590

Fortschr. Röntgenstr. 126, 6

Fortschr. Röntgenstr. 126, 6 (1977) 590-591 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

A. trigemina primitiva persistens als Kollaterale bei Verschluß der A. cerebri anterior bzw. media Von H. P. Molsen

Neuroradiologische Abteilung (Leitender Arzt: Dr. H. P. Molsen) des St. Joseph-Krankenhauses - Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie - Berlin-Wetßensec (Arztlicher Direktor: Chefarzt Dr. Spinner)

Die persistierenden primitiven Schlundbogenarterien sind meist angiographische Zufallsbefunde (3). Eine klinische Bedeutung kommt ihnen im allgemeinen nicht zu (7). Eine gewisse Belastung des Karotiskreislaufs in Grenzsituationen der zerebralen Durchblutung wurde diskutiert (5). Sie dürften lediglich ihre Bedeutung im Rahmen der oft begleitenden Anomalien der Gefäßversorgung der hinteren Schädelgrube haben (6, 10). Möglicherweise stellen diese Anomalien einen Grund für das Bestehenbleiben der embryonalen Schlundbogenarterien dar bzw. bedingen einander (9). Eine gewisse Bedeutung können sie als kaliberstarke karonidobasiläre Kollateralen bei Gefäßprozessen mit Verschlüssen erlangen (1, 2), wie an zwei Fallbeispielen zu diskutieren wäre.

der A. cerebri media links. Im späten Arteriogramm retrograde Auffüllung der linken A. cerebri anterior bis zum A-2/3-Abschnitt über die Primitivarrerie, linke A. cerebri posterior und A. corponis callosi dorsalis sowie der hinteren Mediaäste über die A. occipitalis lateralis. Die angiographische Darstellung der übrigen Hirnstromgebiete über Femoraliskatheter (OA Dr. Winkelmann, Neurochirurgische

Klinik Berlin-Buch) erbrachte eine bis auf eine unregelmäßige Kalibrierung im wesentlichen unauffällige rechte A. carotis mit ihren Aufzweigungen einschließlich der direkt abgehenden rechten A. cerebri posterior sowie bds. hypoplastische Aa. vertebrales mit isolierter Versorgung der jeweiligen A. cerebelli inferior posterior.

Da von rechts keine Kollateralversorgung stattfindet, muß - bei

Kasuistik Fall 1: Pat. H. K. (Nr. K 57/73) erkrankte erstmalig im Alter von 43 Jahren unter dem Bilde eines linkshirnigen Insultes mit kompletter Halbseirensympromatik rechts einschließlich Aphasie;

im Laufe von zwei Jahren kam es zu einer guten Rückbildung der Ausfälle mit Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit. Mit 48 Jah-

ren trat ein erneuter Insult auf mit jetzt deutlicher Hemiparese links und gleichfalls guter Rückbildung bis auf eine geringe Restneurologie und ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom. Im Pneumenzephalogramm fand sich eine deutlich linksbetonte subkortikale Atrophie.

Karotisangiographie links nach Direktpunktion der A. carotis communis: über eine A. trigemina primitiva persistens (A.t.p.p.) kommt es zu einer Darstellung eines Teils der A. basilaris, beider

Aa. cerebelli superiores sowie der A. cerebri posterior links. Der Karotissyphon geht aus einer stenotisch verengten Verbindung ab und stellt sich kaliberschwach dar. Rarefizierte Füllung

Abb. la. Anterior- und Mediateilverschluß links mit Kollateralversorgung über A. corporis callosi dorsalis via A. trigemina primitiva.

gleichzeitiger Strömungsumkehr in der linken Anterior - die A. communicans anterior funktionsuntüchtig sein, wobei neben einer möglichen Aplasie ein sekundärer Verschluß wahrscheinlicher ist, in dem der Verschlußprozeß der linken Anterior sich bis einschließlich der Höhe der A. communicans anterior erstreckt. Zus.: Verschluß der A. cerebri anterior links sowie Teilverschluß

der A. cerebri media links mit guter retrograder Auffüllung über eine A.t.p.p. Fall 2: Pat. E. A. (Nr. 1876/76) bot im Alter von 53 Jahren das Bild einer zerebralen Ischämie mit plötzlich einsetzender brachio-

fazialbetonter Hemiparese rechts und Aphasie ohne Bewußtseinsstörungen mit nur geringen Rückbildungstendenzen der Ausfallserscheinungen. Karotisangiographie links: nach regelrechter Direktpunktion

unauffällige Darstellung der Karotisgabel im Halsbereich und gute Mitfüllung beider Aa. cerebri posteriores sowie von Teilen der A. basilaris und der Aa. cerebelli superiores über

Abb. lb. Gleicher Patient. Weitere Entwicklung der retrograden Auffüllung im späten Arteriogramm.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

2 Abbildungen

591

Abb. 2a. Mediaverschluß links mit Teilversorgung über eine A. trigemina primitiva, arterielle Phase.

Abb. 2b.

eine breite A.t.p.p. links. Regelrechte Darstellung der spontan doppelt gefüllten Aa. cerebri anteriores ohne Massenverschiebungen. Es besteht ein vollständiger Verschluß der linken

Patienten das im Sinne des Gefäßprozesses zufällige Vorhandensein der A.t.p.p. eine über ihre sonstige Bedeutung hinausgehende klinisch wichtige Funktion gewinnt.

Gleicher Patient. Mischphase mit Kollateralen.

A. cerebri media bereits am Abgang aus der Interna ohne Füllung

von striolentikulären Gefäßen. Im späten Arteriogramm und frühen Phlebogramm stellen sich retrograde Auffüllungen der meisten Mediaäste über leptomeningeale Anastomosen sowohl aus dem Versorgungsbereich der A. cerebri anterior als auch aus der A. cerebri posterior links via A.t.p.p. dar. Zus.: Kompletter Verschluß der A. cerebri media links mit partieller Kollateralversorgung, zum Teil über eine A.t.p.p. links.

Diskussion Bei beiden Patienten liegt eine Kombination von zerebralem Gefäßverschluß und persistierender Schlundbogenarterie vor. Ähnliche Fälle wurden u. a. von Sutton (8) (pathologisch-anatomisch gefundener Anterior- und Mediaverschluß bei Primitivarterie) und Krayenbühl/Yasargil (5) (Mediararefizierung bei A.t.p.p.) sowie Foto pubs (2) und Eger/Heidrich (1) (Karotisthrombose und A.t.p.p.) mitgeteilt. In den jetzt vorgestellten Fällen bietet sich als Grundleiden des Gefäßprozesses eine generalisierte Arteriosklerose mit einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit einschließlich Herzinfarkt an, wobei zum Beispiel auch an ein embolisches Geschehen im genannten Rahmen zu denken wäre. Die Primitivarterie übernimmt jeweils einen vollständigen oder wie im Fall 2 einen partiellen

Teil der Kollareralversorgung, so daß besonders beim ersten

Literatur Eger, H., R. Heidrich: Die arteria primitiva trigemina persistens als Transportgefäßkollaterale bei Verschluß der Arteria carotis interna. Radiol. diagn. 11(1970) 557 Fotopulos, D.: Die Rolle der

Arteria primitiva trigemina persistens bei Karotisthrombose. Radiol. diagn. 4 (1963) 563

Huber, P.: Die A. trigemina primi-

tiva - Betrachtungen zur klinischen

Die vaskulären Erkrankungen im Gebiet der Arteria vertebralis und Arteria basialis. Thieme, Stuttgart (1957)

Lie, T. A.: Congenital anomalies of the carotid arteries. Excerpta med. Foundation Seifert, U.: Uber die Arteria trigemina primitiva (persistens). Radiol. diagn. 10 (1969) 609

Sutton, D.: Anomalous carotidbasilar Anastomosis. Bot. J. Radiol. 22 (1950) 617

Bedeutung der carotido-basilären Ana-

stomose. Dtsch. Z. Nervenheilk. 181 (1961) 612

Krayenbühl, H., M. G. Yasargil: Der zerebrale kollaterale Blutkreislauf im angiographischen Bild. Acta neurochir. (Wien) 6 (1958) 30 5) Krayenbühl, H., M. G. Yasargil:

Takeuchi, K., M. Yoshioka: Über Arteria primitiva hypoglossica. Med. KIm. 58 (1963) 1032 die

Wollschlaeger, G., P. schlaeger:

B. WollThe primitive trigeminal

artery as seen angiographically and at postmortem examination. Amer. Roentgenol. 92 (1964) 761

Dr. H. P. Molsen, Neuroradiologische Abteilung des St. Joseph-Krankenhauses, Fachklinik für Neurologie und Psychiatrie, Gartenstraße l-5, DDR 112 Berlin-Weißensee

J.

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Fortschr. Röntgenstr. 126, 6

Schaukasten

[Persistent primitive trigeminal artery as collateral in occlusion of the anterior and middle cerebral artery].

590 Fortschr. Röntgenstr. 126, 6 Fortschr. Röntgenstr. 126, 6 (1977) 590-591 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart A. trigemina primitiva persistens als...
NAN Sizes 0 Downloads 0 Views