Intensivmedizin | Commentary

Lagerungstherapie bei beatmeten Intensivpatienten Positioning in mechanical ventilation

T. Bein1 Intensivmedizin Intensivmedizin | Commentary

Schlüsselwörter akutes Lungenversagen Beatmung Bauchlage kontinuierliche laterale Rotationstherapie Oberkörperhochlagerung Oxygenierung Lungenprotektion

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Keywords acute lung injury ventilation prone position continuous lateral rotation semi-seated position oxygenation lung protection

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Institut Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum, Regensburg Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1369838 Online Publikation: 12.03.2014 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 696–698 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. Thomas Bein Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum 93042 Regensburg eMail [email protected]

Was ist neu? 3Bauchlage: Der Wechsel von der Rückenlage in die Bauchlage führt bei Patienten mit moderatem und schwerem ARDS (PaO2/FIO2 ≤ 150) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und trägt zu einer Steigerung der Überlebensrate bei. 3Kontinuierliche laterale Rotationstherapie: Die kontinuierliche laterale Rotationstherapie (KLRT) mit Hilfe eines motorgetriebenen Bettes reduziert bei bestimmten Patientengruppen, z. B. nach kardiopulmonaler Reanimation, die Inzidenz beatmungsassoziierter Pneumonien; somit handelt es sich um eine prophylaktische Maßnahme. Bei Patienten mit posttraumatischem Lungenversagen führt die KLRT zur Reduktion der pulmonalen und systemischen Inflammationsantwort. Dadurch sind geringere Organschäden zu erwarten. 3Oberkörperhochlagerung: Die Oberkörperhochlagerung von 45o wird als wichtige Maßnahme zur Prophylaxe beatmungsassoziierter Pneumonien vorgeschlagen. Aktuelle Meta-Analysen verweisen auf die Schwäche der grundlegenden Studien und stellen die Probleme der klinischen Umsetzung dar. Eine Expertenkommission empfiehlt abgeschwächt eine Hochlagerung zwischen 20o und 45o, wobei möglichst ein Winkel  ≥ 30o erreicht werden soll. Da bei Oberkörperhochlagerung von 45o hypotensive Reaktionen häufig sind, muss das Ausmaß dieser Lagerungsform individuell abgewogen werden. Eine pauschale Empfehlung wird nicht ausgesprochen.

Im Rahmen einer akuten respiratorischen Insuffizienz kommt es typischerweise zur Verlegung mittlerer und kleiner Luftwege als Folge vermehrter bronchoalveolärer Sekretbildung sowie durch ein inflammatorisches Permeabilitätsödem [15]. Klinisch imponiert eine Atelektasenbildung – überwiegend im dorsobasalen Lungenabschnitt mit erhöhter intrapulmonaler Shuntfraktion. Erstmals wurde in den 1970-er Jahren über die Steigerung des pulmonalen Gasaustausches bei beatmeten Intensivpatienten mit kritischer Hypoxämie durch Drehung auf den Bauch berichtet; der ursächliche Mechanismus dieser Verbesserung war damals unklar. Die Entwicklung der Computertomographie sowie weitere humane und tierexperimentelle Untersuchungen zur Bauchlagerung beim Lungenversagen deckten in den folgenden Jahrzehnten den physiologischen Effekt dieser Lagerungsmaßnahme auf (q Tab. 1). Besondere Beachtung verdient der in mehreren Studien übereinstimmend gewonnene Befund, dass Bauchlagerung per se lungenprotektives Potenzial aufweist [14].

Klinische Relevanz Der systematische Wechsel der Körperposition ist eine wichtige unterstützende Maßnahme bei der Behandlung beatmeter Patienten. Ansatzpunkt sind pathophysiologische Merkmale des akuten Lungenversagens: Permeabilitätsödem, dorsobasale Atelektasen, unerwünschte Effekte der Analgosedierung (Diaphragma, Thoraxkonfiguration).

Pathophysiologische Rationale für Lagerungstherapie ▼

Bauchlage: der lange Weg zur wissenschaftlichen Evidenz ▼

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, was der Mensch im Alltag immer wieder in unterschiedlichem Ausmaß spürt: Veränderungen der Körperposition beeinflussen die Lungenfunktion [3]. Diese Interaktion ist weniger relevant beim spontan atmenden Gesunden, aber von größerer Bedeutung bei Patienten mit eingeschränkter Mobilität oder während künstlicher Beatmung. So ist bei betagten Menschen oder bei Adipositas der Wechsel der Körperposition vom Sitzen in die flache Rückenlagerung häufig mit einer spürbaren Einschränkung des pulmonalen Gasaustausches verknüpft. Systematische Wechsel der Körperpositionen als supportive Maßnahme bei beatmeten Patienten sind seit etwa 40 Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und klinischer Erfahrungen.

Obwohl in einigen groß angelegten multizentrischen Studien [6, 8] eine überzeugende Steigerung der Oxygenierung durch Beatmung in Bauchlage im Vergleich zur Rückenlage aufgezeigt wurde, gelang der Nachweis eines Überlebensvorteils durch diese Maßnahme nicht. Von den Bauchlagerungs-Befürwortern verantwortlich gemacht wurden hierfür zahlreiche Protokollverletzungen und eine zu kurze Lagerungsperiode (≤ 7 Stunden [6]) bzw. andere methodische Schwächen (unscharfe ARDS-Definition zum Einschluss, unklares Einschlussfenster, statistische Unter-Powerung) [8, 11]. Die aktuell publizierte Studie von Guerin et al. [9] brachte den Durchbruch für die Bauchlagerung als unabdingbar unterstützende Maßnahme beim schweren ARDS: In dieser methodisch gut geplanten und durchgeführten, pro-

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Wesentliche physiologische Effekte der Beatmung in Bauchlage [1].

Effekt

Kommentar

Reduktion des Pleuradruck-Gradienten

In Konsequenz: Homogenisierung des transpulmonalen Druckes

Rekruitment von Gasaustauschfläche durch Eröffnung

Überschreiten der „closing capacity“

dorsobasaler Atelektasen Dekompression von Lungenarealen, die in Rückenlage

CT-Studien beim Menschen

vom Herz komprimiert werden Reduktion des beatmungsassoziierten Lungenschadens

Reduktion von „stress and strain“

Veränderung der diaphragmalen Geometrie

„Dynamisierung“ der diaphragmalen Konfiguration Abb. 1 Bauchlagerung bei einem Patienten mit veno-venöser ECMO. © Universitätsklinikum Regensburg, Thomas Bein; mit freundlicher Genehmigung

spektiv randomisierten Untersuchung führte die frühzeitig begonnene (≤ 36 Stunden nach ARDS-Diagnose) und die zeitlich ausreichend geplante Bauchlagerung (17 Stunden pro Tag über mindestens 4 Tage) zu einer deutlichen Steigerung der 90-Tages-Überlebensrate (76,4 %) im Vergleich zur Rückenlage (59,0 %, p < 0,001) bei Patienten mit moderatem bis schwerem ARDS (PaO2/FIO2-Ratio ≤ 150) unterschiedlicher Genese. Studiengruppe (n = 237) und Kontrollgruppe (n = 229) erhielten während der Studienphase eine lungenprotektive Beatmung (Tidalvolumen ≤ 6 ml/kg ideales Körpergewicht). Darüber hinaus ergab diese Studie einige interessante Nebenbefunde: Patienten mit Bauchlagerung zeigten eine signifikant höhere Rate erfolgreicher Extubationen an Tag 90 (80,5  vs. 65 %, p 

[Positioning in mechanical ventilation].

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