Z. Orlhop. 130 (/992)

Postoperative Infektionen und Wundheilungsstörungen bei Patienten mit infantiler Cerebralparese H . P. Kaps', U. Herzog' , G. Rampe' ' Orthopä dische Universitätsklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. H . Cotta) "Abteilung für Ortho pädie im Kindesalter (Leiter: Prof. Oe. F. U. Niechard)

Einleitung Zusammenfass ung Im Rahm en einer retros pektiven Studie (569 IC P-P atienten und 405 Kontrollgruppen-Patienten) wurde die besondere Situa tion des op erierten cerebralparetischen Kinde s hinsichtlich des Risikos von po stop erati ven Wund heilungsstö rungen und Wundin fektionen untersucht. Faktoren wie überlange Op eration szeiten, Zweiteingriffe oder hohe An zah l vo n Eingriffen pro Operation konnten für die höh ere Rate gestö rter Wundheilungen bei IC P-Patienten nicht vera nt wortlich gemacht werd en . Die Ursachen für da s erhöhte Infektionsrisiko müssen vielmehr im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild der infantilen Cerebralparese selbst gesehen we rden, wie immunologis che Schwä che, erhöhte Schweißneigung, vermindert e Durchblutung an der betroffenen Extremit ät, sowie Sen sibi lit äts- und Perzeptionsst örungen. Eine direkte Zuordnung dieser Parameter zu einem erhö hten po stoperativen Infek tion srisiko muß prospekti ven Studien vorbehalten bleiben. Postope rative Infe ctions and Wound Healing Disorders in Patients with Infan tile Cerebra . Palsy As part of a retrospective study including 569 patients with IC P and a group of 405 controls, the risk of postoperative wound hea ling disorders and wound infections was investigated in surgically treated children with cerebral palsy. The high er rate of wound healing disorders in ICP patients could not be attri buted to factors such as excessively long duration of oper ation , seco ndary interventio ns, or a high numb er of interventions per operation, Rather , the causes of the increased risk of infectio n have to be seen in connection with t he symptoms of ZCP itself, such as immunological weakness, increased tendenc y to sweat, reduced circulation in the affected ext remity and disturbances of sensitivity and per cept ion , A direct link between these paramet ers and increased risk of postoper ative infection can on ly be established by prospective studies.

z. Orthop.

130 (1992) 426-4 31

© 1992 F. Enke Verlag Sturtgart

In der Literatur find en sich divergierende Angaben hinsichtlich der Quote von po stoperativen Wun dh eilun gsst örungen . Ur sä chlich hierfür sind die Anwendung unzulänglicher statistischer Methoden, die un terschiedlich e Zusammen setzung einzelner Kollekti ve und die nicht ein heit liche Definition des Begriffes "Wundinfektion " (3). Im allgemeinen variiert (bei verschiedenen Autoren) die po stoperative Infektionsrate zwischen 0,5070 und 15'10 (2). Nach Nelson (5) sind 4 bis 5"70 aller orthopädischen Eingriffe mit einem Infektrisiko behaftet. Aus dem Bericht "Zur Infektrate orthop ädisch-traumatologischer Op era tion en " von Plaue und Neff (9) stammt fo lgende s Unter suchungsergebni s: An der Orthopädischen Universitäts klinik Heidelberg trat en in den Jahren 1970 bis 1972 148 po stope rative Wundinfektionen bei insgesamt 8890 orthopädischen und traumatologischen Operationen auf, was einer Gesamtinfektrate von 1,7 '10 entspricht. In 85 Fällen (1'10) lagen oberflächliche Wundheilungsstörunge n vor, bei den übri gen 63 Komplikationen (0,7 '10) handelte es sich um tiefrei chende Kno chen- und Gelenkinfekte . Zur sta tistischen Aufarbeitung der po stoperati ven Infektrate erscheint eine Einteilung in Wund infekt und Wund heilung sstörung sinnvo ll (4).

I. Wundinfekt a) Tiefer Wundinfekt b) Oberflächlicher Wundinfekt c) Sekundäre Infizierung vo n deshiszent en Wundb ezirken, Wund randnekro sen so wie Druckulcer a .

2. Wundheilungsstö ru ng Eine gestö rte Wundh eilung liegt vor, wenn die Wunde po stoperativ geöffnet werden muß , oder dies spont an erfolgt (Serome, Deshiszenzen, Hämat ome) (5). Man untergliedert in tiefe, ob erflächliche und sekundäre Wundheilungsstöru ngen sowie Wundrandnekrosen und Wunddeh iszenzen , wobei hier jedo ch niemals eine Keimisolierung gelingt (6). Bisher existieren in der Literatu r noch keinerlei Daten über die besonder e Situation des op erierten cerebralparetischen Kinde s hinsichtli ch seines po sto perativen Wundinfektion srisiko s.

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Postop erative Inf ektionen und Wundheilungsstorungen bei infantiler Cerebra/parese

2.1. Patientengut und Stud ienprotokol/: Untersucht wurden insgesamt 569 Pat ienten der ICP-Gruppe sowie 405 Patienten der Kontrollgruppe über den Untersuchungszeitraum 1970 bis 1980. Im Verlaufsprotokoll wurden folgend e Parameter erfaßt: Allgemeine Parameter: Geburtsjahrgang, Alter bei OP. Geschlecht, An zahl der Erst- bzw, Zweiteingriffe, Gesamtzahl der Eingriffe je untersuchter Operation . Art des operativen Eingriffe s bei ICP-Patient en

Kontrollgruppe

OP nach Vu/pius OP nach Strayer Weichte ileingriffe des Ellenbogen- und Handgelenkes, Achillessehnenverl ängerung .

offene und geschlo ssene Adduktorentenotomi e, Umstellungsosteotomien der Hüft e (einfache VO, DVO. OP nach Salter, Chiari sowie Pfannendachplastik)

minalverteilungen auf'grund kleiner Stichprobenumfänge, sowie b) der Chiquadrat-Test herangezogen. Für alle Hypothesenprüfungen wird ein Wert von p kleiner 0,05 als statistisch signifikant angesehen. Die Einheit für die Irrtumswahrscheinlichkeit ist damit die einzelne Hypothese. Für die Hypothesenprüfung bei unverbundenen Stichproben bei stetigen Merkmalen, die aber nicht normal verteilt sind, kam der Zwei-Stich-Proben-Rangtest nach Wilcoxon zur Anwendung. Wenn patienten bezogen ausgewertet wurde. aber pro Patient mehrere Eingriffe vorhanden waren und nur einer in die Untersuchung eingehen durfte, wurde na ch dem Zufallsprin zip au sgewählt. 3. Ergebnisse

Achillessehnennaht nach Ruptur VO, DVO, OP nach Chiari Sonstige: Vorwiegend Plattenentfernungen

Ferner wurden fo lgende Fragen beantwortet: Postoperative Wundinfektion und /oder Wundheilungsstörung Ja oder Nein, Art derselben (tief oder oberflächlich, Sekundärinfektion, Hämatom, Serom, Wundrandnekrose, Narbendeshiszenz), Erreger bekannt?

Weiterhin wurde der Operationszeitpunkt und die Operationszeit berücksichtigt. Beim Vorliegen von Wundinfektionen und/oder Wundheilungsstörungen wurde beschrieben, ob ein Revisionseingriff notwendig war (z. B. chirurgische H ämato rnent fernun g). Innerhalb der ICP -Gruppe wurden außerdem Angaben über die Form der vorliegenden Lähmungserscheinungen und Bewegungsstörungen gemacht: Hemi-. Di-, Tetraplegie sowie Ataxie, Athetose und Spastik,

2.2. Methodik Für die Auswertung der Ergebnisse wurde I. deskr ipti ve Stati stik 2. statistische Anal yse angewandt. Zu 1.: Berechnung pro zentu aler Ant eile von H äufigkeiten (z. T. Dar stellung durch Tabe llen). Zu 2.: Zur Prüfung der einzelnen Hypot hesen anhand von Vier- und Mehrfeldertafeln wurd en a) der exakte Fisher-Test (zweiseitig), falls nötig . für den Vergleich der Grundwa hrschein lichkeiten zweier Bino-

Die Gesamtrate von Komplikationen bei der Wundheilung beträgt bei den ICP-Patienten 15,8"10 bei der Kontro llgrupp e 5,2"10 . Untert eilt man in Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen, ergeben sich folgende Zahlen (Tab . I): Bei ICP-Patienten waren Adduktorentenotomie n sowie Eingriffe im Bereich der Kniebeugen und der Handgelenke mit deutlich höherer Rate gestörter Wundheilung zu finden im Vergleich zu den restlichen Eingriffen (Tab . 5). Entsprechend den anatomischen Voraussetzungen dominierten bei Adduktorentenotomien Hämatombildungen, bei GR ICE-Operati onen Wundrandnekrosen . Betracht ete man da s Bakterienspektrum der Wundinfektionen, so dom inierten sowo hl bei ICP- als auch bei den Kontr ollgruppen-Patienten die Mono- gegenüber den Mischinfektion en . Im grampositiven Bereich war in beiden Gruppen der häufi gste Erreger Staphylococc us aureu s, unter den gramnegativen Keimen fanden sich bei ICP-Patienten ausschließlich Enterobakterien. Geschlechtsspezifische Unt erschiede hinsichtlich der Rate gestörter Wundheilungen zeigten sich mit Ausnahm e der Hüftoperierten der Kontrollgruppe (hier waren die männlichen Patienten signifikant häufiger betroffen als die weiblichen) weder bei den ICP-Patienten noch bei der Kontrollgruppe . Auffällig häu figer waren die ICP-Patienten im Alter von 11 bis 20 Ja hren (25,3"10) gegenüber denjenigen von I bis 10 Jahr en (12,3"10) mit gestörter Wundheilung betroffen. Ebenso die Patienten der Kont rollgruppe mit Hüfteingriffen: I bis 10 Jahren 1,6"10 , 11 bis 20 Jahre 7,2"10 . In der Kontrollgruppe fand en sich hierbei in der höheren Altersklasse ein größerer Anteil an Zweiteingriffen (10,6"10), (I bis 10 Jahre nur 5,5 "10), au ch war der Anteil der Zweiteingriffe mit gestörter Wundheilung (7,4 "10 , Erste ingriff nur 2,5 "10) in dieser Gruppe deutli ch höher , so daß hier ein Zusammenhang mit der höheren Infektrate bei den älteren Patienten hergestellt werden kann. Bei den ICP-Patienten war zwar der Anteil der

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2. Material und Methodik

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Z. Orthop. 130 (1992) H. P. Kaps und Mitarb. Tab. 1 : Gesamtrate der Wundheilungsstörungen und Wundinfektionen bei ICP-Patienten und der Kontrollgruppe. Wundheilungsstörungen +Windinfektion (an verschiedenen Eingriffsorten)

Wundinfektionen

Wundheilungsstörungen

ICP-Patienten 11,1% In=661 4,0% (n=24) 0,7% (n=4) (n=596) Kontrollgruppe 3,21% (n= 13) 2,0% (n=8) 0% (n=0) (n =405) (p0,05) Bei Hüfteingriffen (Weichteil- und Knocheneingriffen) zeigte das ICP-Kollektiv ebenfalls eine signifikant höhere Infektrate (Tab. 2).

Tab. 2 : Postoperative Infektrate bei Hüfteingriffen (Weichteil- und Knocheneingriffe), Vergleich ICP-Patienten/Kontrollgruppe. Wundheilungsstörungen

W undinfektionen

Gesamtinfektrate

7,9% (n=6) 2, 6% (n=2) ICP-Patienten 10,5% (n=8) (n=76) Kontrollgruppe 3,3% (n= 11) 2, 1% (n=7) 1,2% (n=4) (n=331) (p 0,05) (p0,05)

(p> 0,051 (p>0,05)

Wurden innerhalb des ICP-Kollektivs Weichteileingriffe und knöcherne Eingriffe verglichen , zeigte sichfür die Eingriffe am Knochen eine höhere Gesamtrate von postoperativen Infektionen als für die Weichteileingriffe (Tab 41.

Tab. 4 Knöcherne Eingriffe und Weichteileingriffe bei ICP-Patienten - Befundergebnisse mit relativem Anteil bezogen auf die Art der Eingriffe.

Weichteileingriffe Knöcherne Eingriffe Summe

Gesamtzahl d. Eingriffe

Anzahl d. Pat. mit Wundinfekt.

Anzahl d. Pat. m. Wundheilungsstörungen

Anzahl d. Pat. mit Wundheilungsstörung o. -Infektion

864 126

11 (1,3%) 8 (6,4%)

43 (5,0%) 13 )10,3%)

54 (6,3%) 21 (16,7%)

990

19 (p

[Postoperative infections and wound healing disorders in patients with infantile cerebral palsy].

As part of a retrospective study including 569 patients with ICP and a group of 405 controls, the risk of postoperative wound healing disorders and wo...
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