Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) 108S, S36—S44

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect journal homepage: http://www.elsevier.com/locate/zefq

SUPPLEMENT

Potenzialanalyse zu ergotherapeutischem Alltagstraining nach Schlaganfall Potential analyses for research on occupational therapy-led training of activities of daily living in stroke patients Christian Müller 1,2,∗, Andrea Glässel 3, Ulrike Marotzki 4, Sebastian Voigt-Radloff 5 1

Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland 2 Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland, Saarbrücken, Deutschland 3 Swiss Paraplegic Research, Human Functioning Sciences, Nottwil, Schweiz 4 Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Deutschland 5 Deutsches Cochrane Zentrum, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland

SCHLÜSSELWÖRTER Schlaganfall; Ergotherapie; Aktivtäten des täglichen Lebens; Wissenstransfer



Zusammenfassung Gesundheitsproblem: In Deutschland erleiden jährlich 200.000 Menschen erstmalig einen Schlaganfall und 65.000 Menschen ein Rezidiv. Der Schlaganfall gehört zu den häufigsten Ursachen für eine erworbene lebenslange Behinderung. Er ist verbunden mit unterschiedlichen, in Art und Ausmaß vielfältigen funktionellen Störungsbildern und Beeinträchtigungen auf der Aktivitäts- und Partizipationsebene. Um im Alltag zurechtzukommen, müssen Betroffene erhebliche Anpassungsleistungen vollbringen und Bewältigungsstrategien ausbilden. Gelingt dies nicht, ist mit Folgeproblemen wie sozialer Rückzug, Depressivität und Pflegebedürftigkeit zu rechnen, womit erhebliche Behandlungs- und Versorgungskosten verbunden sind. Von hoher Bedeutung sind somit aus Sicht Betroffener die therapeutischen Hilfen, die sich nach Klinikentlassung auf Krankheitsbewältigung, soziale Teilhabe, die selbständige Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens und die Hilfsmittelversorgung richten. Genau dies soll ergotherapeutisches Alltagstraining nach Schlaganfall im häuslichen Bereich leisten. Evidenzlage: Das aktuellste Cochrane Review aus dem Jahre 2006 bestätigt ein vorangehendes von 2004 und zeigt auf Basis neun randomisierter Vergleiche aus Großbritannien, Nordirland und China positive Effekte des ergotherapeutischen Alltagstrainings nach Schlaganfall auf basale

Korrespondenzadresse: Christian Müller BA, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Hebelstraße 29, 79104 Freiburg, Deutschland. Tel.: +0761/203-5523 E-Mail: [email protected] (C. Müller).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.09.003 1865-9217/

Potenzialanalyse zu ergotherapeutischem Alltagstraining nach Schlaganfall

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Alltagsaktivitäten (8 Studien; 961 Teilnehmer; 0,18 SMD; 95%-KI [0,04 bis 0,32]), auf instrumentelle Alltagsaktivitäten (6 Studien, 847 Teilnehmer; 0,21 SMD; 95%-KI [0,03 bis 0,39]) und auf den Selbständigkeitsstatus (7 Studien, 1065 Teilnehmer; 0,67 Odds Ratio; 95%-KI [0,51 bis 0,87]). Eine direkte Implementation der Interventionen in den deutschen Versorgungskontext ist allerdings auf Grund der Heterogenität und differierender Settings in den Primärstudien, fehlender Manualisierungen und unzureichender Erfassung klientenrelevanter Endpunkte kritisch zu beurteilen. Forschungsempfehlung: Empfohlen wird, ein modulares phasenspezifisches ergotherapeutisches Alltagstraining für den ambulanten Sektor klientenzentriert und standardisiert zu manualisieren und im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zu untersuchen. Bei positiven Ergebnissen zu Praktikabilität und Akzeptanz bei Klienten und durchführenden Praktikerinnen und nach Ermittlung klientenzentrierter Veränderungsmaße kann eine Wirksamkeitsstudie angeschlossen werden.

KEYWORDS Stroke; occupational therapy; activities of daily living; technology transfer

Summary Health problem: Every year about 200,000 people in Germany suffer from a first stroke and 65,000 persons from a recurrent stroke. Stroke is one of the major causes of acquired life-long disability. It is associated with multiple limitations in functioning, activities of daily living and social participation. People with stroke must develop and apply considerable coping and adaptation strategies to manage the consequences of disabilities in daily life. Insufficient adaptations may result in social isolation, depressive disorders, need for medical and nursing care and subsequently lead to increasing costs for care. Thus occupational therapy-led treatment addressing social participation as well as skills training, adaptation strategies and assistive technology for activities of daily living is essential for stroke patients after hospital discharge. Corpus of evidence: Based on nine randomised comparisons, a Cochrane review from 2006 revealed that occupational therapy-led training after stroke had positive effects on personal activities of daily living (8 studies; 961 participants; 0.18 SMD; 95 % CI [0.04 to 0.32]), on extended activities of daily living (6 studies; 847 participants; 0.21 SMD; 95 % CI [0.03 to 0.39]), and on poor outcome (7 studies; 1,065 participants; odds ratio 0.67; 95 % CI [0.51 to 0.87]). However, direct implementation into the German healthcare context is not recommendable due to (1) different settings and heterogeneity within the primary studies, (2) lack of manualisation of treatment programmes and (3) insufficient evaluation of client-oriented outcomes. Implication for research: It is recommended to manualise client-centred standardised modules of a stage-specific occupational therapy-led training of activities of daily living and to pilot-test this intervention programme in a feasibility study. If this trial results in a set of reliable and valid client-oriented outcome measurements applicable within the German care context and in a feasible treatment programme well accepted by stroke patients and their treating occupational therapists, a large-scaled randomised clinical trial in terms of comparative effectiveness research may follow.

Einleitung zum Format der Potenzialanalyse Die Methode der Potenzialanalyse prüft, inwieweit eine umschriebene Intervention das Potential hat, zur Lösung eines versorgungsrelevanten Gesundheitsproblems beizutragen. Die Vorgehensweise und die Struktur der Berichterstattung folgen einem methodischen Leitfaden [1], um sicherzustellen, dass bei Schlussfolgerungen zum weiteren Forschungsbedarf die Bedürfnisse der betroffenen Klienten, die aktuelle Versorgungspraxis in Deutschland und der internationale Evidenzkorpus Berücksichtigung finden. Die vorliegende Potenzialanalyse untersucht, inwieweit in Deutschland ergotherapeutisches Alltagstraining zur Verbesserung der Alltagsbewältigung von Menschen mit Schlaganfall beitragen kann. Dazu werden zunächst (1) die Folgen des Schlaganfalls für Betroffene und (2) die Endpunkte, die aus Sicht der Betroffenen verbessert werden müssen, dargestellt. Es folgt die Beschreibung (3) der gesellschaftlichen Folgen des Gesundheitsproblems und (4) des derzeitigen Versorgungstatus in Deutschland. An (5) die

Skizzierung des Potenzials bzw. des vermuteten Wirkmechanismus des Alltagstrainings schließen sich (6) Tabellen zur Evidenzlage und zu Evidenzlücken an. Nach (7) der Prüfung der Übertragbarkeit der Intervention in den deutschen Versorgungskontext werden (8) Empfehlungen für die weitere Forschung abgeleitet. Das grundsätzliche methodische Vorgehen für die Erstellung von Potenzialanalysen ist im einführenden Artikel dieses Supplements begründet und ausführlich dargestellt in dem frei zugänglichen Leitfaden (www.cochrane.de/de/leitfaden). Recherchedetails zur hier untersuchten Intervention schließen (9) die vorliegende Analyse ab.

Das Gesundheitsproblem und die Folgen für Betroffene Ein Schlaganfall kann motorische, sensorische, kognitive, psychische und sprachliche Funktionsstörungen verursachen sowie Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten und Teilhabe nach sich ziehen [2]. Des Weiteren ist der Schlaganfall

S38 Tabelle 1

C. Müller et al. Folgen des Schlaganfalls [6].

Funktionsstörungen

Beeinträchtigungen von Teilhabe und Aktivitäten

• Senso-motorische Störungen wie Lähmungen, veränderter Muskeltonus, Sensibilitätsstörungen oder Schmerzen • Gleichgewichtsstörungen • Sprach- und Sprechstörungen. • Schluckstörungen. • Sehstörungen. • Kognitive Störungen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis Exekutivfunktionen, • Neuropsychologischen Funktionsstörungen wie räumlich-visuelle Beeinträchtigungen, Apraxie, Neglect • Störung der Krankheitswahrnehmung und -verarbeitung. • Psychische Probleme wie Depressivität.

• Basale Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Trinken, Sexualität, Ankleiden, Toilettenbenutzung • Instrumentale Aktivitäten des täglichen Lebens wie Einkaufen, Haushaltsführung, Regelung der Finanzen • Reduzierte Freizeitbeschäftigung • Eingeschränkte Rollenerfüllung und sozialer Rückzug • Verlust der Erwerbsfähigkeit

mit erhöhter Mortalität, verminderter Lebensqualität und erhöhter Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen assoziiert [3]. Weltweit sind jährlich etwa 15 Millionen Menschen vom Schlaganfall betroffen von denen ca. 5 Millionen überleben. Allerdings resultieren aus den Folgen der Erkrankung bleibende Beeinträchtigungen in unterschiedlichem Ausprägungsrad. Bei 50-83% der Betroffenen sind manifeste motorische Schädigungen festzustellen, bei 50% kognitive Störungen, bei 23-36% sprachliche Beeinträchtigungen und bei 20% psychische Störungen. Geschätzt wird, dass 33-42% der Patienten auch 6 Jahre nach Schlaganfall noch einen Hilfebedarf bei Aktivitäten des täglichen Lebens aufweisen [4]. Soziale Teilhabe und Rollenerfüllung stellen wichtige Einflussgrößen auf das Wohlbefinden dar [5]. Sowohl die Übersichtsarbeit von Pinter & Brainin [4] als auch die S3-Leitlinie zu Schlaganfall [6] weisen darauf hin, dass Funktionsstörungen von Schlaganfallpatienten ihre Teilhabe und Selbständigkeit erheblich beeinträchtigen können, insbesondere in den basalen und instrumentalen Aktivitäten des täglichen Lebens sowie in produktiven Aktivitäten der Erwerbstätigkeit und der Freizeitbetätigungen (Tabelle 1). Ein eventueller Verlust der Erwerbsfähigkeit kann zu Einkommenseinbußen führen. Für den Betroffenen erfordert dies nicht nur eine psycho-emotionale Verarbeitung des Krankheitsgeschehens, sondern erhebliche Anpassungsund Bewältigungsleistungen im Bereich der Familie, des Bekanntenkreises und der Arbeitswelt und damit eine Veränderung des eigenen beruflichen und gesellschaftlichen Rollenverständnisses. Es kommt zu Krankheitsphasen, in denen psychische Probleme wie Depressivität, sozialer Rückzug oder Sinnfragen dominieren und das Behandlungsgeschehen überlagern können [7]. Die über Jahre angelegten individuellen Lebensstile und Lebensentwürfe müssen neu überdacht und der Situation angepasst werden. Für die Betroffenen heißt dies, ein Leben mit bleibenden Gesundheitsschäden zu bewältigen und ein Leben mit der Gefahr der Tendenz zur Progression der Erkrankung im höheren Lebensalter.

Klientenzentrierte Endpunkte Vier Studien mit qualitativ-explorativem Design untersuchten Zielvorstellungen und Rehabilitationsbedürfnisse von

Schlaganfallbetroffenen vom Akutstadium bis zur Langzeitversorgung [8—11]. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt. Lawrence & Kinn [11] betonen die Notwendigkeit, die im Verlauf der Erkrankung und der Rehabilitation unterschiedlichen Bedürfnisse zu identifizieren und die spezifischen Behandlungsansätze an den Patientenzielen auszurichten. Aus Perspektive der Patienten wird für die Ergotherapie ein Behandlungsbedarf auf allen ICF-Ebenen formuliert und der Ergotherapie bei den Aktivitäten, der Partizipation sowie den Umweltfaktoren ein bedeutendes Interventionsfeld zugesprochen. Insbesondere werden aus Sicht der Patienten kognitive und mentale Funktionen zur Durchführung komplexer Alltags- und Bewegungshandlungen, Körperwahrnehmung, Bewegungskoordination, Durchführung der täglichen Routinen, Erarbeitung von Strategien zur Problemlösung sowie die Versorgung mit geeigneten technischen Assistenzsystemen und Hilfen für den Alltag, angesprochen [12,13].

Folgen für die Gesellschaft Schlaganfall ist in Deutschland und Europa die häufigsten Ursache für eine erworbene lebenslange Behinderung [14,15]. Fast 85 Prozent aller Schlaganfälle treten jenseits des 60. Lebensjahres auf. Wegen der demografischen Alterung ist in Deutschland mit einem Anstieg der Erkrankungshäufigkeit zu rechnen [16]. Zuverlässige Schätzungen zur Inzidenz von Schlaganfällen sind mit Hilfe des Erlanger und Ludwigshafener Schlaganfallregisters möglich. Demnach erleiden in Deutschland jährlich 200.000 Menschen erstmalig einen Schlaganfall. Hinzu kommen 65.000 weitere Schlaganfälle bei Menschen, die ein Zweitereignis aufweisen [17]. Die Krankheitslast des Schlaganfalls wird überproportional von einer älteren Personengruppe getragen, die ein schlechteres funktionelles Behandlungsergebnis im Vergleich zu jüngeren Schlaganfallpatienten aufweisen [4]. Der Schlaganfall verursacht Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter, trägt mitunter in erheblichem Maße zur Inanspruchnahme von pflegerischen Versorgungsleistungen und Heilmittelleistungen der Gesundheitsfachberufe bei [16]. Darüber hinaus führt er nicht selten zum Verlust potentieller Lebensjahre und zur Arbeitsunfähigkeit, hat großen Einfluss auf die Mortalitätsrate und verursacht hohe Behand-

Potenzialanalyse zu ergotherapeutischem Alltagstraining nach Schlaganfall Tabelle 2

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Patientenziele.

Krankheitsverarbeitung

Soziale Teilhabe

• Verstehen von Ursachen und Behandlung des Schlaganfalls. • Unterstützung bei Umgang mit und Akzeptanz von Krankheitsfolgen wie Erschöpfung, kognitive Beeinträchtigungen, Angst, Wesensveränderung oder Identitätskrisen. • Erlernen des adäquaten Umgangs und Akzeptanz des Gesundheitsproblems • Rückgewinnung von Selbstvertrauen sowie psychischem und körperlichem Wohlbefinden. • Bewusstheit und Akzeptanz von Veränderungen des Körperbildes und Erlernen von Selbstachtung.

• Wiederaufnahme früherer sozialer Beziehungen inkl. Sexualität und Familienleben. • Einbeziehung der Familie als Ressource zur Begleitung des Patienten

Selbständigkeit • Sicherstellung adäquater Ernährung. • Stabilisierung der körperlichen Verfassung und Mobilität. • Sicherstellung einer an das Selbständigkeitsniveau angepassten Wohnsituation. • Anknüpfen an frühere Fähigkeiten und Rückgewinnung von Autonomie und Lebenskontrolle in der persönlichen Fürsorge, bei alltäglichen Pflichten und sozialen Aktivitäten. • Übernahme der gleichen Verantwortungsbereiche wie vor dem Schlaganfall

Zugang zu Versorgungsleistungen • Zugang zu medizinischer Nachuntersuchung. • Psychologische Begleitung bei der Krankheitsverarbeitung. • Zugang zu therapeutischen und pflegerischen Leistungen in der eigenen Häuslichkeit. • Zugang zu Haushaltshilfen. • Adäquate Verkehrs- und Beförderungsmittel. • Unterstützungsangebote bei dauerhaften kognitiven Einschränkungen.

lungskosten sowie behinderungsbedingte Einschränkungen im Alltagsleben [18]. Im Hinblick auf die Ausgabenstatistik verursachten Schlaganfälle im Jahr 2003 Kosten in Höhe von 7,8 Milliarden Euro in Deutschland [16]. Die direkten Krankheitskosten beim Schlaganfall, d.h. die Kosten die unmittelbar für die medizinische Behandlung anfallen, belaufen sich für das Jahr 2006 auf über 43.000 Euro pro Patient [17]. Werden diese Kosten auf 20 Jahre hochgerechnet, und angenommen, dass der Schlaganfall durch einen lang andauernden und hohen Betreuungsbedarf gekennzeichnet ist, so addieren sich diese Kosten pro Fall auf etwa 860.000 Euro über einen Zeitraum von 20 Jahren. Aufgrund der epidemiologischen Datenlage zum Schlaganfall und der daraus resultierenden Folgen, gewinnt der Schlaganfall zunehmend an individueller, gesellschaftlicher sowie gesundheitsökonomischer Bedeutung [19].

Versorgungsstatus Im ambulanten Sektor werden ärztliche Verordnungen ergotherapeutischer Maßnahmen in der Heilmittelrichtlinie und dem indikationsbezogenen Heilmittelkatalog geregelt [20,21]. Für die Versorgung von Patienten nach Schlaganfall im Erwachsenenalter (Diagnosengruppe EN2) sind im Heilmittelkatalog ergotherapeutische Leistungen vorgesehen. Behandlungsinterventionen zu Aktivitäten des täglichen Lebens sind unter §§36-39 subsummiert und nicht explizit als eigenständige ergotherapeutische Leistung ausgewiesen. Sekundärdatenquellen von Krankenkassen zeigen, dass im Jahr 2011 von insgesamt 41,5 Millionen Heilmittelverordnungen für gesetzlich Versicherte auf die Ergotherapie 2,5 Millionen Leistungen mit insgesamt 20,2 Millionen einzelnen Behandlungen entfielen [22]. Eine Untersuchung

• Wiederaufnahme oder Anpassung früherer sozialer Rollen an die vorhandenen Fähigkeiten. • Teilhabe am gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Leben.

zur ergotherapeutischen Versorgung von Personen nach Schlaganfall im ambulanten Sektor aus dem Jahr 2012 zeigt, dass 55% der Betroffenen keine ambulante ergotherapeutische Behandlung im ersten Jahr nach Entlassung erhielten [23]. Ritter und Mitarbeiter [24] weisen auf eine mögliche Unterversorgung hin und fordern, Nachsorgemaßnahmen für 3-12 Monate nach dem Erstereignis zu finanzieren. Steib und Schub [25] postulieren, dass es derzeit in Deutschland keine einheitlichen Standards für Nachsorgemaßnahmen bei Schlaganfall gibt. In den Heilmittelrichtlinien fehlen spezifische Angaben zu Behandlungsinhalten, Dauer und Häufigkeit der Therapie. Sie weisen darauf hin, dass Entscheidungen über den geeigneten Zeitpunkt, die Behandlungsinhalte und die Intensität der Therapie für die Wirkung einer Intervention von maßgeblicher Bedeutung sind. Es wird die Forderung formuliert, zukünftig Empfehlungen für eine patientengerechte Heilmittelverordnung und- therapie zu erarbeiten, um diese Versorgungslücke zu schließen [25].

Potenzial des ergotherapeutischen Alltagstrainings Das Potenzial des ergotherapeutischen Alltagstrainings ist insbesondere im ambulanten Sektor darin zu sehen, dass (1) die direkte Lebenswirklichkeit der Betroffenen in ihrem häuslichen Umfeld angesprochen wird, (2) die für die Klienten relevanten Endpunkte Alltagsfähigkeit und Selbständigkeit unmittelbar trainiert werden [2], (3) die Kosten ambulanter Ergotherapie gegenüber teilstationärer oder stationärer Leistungserbringung geringer sind [26,27] und (4) die Klientenzufriedenheit hoch ist [26]. Zur Verbesserung der Alltagsaktivität werden verschiedene Wirkmechanismen

S40 beschrieben. Zentrale Kernelemente des Therapieansatzes sind (1) aktives, repetitives Üben von neu oder wieder zu erlernenden Alltagsaktivitäten, (2) die Nutzung von Kompensationsstrategien und technischen Hilfsmitteln und (3) Beratung der Klienten, Angehörigen und angrenzender Gesundheitsfachberufe, um eine weitgehend selbständige Durchführung einfacher oder komplexer Alltagsaktivitäten zu ermöglichen [28,29]. Als Strategien werden die therapeutische Instruktion, Demonstration und direkte Führung von Klientenbewegungen, Selbstinstruktions- und Selbstbeobachtungstechniken sowie kognitive Ansätze und Feedbackverfahren zur Verbesserung der Problemlösefähigkeit herangezogen [30—33]. Über das direkte Training der konkreten Alltagshandlung hinaus werden weitere Faktoren beschrieben, die Einfluss auf das (Wieder)Erlernen von Alltagsaktivitäten ausüben: der Aufbau eines vertrauensvollen therapeutischen Arbeitsbündnisses, die Klientenzentrierung, d.h. die Festlegung und Umsetzung alltagsrelevanter und sinnvoll empfundener Therapieziele gemeinsam mit dem Klienten [34] sowie die stetige Motivationsförderung durch therapeutische Kommunikationsstrategien und Anpassung der Trainingssituation an die Patientenbedürfnisse [30]. Die therapeutische Vorgehensweise richtet sich nach individuellen Alltagsanforderungen, nach Art und Schwere der Alltagsbeeinträchtigung und danach, welche kognitiven, neuropsychologischen oder sensomotorischen Funktionsstörungen vorliegen. Daraus leitet sich der individuelle Therapieansatz ab, der isoliert oder in Kombination (a) repetitiv übende Therapieansätze, (b) kompensatorische Ansätze oder technischen Hilfen, (c) Beratung und/oder (d) Verfahren zur Anpassung der Umwelt an die vorliegenden Funktionseinschränkungen aufgreift [29]. Zur kontinuierlichen Fortführung des Erlernten im Alltag werden Angehörige einbezogen. Hierfür wird eine intensive Schulung und Anleitung empfohlen [35,36].

Evidenzlage Zur Ermittlung der Evidenzlage wurde nach Interventionen gesucht, die sich im Originalkontext durch hochwertige Studien bereits als positiv wirksam erwiesen haben. Legg et al. [37] zeigten in ihrem Cochrane Review positive Effekte für ein ergotherapeutisches Alltagstraining auf Aktivtäten des täglichen Lebens und den Status der Selbständigkeit (Tab. 3). In diesem Review wurden neun Studien mit insgesamt 1258 Menschen zwischen 55 und 88 Jahren einbezogen. Acht Studien wurden in Großbritannien bzw. Nordirland und eine Studie in China durchgeführt. Im Durchschnitt wurden die Betroffenen etwa drei Monate lang ergotherapeutisch behandelt: in drei Studien 6 Monate, in je einer Studie 5 Monate bzw. 6 Wochen. Drei Studien gaben ausschließlich die durchschnittlichen Behandlungseinheiten pro Patient an ohne den Behandlungszeitraum näher zu spezifizieren und eine Studie machte keine Angaben zu Behandlungsintensität oder -zeitraum. Aufgrund unzureichender Datenlage zeigten sich keine Unterschiede in der Wirkung auf das psychologische Wohlbefinden, den subjektiven Gesundheitsstaus oder die empfundene Lebensqualität. Eine positive Wirkung auf Institutionalisierung, Hilfsbedürftigkeit oder Mortalität ließ sich durch die Zusammenfassung der einzelnen Endpunkte zu dem Konstrukt der ,,Zustandsverschlechterung‘‘

C. Müller et al. nachweisen. Einige Autoren der gleichen britischen Forschergruppe erstellten bereits 2004 eine systematische Übersichtsarbeit zu einer sehr ähnlichen Fragstellung [38]. Dabei fassten sie sieben identische Primärstudien wie Legg und Kollegen [37] zusammen und kamen zu nahezu identischen Schlussfolgerungen. Die Evidenzlücken beziehen sich auf den Mangel an Untersuchungen zu klientenrelevanten Endpunkten sowie Kosten, Langzeitwirkungen und mögliche unerwünschte Effekte (Tab. 4). Des Weiteren waren die einzelnen Behandlungsprogramme heterogen in Bezug auf (a) einzelne Behandlungsmodule (Inhalt), (b) Theoriebasis der Behandlung (methodisches Vorgehen), (c) die Nutzung spezifische Techniken und den Gebrauch assistiver Technologien, (d) die Behandlungsintensität (Frequenz und Dauer), (e) den Zeitpunkt des Behandlungsbeginns innerhalb verschiedener Krankheits- bzw. Verarbeitungsphasen und (f) den Gesamtbehandlungszeitraum.

Übertragbarkeit in den Zielkontext Geprüft wurde, inwieweit Unterschiede in Bezug auf Setting, Studienteilnehmer, Interventionen, Zielgrößen zwischen dem Originalkontext und Zielkontext bestehen, ob eine Effekt-Replizierbarkeit in den Zielkontext möglich erscheint und wenn ja, inwieweit die unterschiedlichen Bedingungen an den lokalen Versorgungskontext angepasst werden müssen. Setting: Im Originalkontext (primär Großbritannien) erfolgte die Rekrutierung der Schlaganfallbetroffenen in der Mehrzahl kurz vor Entlassung aus der stationären Einrichtung. Im Zielkontext erfolgt der Zugang für die ergotherapeutische Behandlung im ambulanten Sektor per Heilmittelverordnung [20,21]. Die unterschiedlichen Zugangswege sind bei der Planung von Studien im Zielkontext zu berücksichtigen. In den Studien wird das Alltagstraining ausschließlich von qualifizierten Ergotherapeuten oder unter Supervision eines qualifizierten Ergotherapeuten durchgeführt. Diese Bedingung kann auch für den Zielkontext zugrunde gelegt werden. Grundlegende Unterschiede bestehen in Bezug auf das Ausbildungsniveau der Ergotherapeuten. In Deutschland wird noch weitgehend in Berufsfachschulen ausgebildet, in Großbritannien auf Bachelor- und Masterniveau im Rahmen akademischer Studiengänge. Studienteilnehmer: Die Ein- und Ausschlussbedingungen für die Studienteilnehmer wurden in den Originalstudien explizit ausgewiesen und sind in das deutsche Versorgungssystem übertragbar. Ausgeschlossen wurden Klienten mit Blindheit, Taubheit und schwerwiegenden kognitiven oder kommunikativen Beeinträchtigungen, sowie Klienten mit dementieller Erkrankung oder in der terminalen Lebensphase. Diese Kriterien sind übertragbar auf den Zielkontext. Der Altersdurchschnitt in den Originalarbeiten (M = 71,4 Jahren, SD 10.5) ist mit dem Altersdurchschnitt von Schlaganfallbetroffenen in Deutschland vergleichbar [3]. Ebenso verhält sich dies mit der ermittelten Geschlechterverteilung (Männer 53%; Frauen bei 47%). Erkenntnisse über den exakten Schweregrad der Erkrankung und den daraus folgenden Beeinträchtigungen auf der motorischen, kognitiven und psycho-emotionalen Ebene lassen sich aus den Originalstudien nicht ableiten. Ebenso wird auch die Art

Potenzialanalyse zu ergotherapeutischem Alltagstraining nach Schlaganfall Tabelle 3

S41

Endpunktspezifische Evidenzlage, Alltagstraining vs. keine Intervention (Legg et al. [37]).

Endpunkte

Limitationen

Inkonsistenz

Basale Alltagsaktivitäten 8 RCTs, 961 Teilnehmer 548 Experiment, 413 Kontrolle

Geringe keine Einschränkunga Einschränkung

Indirektheit

Fehlende Präzision

Publikationsbias Ergebnis

Schwerwiegende keine gering Einschränkung b Einschränkung

0,18 SMD; 95%-KI [0,04 bis 0,32]

a

Sensitivitätsanalysen zu Studien mit unklarer Randomisierung (n = 1), Verblindung der Assessoren (n = 1) und ITT-Analyse (n = 4) zeigten nahezu keine Unterschiede zur Hauptanalyse; jedoch waren Klienten und Therapeuten in keiner Studie verblindert; b Hinweise auf heterogene Interventionen hinsichtlich Intensität, Rehabilitationsphase und Inhalte der Therapie sowie auf heterogene Population hinsichtlich Alter und Einschränkungsgrad der Alltagsfähigkeiten.

Instrumentelle Alltagsaktivitäten 6 RCTs, 847 Teilnehmer 494 Experiment, 353 Kontrolle

Geringe keine Einschränkunga Einschränkung

a

Schwerwiegende keine gering Einschränkung b Einschränkung

Klienten und Therapeuten waren in keiner Studie verblindert; Intensität, Rehabilitationsphase und Inhalte der Therapie.

Zustandsverschlechterung Geringe keine Einschränkunga Einschränkung (Tod, Institutionalisierung oder Rückgang bei Alltagsaktivitäten) 7 RCTs, 1065 Teilnehmer 607 Experiment, 458 Kontrolle

b

0,21 SMD; 95%-KI [0,03 bis 0,39]

Hinweise auf heterogene Interventionen hinsichtlich

Schwerwiegende keine gering Einschränkung b Einschränkung

0,67 Odds Ratio; 95%-KI [0,51 bis 0,87]

a

Sensitivitätsanalysen zu Studien mit unklarer Randomisierung (n = 1) und vielen fehlenden Werten (n = 1) zeigten nahezu keine Unterschiede zur Hauptanalyse; Studien mit klarer ITT-Analyse (n = 4) zeigten höhere Effekte als Studien mit unklare ITT-Analyse (n = 3); jedoch waren Klienten und Therapeuten in keiner Studie verblindert; b Hinweise auf heterogene Interventionen hinsichtlich Intensität, Rehabilitationsphase und Inhalte der Therapie sowie auf heterogene Population hinsichtlich Alter und Einschränkungsgrad der Alltagsfähigkeiten.

SMD: Standardised Mean Difference; KI: Konfidenzintervall

Tabelle 4

Evidenzlücken.

Nachfolgende Studien Klientenrelevante Endpunkte

Kosten Langzeitwirkungen Unerwünschte Effekte Konzeption der Intervention

• Für den Zeitraum nach dem Review von Legg et al. [37] von 2005 bis 2013 konnten keine weiteren RCTs zur Fragestellung identifiziert werden. • Für Klienten bedeutsame Zielgrößen wie soziale Teilhabe und Beziehungen, Lebensqualität, Umgang mit veränderter Identität [11], Krankheitsverarbeitung [9], Unterstützung und Begleitung der Familie [8] wurden nicht erfasst, obwohl diesen Themen aus Patientensicht eine große Bedeutung zugewiesen wird. • Weder Legg et al. [37] noch Walker und Kollegen [38] berichten über Kosten oder veränderte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen • Keine Studie berichtet über Effekte im Zeitraum nach der Therapie. • Die Reviews von Legg et al. [37] und Walker et al. [38] trafen keine Aussagen zu unerwünschten Effekten eines ergotherapeutischen Alltagstrainings. • Unzureichende Präzisierung und Beschreibung a) welche einzelne Behandlungsmodule vorgehalten werden müssen, b) welche Behandlungstechniken zur Anwendung kommen, c) wie das edukative Behandlungsvorgehen erfolgen soll, d) und wie die optimale Leistungserbringung aussieht in Bezug auf Behandlungsfrequenz, Behandlungsdauer sowie sinnvoller Zeitpunkt des Behandlungsbeginns.

S42 der Einschränkungen in der sozialen Teilhabe nicht abgebildet. In diesem Zusammenhang bleibt die Frage offen, welche Voraussetzungen und Bedingungen (Patientenstatus, Teilhabeeinschränkung, Schweregrad der Beeinträchtigungen) vorliegen müssen, um mit einem Training beginnen zu können und um die gewünschten Behandlungseffekte zu replizieren. Über die Motivationslage und Arbeitsbedingungen der behandelnden Ergotherapeuten und den damit einhergehenden Einfluss auf das Behandlungsergebnis lassen die Originalstudien keine Rückschlüsse zu. Die Einbeziehung dieser Determinanten ist für eine Studienreplikation im deutschen Versorgungskontext jedoch zu beachten. Interventionen: Die Originalinterventionen erfolgten im Kontext des häuslichen Wohnumfeldes der Betroffenen und lassen eine Effektreplikation im deutschen Versorgungskontext möglich erscheinen. Denn grundsätzlich unterscheiden sich die Prinzipien und Techniken des ergotherapeutischen Alltagstrainings im europäischen Vergleich nicht voneinander, da diese grundlegend Bestandteil der Ausbildung darstellen. Bei allen Einzelstudien im Originalkontext fehlten jedoch die Manualisierung der Intervention und eine detaillierte Darstellung des therapeutischen Vorgehens. Somit ist zu vermuten, dass die inhaltlichen Aspekte der einzelnen Behandlungsprogramme sehr heterogen ausfallen. Darüber hinaus lag eine große Varianz in der Behandlungsintensität vor. Einige dieser beschriebenen Phänomene sind auch in Deutschland zu erwarten, da ergotherapeutisches Alltagstraining in der Routineversorgung nicht präzise definiert ist und somit die Durchführungsqualität von Therapeut zu Therapeut stark variieren kann. Zielgrößenerfassung: Die in den Primärstudien zugrunde gelegten Zielparameter wurden mit validen, reliablen und veränderungssensitiven Messinstrumenten erfasst. Die verwendeten Assementinstrumente sind international anerkannte und im deutschen Versorgungssystem zum Teil validierte und etablierte Verfahren, deren Praktikabilität und Anwendbarkeit sich in der Routineversorgung bewährt haben. Jedoch sind wesentliche und aus Sicht der Betroffenen bedeutsame Zielgrößen nicht erfasst worden (Tab. 4).

Forschungsempfehlung Da die Primärstudien in Bezug auf die Behandlungsintensität und das spezifische therapeutische Vorgehen in verschiedenen Rehabilitationsphasen hohe Heterogenität aufweisen, sollte zunächst ein phasenspezifisches ergotherapeutisches Alltagstraining für die ambulante Versorgung von Schlaganfallpatienten in Deutschland manualisiert und im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht werden. Diese Machbarkeitsstudie sollte folgende Aspekte fokussieren: 1. Zielgruppe und Zielgruppenzugang: Genaue Definition der Zielgruppen nach Funktionsstörungen, Einschränkungen in den Aktivitäten und der Teilhabe und nach unterschiedlichen Rehabilitationsphasen sowie die Sicherstellung des Zielgruppenzugangs im Rahmen der ambulanten ergotherapeutischen Routineversorgung. 2. Standardisierung und Manualisierung der Intervention: Das Behandlungsmanual fokussiert eine häusliche ergotherapeutische Intervention zur Verbesserung der sozialen Teilhabe von Schlaganfallpatienten und

C. Müller et al. deren Selbständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Recherche nach bereits existierenden und manualiserten ADL-Behandlungsprogrammen im deutschsprachigen oder aus einem anderen Sprachraum und Überprüfung deren Übertragbarkeit, ggf. Neukonzipierung. Die Intervention sollte abgestufte Behandlungsmodule für verschiedene Therapieziele in den unterschiedlichen Rehabilitationsphasen vorhalten. Es erfolgt eine Festlegung aus welchen inhaltlichen Modulen sich das Behandlungsmanual zusammensetzt und welche spezifischen Behandlungstechniken zur Anwendung kommen. Unter anderem muss das Behandlungsmanual so weit wie möglich standardisierbar sein, um gleiche Standards in der Behandlung zu sichern und dennoch ausreichend Freiheitsgrade aufweisen, um die Behandlung individuell an die Bedürfnisse des Klienten anzupassen sowie unangemessene Varianzen in der Durchführung verhindern [39]. Darüber hinaus erfolgt die Festlegung von Behandlungsfrequenz, Behandlungsdauer und zum welchem Zeitpunkt nach dem Ereignis die Aufnahme phasenspezifischer ADL-Behandlungsprogramme sinnvoll erscheint. 3. Sicherstellung einer zuverlässigen standardisierten Interventionsdurchführung: Dies erfolgt durch die Qualifizierung und Supervision der Behandler und die Evaluation ihrer ,,Manualtreue‘‘. Im Rahmen der Manualisierung sind Schulungskonzepte zu berücksichtigen, die die Therapiekompetenz der Behandler und den Wissenstransfer Theorie-Praxis sicherstellen. Dabei muss das manualisierte Behandlungsprogramm realisierbar sein, um dieses möglichst vielen Berufsangehörigen im ambulanten Sektor zugänglich zu machen. In diesem Kontext sind ggf. ,,web-basierte Schulungen‘‘ ,,E-Learning‘‘ oder ,,Blended-Learning Konzepte‘‘ zu berücksichtigen. 4. Umsetzbarkeit und Akzeptanz des Behandlungsmanuals in der Praxis: Dabei ist die Akzeptanz des Behandlungskonzeptes von Behandlern und Klienten zu prüfen, insbesondere die Relevanz der Behandlungsschwerpunkte aus Sicht der Klienten. Des Weiteren sind Aspekte der Umsetzbarkeit des Manuals in die Praxis (Zeit/Verständlichkeit) zu berücksichtigen. 5. Praktikabilitätstestung und ggf. die Entwicklung oder Übersetzung und Validierung von Messinstrumenten, die klientenzentrierte Endpunkte erfassen: Die in dem Originalkontext verwendeten und weit verbreiteten Assessmentinstrumente (Barthel-Index, Activity-Index und Nottingham Extended Activities of Daily Living), liegen auch im Zielkontext in der deutschen Sprachversion vor und gelten für die Zielgruppe als valide, reliabel und veränderungssensitiv [40,41]. Darüber hinaus sind die Rivermead Activities of Daily Living Scale und Instrumente zur sozialen Teilhabe für die Anwendung bei Schlaganfallpatienten in der deutschen Routineversorgung zu prüfen. Tse und Mitarbeiter [42] identifizierten in ihrem systematischen Review 5 Assessment-Instrumente, die insbesondere die Partizipation von Schlaganfallpatienten erfassen: (1) Stroke Impact Scale (SIS), (2) London Handicap Scale (LHS), (3) Assessment of Life Habits (Life-H), (4) Frenchay Activities Index (FAI), (5) Acitvity Card Sort (ACS). Es gilt diese für die Verwendbarkeit im Rahmen der Machbarkeitszustudie zu prüfen. Bis auf die Stroke Impact Scale (SIS) sind die 4 weiteren

Potenzialanalyse zu ergotherapeutischem Alltagstraining nach Schlaganfall für den deutschen Versorgungskontext nicht psychometrisch getestet oder sprachlich übersetzt. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie sollten Veränderungsmaße und Standardabweichungen für die Population von Schlaganfallbetroffenen im häuslichen Umfeld ermitteln werden, sodass Effektschätzungen präzise erfolgen können und die statistische Power für eine nachfolgende Wirksamkeitsstudie berechnet werden kann.

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Details zur Recherche [6]

Zur Beschreibung der Folgen für die Gesellschaft wurden das Gesundheitssurvey und die Gesundheitsberichterstattung des Bundes [http://www.gbe-bund.de/] herangezogen. Zur Ermittlung der Evidenzlage wurde die folgende Fragestellung formuliert: ,,Wie wirkt ein ergotherapeutisches Training von basalen und instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens auf die Selbständigkeit und Lebensqualität von zuhause lebenden Schlaganfallbetroffenen (postakute und chronische Phase)?‘‘ Die systematische Literaturrecherche wurde in der Cochrane Library, PubMed, CINAHL und OTseeker nach dem PIO-S Schema (Patient-Intervention-Outcome — Studydesign) durchgeführt [1]. • Für die systematische Suche nach Cochrane-Reviews (PIOS1) wurden in der Suchmaske der Cochrane Library die Schlagwörter ‘‘occupational therapy’’, ‘‘stroke’’ und ‘‘activities of daily living’’ sowie der Suchfilter ‘‘Cochrane Reviews’’ herangezogen. • Nach weiteren systematischen Reviews (PIO-S2) wurde in folgenden Datenbanken recherchiert ◦ PubMed mit den Suchwörtern ‘‘occupational therapy’’, ‘‘stroke’’, ‘‘stroke rehabilitation’’, ‘‘stroke treatment’’, ‘‘activities of daily living’’ und den Suchfiltern ‘‘systematic review’’, ‘‘humans’’, ‘‘English or German’’ ◦ CINAHL mit den Suchwörtern ‘‘occupational therapy’’, ‘‘stroke’’, ‘‘activities of daily living’’ und den Suchfiltern ‘‘systematic review’’ und ‘‘Humans’’ sowie ◦ Otseeker mit den Suchwörtern ‘‘occupational therapy’’, ‘‘stroke’’, ‘‘activities’’ und dem Suchfiltern systematic review’’. • Des Weiteren wurde mit entsprechenden Suchwörtern und Filtern im Cochrane Central Register of Controlled Trials und in OTseeker nach randomisiert kontrollierten Studien aus dem Zeitraum nach dem identifizierten Cochrane Review (PIO-S3) recherchiert. • Aus 6 Cochrane-Reviews, 55 weiteren Reviews und 50 randomisiert kontrollierten Studien wurden 8 Volltexte gesichtet und 2 systematische Reviews eingeschlossen [37,38].

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[Potential analyses for research on occupational therapy-led training of activities of daily living in stroke patients].

Every year about 200,000 people in Germany suffer from a first stroke and 65,000 persons from a recurrent stroke. Stroke is one of the major causes of...
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