Kasuistik | Case report

Pleuropulmonale Tularämie bei einem 63-jährigen Jäger in Deutschland Pleuropulmonary tularemia in a 63-year-old hunter in Germany

Autoren

R. Kohlmann1 P.J. Wolf2 S.G. Gatermann1

Institut

1 Institut für Medizinische Laboratoriumsdiagnostik (IML) Bochum GmbH, Bochum 2 Facharztzentrum am EVK Lippstadt, Lippstadt

Pneumologie, Infektiologie

Zusammenfassung ▼

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Schlüsselwörter Tularämie Francisella tularensis infektiöse Pleuritis Pleuraerguss Jäger

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Keywords Tularemia Francisella tularensis infectious pleuritis pleural effusion hunter

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Anamnese: Ein 63-jähriger Hobby-Jäger ohne relevante Vorerkrankungen stellte sich mit seit 4 Wochen andauerndem Husten und B-Symptomatik vor. Untersuchungen: Radiologisch und sonographisch zeigte sich ein linksseitiger Pleuraerguss bei normwertigen laborchemischen Entzündungsparametern. Es erfolgte eine diagnostische Punktion. Therapie und Verlauf: Im Pleurapunktat wurde bei hochpositiver Serologie Francisella tularensis spp. holarctica kulturell nachgewiesen. Es wurde

die Diagnose einer Tularämie mit untypischer Präsentation als isolierte einseitige Pleuritis gestellt. Unter einer oralen Therapie mit Doxycyclin erholte sich der Patient vollständig. Folgerung: Aufgrund der niedrigen Prävalenz der Tularämie in Deutschland sowie der vielfältigen klinischen Verlaufsformen kann die Diagnosestellung schwierig sein. Entscheidend ist daher, differenzialdiagnostisch bei anamnestischen oder epidemiologischen Hinweisen auch an eine Tularämie zu denken.

Einleitung ▼

eingereicht 09.09.2013 akzeptiert 16.01.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1360076 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 534–537 · © Georg Thie0 me Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Rebekka Kohlmann Institut für Medizinische Laboratoriumsdiagnostik (IML) Bochum GmbH Castroper Straße 45 44791 Bochum Tel. 0234/777840-0 Fax 0234/777840-11 eMail rebekka.kohlmann@ rub.de

Die Tularämie ist eine in Mitteleuropa vergleichsweise seltene Zoonose. Sie wird verursacht durch Francisella tularensis (F. tularensis), ein gramnegatives, pleomorphes, fakultativ intrazellulär wachsendes Bakterium mit hoher Umweltstabilität. Klinisch relevant sind insbesondere die Subspezies 3 F. tularensis spp. tularensis: Vorkommen ausschließlich in Nordamerika, hohe Virulenz, Letalität von 30–60 % bei pneumonischen oder septischen Krankheitsbildern ohne antibiotische Therapie 3 F. tularensis spp. holarctica: endemisch in nahezu der gesamten nördlichen Hemisphäre, deutlich geringere Pathogenität, Letalität ≤ 1 % [1, 7] In Deutschland traten laut den Meldedaten des Robert Koch-Instituts in der letzten Zeit nur ca. 15 Fälle jährlich auf. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch 3 Kontakt mit infizierten Säugetieren (insbesondere Nagetiere und Hasenartige) 3 Stiche besiedelter blutsaugender Arthropoden (Zecken, Bremsen, Mücken)

3 kontaminierte Speisen (unzureichend gegartes Fleisch infizierter Tiere, mit tierischen Ausscheidungen verschmutztes Oberflächenwasser) 3 Aerosole (Ausweiden infizierter Tiere, Gartenarbeit bzw. landwirtschaftliche Tätigkeit bei durch tierische Ausscheidungen kontaminierter Umwelt). Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nicht bekannt [1, 7]. Abhängig von der Transmissionsroute und der Infektionsdosis kann sich die Tularämie neben unspezifischen grippalen Beschwerden mit einer Vielzahl klinischer Verlaufsformen manifestieren. In Mitteleuropa treten zu etwa 90–95 % sogenannte (ulzero)glanduläre Verläufe mit regionärer Lymphknotenschwellung auf, gelegentlich begleitet durch ein Ulkus an der Eintrittspforte. Seltener möglich sind auch oropharyngeale (Stomatitis, Pharyngitis, zervikale Lymphknotenschwellung), okuloglanduläre (Konjunktivitis, präaurikuläre Lymphknotenschwellung), pulmonale (atypische

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Abb. 1 Röntgen Thorax in 2 Ebenen (links p. a. im Stehen, rechts seitlich im Stehen): einseitiger Pleuraerguss links; im Übrigen altersentsprechender Normalbefund, insbesondere kein Nachweis von Infiltraten, kardialen Dekompensationszeichen, hilärer Lymphknotenschwellung oder anderen Raumforderungen.

Bei bestehender Verdachtsdiagnose kann eine Tularämie serologisch relativ leicht diagnostiziert werden (gezielte Antikörperbestimmung). Ein kultureller Nachweis von F. tularensis gelingt dagegen nur selten, da es sich um einen anspruchsvollen Keim handelt [1, 9].

Ergänzende Untersuchungen Röntgen Thorax: handbreiter Pleuraerguss linksseitig, ansonsten unauffälliger Befund (q Abb. 1). Sonographie des Pleuraergusses mit diagnostischer Punktion: Entnahme von 20 ml blutig-tingiertem Sekret für Zytologie und Mikrobiologie.

Therapie und Verlauf Zur Therapie einer Tularämie sollten insbesondere Chinolone oder Tetracycline eingesetzt werden [1, 3, 8, 9]. Auch Aminoglykoside sind gut wirksam. Sie dienen jedoch aufgrund der höheren Nebenwirkungsrate eher als Reservemittel und Kombinationspartner bei schweren Verläufen. β-Lactam-Antibiotika und Makrolide sind jedoch nicht geeignet.

Kasuistik ▼ Anamnese Der als Techniker im Baugewerbe tätige Patient stellte sich ambulant vor: seit etwa 4 Wochen litt er unter progredientem unproduktivem Husten mit raschem Beginn, begleitet durch zunehmende Inappetenz sowie Gewichtsverlust von 5–6 kg. Fieber lag nicht vor. Vorerkrankungen: arterielle Hypertonie (unter Ramipril-Therapie), keine vorbestehenden Lungenerkrankungen, kein Nikotinabusus.

Körperlicher Untersuchungsbefund 63-jähriger Mann (178 cm, 75 kg) in reduziertem Allgemeinzustand, keine Lymphknotenschwellung, keine Hautläsion, Temperatur 37,4 °C, Herzfrequenz 72/min, Blutdruck 110/70 mmHg. Cor, Pulmo und Abdomen jeweils unauffällig.

Klinisch-chemische Untersuchungen Keine Zeichen für ein Infektgeschehen: normwertiges Blutbild, Blutsenkung 7/11 mm n.W., CRP 0,7 mg/dl (Normbereich: ≤ 0,6  mg/dl). Pathologisch verändert waren: GOT 123 U/l (Normbereich: ≤ 50 U/l), LDH 332 U/l (Normbereich: ≤ 240 U/l), Ferritin  > 450 μg/l (Normbereich: 20–250 μg/l). Alle übrigen routinemäßig entnommenen Laborparameter lagen im Normbereich.

Aufgrund der dominierenden Hustensymptomatik erfolgte bei vorliegender ACE-Hemmer-Therapie ein Wechsel von Ramipril auf Candesartan zum Ausschluss einer Arzneimittel-Nebenwirkung. Obwohl die Laboruntersuchungen hinsichtlich der Infektparameter negativ waren, wurde bei vermuteter infektiöser Pleuritis eine antibiotisch-antiphlogistische Therapie mit Cefuroxim und Diclofenac unter Magenschutz mit Pantoprazol initiiert. Für eine infektiöse Genese sprach dabei die vom Patienten beobachtete rasche Entwicklung des zunehmenden Hustens und Gewichtsverlusts innerhalb von 4 Wochen. Differenzialdiagnostisch ließ die Konstellation aufgrund der B-Symptomatik, des hämorrhagischen Ergusses und der beruflichen Tätigkeit als Techniker im Baugewerbe in erster Linie auch an das Vorliegen einer malignen Grunderkrankung denken, beispielsweise Asbestose mit Pleuramesotheliom. Laborchemisch handelte es sich bei dem Pleuraerguss um ein Exsudat (LDH: im Pleurapunktat 448 U/l, im Serum 332 U/l, Quotient 1,3; Eiweiß: im Pleurapunktat 5,6 mg/dl, im Serum 7,9 mg/dl, Quotient 0,7), Erythrozyten 90000/μl, Leukozyten 5919/μl. Tumorzellen waren nicht nachweisbar. Das Pleurapunktat wurde zudem aseptisch in ein Blutkulturflaschen-Set eingebracht und zur mikrobiologischen Diagnostik eingesendet. Hier wurde die anaerobe Flasche nach ca. 72 h Bebrütung als positiv detektiert und auf Standard-Kulturfertigmedien subkultiviert, während die aerobe Flasche über die gesamte reguläre Bebrütungsdauer (6 Tage) kein positives Wachstumssignal zeigte. Nach 48 h Inkubation (37 °C, 5 % CO2) zeigten sich kleine weiß-gräuliche Kolonien auf Columbia Agar mit 5 % Schafblut sowie Chocolate-Agar, die Gram-Färbung zeigte gramnegative pleomorphe bis kokkoide Stäbchen (q Abb. 2). Das Isolat wurde mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie als F. tularensis identifiziert. Die ergänzend zu Bestätigungszwecken und zur Subspezies-Bestimmung durchgeführte Amplifikation der 16S rDNA mittels etablierter universell-eubakterieller Primerpaare mit anschließender Sequenzierung der PCR-Produkte ordnete das angezüchtete Isolat F. tularensis spp. holarctica zu. Nach abgeschlossener Keimidentifizierung wurde das Isolat für weiter-

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Pneumonie, hiläre Lymphknotenschwellung) und typhoide Manifestationen (systemische Erkrankung ohne primären Focus) [1, 7–9].

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Abb. 2 Kultureller Nachweis von F. tularensis: Wachstum von kleinen weiß-gräulichen Kolonien auf Chocolate-Agar nach 2 Tagen Bebrütung (links), die in der Gram-Färbung als gramnegative pleomorphe bis kokkoide Stäbchen imponieren (rechts).

gehende Analysen unter entsprechenden Sicherheitsbedingungen an das Nationale Referenzlabor für Tularämie am FriedrichLöffler-Institut in Jena weitergeleitet. Es erfolgte eine Meldung an das Gesundheitsamt gemäß § 7 Infektionsschutzgesetz. Aufgrund der mikrobiologischen Befunde konnte trotz der für Deutschland sehr ungewöhnlichen klinischen Präsentation eindeutig die Diagnose einer Tularämie gestellt werden: pulmonale Verlaufsform mit im Vordergrund stehender Pleuritis. Auch die anschließend ergänzte Serologie bestätigte bei positivem Befund im ELISA (IgG-Antikörper 2130 U/ml, IgM-Antikörper 3960 U/ml; Normbereich: jeweils

[Pleuropulmonary tularemia in a 63-year-old hunter in Germany].

A 63-year-old amateur hunter without relevant preexisting diseases presented with cough lasting for 4 weeks and B symptoms...
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