Kasuistik

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Das Poplitealarterienaneurysma als wichtige Differenzialdiagnose Popliteal Artery Aneurysma as an Important Differential Diagnosis Autoren

A. Gombert1, H. Jalaie1, M. J. Jacobs1, 2, J. Grommes1

Institute

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Europäisches Gefäßzentrum Aachen-Maastricht, Universitätsklinikum Aachen, Deutschland Europäisches Gefäßzentrum Aachen-Maastricht, Maastricht University Medical Centre, Niederlande

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

Abstract

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Bakerzysten finden sich als häufige Ursache für schmerzhafte Raumforderungen in der Fossa poplitea. Eine wichtige Differenzialdiagnose stellt das seltene, aber aufgrund der klinischen Folgen relevante Poplitealarterienaneurysma dar. Ein Diagnostikum zur sicheren Unterscheidung ist die Farbduplexsonografie. Im vorgestellten Fall wurde ein vorliegendes Poplitealarterienaneurysma als Bakerzyste falsch diagnostiziert und eine Operation der „Zyste“ mit schwerwiegenden Folgen für den Patienten durchgeführt. Daher möchten wir anhand dieses Falles den Stellenwert der präoperativen Duplexsonografie verdeutlichen.

A common reason for painful lesions of the popliteal fossa are baker's cysts. An important differential diagnosis is the popliteal artery aneurysm, which is rare, but is associated with severe complications. The preferred method of diagnosis is the colour-coded duplex ultrasound. By showing the case of a 58-year-old man, who experienced life-threatening complications caused by an insufficient diagnosis before the operation of a Baker's cyst, we want to underline the importance of preoperative duplex ultrasound diagnosis in this context.

Einleitung

gelegter Blutsperre in die gefäßchirurgische Klinik des UK Aachen transportiert wurde. Es erfolgte die sofortige Operation des Patienten; intraoperativ wurde nach Freilegung des Segmentes P1 der Arteria poplitea eine Kontrastmittelangiografie durchgeführt. Es zeigten sich ein Kontrastmittelaustritt in der Kniekehle sowie ein Abbruch der Ateria poplitea an dieser Stelle. Bei der Operation wurde das bestehende Poplitealaneurysma ligiert, sowie die Gefäßkontinuität mit einem venösen P1–P3 Bypass " Abb. 2). Aufgrund der bestewiederhergestellt (● henden Gewebsschwellung und einem drohenden Kompartmentsyndrom war der primäre Hautverschluss nicht möglich, neben der notwendigen Deckung mit Kunsthaut wurden zwei Unterschenkelmuskellogen fasziotomiert. Nach wiederholten Wundrevisionen erfolgte letztlich die Defektdeckung mittels MESH-Plastik. Aufgrund der lange bestehenden Ischämie bei angelegter Blutsperre persistierte trotz intensiver Physiotherapie eine Schädigung des Nervus peroneus superfiscialis et profundus mit Dysästhesien im Bereich des Unterschenkels sowie einer Fußheberschwäche.

● Fossa poplitea ● Bakerzyste ● Poplitealarterienaneurysma ● Duplexsonografie " " "

Key words

● fossa popliteal ● baker's cyst ● popliteal aneurysm ● duplex ultrasound " " " "

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Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1385612 Sportverl Sportschad 2015; 29: 51–52 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0932-0555 Korrespondenzadresse Dr. med. Alexander Gombert Europäisches Gefäßzentrum Aachen-Maastricht, Universitätsklinikum der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Deutschland Tel.: ++ 49/2 41/8 08 20 37 Fax: ++ 49/2 41/8 08 08 32 [email protected]

Bakerzysten, welche durch zunehmende Schwellung der Gastrocnemicus-Semimembranosus Bursa oder durch eine synoviagefüllte Hernierung der hinteren Gelenkskapsel des Knies verursacht werden, stellen eine häufige Ursache für Schmerzen in der Fossa poplitea dar [1]. Aufgrund einer möglichen Ruptur und aufgrund einer bestehenden Symptomatik stellt sich die Indikation zur operativen Sanierung [2].

Fallbericht !

Ein 58-jähriger Patient wurde im UK Aachen notfallmäßig vorgestellt. In einem auswärtigen Krankenhaus wurde mittels MRT die bestehende Verdachtsdiagnose einer Baker-Zyste der linken Fossa " Abb. 1) und die Indikation zur poplitea bestätigt (● Operation gestellt. Im Rahmen des Eingriffes in Blutsperre wurde die „Zyste“ eröffnet. Nach dem Wiedereröffnen der Blutsperre kam es zu einer vor Ort chirurgisch nicht beherrschbaren Blutung, sodass der noch intubierte Patient mit wieder an-

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Abb. 1 Präoperative MRT-Darstellung der Fossa poplitea in axialer Schnittführung a und sagittaller Schnittführung b.

Abb. 2 Das Popliteaaneurysma wurde nach proximal und distal ligiert. Die periphere Durchblutung wurde durch Anlage eines reversed Vena saphena magna Bypass wiederhergestellt.

Diskussion !

Neben der häufigen Diagnose einer Bakerzyste müssen weitere Pathologien als ursächlich für schmerzhafte Raumforderungen im Bereich der Fossa poplitea erwogen werden. Neben tiefen Beinvenenthrombosen, muskulären Traumen, Sehnenreizungen und Entzündungen, neurologischen und dermatologischen Veränderungen, spielen auch aneurysmatische Veränderungen eine Rolle [3]. Poplitealarterienaneurysmen stellen mit über 70 % die häufigste Entität peripherer Aneurysmen dar. Es wird eine Koinzidenz von Bauchaorten- und Poplitealaneurysmen beobachtet, zudem kommen sie gehäuft beidseits vor. Zumeist sind Männer über dem 65. Lebensjahr betroffen. Pathogenetisch finden sich vorwiegend Aneurysmen atherosklerotischer Genese, eine multifaktorielle genetische Prädisposition wird vermutet [3, 4]. In histopathologischen Untersuchungen der Aneurysmenwände finden sich gehäuft kollagendegenerierende Proteine sowie inflammatorische Infiltrate [5]. Eine weitere Ursache für die Entstehung von Poplitealaneurysmen kann ein Entrapementsyndrom darstellen [3, 4]. Aneurysma falsa werden infolge penetrierender Traumen durch Katheter, postoperativ nach endoprothetischen Eingriffen oder auch nach Kniearthroskopien beobachtet [6]. Die Extremitätenischämie (55 %) stellt die häufigste Komplikation des Poplitealarterienaneurysmas dar, gefolgt von lokalen Kompressionssyndromen (6,5 %) und einer bestehenden Rupturgefahr (1,4 %) [4]. Interventionsbedarf ist ab einem Durchmesser von 2,0 cm gegeben, bei symptomatischen Aneurysmen ist die Indikation zum Eingriff jederzeit gegeben [3]. Prinzipiell wird die elektive Operation der Notfalloperation vorgezogen. Bypassoperationen, möglichst mit autologem Venenmaterial, erzielen bzgl. der Offenheitsraten im Langzeitverlauf sehr gute Ergebnisse von 80 – 90 %.

Es stehen endovaskuläre Verfahren zur Verfügung, jedoch sind die Ergebnisse bzgl. der Offenheit nicht mit den venösen Bypässen vergleichbar [7]. Neben der klinischen Verdachtsdiagnose durch eine kräftige Pulsation der Kniekehle bzw. dem Vorliegen eines pulsatilen Kniekehlentumors, stellt die Duplexsonografie das Diagnostikum der Wahl dar. CT- und MR-Angiografie dienen in erster Linie der operativen Planung, nicht der Diagnosesicherung. Die Duplexsonografie ist aufgrund der hohen Sensitivität, der einfachen Handhabung, der flächendeckenden, ambulanten Verfügbarkeit, der fehlenden Invasivität und der geringen Belastung für den Patienten sowie der Kosteneffizienz das Mittel der Wahl. Die Duplexsonografie und die weichteilgewichtete MRT-Untersuchung sind in Bezug auf die Erkennung weicher, tumoröser Pathologien der Kniekehle gleichwertig. Jedoch kann ein natives MRT nicht sicher das Vorliegen eines Poplitealarterienaneurysmas ausschließen, was mittels Farbduplexsonografie leicht möglich ist [8]. Die Duplexsonografie sollte daher zur Diagnostik bei tumorösen Pathologien der Kniekehle gehören, um die hier vorgestellte gravierende Komplikationen zu vermeiden. Interessenkonflikt: Nein

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[Popliteal artery aneurysma as an important differential diagnosis].

A common reason for painful lesions of the popliteal fossa are baker's cysts. An important differential diagnosis is the popliteal artery aneurysm, wh...
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