© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Schmerz 2014 · 28:93–104 DOI 10.1007/s00482-013-1346-6 Online publiziert: 19. Februar 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.  Published by Springer-Verlag Berlin  Heidelberg - all rights reserved 2014

Redaktion

H. Göbel, Kiel R. Sabatowski, Dresden 

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CME   Zertifizierte Fortbildung G. Goßrau UniversitätsSchmerzCentrum, Universitätsklinikum Dresden 

Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CMEPunkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nord rheinischen  Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für  andere Ärztekammern anerkennungsfähig.  

Postzosterneuralgie

Hinweis für Leser aus Österreich

Die Postzosterneuralgie ist ein neuropathisches Schmerzsyndrom. Charakteristisch sind Schmerzen im Dermatom der ursprünglichen Hauteffloreszenz, die 3 Monate nach deren Abheilung fortbestehen. Die Postzosterneuralgie tritt etwa bei jedem zehnten Zosterpatienten auf. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Prävalenz deutlich an. Klinische Charakteristika sind Dauerbrennschmerzen, einschießende Schmerzattacken und Allodynie. Außerdem finden sich sensorische Minus- und Plussymptome im betroffenen Areal. Pathophysiologisch konnten die periphere und zentrale Sensibilisierung auf dem Boden einer Nervenschädigung als wichtige Mechanismen der Schmerzentstehung nachgewiesen werden. Studien zur Therapie der Postzosterneuralgie konnten die Wirksamkeit von Antidepressiva, Antiepileptika, Opioiden sowie der topischen Analgetika Capsaicin und Lidocain zeigen. Es ist davon auszugehen, dass die Postzosterneuralgie als chronische Schmerzerkrankung eines multimodalen Behandlungsansatzes bedarf.

Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt.

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Zusammenfassung

Schlüsselwörter

Herpes zoster · Postherpetische Neuralgie · Antidepressiva · Antiepileptika · Opioidanalgetika

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Lernziel Nach Lektüre dieses Beitrags zur Postzosterneuralgie F sind Sie mit wichtigen Aspekten der Entstehung und Aufrechterhaltung sowie mit der klinischen Präsentation der Erkrankung vertraut. F kennen Sie die aktuellen Therapiemöglichkeiten, insbesondere die differenzierte medikamentöse Behandlung. F wissen Sie, welche lokalen Therapien im multidisziplinären Ansatz angewendet werden. F nehmen Sie die Betroffenen als chronische Schmerzpatienten mit biologisch-körperlichen Krankheitszeichen und psychischen sowie sozialen Beeinträchtigungen wahr.

Epidemiologie Die globale mediane Herpeszoster-Inzidenz wird auf 4–4,5 pro 1000 Personen geschätzt

Die PZN tritt im Mittel bei 5% aller Zosterpatienten auf

Die Prävalenz der PZN steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an

Aktuelle Daten zeigen eine Inzidenz des Herpes zoster in Deutschland von fast 6 pro 1000 Personen [1]. Eine globale mediane Herpes-zoster-Inzidenz von 4–4,5 pro 1000 Personen wird unter Berücksichtigung epidemiologischer Untersuchungen aus den USA, Kanada, Südamerika, Europa, Asien und Australien benannt [2]. Die meisten dieser Studien beschreiben auch einen Trend zur Zunahme der alterskorrigierten Herpes-zoster-Inzidenz in den letzten Jahren. Der Grund ist allerdings noch nicht bekannt. Die Postzosterneuralgie (PZN) tritt im Mittel bei 5% aller Zosterpatienten auf [1]. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung der untersuchten Population und den verwendeten Diagnosekriterien gibt es unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit der PZN. Sie liegen bei 2–23% der Zostererkrankten [2]. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Prävalenz deutlich an, nach dem 50. Lebensjahr leiden 18%, nach dem 80. Lebensjahr bis zu 33% der Herpes-zoster-Erkrankten an einer PZN. 80% der PZN-Erkrankungen treten bei Personen >50 Jahre auf [2]. Frauen und Patienten mit  Zoster ophthalmicus sowie Patienten mit starkem Initialschmerz und schmerzhaften  Prodromalsymptomen des Zosters entwickeln häufiger eine PZN, Immundefizienz ist dagegen kein Risikofaktor [3]. Bei gesetzlich krankenversicherten Deutschen werden durch eine PZN Krankheitskosten von >1600 € pro behandelten Patienten verursacht [1]. Dies weist auf die gesundheitsökonomische Dimension der PZN im Rahmen des demografischen Wandels hin.

Postherpetic neuralgia Abstract

Postherpetic neuralgia is considered to be a neuropathic pain syndrome. Typically, patients experience pain in the dermatomes of skin lesions persisting for more than 3 months after skin restitution. About 10 % of patients with herpes zoster develop postherpetic neuralgia. Its prevalence increases with age. Common clinical symptoms include continuous burning pain, sharp pain attacks, and allodynia. Additionally, sensory hyperactivation or loss in the affected skin area is present. Pathophysiology includes mechanisms of peripheral and central sensitization, based on damaged nerve fibers as the main mechanisms for pain generation and its maintenance. Clinical studies did show pain relief in postherpetic neuralgia after administration of antidepressants, antiepileptic drugs, opioids, and topical capsaicin and lidocaine. Nevertheless, about one third of patients do not respond to conventional treatment. Given the fact that postherpetic neuralgia is considered to be a chronic pain disease, a multidisciplinary treatment approach is necessary.

Keywords

Herpes zoster · Neuralgia, postherpetic · Antidepressive agents · Antiepileptic agents · Analgesics, opioids

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2. Inflammation führt zu: Demyelinisierung, Nervenzell-/Axonverlust, Hinterhornatrophie, Nekrose/Fibrose

1. Reaktivierung einer latenten endogenen Varicella-Zoster-VirusInfektion

3b. Reorganisationsprozesse im Hinterhorn: Verlust der Schmerzhemmung, Erhöhte Aktivität der Smallfiber-Afferenzen

Mechanisch-dynamische Allodynie

Spinalganglion

Rückenmark

Nozizeptorsensibilisierung 3a. Periphere Sensibilisierung Erhöhte Suszeptibilität für pronozizeptive Mediatoren Hyperalgesie

4a. Veränderungen der zentralen Schmerzmatrix

Gehirn

4b. Small-fiberDegeneration mit reduzierter epidermaler Nervenfaserdichte

Abb. 1 8 Pathophysiologische Mechanismen der Postzosterneuralgie. 1 Die Reaktivierung einer latenten endogenen Varicella-Zoster-Virus-Infektion führt zur 2 Inflammation mit Demyelinisierung, Nervenzell-/Axonverlust, Hinterhornatrophie, Nekrose und Fibrose. 3a Die erhöhte Aktivität der Small-fiber-Afferenzen resultiert in mechanischer Hyperalgesie und induziert Veränderungen in der Prozessierung sensorischer Signale. Eine Sensibilisierung von   Nozizeptoren kann beobachtet werden. 3b Reorganisationsprozesse im Hinterhorn folgen und führen zum Verlust der Schmerzhemmung, Phänomene der zentralen Sensibilisierung für Schmerz wie die mechanisch-dynamische Allodynie treten auf. 4a Neuroplastische Veränderungen der zentralen Schmerzmatrix sind die Folge eines kontinuierlich erhöhten Nozizeptorinputs. 4b Ausgelöst durch die Degeneration un- oder wenig myelinisierter peripherer Nervenfasern nimmt im Verlauf die epidermale Nervenfaserdichte ab

Ätiopathogenese Die Reaktivierung einer latenten endogenen Varicella-Zoster-Virus(VZV)-Infektion verursacht den Herpes zoster [4]. Nach der  Varizelleninfektion persistieren die Viren in sensorischen Ganglien. Nach einer  jahrzehntelangen Latenzphase kommt es zu einem klinisch manifesten Rezidiv, meist in Form eines Herpes zoster. Die Virusreplikation resultiert in entzündlichen Veränderungen in den betroffenen sensorischen Hinterhornganglien und peripheren Nerven. Die Inflammation führt zu Demyelinisierung, Nervenzell- und Axonverlust, Hinterhornatrophie, Nekrose und Fibrose [4]. Eine reduzierte epidermale Nervenfaserdichte als Hinweis auf den Untergang der kleinen Nervenfasern wurde nachgewiesen [5]. VZV gelangen innerhalb der sensorischen Nerven zur Haut und verursachen dort den dermatomspezifischen Zoster mit Erythem sowie papulovesikulösen und pustulösen Hautveränderungen (. Abb. 2a,b). Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass Reorganisationsprozesse im Hinterhorn und eine periphere Nervenschädigung durch Demyelinisierung afferenter sensorischer Nervenfasern sowie Small-fiber-Degeneration ursächlich für die Entstehung der PZN sind [6]. Durch einen Verlust der Schmerzhemmung und eine erhöhte Aktivität von Small-fiber-Afferenzen werden die neuropathischen Schmerzen ausgelöst und unterhalten. . Abb. 1 zeigt Mechanismen der Schmerzentstehung und -chronifizierung bei der PZN. In Untersuchungen zu zentralnervösen Mechanismen der PZN wurde der zerebrale Blutfluss (CBF) mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie gemessen. Die Studien konnten bei

VZV gelangen innerhalb der sen­ sorischen Nerven zur Haut und verursachen dort den dermatom­ spezifischen Zoster Ursächlich für die Entstehung der PZN sind Reorganisationsprozesse im Hinterhorn und eine periphere Nervenschädigung

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Abb. 2 8 a Papulovesikulöse Zostereffloreszenz. b Thorakaler Herpes zoster (Th4) in Abheilung, Markierung des Spontanschmerzareals

Abb. 3 8 a Postzosterneuralgie im zervikalen Dermatom (C6), schwarze Markierung des Areals mit Dauerbrennschmerz, rote Markierung des Allodynieareals. b Postzosterneuralgie im thorakalen Dermatom (Th9), Markierung des Areals mit Dauerbrennschmerz

PZN-Patienten einen signifikant erhöhten CBF in verschiedenen Arealen der zentralen Schmerzmatrix zeigen, u. a. in Thalamus, Insel, Amygdala und primärem somatosensorischem Kortex. Darüber hinaus konnten funktionelle Verbindungen einzelner zentraler „Schmerzkreisläufe“ dargestellt werden [7].

Klinik und Diagnosestellung

Der Schmerz des akuten Herpes zoster wird als scharf und stechend beschrieben Die PZN äußert sich als unange­ nehmer dauerhafter Brennschmerz mit einschießenden Schmerz­ attacken

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Im Dermatom des Herpes zoster können bereits vor den Hautveränderungen Schmerzen und Parästhesien bemerkt werden. Gelegentlich tritt eine Begleitmeningitis auf. Einen Sonderfall stellt der Zoster sine herpete dar, der durch neuropathische Schmerzen ohne Hautveränderungen gekennzeichnet ist. Der Schmerz des akuten Herpes zoster wird als scharf und stechend beschrieben (. Abb. 2). Meist lösen sich diese Schmerzen innerhalb von 4–8 Wochen nach Beginn des Herpes zoster auf. Bestehen Schmerzen im Dermatom der Hauteffloreszenz auch 3 Monate nach deren Heilung fort oder treten nach einem schmerzfreien Intervall erneut Schmerzen dort auf, liegt eine PZN vor. Die PZN äußert sich als unangenehmer dauerhafter Brennschmerz mit einschießenden, auch elektroschockähnlichen Schmerzattacken. Häufig überschreiten der Schmerz und die begleitenden sensorischen Phänomene die Grenzen des ursprünglich betroffenen Dermatoms. Thorakale Dermatome sind am häufigsten betroffen (. Abb. 3, 4). Aufgrund der virusbedingten Nervenschädigung zeigen die Patienten im betroffenen Dermatom [6] F Hyp- oder Anästhesie, F Hypalgesie sowie F Par- und Dysästhesien.

CME Die Mehrheit der PZN-Patienten leidet unter  mechanischer Allodynie, üblicherweise in Arealen mit erhaltener Wahrnehmung taktil sensorischer Reize (. Abb. 4). Spontanschmerz tritt dagegen häufiger in Dermatomen mit gestörter oder fehlender Wahrnehmung sensorischer Reize auf. Einige Patienten präsentieren auch einen Juckreiz im Postzosterareal. Auch muskuloskeletale Schmerzen aufgrund einer Herpes-zoster-induzierten Schädigung motorischer Nerven und konsekutiven Muskelhypotrophie kommen bei schwerer betroffenen Patienten vor. Die psychosoziale Dimension der PZN mit reduzierter Lebensqualität und verminderten Alltagsaktivitäten stellt ein zentrales Problem dar. Bei den betroffenen Patienten kann man häufig Schlafstörungen, allgemeine Schwäche, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, verminderte Sozialkontakte, reduzierte Mobilität und damit eine zunehmende Abhängigkeit von externen HilfsAbb. 4 8 Postzosterneuralgie im thorakalen angeboten bis zur stationären Behandlung beobachten. Dermatom (Th9), schwarze Markierung des Areals mit Dauerbrennschmerz, rote Markierung Psychologische Beeinträchtigungen im Rahmen der des Allodynieareals PZN beinhalten erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität. Über Suizide aufgrund der PZN wurde berichtet [8]. Die PZN ist eine klinische Diagnose. Der Herpes zoster mit typischen Hautveränderungen, gefolgt von Schmerzen im zugehörigen Dermatom, gehört zur typischen Anamnese. Gelegentlich treten die Schmerzen nach längerer Latenz wieder auf. Eine Reaktivierung der Herpes-zoster-Infektion mit erneuten Hautveränderungen durch präzipitierende Ereignisse, z. B. Infektionskrankheiten, Unfälle, Operationen oder emotionale Belastungssituationen, ist möglich. Eine PZN kann auch ohne anamnestisch fassbaren Herpes zoster vorliegen. Diagnostische Werkzeuge wie die quantitative sensorische Testung oder die Hautstanzbiopsie werden zur weiteren Diagnostik der Kleinfaserfunktion eingesetzt. Elektroneurographie und Elektromyographie können eine Beteiligung myelinisierter sensorischer bzw. motorischer Nervenfasern nachweisen.

Die psychosoziale Dimension der PZN stellt ein zentrales Problem dar

Psychologische Beeinträchtigungen im Rahmen der PZN beinhalten erhöhte Ängstlichkeit und Depressivität

Prävention der Postzosterneuralgie Zur Prävention der PZN steht heute die Vakzinierung zur Verfügung. Es gibt 2 VZV-Vakzinen, beide enthalten einen abgeschwächten Lebendimpfstoff. Die Varizellenvakzinierung wird seit über 15 Jahren bei Kindern eingesetzt. Damit konnte eine deutliche Reduktion der Varizelleninzidenz erreicht werden sowie vorhersehbar eine Abnahme der Inzidenz von Herpes zoster und auch der PZN. Die Zostervakzinierung wurde zur Prävention des Herpes zoster entwickelt. Diese Vakzine soll die mit zunehmendem Alter abnehmende zellvermittelte Immunität gegen VZV wieder verstärken. Seit 2008 wird die Impfung für Personen in einem Alter >60 Jahre empfohlen. In der Europäischen Union ist die Zostervakzine für Personen >50 Jahre zur Prävention des Herpes zoster und der PZN zugelassen. Im Unterschied zur Varizellenvakzine enthält sie eine 14-fach höhere Virionendosis [9]. Die Zostervakzine ist effizient in der Prävention des Herpes zoster. Eine aktuelle Cochrane-Übersicht bisher publizierter randomisierter, kontrollierter Studien (RCT) beschreibt eine „number needed to benefit“ von 50 und eine „number needed to harm“ von 100. Die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen profitiert stärker von der Vakzinierung, zeigt aber auch mehr Nebenwirkungen, z. B. Rötungen, Schwellungen, Juckreiz und varizellenartige Hautausschläge im Injektionsgebiet. Insgesamt wird die Zostervakzine gut toleriert. Systemische Nebenwirkungen sind selten und die lokalen Nebenwirkungen sind von geringer bis mittlerer Intensität [10]. Die Datenlage zur Prävention der PZN durch eine antivirale Therapie in den ersten 72 h nach Manifestation der Effloreszenzen ist nicht endgültig geklärt [11]. Eine aktuelle prospektive Studie mit mehr als 400 Personen weist aber darauf hin, dass die frühzeitige antivirale Therapie auch in Bezug auf die Entwicklung einer PZN sinnvoll ist [12]. Eine effiziente Schmerztherapie ist beim akuten Zosterschmerz unerlässlich. Allerdings bleibt mit Blick auf die vorliegenden Studienergebnisse ungeklärt, ob und welche Pharmakotherapie oder

Seit 2008 wird die Zostervakzinierung für Personen in einem Alter >60 Jahre empfohlen Die Zostervakzine ist effizient in der Prävention des Herpes zoster

Eine effiziente Schmerztherapie ist beim akuten Zosterschmerz unerlässlich Der Schmerz 1 · 2014 

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CME Intervention einen präventiven Effekt bezüglich der Entwicklung einer PZN hat.

Systemische Medikamente

Topische Medikamente

Therapie der Postzosterneuralgie Kombination

Die PZN erfordert oft einen multi­ dimensionalen Therapieansatz

Eine realistische Einschätzung der Therapieziele ist für eine Sicherung der Compliance unerlässlich

Trotz leitliniengerechter medikamentöser Therapie wird häufig keine Schmerzreduktion erreicht

Zur Therapie der PZN werden systemische und topische Medikamente, aber auch invasive Techniken, alTranskutane ternative, physikalische und psychologische Methoden elektrische Verhaltenstherapie eingesetzt. Wie bei vielen chronischen neuropathischen Nervenstimulation Schmerzen ist auch bei der PZN oft ein multidimensionaler Therapieansatz erforderlich. Die Identifikation Physikalische Ergotherapie Therapie der adäquaten Therapie ist ein mitunter langer Prozess (. Abb. 5). Vor Therapiebeginn sollten die Ziele mit dem Pa- Abb. 5 8 Therapiebausteine bei Postzosterneutienten vereinbart werden. Eine realistische Einschät- ralgie zung sowie die Aufklärung über mögliche Therapienebenwirkungen sind dabei für eine Sicherung der Compliance unerlässlich. Neben einer mindestens 30- bis 50%igen Schmerzreduktion sind im Sinne des  biopsychosozialen Schmerzmodells auch eine Verbesserung von Aktivitäten des täglichen Lebens unter Erhaltung der sozialen Funktionalität, eine Verbesserung der Lebensqualität und die Reduktion von Schlafstörungen wichtige Therapieziele. Meist ist mit der medikamentösen Therapie keine komplette Schmerzfreiheit zu gewährleisten oder die Medikamentennebenwirkungen erreichen ein nicht tolerierbares Ausmaß. Bei etwa einem Drittel der Patienten, den Nonrespondern, kann trotz leitliniengerechter medikamentöser Therapie keine Schmerzreduktion erreicht werden oder die eingesetzten Medikamente werden nicht toleriert [13].

Systemische Medikamente Die patientenspezifisch wirksame und tolerierte Dosierung wird durch Titration ermittelt

Häufig werden zur Therapie der PZN Präparate ohne entsprechende Zulassung eingesetzt

Der Einsatz von TZA ist im Alter wegen der arrhythmogenen Wirkung risikoreich

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Die Wahl des eingesetzten Medikaments hängt vom individuellen Schmerzbild, den vorhandenen Kontraindikationen und den eventuellen Nebenwirkungen ab. Die patientenspezifisch wirksame und tolerierte Dosierung wird durch Titration ermittelt. Eine Aussage zur Wirkungslosigkeit eines Medikaments setzt in der Regel dessen Einnahme für 2–4 Wochen in ausreichender Dosierung voraus. RCT zur medikamentösen Therapie der PZN zeigen eine Wirksamkeit von (. Tab. 1; [14]) F trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin, Nortriptylin, Desipramin), F Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle (Gabapentin, Pregabalin) und F Opioidanalgetika (Tramadol und Morphin retardiert, Oxycodon). Für das Antikonvulsivum Valproinsäure liegt lediglich eine Studie mit Hinweisen auf eine Wirksamkeit bei PZN vor [15]. Häufig werden zur Therapie der PZN Präparate ohne die entsprechende Zulassung eingesetzt („off-label“). Hier ist es wiederum erforderlich, den Patienten über die belegte bzw. erhoffte Wirksamkeit des Medikaments, die potenziellen Nebenwirkungen bzw. den Einsatz aufgrund fehlender Alternativen aufzuklären und dies zu dokumentieren. Wichtig ist die individuelle Auswahl des Medikaments entsprechend den Gegebenheiten des Patienten. Häufig sind PZNPatienten älter und mehrfach vorerkrankt. So ist etwa der Einsatz von trizyklischen Antidepressiva (TZA) im Alter wegen der arrhythmogenen Wirkung risikoreich. Falls hier auf ein TZA nicht verzichtet werden kann, sollte bevorzugt Nortriptylin eingesetzt werden. Auch die zentralnervösen anticholinergen Nebenwirkungen der TZA bei älteren Patienten sind zu beachten: Häufig können bereits mittlere TZA-Dosierungen zu Verwirrtheit und Desorientierung führen. Im Rahmen chronisch neuropathischer Schmerzen werden häufig auch folgende Medikamente eingesetzt: F Tetrazyklische Antidepressiva, z. B. Maprotilin F Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), wie Venlafaxin und Duloxetin F Tapentadol als Agonist am μ-Opioidrezeptor und selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

CME Tab. 1  Medikamentöse Therapie der Postzosterneuralgie  

Dosierung

Dosierungsintervall

Zulassung zur Therapie schwerer/chronischer/neuropathischer Schmerzen

Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin 10–75 mg/Tag 1 Tagesdosis, abends Ja Nortriptylin 10–100 mg/Tag 2–3 Einzeldosen Ja Desipramin 25–100 mg/Tag 1 Tagesdosis Nein Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle Gabapentin 300–2400 mg/Tag 3 Einzeldosen Ja Pregabalin 75–600 mg/Tag 2–3 Einzeldosen Ja Opioidanalgetika Tramadol 100–600 mg/Tag 2 Einzeldosen Ja Oxycodon 20–80 mg/Tag 2 Einzeldosen Ja Morphin retardiert 20–200 mg/Tag 2 Einzeldosen Ja Topische Medikamente Lidocain-Pflaster 5%ig, 1–3 Pflaster für 12 h 12 h Behandlungspause Ja Capsaicin-Hochdo- 8%ig, maximal 4 Pflaster Einmalige Behandlung Ja sispflaster für 60 oder 30 min (Füße) mit nachfolgender 90-tägiger Behandlungspause Capsaicin-Salbe 0,075%ige Salbe 2- bis 4-mal täglich für   4–6 Wochen Weitere verwendete Medikamente ohne Effektnachweis in randomisierten, kontrollierten klinischen Studien Tetrazyklische Antidepressiva Maprotilin 25–100 mg/Tag 1–3 Einzeldosen Nein Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin 75–375 mg/Tag 2–3 Einzeldosen Nein Duloxetin 30–60 mg/Tag 1 Dosis morgens Schmerzhafte diabetische   Polyneuropathie Agonist am μ-Opioidrezeptor und selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Tapentadol 100–400 mg/Tag 2 Einzeldosen Ja Mit blockierender Wirkung auf neuronale Natriumkanäle Carbamazepin 200–1000 mg/Tag 2 Einzeldosen Schmerzhafte diabetische Polyneuropathie, Trigeminusneuralgie, Glossopharyngeusneuralgie Oxcarbazepin 300–1800 mg/Tag 2 Einzeldosen Nein Antikonvulsiva mit blockierender Wirkung auf neuronale Natriumkanäle und spannungsabhängige Kalziumkanäle Lamotrigin 25–300 mg/Tag 1–2 Einzeldosen Nein

F Antikonvulsiva mit blockierender Wirkung auf neuronale Natriumkanäle, z. B. Carbamazepin oder Oxcarbazepin F Lamotrigin mit blockierender Wirkung auf neuronale Natriumkanäle und spannungsabhängige Kalziumkanäle Allerdings liegen zum Einsatz dieser Medikamente bei der PZN keine kontrollierten klinischen Studien vor, sodass die Verschreibung einem Heilversuch entspricht und erst nach Nichtansprechen oder Nebenwirkungen auf die o. g., in kontrollierten Studien überprüften und wirksamen Medikamente erfolgen sollte. Beim Einsatz von Pharmaka, deren Verwendung sich weder auf erfolgreiche Studiendaten noch auf eine Zulassung stützt, sollten Medikamenteninteraktionen und Nebenwirkungen besonders kritisch bedacht werden. Beispielsweise sind Blutdruckerhöhungen, Sexualstörungen, Übelkeit, Erbrechen, erhöhtes Suizidrisiko und psychotische Reaktionen als Komplikationen einer Therapie mit SNRI zu nennen. Die Gabe von Tapentadol während der Schwangerschaft führte zu Embryotoxizität und einer verzögerten Entwicklung des Embryos. Damit ist Tapentadol in Schwangerschaft und Stillzeit nicht einzusetzen. Carbamazepin wird über das Cytochrom-P450-Enzymsystem der Leber abgebaut und induziert dieses auch. Hier ist das für Amitriptylin weiter unten beschriebene Interaktionspotenzial zu beachten. Oxcarbazepin induziert in mindestens einem Fünftel der Pa-

Die Gabe von Tapentadol während der Schwangerschaft führte zu Embryotoxizität und einer verzögerten Entwicklung des Embryos Der Schmerz 1 · 2014 

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CME Beim Einsatz von Lamotrigin ist auf eine langsame Eindosierung des Medikaments zu achten

tienten eine Hyponatriämie, außerdem kann es die Schilddrüsenfunktion beeinflussen und zu Benommenheit, Schwindel und Schläfrigkeit führen. Beim Einsatz von Lamotrigin ist auf eine langsame Eindosierung des Medikaments zu achten (Steigerung um 25 mg alle 2 Wochen). Treten im Rahmen der Therapie Hautausschläge neu auf, sollte das Medikament abgesetzt werden.

Kombinationstherapie Eine Kombination von Wirkstoffen kann die Wahrscheinlichkeit einer Schmerzreduktion erhöhen

Amitriptylin wird über den Cytochrom-P450-Enzymkomplex verstoffwechselt

Tramadol sollte nicht mit Trizyklika kombiniert werden

Kontrollierte Studien unterstützen die Erfahrung, dass eine Kombination von Wirkstoffen die Wahrscheinlichkeit einer Schmerzreduktion erhöhen kann [13, 16]. Allerdings müssen die Interaktionen der verschiedenen Medikamentengruppen beachtet werden. Beispielsweise eignen sich Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin gut zur Kombinationstherapie, da bisher keine relevanten Medikamenteninteraktionen bekannt sind. Aufgrund der renalen Elimination muss jedoch die Dosis bei Patienten mit Niereninsuffizienz angepasst werden. Das Trizyklikum Amitriptylin dagegen wird über den Cytochrom-P450-Enzymkomplex verstoffwechselt; demzufolge kann eine Kombination mit Medikamenten bzw. Substanzen, die Inhibitoren dieses Enzymkomplexes sind, zu einer Akkumulation von Amitriptylin im Körper und zum Auftreten höhergradiger Herzrhythmusstörungen führen. Inhibitoren des Cytochrom-P450-Systems sind beispielsweise Baldrian, Ginseng, Erythromycin, Metronidazol, Duloxetin, Verapamil und Metoprolol. Häufig eingesetzt werden Kombinationstherapien bestehend aus systemisch und topisch wirksamen Medikamenten, z. B. Pregabalin und Lidocain. Aber auch Kombinationen eines Trizyklikums und Antikonvulsivums, z. B. Gabapentin und Nortriptylin, eines Opioids und Antikonvulsivums, z. B. Morphin und Gabapentin, oder eines Trizyklikums und Opioids sind wirksam. Für Tramadol gilt die Einschränkung, dass es nicht mit Trizyklika kombiniert werden sollte. Da die SerotoninWiederaufnahmehemmung potenziert werden kann, droht sonst ein Serotoninsyndrom. Generell und insbesondere für Opioide gilt, dass eine langsame Dosisfindung durch Titration erfolgen sollte.

Topische Medikamente In klinischen Studien wurde die Wirksamkeit von F Lidocain-Pflastern, F Capsaicin-Hochdosispflastern und F Capsaicin-Salbe

Klinische Studien belegen den Nutzen von Lidocain-Pflastern in der Behandlung der PZN

Capsaicin-Pflaster sind der Cap­ saicin-Salbe vorzuziehen

nachgewiesen (. Tab. 1; [17, 18, 19, 20]). Dabei blockiert Lidocain neuronale Natriumkanäle und verhindert damit die Generierung ektoper Aktionspotenziale an geschädigten Nerven. Eine selektive, aber inkomplette Blockierung sensorischer Aδ- und C-Fasern durch lokale Lidocain-Applikation wurde nachgewiesen [21]. Es existieren mehrere klinische RCT, die den Nutzen von Lidocain-Pflastern in der Behandlung der PZN nachweisen [14, 18, 19]. Capsaicin stammt aus der Chilischote und aktiviert den Vanilloid-Rezeptor Typ 1 auf sensorischen C-Fasern. Die lokale Behandlung mit 8%igen Capsaicin-Hochdosispflastern führt zu einer anhaltenden Depolarisation und schließlich zur Degeneration dieser nozizeptiven Nervenfasern [13]. Im Behandlungsareal treten häufig Erytheme und lokaler Brennschmerz auf. Letzterer hält bis zu 2 Tage an. Besondere Vorsicht ist im Umgang mit Capsaicin geboten, da es nicht auf Schleimhäute und Augen gelangen darf. Zur Regeneration benötigen die Nervenendigungen etwa 3 Monate [13]. Das 8%ige Capsaicin-Pflaster ermöglicht eine 1-malige Anwendung und ist auch aufgrund der besseren Datenlage eher zu empfehlen als die Capsaicin-Salbe, die 2- bis 4-mal täglich aufgetragen werden muss [17, 20].

Invasive Therapien Für die Effizienz subkutaner Botulinumtoxininjektionen als minimal-invasive Therapie der PZN liegen positive Fallberichte vor. Jedoch muss die Wirksamkeit in klinischen Studien genauer geprüft werden. Für die Akupunktur als weitere minimal-invasive Therapie der PZN gibt es keine Wirksamkeitsevidenz. Sympathikusblockaden wurden in RCT nur begrenzt untersucht, die Effekte sind fraglich. Deshalb sollten sie bei der PZN nicht angewendet werden.

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CME Die Evidenz bezüglich der intrathekalen Lokalanästhetika- bzw. Steroidinjektion ist widersprüchlich. Der Einsatz intrathekaler Steroidinjektionen beschränkt sich aufgrund neurologischer Komplikationen wie adhesiver Arachnoiditis, Meningitis und Myelitis auf RCT. Zur Radiofrequenztherapie liegen aussichtsreiche erste Studien vor, allerdings müssen auch diese Effekte in RCT reproduziert werden. Die schlechte Evidenzlage und das relativ hohe Nebenwirkungspotenzial machen weitere Anstrengungen in der Forschung erforderlich, bevor die Rückenmarkstimulation, Tiefenhirnstimulation und implantierbare intrathekale Medikamentenpumpen zur Therapie der PZN empfohlen werden können. Aufgrund der nicht überzeugenden Datenlage in Bezug auf invasive Therapien äußern sich die European Federation of Neurological Societies (EFNS), die American Academy of Neurology (AAN) und die Special Interest Group on Neuropathic Pain (NeuPSIG) in ihren Therapieempfehlungen sehr zurückhaltend [22].

Zur Radiofrequenztherapie liegen aussichtsreiche erste Studien vor

Fachgesellschaften äußern sich in Bezug auf invasive Therapien sehr zurückhaltend

Nichtmedikamentöse Therapieverfahren Die PZN als chronische Schmerzerkrankung ist meist nicht allein durch medikamentöse Therapien zu behandeln. Weitere Therapiebausteine sind erforderlich, um den Schmerz und auch dessen Folgezustände zu verbessern.

Transkutane elektrische Nervenstimulation

Positive Fallserien zur Verbesserung der PZN durch transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) existieren. Allerdings gibt es auch widersprüchliche Ergebnisse. Problematisch ist, dass die eingesetzten TENS-Programme u. a. hinsichtlich der eingesetzten Stromstärke, Frequenz und Reizdauer variieren und nur wenige kontrollierte Studien mit akzeptabler Verblindung existieren [23]. In einer RCT wurde durch Kombination von Pregabalin mit einer TENS-Therapie eine signifikant bessere Schmerzreduktion erreicht als mit Pregabalin und TENS-Placebo [24]. Obwohl die Datenlage begrenzt ist, kann die TENS als lokales Verfahren ohne systemische Nebenwirkungen gut eingesetzt werden. Die Elektroden werden über dem schmerzhaften Areal oder am Nervenstamm platziert, eine Reizung im Allodynieareal wird nicht empfohlen. Bei höhergradigen Afferenzstörungen bzw. Deafferenzierungen ist die Anwendung der TENS nicht sinnvoll.

Die TENS kann als lokales Verfahren ohne systemische Nebenwirkungen gut eingesetzt werden

Psychotherapie, physikalische Therapie und Ergotherapie

Die PZN beeinträchtigt die Lebensqualität auch durch Beeinflussung der physischen und emotionalen Integrität. Effekte der kognitiv-behavioralen Psychotherapie auf Patienten mit PZN wurden bislang nicht untersucht. Auf der Grundlage des biopsychosozialen Schmerzmodells ist die Psychotherapie als Bestandteil eines multimodalen Therapiekonzepts sinnvoll. Die Chronifizierung der PZN mit den begleitenden psychischen Reaktionen erfordert eine psychotherapeutische Begleitung der Patienten zur Aktivierung und Schmerzbewältigung. Daten zum Therapieerfolg aus kontrollierten Studien liegen bisher nicht vor [13]. Im Rahmen der multimodalen Behandlung von Patienten mit chronischen neuropathischen Schmerzen stellen die Physio- und Ergotherapie wichtige Behandlungsmodule dar. Dabei steht oft nicht die direkte Schmerztherapie im Zentrum, sondern der Umgang mit sekundär entstandenen Funktionsdefiziten. Zum Spektrum der eingesetzten Therapieverfahren zählen Krankengymnastik, Elektrostimulation, Thermotherapie sowie die motorisch-funktionelle und sensomotorisch-perzeptive Behandlung.

Auf der Grundlage des biopsycho­ sozialen Schmerzmodells ist die Psychotherapie als Bestandteil eines multimodalen Therapiekonzepts sinnvoll Physio- und Ergotherapie sind wichtige Module der multimodalen Behandlung

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CME Internetadressen F http://www.dgn.org/leitlinien.html F http://www.awmf.org/leitlinien.html F http://www.efns.org F http://www.aan.com/guidelines/ F http://www.neupsig.org/

Fazit für die Praxis F Die Postzosterneuralgie ist eine häufige Komplikation des Herpes zoster. Sie tritt vermehrt bei älteren Patienten auf und ist auch aufgrund der demografischen Entwicklung eine relevante Schmerzerkrankung. F Die Therapie der chronischen neuropathischen Schmerzen ist oft komplex und erfordert von Arzt und Patient ein kontinuierliches Arbeiten. F Ein Therapieziel ist dabei neben der Schmerzreduktion die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der psychosozialen Funktionen.

Korrespondenzadresse Dr. G. Goßrau UniversitätsSchmerzCentrum, Universitätsklinikum Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  G. Goßrau hat Honorare für Vorträge von Pfizer, Astellas und Grünenthal erhalten. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Der Schmerz 1 · 2014

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CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich.

??Wie häufig folgt nach dem 50. Lebens

jahr eine Postzosterneuralgie auf einen akuten Herpes zoster? Sehr selten. Bei etwa 18% der Patienten. Bei etwa 38% der Patienten. Bei etwa 58% der Patienten. Praktisch immer.

??Welches sensorische Phänomen findet



??Bei der Postzosterneuralgie können ver-



schiedene strukturelle Veränderungen nachgewiesen werden. Welcher Befund wäre jedoch nicht typisch für eine Postzosterneuralgie? Entzündliche Prozesse in sensorischen Hinterhornganglien. Demyelinisierung von Nervenfasern. Nervenzell- und Axonverlust. Reduzierte epidermale Nervenfaserdichte. Granulome entlang afferenter sensorischer Nervenfasern.











Postzosterneuralgie ist häufig stark reduziert. Welcher Faktor trägt üblicherweise nicht dazu bei? Schlafstörungen. Ängstlichkeit und Depressivität. Gewichtszunahme. Reduzierte Mobilität. Verminderte Sozialkontakte.

??Zur Prävention der Postzosterneuralgie









steht heute die Vakzinierung zur Verfügung. Welche Aussage zu den 2 VaricellaZoster-Virus-Vakzinen trifft zu? Im Gegensatz zur Zostervakzinierung hat die Varizellenvakzinierung keinen Einfluss auf die spätere Entwicklung eines Herpes zoster. Im Unterschied zur Varizellenvakzine enthält die Zostervakzine eine deutlich niedrigere Virionendosis. Die Zostervakzinierung soll die im höheren Alter zunehmende zellvermittelte Immunität gegen das Varicella-Zoster-Virus weiter verstärken. Durch die Varizellenvakzinierung konnte eine deutliche Reduktion der Varizellen­ inzidenz erreicht werden.

 ntivirale Therapien in der Akutphase A eines Herpes zoster haben eine ähnlich   sichere Wirkung in der Prävention der Postzosterneuralgie wie die Zostervak­ zinierung.

??Die Therapie der Postzosterneuralgie er-

??Die Lebensqualität von Patienten mit

??Welche Aussage zur Klinik der Post­ zosterneuralgie trifft zu? Sie kann nicht auf dem Boden eines Zoster sine herpete entstehen. Sie tritt vorwiegend bilateral-symmetrisch auf. Sie kann auch nach einem schmerzfreien Intervall nach Abklingen der Effloreszenzen auftreten. Sie geht typischerweise mit livider Hautverfärbung und vermehrtem Haarwachstum einher. Man findet sie nur selten in thorakalen Dermatomen.

sich bei der Untersuchung eines Patienten mit einer Postzosterneuralgie in der Regel nicht? Mechanische Allodynie. Hypästhesie. Hypalgesie. Parästhesie. Pallhypästhesie.



fordert häufig einen multidimensionalen Ansatz. Vor Therapiebeginn sollten mit den Patienten realistische Ziele vereinbart werden. Was zählt nicht zu den typischen Therapiezielen? Schmerzreduktion um mindestens 30–50%. Erhaltung der sozialen Funktionalität. Reduktion von Schlafstörungen. Vermeidung medikamentöser Therapien bei den oft älteren Patienten. Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung von Aktivitäten des täglichen Lebens.

??Für welches systemische Medikament



besteht bei der Postzosterneuralgie eine nachgewiesene Wirksamkeit in randomisierten, kontrollierten Studien? Amitriptylin. Levetiracetam. Methadon. Lorazepam. Tetrahydrocannabinol.

??Welche Aussage zur topischen Behandlung der Postzosterneuralgie trifft zu? T opische Medikamente werden traditionell eingesetzt, konnten jedoch ihre Wirksamkeit in randomisierten, kontrollierten Studien nicht zeigen. Die lokale Behandlung mit einem Capsaicin Hochdosispflaster (8%) führt zu einer Degeneration nozizeptiver Nervenfasern.

D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei Der Schmerz 1 · 2014 

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CME-Fragebogen



 ie Behandlung mit einem CapsaicinD Pflaster ist schmerzlos. Capsaicin-Salbe wird in Abständen von etwa 3 Monaten aufgetragen. Das Lidocainpflaster wird alle 3 Tage gewechselt.

??Welche Aussage zum Stellenwert invasi





ver Therapien zur Behandlung der Postzosterneuralgie ist korrekt? Akupunktur ist aufgrund der Evidenzlage eine sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen Therapie. Intrathekale Steroidinjektionen sind risikoarm. Die subkutane Botulinumtoxininjektion ist zur Behandlung zugelassen. Der Stellenwert von Rückenmarkstimulation, tiefer Hirnstimulation und intrathekalen Medikamentenpumpen ist noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere bei älteren Patienten sollten invasive Therapieverfahren nebenwirkungsträchtigen Medikamenten vorge­ zogen werden.

Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen.

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Der Schmerz 1 · 2014

Springer-Preis für den besten CME-Beitrag 2013 Der Springer-Verlag freut sich sehr, erstmalig einen Buchpreis für den didaktisch besten CME-Beitrag des Jahres 2013 der Zeitschrift Der Schmerz zu vergeben. Der Preis geht an Frau Professor Claudia Sommer für ihren CME-Beitrag „Neuropathische Schmerzen“ aus Der Schmerz 06/13. Als Auswahlgremium fungierten die Rubrikherausgeber von Der Schmerz, Herr Professor Göbel und Herr Professor Sabatowski sowie die Redaktion des Springer-Verlags. Wir gratulieren ganz herzlich und möchten Ihnen die Preisträgerin kurz vorstellen: Prof. Dr. Claudia Sommer Neurologische Klinik und Poliklinik Josef-Schneider-Straße 11 97080 Würzburg E-Mail: [email protected]

Claudia Sommer studierte bis 1983 Medizin in Mainz und London. Ihre klinische Weiterbildung erfolgte in Köln und Aachen. 1991 erhielt Frau Prof. Sommer die Anerkennung zur Fachärztin für Psychiatrie, 1993 die zur Fachärztin für Neurologie. 3 2 Jahre lang war sie als Research Fellow an der University of San Diego, USA, tätig. 1997 habilitierte sie sich an der Universität Würzburg, wo sie 2002 zur außerplanmäßigen Professorin für Neurologie ernannt wurde. 2005 erhielt sie die Zusatzbezeichung „Spezielle Schmerztherapie“. Seit 2012 ist sie Universitäts-Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Neuromuskuläre Erkrankungen. Ihre Forschungsinteressen liegen in der Pathophysiologie neuropathischer Schmerzen, der Diagnostik und Pathophysiologie von Polyneuropathien sowie in antikörpervermittelten Erkrankungen.

[Postherpetic neuralgia].

Postherpetic neuralgia is considered to be a neuropathic pain syndrome. Typically, patients experience pain in the dermatomes of skin lesions persisti...
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