Leitthema Chirurg 2015 · 86:259–262 DOI 10.1007/s00104-014-2885-9 Online publiziert: 6. März 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

M. Jagodzinski1 · H. Kokemüller2 · P. Jehn2 · P. Vogt3 · N.-C. Gellrich2 · C. Krettek4 1 Orthopädie/Unfallchirurgie, Agaplesion Ev. Krankenhaus Bethel Bückeburg 2 Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover 3 Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover 4 Klinik für Unfallchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover

Präfabrikation von Knochentransplantaten

Die biologische Rekonstruktion von Röhrenknochendefekten kritischer Größe bleibt bis heute eine Domäne des Segmenttransports [9, 10]. Obwohl die Konstruktionen leichter und flexibler geworden sind, bestehen doch zahlreiche Nachteile des Verfahrens: F  Pin-Infektion: Dieser tritt in 50–100% während der Behandlungszeit auf [3, 8] und kann zur Pin-induzierten Osteitis führen. F  Je nach zugrunde liegender Komorbidität kommt es bei ca. 15% der Patienten zum Regeneratversagen bzw. zur Docking-site-Pseudarthrose [6]. F  Fehlstellung: Wegen der Gefahr der Fehlstellung nach Transportende können Korrekturoperationen notwendig werden [4, 6]. Zahlreiche Modifikationen der Behandlung mit Korrekturoptionen während des laufenden Segmenttransports, dem Verfahrenswechsel während des Transports und der zellulären Augmentation mit Stammzellkonzentraten wurden berichtet [2], von denen bisher keine in einer klinischen, prospektiv-randomisierten Studie untersucht wurde.

Neue Behandlungsmöglichkeiten In-vivo-Generierung von vaskularisierten Knochenkonstrukten Die einfachste Generierung von vaskularisierten Röhrenknochen gelingt in einem ersatzstarken Lager [11]. Hier ist bei ausreichender Stabilisierung mittels Marknagel, Platte oder Fixateur externe die direkte Applikation von Spongiosa aus dem Beckenkamm, mittels Reaming aus dem Femurschaft gewonnenen Osteozyten und Markraumspongiosa oder einer Mischung eines Knochenersatzstoffes mit osteogenen Zellen möglich. Das Verfahren hat aber eine deutliche Limitierung, da häufig die biologischen Voraussetzungen zum ungestörten Ablauf der Osteoneogenes fehlen.

Ex-vivo-Präfabrikation   von osteogenen Konstrukten Seit den 1980er Jahren ist die Vermehrung von Zellen unter Laborbedingungen stark in den Vordergrund des Tissueengineering getreten. Klinische Studien haben jedoch vielfach die geringe Effizienz der Zellkultur für klinisch relevante Probleme gezeigt. Dennoch ist es möglich, osteogene Zellen verschiedener Herkunft (mesenchymale Stammzellen aus dem Beckenkamm oder Röhrenknochen (MSC),

Stammzellen aus Fettgewebe (AdSC), omni- oder pluripotente Stammzellen (embryonale Stammzellen: ESC oder induzierte pluripotente Stammzellen: iPSC) in 3-dimensionalen Trägern zu kultivieren und anschließend in Defekte zu transplantieren. Allerdings muss das Zielgewebe in Analogie zur In-vivo-Generierung von vaskularisierten Knochenkonstrukten im Hinblick auf die Angioneogenese stimuliert werden, damit ein Teil der transplantierten Zellen vital bleibt und Effekte im Vergleich zu zellfreien porösen Trägern oder Leerdefekten sichtbar werden (. Abb. 1, [1]).

In-vivo- Präfabrikation von vaskularisierten Knochenkonstrukten Die chirurgisch anspruchsvollste Lösung ist die Anfertigung eines vaskularisierten Röhrenknochenkonstrukts über oder an einem transplantierbaren Blutgefäß [7]: Hier können die Größe und die Oberfläche über ein „computer-assisted design“ (CAD) als „computer-assisted manufacturing“ (CAM) Modell gefertigt werden. Als Knochenersatz kann entweder autologer Knochen oder ein poröser Träger ohne oder mit autologen oder allogenen Zellen verwendet werden (. Abb. 2). Bei einem systematischen Vergleich im Tiermodell stellt die autologe Spongiosa in einem Träger (z. B. Titan-Mesh mit Tricalciumphosphat [TCP]-Zylindern) das Der Chirurg 3 · 2015 

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Abb. 1 9 Generierung eines angiogenen Kons­ trukts nach Ex-vivo-Kultivierung von Stammzellen aus dem Beckenkamm auf porösen Trägern (boviner zellfreier xenogener Träger (Tutobone®, Tutogen Medical GmbH, Neunkirchen a. Br.) in einem PerfusionsBioreaktor (a, b, c): Während der 3-wöchigen Zellamplifikation auf dem Träger wird eine Fremdkörpermembran nach ­Masquelet mit einem GentamycinKnochenzement (Refobacin-Palacos®, Biomet Deutschland, Berlin) generiert. Die Stabilisierung erfolgt über einen TitanMarknagel (b: Expert Tibia Nail, Synthes, Umkirch) mit primär dynamischer Verriegelung (c, Pfeil). Überbrückung der osteogenen Träger vor allem lateral außerhalb des freien Lappentransplantats am Ort der besten Gewebeperfusion 3 Monate nach Implantation (d). Kontrolle des Transplantats 8 Jahre nach Implantation (e, mit Vergrößerung f). (Aus [5] mit freundlicher Genehmigung von Elsevier)

Abb. 2 9 Optionen zur biologischen Optimierung eines heterotop kultivierten Konstrukts in einer Kulturtasche am Beckenkamm: a zellfreies Scaffold. b Im Perfusions-Bioreaktor kultiviertes Scaffold. c Mit Stammzellkonzentrat (Marrowstim™, Biomet, Berlin). d Autologe Spongiosaentnahme am Beckenkamm im Schafstiermodell

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Zusammenfassung · Abstract Chirurg 2015 · 86:259–262 DOI 10.1007/s00104-014-2885-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 M. Jagodzinski · H. Kokemüller · P. Jehn  P. Vogt · N.-C. Gellrich · C. Krettek

Präfabrikation von Knochentransplantaten

Abb. 3 8 Generierung eines Röhrenknochentransplantats über einem Blutgefäß am Schafstiermodell: Die Tricalciumphosphat-Keramik (*, #; chronOS, Synthes, Umkirch) wird geschlitzt über der auf einer Strecke von ca. 10 cm präparierten A. und V. thoracodorsalis (**) mit verschiedenen Stammzellpräparationen kultiviert. + Titan-Mesh

Abb. 4 8 Nach 6 Wochen entsteht ein stabiles Gewebekonstrukt, das reich an Mikrokapillaren ist und in dem große Teile des Trägers abgebaut wurden. (+ Kapillare, * Titan-Mesh, # osteogenes Transplantat)

derzeit mit Abstand beste Konstrukt im Vergeich zu Stammzellkonzentrat und Beckenkammpunktat dar (. Abb. 3, [7]). Hier lässt sich bereits nach 6 Wochen ein stark belastbares, gut vaskularisiertes Konstrukt erzeugen, in dem große Teile eines Tricalcium-Trägers resorbiert werden (. Abb. 4). Dieses Konstrukt lässt sich dann auch in ein biologisch minderwertiges Zielgewebe transplantieren.

Fazit für die Praxis F  Große Röhrenknochendefekte bleiben innerhalb der rekonstruktiven Chirurgie eine besondere Herausforderung.

F  Nur bei gut durchbluteten, wenig geschädigten Defekten gelingt eine Rekonstruktion durch Transplantation autologer Zellen. F  Als Alternative zum etablierten, aber mit zahlreichen Komplikationen behafteten Segmenttransport konnte zumindest tierexperimentell ein gefäßgestieltes, maßgefertigtes Konstrukt erzeugt werden, das bei Kombination mit autologer Spongiosa nach 6 Wochen eine hohe mechanische Festigkeit aufweist und in Zukunft mit oder ohne kutanen Lappen in das Zielgebiet transplantiert werden kann.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Jagodzinski Orthopädie/Unfallchirurgie, Agaplesion   Ev. Krankenhaus Bethel Bückeburg, Herminenstr. 11–13, 31675 Bückeburg [email protected]

Danksagung.  Die Arbeiten wurden unterstützt durch die AO-Foundation (F-07-58K).

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Jagodzinski, H. Kokemüller, P. Vogt, N.-C. Gellrich und C. Krettek geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle nationalen Richtlinien zur Haltung und zum Umgang mit Labortieren wurden eingehalten und die notwendigen Zustimmungen der zuständigen Behörden liegen vor.

Zusammenfassung Bei der Präfabrikation von Knochentransplantaten steht im Gegensatz zu Knorpeltransplantaten ab einer kritischen Größe die Vaskularisierung des Transplantats im Vordergrund. Insbesondere gilt dies für postinfektiöse Defekte oder bei einem ersatzschwachen Transplantationslager. Hier konnten in den letzten Jahren klinisch durch die Generierung von Angiogenese am Transplantatort (Masquelet-Technik) oder tierexperimentell durch die In-vivo-Kultivierung eines gefäßgestielten Konstrukts, welches dann mittels mikrovaskulärer Technik transplantiert werden kann, neue Therapieoptionen untersucht werden. Schlüsselwörter Knochentransplant · Knorpeltransplantat · Vaskularisierung · Masquelet-Technik ·   Therapieoptionen

Prefabrication of bone transplants Abstract Prefabrication of bone transplants is a promi­ sing option for large defects of the long bones, especially if there is compromised vascularization of the defect. This is especially true for postinfection bone defects and other types of atrophic nonunion. The generation of a foreign body membrane (Masquelet’s technique) has been investigated in order to ameliorate the response of the host tissue surrounding the defect. In an experimental animal study, a blood vessel within a bone construct could be used to generate customized, vascularized osteogenic constructs that can be used to treat large bone defects in the future. Keywords Bone transplant · Cartilage transplant ·   Vascularization · Masquelet’s technique ·   Therapy options

Literatur   1. Crowley C, Wong JM, Fisher DM et al (2013) A systematic review on preclinical and clinical studies on the use of scaffolds for bone repair in skeletal defects. Curr Stem Cell Res Ther 8:243–252

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Term i n e   2. Giannoudis PV, Einhorn TA, Schmidmaier G et al (2008) The diamond concept – open questions. Injury 39(Suppl 2):S5–S8   3. Gulabi D, Erdem M, Cecen GS et al (2014) Ilizarov fixator combined with an intramedullary nail for tibial nonunions with bone loss: is it effective? Clin Orthop Relat Res 472:3892–3901   4. Harshwal RK, Sankhala SS, Jalan D (2014) Management of nonunion of lower-extremity long bones using mono-lateral external fixator – report of 37 cases. Injury 45:560–567   5. Hesse E, Kluge G, Atfi A et al (2010) Repair of a segmental long bone defect in human by implantation of a novel multiple disc graft. Bone 46:1457– 1463   6. Karargyris O, Polyzois VD, Karabinas P et al (2014) Papineau debridement, Ilizarov bone transport, and negative-pressure wound closure for septic bone defects of the tibia. Eur J Orthop Surg Traumatol 24:1013–1017   7. Kokemuller H, Jehn P, Spalthoff S et al (2014) En bloc prefabrication of vascularized bioartificial bone grafts in sheep and complete workflow for custom-made transplants. Int J Oral Maxillofac Surg 43:163–172   8. Ramos T, Eriksson BI, Karlsson J et al (2014) Ilizarov external fixation or locked intramedullary nailing in diaphyseal tibial fractures: a randomized, prospective study of 58 consecutive patients. Arch Orthop Trauma Surg 134:793–802   9. Robert Rozbruch S, Weitzman AM, Tracey Watson J et al (2006) Simultaneous treatment of tibial bone and soft-tissue defects with the Ilizarov method. J Orthop Trauma 20:197–205 10. Rozbruch SR, Pugsley JS, Fragomen AT et al (2008) Repair of tibial nonunions and bone defects with the Taylor Spatial Frame. J Orthop Trauma 22:88– 95 11. Rueger JM (1998) Knochenersatzmittel. Heutiger Stand und Ausblick. Orthopade 27:72–79

März 2015 München 26.-28.03.2015 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren e.V. Themen: 3D Bildgebung in Diagnostik und Therapie, Neue endoskopische und Bildgebungsverfahren, Endoskopie und Bildgebung: Struktur, Standards und Ökonomie, Komplikationen und Notfallmanagement Wiss. Leitung: Prof. Dr. Hans-Dieter Allescher Auskunft: Frau Martina Wiederkrantz, COCS GmbH, Rosenheimer Str. 145c, 81671 München,  Fon: 089 89 06 77 0,  [email protected],  www.dge-bv.de

April 2015 Graz 10.-11.04.2015 12. Grazer Seminar für praktische Fußchirurgie Aufbaukurs 2. Zertifizierungsgrad Wiss. Leitung: Dr. Manfred Eppel Auskunft: Herr Robert Caceffo, Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie e.V., Gewerbegebiet 18, 82399 Raisting,  Fon: 08807-949244,  [email protected], www.gffc.de Bochum 20.-23.04.2015 Basiskurs Laparoskopische Chirurgie Auskunft: Herr Kirsten Breitkopf, Aesculap Akademie GmbH, Am Aesculap Platz *, 78532 Tuttlingen,  Fon: 07461 / 95-2185,  kirsten.breitkopf@aesculap-akademie. de,  www.aesculap-akademie.de Hamburg 23.-25.04.2015 Moderne Frakturbehandlung Osteosynthese an der oberen Extremität Wiss. Leitung: Prof. J. M. Rueger Auskunft: Berufsverband der Deutschen Chirurgen, Luisenstr. 58/59, 10117 Berlin,  Fon: 030 / 28004120,  [email protected],  www.bdc.de

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Berlin 24.-25.04.2015 ENDOSKOPIE 2015 Wiss. Leitung: PD Dr. D. Hartmann, Professor Dr. H.-J. Schulz, SANA Klinikum Lichtenberg, Oskar-ZiethenKrankenhaus, Fanninger Str. 32,   10365 Berlin Auskunft: Congress Organisation C. Schäfer, Rosenheimer Str. 145c,   81671 München,  Fon: 089 89 06 77 0

Der Chirurg Düsseldorf 25.04.2015 10. Jahrestagung der Sektion Handchirurgie der DGU Kontroverses in der Handchirurgie: Welche Rolle spielt das Lebensalter? Auskunft: Frau Romina Pischel, Intercongress GmbH, Karlsruher Str. 3, 79108 Freiburg,  Fon: +49 761 / 69699-26,  [email protected],  www.handchirurgie-duesseldorf.com Mannheim 25.04.2015 EDZ-Proktologie-Kurs – Inkontinenz – Diagnostik u. Therapie; neue Verfahren Wiss. Leitung: Prof. Dr. A. Herold, Prof. Dr. D. Bussen, Prof. Dr. H. Krammer Auskunft: Frau Sandy Magin, Endund Dickdarm-Zentrum Mannheim, Bismarckplatz 1, 68165 Mannheim,  Fon: 0621 123475-10,  [email protected],  www.enddarm-zentrum.de München 28.04.-01.05.2015 132. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie Wiss. Leitung: Prof. Dr. Peter M. Vogt Auskunft: MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AG, Neuwieder St.r. 9, 90411 Nürnberg,  Fon: 0911/39316-16,  [email protected],  www.chirurgie2015.de

Mai 2015 Berlin 02.05.2015 Koloproktologischer Grundkurs Berufsverband der Coloproktologen Deutschlands e.V. (BCD) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie e.V. (DGK) Auskunft: Citycube Berlin, Messedamm 26, 14055 Berlin Bochum 04.-06.05.2015 Aufbaukurs Laparoskopische Hernienchirurgie Auskunft: Frau Kirsten Breitkopf, Aesculap Akademie GmbH, Gesundheitscampus-Süd 11-13, 44801 Bochum,  Fon: 0234 / 902 181-12,  kirsten.breitkopf@aesculap-akademie. de,  www.aesculap-akademie.de

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