es kann davon ausgegangen werden, dass ca. ein Drittel (11,5– 48,0 %) der vorzeitigen Beendigungen der Therapie bereits in den ersten beiden Wochen erfolgt. Die meisten Patienten verlassen die psychosomatische Rehabilitationsbehandlung zwischen der dritten und vierten Therapiewoche, die stationäre Krankenhausbehandlung ca. zwei Wochen später. 8 Studien bieten Angaben zur Art der vorzeitigen Therapiebeendigung. Die Umstände der Entlassung werden meist direkt beim Therapeuten erfragt, z. B. anhand eines Items im Therapeutenfragebogen der PsyBado [28]. Der größte Teil der vorzeitig beendeten Therapien wird im Einvernehmen zwischen Therapeut und Patient beendet (29,1–79,2 %). Etwas weniger häufig ist der Therapieabbruch durch den Patienten (7,6–51,8 %) oder eine

vorzeitige Beendigung der Therapie durch den Therapeuten (4,7–14,7 %). Eine Verlegung in eine andere Einrichtung (3,5– 6,4 %) sowie Abbrüche aus sonstigen, z. B. disziplinarischen Gründen (1,2–5,3 %), sind weitaus seltener.

Gründe vorzeitiger Behandlungsbeendigungen (Fragestellung c) Unterschiede zwischen vorzeitig und regulär entlassenen Patienten wurden vor allem für soziodemografische, sozialmedizinische und klinische Variablen untersucht. Zu weiteren patientenseitigen Gründen, wie z. B. der Krankheitswahrnehmung, der Therapiemotivation, den Persönlichkeitseigenschaften, oder zu den von den Patienten selbst genannten Gründen liegen jeweils ▶ Tab. 5 haben wir Ergebnisse zu nur einzelne Ergebnisse vor. In ● den Merkmalen zusammengefasst, die in mindestens 3 Studien erwähnt wurden (siehe methodische Erläuterungen zur Datensynthese). Soziodemografische Variablen. Die konsistentesten Ergebnisse liegen für die soziodemografischen Variablen Alter und Erwerbstätigkeit vor. In 7 von 9 Arbeiten sind Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, jünger als die regulär entlassenen Patienten. Der durchschnittliche Altersunterschied zwischen beiden Gruppen beträgt je nach Studie zwischen 2 und 5 Jahren (vorzeitig: 39–43 Jahre, regulär: 42–48 Jahre). Schulz et al. [29] beschreiben ca. 10 % mehr vorzeitige Behandlungsbeendigungen bei Patienten unter 30 Jahren. Gut belegt (3/4) ist auch die Bedeutung der Erwerbstätigkeit: Patienten, die vor dem Therapiebeginn einer beruflichen Tätigkeit in Voll- oder Teilzeit nachgegangen sind, bleiben häufiger bis zum regulären Ende in Therapie. Vorzeitig entlassene Patienten sind hingegen eher arbeitslos, im Haushalt tätig oder befinden sich noch in der Ausbildung [29]. Die Variablen Familienstand, Schulabschluss und Geschlecht stehen abgesehen von Einzelergebnissen nicht im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung der Behandlung. Auch die seltener getesteten Variablen Nationalität, Haushaltssituation und beruflicher Status erweisen sich für die Prädiktion von Therapieabbrüchen als ungeeignet. Sozialmedizinische Variablen. Ein höheres Risiko für eine frühzeitige Behandlungsbeendigung besteht bei Patienten mit einem laufenden Rentenantrag oder einer bereits bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente. Dasselbe gilt für eine länger bestehende Arbeitsunfähigkeit. Ab 120 AU-Tagen [30] bzw. ab 25 AUWochen [29] steigt die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Therapie. Inwieweit die Vorerfahrung mit anderen ambulanten oder stationären psychotherapeutischen Behandlungen das Risiko einer vorzeitigen Entlassung beeinflusst, etwa aufgrund der größeren Vertrautheit mit den Zielen und Vorgehensweisen in der Psychotherapie, bleibt unklar. In 3 Studien haben vorzeitig entlassene Patienten häufiger noch keine Therapievorerfahrung. Bei Schulz et al. [29] hingegen beenden Patienten mit mehr als zwei psychotherapeutischen Vorbehandlungen die Therapie häufiger vorzeitig. Der Einfluss der Krankheitsdauer lässt sich aus den wenigen Daten nicht erschließen [29, 31]. In einer Einzelstudie werden sowohl extrem kurze ( < 1 Woche) als auch extrem lange Wartezeiten ( > 30 Wochen) im Vorfeld der Behandlungsmaßnahme mit einem erhöhten Risiko für eine vorzeitige Behandlungsbeendigung assoziiert [29]. Klinische Variablen. In 5 Studien unterscheiden sich die Diagnosen der vorzeitig entlassenen Patienten signifikant von den Diagnosen der regulär entlassenen Patienten. Es kann zwar aufgrund der allgemeinen Testung (Chi2-Test bei mehr als vier Fel-

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inwieweit die Voraussetzungen der jeweiligen statistischen Auswertungsverfahren (z. B. Normalverteilung, Varianzhomogenität) geprüft wurden und ob ggfs. erforderliche Korrekturen (z. B. Bonferroni-Korrektur des Alpha-Niveaus bei multipler Testung) vorgenommen wurden. Konfundierende Variablen wurden kaum kontrolliert. Die Daten beziehen sich meistens nur auf einen einzigen Messzeitpunkt und eine Datenquelle (Selbst- oder Fremdeinschätzung). Bei einem Drittel der Studien ist die Dokumentation der Studienergebnisse unzulänglich, d. h. deskriptive Angaben (Mittelwert, Standardabweichung, %-Werte, N) und statistische Kennwerte (p-Werte, α-Niveau, Effektstärken) fehlen. Die methodischen Schwachstellen der Studien und die damit einhergehenden Verzerrungen der Ergebnisse werden unzureichend kritisch diskutiert. Die Stichprobengröße, die Qualität der Messinstrumente sowie die Beschreibung des Studiendesigns und der Studiendurchführung entsprechen dagegen weitgehend den üblichen Standards.

Anteil vorzeitiger

20,6 2

26,8 8,7 2 7,1 8,7 2 14,7 8,3 21,4–30,1 4 15,4 16,7

3 037S

157S 829S 645S 3 083G 2 699S 2 215S

325G 734S

% 15,7 27,3 7,5

Beendigungen

N 2 059S 402G 4 153S

G/S

Stichprobe

34–37 4 22,7

46,3

75–80 4 57,6

70,2

45,4 43,2

28,0 26,4 42,7

MW 39,9

MW 27,8

Regulär

63–73 4 52,2

39,7 31,9 83,3

MW 38,0 65,8

Gesamt

Behandlungsdauer (Tage) Vorzeitig

< 14 < 14

27,0 32,0

< 14 14 > 20

OP 14–28 > 10 15–28

Mittel

> 28 > 28

2

43,2 26,0

> 28

32,0 2

> 28

> 28

34,6 1

69,0

OP > 28

% 52,6 1

Spät

Zeitpunkt der vorzeitigen Behandlungsbeendigung *

59,1 2 62,4 77,7 5,3–9,3 4

35,8–63,2 3

% 79,2 1 29,1

17,1 2 20,5 7,6 9,1–16,0 4

24,6–47,7 3

% 16,1 1 51,8

Patient

12,3 2 9,6 14,7 1,0–4,9 4

4,8–11,3 3

% 4,7 1 8,2

Therapeut

0–5,5 4

6,3 2 3,5

4,5

6,4

5,2 2 4,0

1,2–5,3

%

Sonstiges

%

Verlegung

Art der vorzeitigen Behandlungsbeendigung * Beidseitig

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der %-Werte beziehen sich auf: 3 Untergruppen vorzeitiger Behandlungsbeendigungen, 4 unterschiedliche Auswertungsjahre.

erhöhen, umgerechnet. 2 Fehlende Prozentangaben wurden, nach Möglichkeit, aus den vorhandenen Kennwerten neu berechnet. 3, 4 Eine Umrechnung der %-Werten war aufgrund fehlender Kennwerte, nicht möglich. Die angegebenen Spannweiten

*: Aufgeführt ist die derzeit in der Literatur am häufigsten verwendete Operationalisierung des Zeitpunktes und der Art vorzeitiger Behandlungsbeendigungen. 1 Ergebnisse aus Studien mit anderen Einteilungen, wurden, um die Vergleichbarkeit zu

OP: Operationalisierung der frühen, mittleren und späten vorzeitigen Behandlungsbeendigung in Tagen.

MW: Mittelwert

Behandlungsbeendigungen für jedes Auswertungsjahr einzeln, ein Mittelwert lässt sich aufgrund fehlender Kennwerte nicht berechnen.

vorzeitiger Behandlungsbeendigungen. In diesen Studien werden die Patienten, die die Therapie vorzeitig beendet haben mit einer gleich großen Gruppe von regulär entlassenen Patienten verglichen. Die Studie 12 nennt den Anteil an vorzeitigen

NG/S: Stichprobe (G Gesamtstichprobe, S Stichprobe der Studienteilnehmer, siehe ● ▶ Tab. 3), auf die sich die Angabe zum Anteil vorzeitiger Beendigungen der jeweiligen Studie bezieht. In den Studien 4, 6 und 15 fehlen Angaben zum mittleren Anteil

N° 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 A 11 B 12 13 14 15

Studie

Tab. 4 Darstellung der Häufigkeit, der Zeitpunkte und der Arten vorzeitiger Behandlungsbeendigungen.

Übersicht 303

304 Übersicht

Tab. 5 Zusammenhänge zwischen häufig (in > als 3 Studien) untersuchten Variablen und der Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Behandlungsbeendigung.

Soziodemografische Variablen Alter Geschlecht (Männer) Partnerschaft (Ja) Schulabschluss (Hoch) Erwerbstätigkeit (Ja, in Vollzeit od. Teilzeit) Sozialmedizinische Variablen Arbeitsunfähigkeit (AU) vor Aufnahme (Ja) Dauer der Arbeitsunfähigkeit Rente oder Rentenantrag bei Aufnahme (Ja) psychotherapeutische Vorbehandlungen (Ja) Klinische Variablen Psychische Diagnose F10: Substanzabhängigkeit/-missbrauch F30: Affektive Erkrankungen F40–42: Angst- und Zwangsstörungen F43: Belastungs- und Anpassungsstörungen F45: Somatoforme Störungen F50: Essstörungen F60: Persönlichkeitsstörungen Somatische Diagnose Psychische Belastung Selbsteinschätzung prä post Veränderung Fremdeinschätzung (Therapeut) prä post Veränderung

1

2

− 0

3

4

8

9

10

11A

11 B

13

(−)*1 0

− 0 0 0

− 0

0 0 0 −

− 0 0 0

(−)*2



0 +

0 0 (−)*

0

0

+

0

+ 0 (−)

(−)* 0 + −

0 ( + )*3 +

0 0 0 0



( )*

+ − ( )* (+)

(−) (+) (+) (+) (+) (+)

0 (+)*4 0 (+)*5

0

( )*

(+) (−)



−a 0a −c,d

0 0

0 0 + 0

(+) (+) (+)

0e

0b +b −c

−a,g,h,i

0f

0

( )* (+) (−) (−)

( )* (0) (−) (−)

(0) (+) (+)

(+)

0

(+) (+)

0j 0j −k

0

0b (−)*6

(−)*6

Anmerkungen 0: kein signifikanter Zusammenhang. + /−: positiver bzw. negativer signifikanter Zusammenhang zwischen dem links aufgeführten Merkmal und der Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Behandlungsbeendigung. Die Signifikanztestung erfolgte auf einem Alphafehlerniveau von 5 %. In Studie Nr. 3 wurde ein nach Bonferroni adjustiertes Signifikanzniveau von α = 0,0003 verwendet. ( )*: Signifikantes Ergebnis eines χ2-Testes mit mehr als vier Feldern. Es können keine Aussagen zur Signifikanz der Unterschiede in den einzelnen Unterkategorien der Variablen getroffen werden (siehe Erläuterungen in Kapitel 2.3). Die deskriptive Beschreibung der Unterschiede ist in Klammern angegeben und wird unter den Punkten 1–6 erläutert. 1–6

a–k

Erläuterungen zur Richtung der Ergebnisse:

Erläuterungen zu den verwendeten Messinstrumenten/Skalen:

1

a

GSI, SCL-90-R

2

b

Gesamtwert BSS

h

3

c

Direkte Veränderungseinschätzung

i

Interpersonelle Belastung, IIP

4

d

Gesamtwert VEV-K

j

retrospektive Einschätzung, SF36

5

e

Skala „Krankheitserleben“, FMP

k

Erreichung der Therapieziele

Anteil an vorzeitigen Beendigungen geringer bei Patienten unter 39 Jahren Anteil an vorzeitigen Beendigungen geringer bei Patienten unter 30 Jahren Anteil an vorzeitigen Beendigungen erhöht bei mehr als 120 AU-Tagen Anteil an vorzeitigen Beendigungen erhöht bei mehr als 25 AU-Wochen Anteil an vorzeitigen Beendigungen erhöht bei mehr als 2 Vorbehandlungen

g

Depressivität, ADS Ängstlichkeit, STAI

6

Anteil an positiven Veränderungen geringer bei allen Arten vorzeitiger Beendigungen f Item „Leidensdruck“, OPD

dern, ohne Testung von Kontrasten) keine Aussage über die Signifikanz der Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Diagnosen getroffen werden. Aus den deskriptiven Daten lässt sich jedoch die Richtung der Zusammenhänge ablesen. Patienten, die die Behandlung vorzeitig beenden, leiden tendenziell häufiger unter Persönlichkeitsstörungen (5/5), Essstörungen (3/4) und somatoformen Störungen (3/5). Eine komorbide Substanzabhängigkeit wird in 2 von 4 Studien mit einer vorzeitigen Beendigung in Verbindung gebracht. Patienten mit affektiven Störungen beenden die Therapie hingegen eher regulär (3/3). Für Angst- und Zwangsstörungen, Anpassungsstörungen und somatische Zusatzdiagnosen sind die Ergebnisse inkonsistent, d. h., es werden sowohl positive als auch negative Zusammenhänge genannt. Eine Studie weist bei Patienten mit vorzeitiger Behandlungsbeendigung eine höhere Suizidalität in der Vorgeschichte nach [31]. Überraschenderweise wird in einer Studie berichtet, dass vorzeitig entlassene Patienten häufiger nur wegen einer einzigen Diagnose behandelt wurden [29].

Symptombelastung. Entgegen den Erwartungen schätzen sich vorzeitig entlassene Patienten zu Therapiebeginn als weniger stark belastet ein als die regulär entlassenen Patienten (2/5). In der Therapeuteneinschätzung spiegelt sich dieser Unterschied jedoch nicht. Zum Therapieende erleben sich beide Patientengruppen als gleich stark belastet. Die Therapeuten schreiben jedoch den vorzeitig entlassenen Patienten höhere Belastungswerte zu [31]. Diese Diskrepanz zwischen der Selbst- und der Fremdeinschätzung zeigt sich nicht bei der direkten Beurteilung des Behandlungsergebnisses. Patienten mit vorzeitiger Behandlungsbeendigung geben rückblickend an, weniger von der Therapie profitiert zu haben. Dieses Ergebnis wird auch von den Therapeuten bestätigt [29]. Besonders niedrig schätzen die Therapeuten den Anteil an Verbesserungen bei Patienten ein, die die Therapie gegen ärztlichen Rat abbrachen oder in eine andere Einrichtung verlegt wurden [29]. Behandlungsdauer. Ein Zusammenhang zwischen der Behandlungsdauer und dem Therapieergebnis konnte in einer Stu-

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Studie N °

Übersicht 305

Vorhersage der vorzeitigen Behandlungsbeendigung (Fragestellung d) In 2 Studien [26, 34] wurden regressionsanalytische Modelle zur Vorhersage von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen berechnet. Die Ergebnisse werden hier kurz zusammengefasst. Klauer et al. [34] untersuchen die prädiktive Validität der Therapiemotivation sowie soziodemografischer und klinisch-diagnostischer Merkmale. In einem regressionsanalytischen Modell können Sie drei Variablen identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Behandlungsbeendigung verringern, nämlich ein geringes Krankheitserleben (OR: 0,44), ein niedriger Leidensdruck (OR: 0,42) und die Überzeugung, dass Psychotherapie die geeignete Maßnahme zur Behandlung der Beschwerden sei (OR: 0,59). Von den soziodemografischen und den klinischen Variablen trägt lediglich eine „vorhandene Partnerschaft“ (OR: 2,07) zur Vorhersage einer frühzeitigen Behandlungsbeendigung bei. Diese Patienten verlassen laut Interpretation der Autoren, die Therapie früher, weil sie ihre Partner vermissen oder weil sie aufgrund eines sekundären Krankheitsgewinnes weniger Veränderungsbereitschaft mitbringen. Denkbar ist auch, dass diese Patienten, aufgrund ihres sozialen Rückhaltes nur eine geringere Therapiedosis benötigen. Insgesamt konnte mit dem Modell nur eine geringe Varianzaufklärung (R2 = 0,12) erreicht werden.

Im logistischen Regressionsmodell von Lieberz et al. [26] erwiesen sich die Variablen Schulabschluss (OR: 0,53), Geschwister (OR: 0,39) und Diagnose (OR: 0,52) als prädiktiv. Patienten ohne regulären Schulabschluss und Patienten, die als Einzelkind aufgewachsen sind, beenden die Therapie eher vorzeitig. Prädiktiv sind zudem die Diagnosen einer Ess- oder einer Angststörung. Über den Anteil an aufgeklärter Varianz wird in dieser Studie keine Angabe gemacht.

Diskussion



Die Entscheidung, eine stationäre psychotherapeutische Behandlung vorzeitig zu beenden, ist, egal ob diese Entscheidung vom behandelnden Therapeuten oder vom Patienten ausgeht, in der Regel das Ergebnis eines komplexen Interaktionsprozesses, in den Aspekte des Patienten, des Therapeuten, der therapeutischen Beziehung und des Krankenhaussettings hineinspielen. Lang und Mitarbeitern [30] ist zuzustimmen, wenn sie zusammenfassen, dass „eine Vorhersage von Abbrüchen bisher nicht möglich ist“, denn, „so wenig wie ein Abbrecher existiert, der sich in soziodemografischen oder psychodiagnostischen Begriffen beschreiben lässt, gibt es offenbar einen Abbrechertyp, der sich durch eine besondere motivationale Ausgangslage kennzeichnen lässt“ (S. 273). Trotz dieser Einschränkung und des Hinweises auf die Gefahr einer vorschnellen Generalisierung von Einzelbefunden ist die Untersuchung der möglichen Gründe für vorzeitige Beendigungen stationärer Behandlungen klinisch relevant. Wir wollen im Folgenden die wichtigsten der oben referierten Befunde zusammenfassen und Perspektiven für die weitere Forschung skizzieren. In der vorliegenden Arbeit wurden Ergebnisse aus 15 Studien zu den Ursachen von vorzeitigen Beendigungen stationärer Behandlungen in der psychosomatischen Krankenhausbehandlung und Rehabilitation in Deutschland ausgewertet und zusammengefasst. Von den 100 000 jährlich behandelte Patienten beenden etwa 12 500 Patienten (12,5 %) die Therapie vor dem ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt. Etwa ein Drittel der Patienten verlässt die Behandlung bereits in den ersten beiden Wochen. Die meisten vorzeitigen Beendigungen geschehen in beidseitigem Einvernehmen zwischen Therapeut und Patient.

Vorhersage von Therapieabbrüchen Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, sind im Vergleich zu regulär entlassenen Patienten, jünger, häufiger erwerbslos, bzw. seit längerer Zeit arbeitsunfähig und haben bereits öfter einen Rentenantrag gestellt. Sie leiden vermehrt unter Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen und somatoformen Störungen und weniger häufig unter depressiven Erkrankungen. Zudem schätzen sie sich selbst als weniger stark belastet ein und profitieren in geringerem Maße von der Behandlung. Neben den soziodemografischen und klinischen Patientenmerkmalen spielen die überraschenderweise seltener untersuchten motivationalen Variablen eine wichtige, wenn nicht sogar entscheidende Rolle in der Vorhersage von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen [34]. Vorzeitig entlassene Patienten wünschten sich detailliertere Informationen über das Behandlungsangebot sowie eine bessere Abstimmung der Therapieziele. Patienten, welche die Behandlung vorzeitig beenden, haben vermutlich ein stärker somatisch orientiertes Krankheitsverständnis und sind weniger motiviert, sich auf eine Behandlung mit psychotherapeutischem Schwerpunkt einzulassen. Die Nichter-

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die nachgewiesen werden. Früh beendete Behandlungen ( < 2 Wochen) führen nach dem Therapeutenurteil nur in 7 % der Fälle zu Besserungen. Wird die Behandlung erst nach einem Monat beendet, werden bereits bei zwei Dritteln der Patienten Verbesserungen im Gesamtbefinden beschrieben [29]. Krankheitsattribution und Therapiemotivation. Aus Einzelergebnissen geht hervor, dass vorzeitig entlassene Patienten ein eher somatisch orientiertes Krankheitskonzept [32] haben. Sie werden von den Therapeuten zudem als weniger motiviert eingeschätzt [31] und scheinen mehr Schwierigkeiten zu haben, sich auf eine psychotherapeutische Behandlung einzulassen [27, 33]. In einer Studie von Klauer et al. [34] stehen ein geringes Krankheitserleben und ein hoher sekundärer Krankheitsgewinn im Zusammenhang mit vorzeitigen Behandlungsbeendigungen. Paar et al. [35] beschreiben, dass vorzeitig entlassene Patienten ihre Symptome und Probleme weniger gut wahrnehmen und seelische Schwächen und Probleme stärker abwehren. Patientenseitige Gründe. Werden die Patienten direkt nach den Ursachen der vorzeitigen Behandlungsbeendigung gefragt, nennen sie meist mehr als drei Gründe. Zwei Drittel der Patienten machen klinikinterne Gründe für die vorzeitige Beendigung der Behandlung verantwortlich. Ein Drittel nennt vorwiegend klinikexterne Ursachen, wie z. B. berufliche Verpflichtungen, familiäre Probleme, Heimweh oder Probleme mit dem Kostenträger [27, 32]. Häufig erwähnt werden auch nicht berücksichtigte somatische Behandlungswünsche, ein nicht eingetretener Therapieerfolg, fehlende Therapiemotivation, Unzufriedenheit mit dem Behandlungsangebot oder Schwierigkeiten mit den Mitpatienten [27, 36]. In einer anderen Studie geben Patienten, die die Behandlung vorzeitig beendeten, an, dass sie sich mehr Informationen zur Behandlung und eine bessere Abstimmung der Behandlungsziele gewünscht hätten [33]. Auch organisatorische Aspekte, wie z. B. ein Therapeutenwechsel oder die Unzufriedenheit mit der Unterbringung, der Verpflegung oder den Regeln des Hauses, tragen zur Entscheidung bei, die Therapie vorzeitig zu beenden [26, 37].

füllung der Behandlungswünsche kann zu Unzufriedenheit führen, die wiederum eine frühzeitige Beendigung begünstigt. Eher unmotiviert sind in der Regel auch diejenigen Patienten, die bspw. wegen eines laufenden Rentenverfahrens zur stationären Behandlung geschickt werden [38, 39]. Bisher viel zu wenig untersucht wurde der Einfluss von Variablen, die den behandelnden Therapeuten und die therapeutische Beziehung betreffen. In ambulanten Studien wurden mehr vorzeitige Therapiebeendigungen bei unerfahrenen oder weniger empathischen Therapeuten nachgewiesen. Zudem beendeten die Patienten ihre ambulante Psychotherapie häufiger frühzeitig, wenn es in der ersten Therapiephase nicht gelang, eine positive therapeutische Beziehung herzustellen [10, 12–15]. Der Einfluss dieser Variablen in einem multimodalen stationären Setting bleibt unklar. Nicht untersucht wurde zudem, ob und in welchen Fällen ein Therapeutenwechsel eine vorzeitige Beendigung der Therapie begünstigen oder ggf. verhindern kann.

Ist die vorzeitige Beendigung der Behandlung gleichbedeutend mit therapeutischem Misserfolg? Rückblickend berichten vorzeitig entlassene Patienten über eine geringere Veränderung der Symptomatik als regulär entlassene Patienten. Diese direkte Beurteilung der Veränderung, wie sie häufig in retrospektiven Studien eingesetzt wird, ist möglichen Verzerrungen ausgesetzt. So ist es denkbar, dass unzufriedene, enttäuschte oder verärgerte Therapieabbrecher die Behandlung im Nachhinein als weniger wirksam bewerten. Die indirekten Verlaufsdaten weisen darauf hin, dass Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, bereits zu Therapiebeginn weniger stark belastet waren. Ist die Anfangsbelastung geringer, so ist auch der Möglichkeitsraum für eine Veränderung während der Therapie reduziert. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass die niedrigere Anfangsbelastung sich nur in der Selbsteinschätzung der Patienten zeigt. Möglicherweise haben Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, die Tendenz, ihre Symptomatik zu Therapiebeginn zu unterschätzen. Diese Vermutung deckt sich mit dem Befund, dass sie ihre seelischen Probleme scheinbar weniger gut wahrnehmen können, z. B. aufgrund eines stärker somatisch orientierten Krankheitsverständnisses. Unterschiede in der Selbst- und Fremdeinschätzung finden sich auch zum Therapieende. Die Therapeuten schätzen vorzeitig entlassene Patienten als stärker belastet ein als regulär entlassene Patienten. Dieser Unterschied zeigt sich wiederum nicht in der Selbsteinschätzung. Zum einen ist es möglich, dass Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, auch zum Therapieende ihre Symptomatik nicht angemessen wahrnehmen. Dies würde z. B. darauf hinweisen, dass es ihnen während der Therapie nicht gelungen ist, ein Krankheitsbewusstsein zu entwickeln. Es ist allerdings auch denkbar, dass die Therapeuten die Symptombelastung von vorzeitig entlassenen Patienten zu Therapieende überschätzen. Wenn es um die erreichten Therapieergebnisse geht, darf die Dauer der Behandlung nicht außer Acht gelassen werden. Mit jeder Behandlungswoche steigt die Chance auf eine positive Veränderung der Symptomatik [29]. Nach einer Behandlungszeit von einem Monat hat sich die Symptombelastung auch in der Gruppe der vorzeitig Entlassenen bereits deutlich verbessert.

Operationalisierung und Dokumentation vorzeitiger Behandlungsbeendigungen Der Anteil an vorzeitigen Beendigungen der Therapie variiert zwischen den Studien beträchtlich (7,1–27,3 %). Drei Gründe

spielen hierbei eine besondere Rolle: (1) die unterschiedlichen Definitionen und Operationalisierungen der vorzeitigen Beendigung, (2) die Unterschiede in der Dokumentation und (3) Besonderheiten der Einrichtungen. Wir wollen diese Einflussfaktoren im Folgenden diskutieren. 1) In den meisten Studien fehlt eine genaue Definition bzw. eine Operationalisierung der vorzeitigen Behandlungsbeendigung. Beschrieben wird in der Regel lediglich, dass Entlassungen irregulär oder vor dem geplanten Ende erfolgten. Es bleibt dabei unklar, inwieweit hiermit z. B. das vom Kostenträger genehmigte oder das vom Therapeuten bzw. vom Patienten geplante Therapieende gemeint ist. Nur selten wird spezifiziert, was unter einer „nicht-regulären Beendigung“ zu verstehen ist oder von wem die Beendigung als „irregulär“ eingeschätzt wurde (Therapeut oder Patient). In den meisten Studien scheint die vorzeitige Beendigung der Therapie anhand der Datumsdifferenz zwischen dem vom Kostenträger genehmigten und dem wahren Therapieende definiert worden zu sein. Vieles spricht für die Annahme, dass der Anteil vorzeitiger Behandlungsbeendigungen unmittelbar mit der Operationalisierung zusammenhängt. In 2 Arbeiten, in denen eine eng gefasste Definition verwendet wurde, ist der Anteil an vorzeitigen Beendigungen entsprechend niedrig [26, 27]. Höhere Raten werden hingegen in Kliniken mit breiten Definitionen („alle vorzeitigen Entlassungen“) berichtet [31, 37, 40]. 2) Die Häufigkeit vorzeitiger Behandlungsbeendigungen wird nicht nur durch die Operationalisierung, sondern auch durch die Art der Dokumentation beeinflusst. So ist es möglich, dass der Anteil an vorzeitigen Beendigungen unterschätzt wird, da diese, um Nachteile für den Patienten (z. B. beim Kostenträger) zu vermeiden, nicht als solche kodiert werden. Letztendlich entscheidet der behandelnde Therapeut selbst, inwieweit er eine frühzeitige Entlassung auch als solche dokumentiert. Das Dokumentationsverhalten dürfte sich besonders dann stark unterscheiden, wenn die Beendigungen in den ersten Tagen (vorzeitige Beendigung vs. Fehlindikation oder Kurzaufenthalt zur diagnostischen Abklärung) oder kurz vor dem geplanten Entlassungszeitpunkt erfolgt. Zudem ist es möglich, dass ein Therapeut, um seinen Ruf zu wahren, vom Patienten initiierte Therapieabbrüche nicht als solche kennzeichnet. 3) Besonderheiten der Einrichtungen, wie z. B. die Spezialisierung auf bestimmte Störungsbilder, die Qualität der Behandlung, die Erreichbarkeit der Einrichtung, die Infrastruktur, der Personalschlüssel oder der Umgang mit Regelverletzungen, können einen Einfluss auf den Anteil an vorzeitigen Behandlungsbeendigungen haben. Lieberz et al. [26] sehen bspw. die geringe Anzahl an patientenseitigen Therapieabbrüchen in ihrer Klinik als ein Ergebnis der strengen Auswahlverfahren, in denen die Motivation und die Eignung der Patienten für eine stationäre psychosomatische Behandlung bereits im Vorfeld geprüft werden. Zur Operationalisierung und Dokumentation von vorzeitigen Behandlungsabbrüchen möchten wir folgende Empfehlungen aussprechen: Es sollte nur dann von einem Therapieabbruch gesprochen werden, wenn der Patient die Behandlung gegen den ärztlichen Rat abbricht. In allen anderen Fällen schlagen wir die Verwendung des Begriffs der „vorzeitigen Beendigung der Behandlung vor“. Alle vorzeitigen Entlassungen sollten sorgfältig dokumentiert werden, d. h., es sollten Angaben zum Zeitpunkt, dem Urheber und den Gründen für die Beendigung der Therapie gemacht

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306 Übersicht

werden. Eine weitere Unterteilung in frühe ( < 14 Tage), mittlere (14–27 Tage) und späte vorzeitige Beendigungen ( > 28 Tage) ist empfehlenswert. Zudem sollte dokumentiert werden, wie die Entscheidung für die Behandlungsbeendigung zustande kam: im Einvernehmen zwischen Therapeut und Patient oder als einseitige Entscheidung durch den Therapeuten, den Patienten oder den Kostenträger. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Behandlung sollten möglichst differenziert beschrieben werden. Beispiele wären eine Verlegung in eine andere Einrichtung, eine Entlassung mit geplanter Wiederaufnahme, ein mangelnder Therapieerfolg, die Erreichung der Therapieziele, disziplinarische Gründe oder externe Gründe des Patienten. Die von den Therapeuten dokumentierten Gründe sollten durch Patientendaten (z. B. durch eine zusätzliche Frage in der Routineerhebung zum Therapieende oder zur Katamnese) ergänzt werden. Die aus der Dokumentation gewonnenen Erkenntnisse zu den Gründen vorzeitiger Therapiebeendigungen und insbesondere zu den Gründen von Abbrüchen sollten im therapeutischen Team diskutiert werden, damit daraus entsprechende qualitätsverbessernde Maßnahmen abgleitet werden können.

Methodische Einschränkungen Die hier dargestellten Befunde stützen sich überwiegend auf naturalistische Daten, die aus der Basisdokumentation der Kliniken zusammengestellt wurden. Bei den meisten der eingeschlossenen Arbeiten handelt es sich um Fall-Kontroll-Studien, in denen natürlich entstandene Untergruppen in Bezug auf mögliche Risikofaktoren verglichen werden. Diese Vergleiche erfolgen meist retrospektiv, d. h., es wird auf Daten zurückgegriffen, die zum Untersuchungszeitpunkt bereits vorlagen. Retrospektive Studien lassen jedoch lediglich Aussagen zu korrelativen Zusammenhängen zu und gestatten keine Aussagen über kausale Zusammenhänge. Naturgemäß können in retrospektiven Studien auch nur solche Variablen untersucht werden, die in der Basisdokumentation erhoben wurden. Es ist daher möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass nicht alle für die Fragestellung der vorzeitigen Behandlungsbeendigung relevanten Variablen erfasst wurden. In einigen Studien wurde eine retrospektive Auswertung bereits vorliegender Daten mit einer katamnestischen Nachbefragung kombiniert und es wurden Daten zu den möglichen Abbruchgründen, der Veränderung der Symptomatik, der Motivation zu Therapiebeginn usw. nacherhoben. Solche retrospektiven Einschätzungen sind jedoch methodisch nicht unproblematisch, da sie anfällig für eine Reinterpretation und Reevaluation der Ereignisse sind und daher die ursprünglichen Motive nicht genau wiedergeben. Es bleibt weiterhin offen, inwieweit die Stichproben als repräsentativ angesehen werden können. So fehlen z. B. für Patienten, die die Behandlung bereits kurz nach der Aufnahme verlassen oder in eine andere Einrichtung verlegt werden, häufig die Messungen zum Entlassungszeitpunkt. Bei Fragestellungen, die sich auf Verlaufsdaten stützen, wie z. B. die Frage nach den Therapieergebnissen, sind daher Verzerrungen nicht auszuschließen. So wird möglicherweise der Therapieeffekt in der Gruppe der vorzeitig beendeten Behandlungen überschätzt, da Daten aus sehr kurzen Behandlungen, d. h. aus Behandlungen mit mutmaßlich eher geringen Therapieeffekten, unterrepräsentiert sind. Die Gruppe der Patienten, die die Behandlung vorzeitig beendet, ist zudem in sich nicht homogen. Dies hängt mit der Unterschiedlichkeit der Gründe für eine vorzeitige Behandlungsbeendigung zusammen. In den meisten der dargestellten Studien werden jedoch innerhalb der Gesamtgruppe vorzeitig entlassener Patienten keine Subgruppen analysiert. Vergleiche inner-

halb der Gesamtgruppe sind wiederum wegen der Datenverluste und der Selektionseffekte schwierig. Die hier gegebene Übersicht basiert auf einer einfachen Auszählung (Box-Score-Technik) der gefundenen signifikanten Unterschiede und Korrelationen. Auf dieser Grundlage lässt sich jedoch keine Aussage zur Höhe der Zusammenhänge machen. Eine Berechnung von Effektstärken, wie sie z. B. in Metaanalysen von Therapieergebnisstudien üblich ist, kann aufgrund der methodischen Heterogenität der Studien und der häufig fehlenden statistischen Kennwerte nicht erfolgen. Auch Fragen zur prädiktiven Validität der einzelnen Faktoren sowie möglicher Mediator- oder Moderatoreffekte können anhand der vorliegenden Daten nicht geklärt werden. Lediglich 2 Studien testen den Vorhersagewert unterschiedlicher Variablen auf die Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Therapiebeendigung in regressionsanalytischen Modellen. Die Modelle klären jedoch insgesamt nur geringe Varianzanteile auf. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass bisher nicht alle relevanten Prädiktoren erfasst sind. Die einbezogenen Studien sind insgesamt von durchschnittlicher methodischer Qualität. Die methodische Bewertung der Studien wurde vorgenommen, um die Verlässlichkeit der einzelnen Studienergebnisse einschätzen zu können. Einschränkend muss angemerkt werden, dass das Rating der Studienqualität lediglich durch die Erstautorin erfolgte. Die Objektivität dieser Bewertungen ist demnach trotz der Orientierung an publizierten Richtlinien nicht abgesichert.

Forschungsperspektiven Die angesprochenen methodischen Probleme weisen auf die Notwendigkeit hypothesengeleiteter prospektiver Studien hin. Diese sind natürlich aufwändig, wenn man bedenkt, dass die mittlere Rate vorzeitiger Behandlungsbeendigungen bei etwa 12,5 % liegt. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse, etwa im Rahmen von Multizenterstudien, zu sichern, müsste konsentiert werden, was unter einem Therapieabbruch in der stationären psychosomatischen Versorgung zu verstehen ist. Ist es tatsächlich sinnvoll, vorzeitige Beendigungen unmittelbar vor Behandlungsende, Verlegungen aus medizinischen Gründen, Therapieunterbrechungen mit geplanter Wiederaufnahme und einseitig aufgrund einer Patientenentscheidung zustande gekommene Therapieabbrüche in einen Topf zu werfen? Prospektive Studien sind notwendig, setzen aber theoretische Annahmen voraus. Derzeit liegt lediglich ein Modell zur Genese von Therapieabbrüchen vor [24]. Ergebnisse methodisch gut fundierter qualitativer Studien, z. B. zu persönlichen Beweggründen von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen sowie den zugrunde liegenden Entscheidungsprozessen, könnten zur Entwicklung theoretischer Modelle genutzt werden, die in prospektiven Studien zu überprüfen wären. Ein wichtiges Forschungsdesiderat sind auch die kurz- und langfristigen Folgen von vorzeitigen Behandlungsbeendigungen. Wenngleich Patienten, die die Therapie vorzeitig beenden, weniger von der Behandlung zu profitieren scheinen, ist es jedoch auch falsch zu schlussfolgern, dass alle Therapieabbrüche therapeutische Misserfolge im Sinne einer ausbleibenden Veränderung der Symptombelastung darstellen. Auch Patienten, die die Behandlung vorzeitig beenden, zeigen therapeutische Effekte, und zwar mit ansteigender Dauer der Behandlung in zunehmendem Maße. Es bleibt ferner zu untersuchen, inwieweit sich Untergruppen mit unterschiedlichen Therapieverläufen oder unterschiedlich motivierten Beendigungen eruieren lassen. Es ist denkbar, dass Patienten mit einer geringeren Symptombelastung sich in einem

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Übersicht 307

308 Übersicht

Fazit für die Praxis Um vorzeitigen Behandlungsbeendigungen vorzubeugen, bzw. diese frühzeitig zu erkennen, kann der Therapeut bereits zu Therapiebeginn auf mögliche Risikomerkmale (z. B. Alter, Diagnose, Erwerbsstatus) beim Patienten achten. Neben diesen unveränderbaren Merkmalen haben nach der augenblicklichen Evidenzlage weitere in der Therapie gestaltbare Variablen (z. B. die Transparenz hinsichtlich der Therapieziele und des therapeutischen Vorgehens) einen Einfluss auf frühzeitige Beendigungen der Behandlung. Vorzeitige Therapiebeendigungen sollten sorgfältig dokumentiert werden, denn aus ihnen lassen sich Erkenntnisse ableiten, die zur Verbesserung der Therapiequalität beitragen können.

Danksagung



Ein herzlicher Dank gilt dem Fonds National de la Recherche du Luxembourg (FNR) für die finanzielle Unterstützung der vorliegenden Arbeit mit einem dreijährigen Promotionsstipendium.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ergänzendes Material Die Tabellen 1, 2 und die Literatur zu diesem Beitrag finden Sie unter http://doi10.1055/s-0034-1368730

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stationären Behandlungskontext „fehl am Platz“ fühlen und die stationäre Behandlung zugunsten einer ambulanten Psychotherapie vorzeitig beenden. Bei anderen Patienten tragen möglicherweise die fehlende Therapiemotivation und das fehlende Krankheitsbewusstsein zu einem vorzeitigen Ende der Therapie bei. Wie an diesen Beispielen deutlich wird, bedarf es einzelfallbezogener Analysen, um eine Aussage darüber zu treffen, inwieweit eine vorzeitige Behandlungsbeendigung nach der Definition von Haupt et al. [42] als ein erwünschtes oder unerwünschtes Ereignis [41, 42] mit positiven oder negativen Folgen eingeordnet werden kann. Der klinische Nutzen der Erforschung der Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Behandlung besteht darin, unerwünschte Ereignisse dieser Art zu verhindern und die Chance für ein optimales Therapieergebnis zu verbessern. Insofern sollte auf die Erkenntnis, welche Faktoren in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, die Überlegung folgen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um vorzeitige Beendigungen zu verhindern. Nach den vorliegenden Daten scheint eine wesentliche Variable für die Vermeidung von vorzeitigen Beendigungen die Vorbereitung der Patienten auf die Behandlung zu sein. Hierzu gehört die Erarbeitung einer Behandlungsmotivation ebenso wie ausreichende Information über die Art und Dauer sowie über mögliche Risiken und Nebenwirkungen der geplanten Behandlung [43]. Empfehlungen aus der Literatur zur Prävention von therapeutischen Misserfolgen im Allgemeinen, bspw. ein offener Umgang mit dem Thema im therapeutischen Team, in der Ausbildung und Supervision [43, 44], lassen sich auch zur Vermeidung von frühzeitigen Behandlungsbeendigungen anwenden und können helfen, ungünstige Auswirkungen auf die Patienten und die behandelnden Therapeuten zu verringern [45, 46].

[Premature termination of inpatient psychotherapy].

This systematic review examines the frequency and possible causes of premature termination of psychotherapeutic treatments. The literature search focu...
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