Leitthema Chirurg 2015 · 86:432–436 DOI 10.1007/s00104-014-2863-2 Online publiziert: 30. April 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Z. Sziklavari1 · R. Neu2 · H.-S. Hofmann1, 2 · M. Ried2 1 Klinik für Thoraxchirurgie, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg 2 Abteilung für Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg

Persistierender Erguss nach thoraxchirurgischen Eingriffen Zu den häufigsten postoperativen Komplikationen in der Thoraxchirurgie zählen postoperative Atelektasen/Pneumonien, respiratorische Insuffizienzen (bis zum „acute respiratory distress syndrome“ [ARDS] und akuten Lungenversagen), prolongierte Parenchymleckagen (inklusive bronchopleurale Fisteln/Bronchusstumpfinsuffizienz), postoperative Empyeme sowie hämodynamisch relevante Nachblutungen (Hämatothorax; [1]). Trotz Einlage von Thoraxdrainagen werden nach thoraxchirurgischen Operationen persistierende Pleuraergüsse verzeichnet, welche eine progrediente Dyspnoe des Patienten verursachen und den postoperativen Verlauf verlängern können. Insbesondere nach lungenresezierenden Eingriffen werden durch eine Störung des pleuralen Flüssigkeitshaushaltes und teilweise inkomplette Lungenentfaltung vermehrte Ansammlungen von Pleuraergüssen beobachtet [2, 3]. Nur durch eine frühzeitige Diagnostik (Bildgebung, Analyse des Drainagesekrets) sowie adäquate konservative (Atem-/Physiotherapie) oder interventionelle (Drainageanlage, operative Revision) Maßnahmen können eine weitere klinische Verschlechterung des Patienten oder sekundäre Komplikationen (Infektion, respiratorische Insuffizienz) vermieden werden. In dieser Arbeit werden das adäquate Drainagemanagement zur Vermeidung postoperativer Pleuraergüsse diskutiert und potenzielle Ursachen bzw. Kompli-

432 | 

Der Chirurg 5 · 2015

kationen persistierender postoperativer Pleuraergüsse nach thoraxchirurgischen Eingriffen mit den entsprechenden Behandlungsoptionen beschrieben.

Drainagemanagement nach Lungenoperationen Die Thoraxdrainage nach lungenresezierenden Eingriffen hat eine prophylaktische, diagnostische und therapeutische Funktion [4]. Die postoperative Thoraxdrainage dient zur Sicherstellung der Reexpansion der Lunge, dem Ableiten von Pleuraflüssigkeit und als Indikator für Nachblutungen. Die empfohlene Drainagedauer und der optimale Zeitpunkt zur Drainageentfernung werden in der Literatur weiterhin kontrovers diskutiert und basieren meist auf eigenen Erfahrungen bzw. klinikinternen Protokollen [5, 6]. D Die interindividuelle post-

operative Ergussbildung ist sehr unterschiedlich. In den meisten Kliniken wird eine Fördermenge von ca. 250 ml/Tag als Grenze für die Entfernung der Thoraxdrainagen gesehen. Große Studien konnten jedoch nachweisen, dass Fördermengen zwischen 450 und 500 ml/Tag nicht automatisch zu einer erhöhten Inzidenz an interventionsbedürftigen Pleuraergüssen führten und daher akzeptiert werden können [3, 7, 8]. In einer prospektiven Studie konnte zusätzlich gezeigt werden, dass eine postoperative Manipulation am Drainageschlauch („milking“) zu einer vermehr-

ten Fördermenge der Pleuradrainage ohne klinische Verbesserung führt und daher nicht empfohlen wird [9].

Postoperativer Pleuraerguss Ein postoperativer Pleuraerguss ist definiert als eine pathologische Zunahme der Flüssigkeit zwischen der Pleura parietalis und visceralis. Die auslösende postinterventionelle Pleuritis ist definitionsgemäß eine abakterielle Entzündung der Pleura in Folge der intraoperativen mechanischen und/oder chemischen Manipulation im Pleuraraum. Der postoperative Pleuraerguss ist meistens ein Exsudat, welcher initial durch eine seröse oder sanguinolente Sekretion entsteht und sich im weiteren Verlauf verändern kann. Postoperativ entstehen Pleuraergüsse regelhaft mit einem Maximum zwischen dem 2. und 5. Tag nach dem intrathorakalen Eingriff [10]. Persistierende postoperative Pleuraergüsse werden in der Literatur meistens wie folgt definiert: F Drainage oder symptomatischer Pleuraerguss am 7. postoperativen Tag noch vorhanden bzw. F Drainagefördermengen ≥400 ml. In der Literatur schwanken die Zahlen für persistierende postoperative Pleuraergüsse nach lungenresezierenden Eingriffen zwischen 0,55 und 23% [3, 7]. Nach Drainagenentfernung in Pneumonektomiehöhlen oder Resthohlräumen nach Lungenresektionen ist radiologisch eine stärkere Exsudation zu beobachten, d. h. ein rasches Ansteigen des Er-

Abb. 1 9 a Thoraxröntgenaufnahme mit postoperativem Pleuraerguss nach Unterlappenresektion links. b Transthorakaler Ultraschall mit postoperativem Pleuraerguss nach Unterlappenresektion links

Abb. 2 9 a Unauffällige Röntgenverlaufskontrolle des Thorax 2 Wochen nach thorakoskopischer partieller Pleurektomie links bei Verdacht auf ein malignes Pleuramesotheliom. b Wenige Stunde später akute respiratorische Insuffizienz mit instabiler Hämodynamik aufgrund eines spontanen Hämatothorax links. In der Computertomographie und intraoperativ zeigte sich eine arterielle Blutung aus einer Interkostalarterie

gussspiegels. Die Ausbildung eines Serothorax nach Pneumonektomie ist gewollt und sollte nur bei zu schneller Auffüllung der Pleurahöhle und Ausbildung von Symptomen interventionell (Pleurapunktion) behandelt werden. Auch die Auffüllung von Resthöhlen (z. B. nach Lobektomie) durch einen Pleuraerguss sollte bei Fehlen einer Kompression der Restlunge akzeptiert werden. War die Lunge oder Restlunge bereits vollständig entfaltet, zeigt das Röntgenbild bei Zunahme eines nichtdrainierten Pleuraergusses eine an Ausdehnung progrediente, umschriebene Verschattung bzw. einen Brustwandbegleitschatten, der einem Mantelerguss entspricht (. Abb. 1). Die Pleuritis macht sich typischerweise durch erhöhte Drainagefördermengen bemerkbar. Eine weniger oder nicht schmerzhafte Pleuritis exsudativa kann in eine schmerzhafte Pleuritis sicca übergehen. Bei Transsudaten im Pleuraraum kann vorerst bei asymptomatischen Patienten abgewartet wer-

den, während Exsudate als Fremdkörper zu betrachten sind und daher rasch sowie vollständig beseitigt werden sollten. Die Kombination konservativer (Atemtherapie, Diuretikum, Negativbilanz) und chirurgischer (Thorakozentese, Thoraxdrainagenanlage, operative Revision) Maßnahmen bietet die besten Erfolgsaussichten. Das Ziel der Behandlung ist die Wiederherstellung physiologischer Druckverhältnisse im Thorax durch vollständige Exsudatbeseitigung und Wiederentfaltung der Lunge. Zusätzlich kann eine Bekämpfung der Inflammation mittels postoperativer, systemischer Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika erfolgen [11]. Umschriebene, chronische postoperative Pleuraergüsse nach Drainagenentfernung sind mit wiederholten technisch gut ausgeführten Punktionen gut zu therapieren. Als Alternative kommt bei einem chronischen postoperativen Pleuraerguss die Anlage einer getunnelten Pleuradrainage zur Anwendung [12].

Postoperativer Hämatothorax Der postoperative Hämatothorax (meist akut) ist eine Sonderform des Pleuraergusses und wird als eine Blutansammlung im Thorax definiert (. Abb. 2). Die postoperative Nachblutung ist eine der häufigsten postoperativen Komplikationen (ca. 52%) in der Thoraxchirurgie [13]. Definitionsgemäß muss der Hämatokritwert des Pleuraergusses mehr als die Hälfte des Hämatokritwertes des Blutes betragen, um als Hämatothorax gewertet werden zu können. Auch eine Hämoglobinbestimmung aus dem Pleurapunktat (Hb>5 g/dl) kann in der frühen postoperativen Phase die Entscheidung zur Revision stützen, da der systemische Hämoglobinwert unter Umständen noch nicht aussagefähig ist [1]. Im Röntgenbild zeigt sich häufig trotz liegender Thoraxdrainage eine großflächige Verschattung welche bereits bei der ersten Kontrolle nachweisbar sein kann. Bei effizienter DraiDer Chirurg 5 · 2015 

| 433

Zusammenfassung · Abstract nagebehandlung ist eine erhöhte Fördermenge (>200–300 ml/h) vorhanden.

»

Die exakte Kontrolle der Drainage-/Blutverluste ist extrem wichtig Die exakte Kontrolle der Drainage-/Blutverluste über die Thoraxdrainage ist in der frühen postoperativen Phase extrem wichtig. Bei Blutverlusten von mehr als 250 ml/h oder 900 ml Blut innerhalb der ersten 6 h nach einer Operation, auch ungeachtet stabiler Kreislaufverhältnisse, sollte die Revision großzügig durchgeführt werden, da ein weiteres Zuwarten die Ausgangssituation verschlechtert [1]. Blutungen aus Bronchialarterienästen (21%), interkostalen und hilären Gefäßen (jeweils 16%) kommen am häufigsten vor, wobei jedoch auch in ca. einem Drittel der Fälle intraoperativ keine Blutungsquelle gefunden wird [1, 13]. Hämatome stellen einen idealen Nährboden für Keime dar und können Ausgangspunkt eines Pleuraempyems sein und als Spätkomplikation zu einer Pleuraschwarte führen. Die konsequente Ausräumung intrathorakaler Hämatome verringert das Risiko weiterer Komplikationen. Bei größeren Blutverlusten muss mit einem Verlust von Gerinnungsfaktoren und weiteren Blutbestandteilen gerechnet werden, welche entsprechend substituiert werden müssen [14].

Postoperatives Pleuraempyem Postoperative Pleuraempyeme nach lungenresezierenden Eingriffen sind seltene (0,8–13%), aber bedrohliche Komplikationen und beruhen in 80–100% der Fälle auf Luftfisteln des Lungenparenchyms oder der Bronchien (. Abb. 3, [15, 16]). Postoperative Pleuraempyeme ohne gleichzeitige Bronchusfistel sind heute aufgrund der perioperativen Antibiotikaprophylaxe sehr selten [17]. Gefürchtet ist das Empyem nach Pneumonektomie – sog. Postpneumonektomieempyem (PPE), da dies mit einer hohen Letalität von bis zu 75% verbunden ist [15, 18]. Die Diagnose eines Pleuraempyems ergibt sich aus der Trübung des abgeleiteten Pleuraergusses, aus der Klinik (Hus-

434 | 

Der Chirurg 5 · 2015

Chirurg 2015 · 86:432–436  DOI 10.1007/s00104-014-2863-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Z. Sziklavari · R. Neu · H.-S. Hofmann · M. Ried

Persistierender Erguss nach thoraxchirurgischen Eingriffen Zusammenfassung Hintergrund.  Trotz Einlage von Thoraxdrainagen werden nach thoraxchirurgischen Operationen persistierende Pleuraergüsse beobachtet, welche eine progrediente Dyspnoe des Patienten verursachen und den postoperativen Verlauf komplizieren bzw. prolongieren können. Fragestellung.  Ätiologie, Prophylaxe und Therapie persistierender Pleuraergüsse nach thoraxchirurgischen Eingriffen wurden dargestellt. Material und Methoden.  Die Übersicht basiert auf einer selektiven Literaturrecherche in Medline („pleural effusion“, „pleural empyema“, „chylothorax“). Ergebnisse.  Insbesondere nach lungenresezierenden Eingriffen werden durch eine Störung des pleuralen Flüssigkeitshaushaltes und inkomplette Lungenentfaltung vermehrte Ansammlungen seröser Pleuraergüsse beobachtet. Durch ein adäquates Drainagemanagement und eine intensive Atemtherapie kann die Inzidenz vermindert werden. Eine relevante Nachblutung führt zum Hämato-

thorax. Komplizierend kann eine Infektion des Pleuraergusses zum Pleuraempyem führen. Diese Patienten weisen eine deutlich erhöhte Morbidität auf und benötigen eine angepasste multimodale Behandlung. Ein postoperativer Chylothorax entsteht durch eine chirurgische Läsion des Ductus thoracicus und sollte frühzeitig durch eine laborchemische Analyse des milchigen Drainagesekrets diagnostiziert werden. Neben konservativen und operativen Therapieoptionen stehen hier mittlerweile auch interventionell-radiologische Maßnahmen zur Verfügung. Diskussion.  Persistierende Ergüsse nach thoraxchirurgischen Eingriffen erfordern eine frühzeitige Diagnostik und eine angepasste Therapie, um sekundäre Komplikationen zu verhindern und die Krankenhausaufenthaltsdauer zu verkürzen. Schlüsselwörter Erguss · Pleuraerguss · Pleuraempyem ·   Chylothorax · Komplikationen

Persistent pleural effusion following thoracic surgery Abstract Background.  Persistent postoperative pleural effusion can occur after thoracic surgery and might lead to progressive dyspnea with a subsequent complicated and prolonged hospital stay. Objectives.  The etiology, prevention and therapy of persistent pleural effusion after thoracic surgical interventions are presented. Material and methods.  A selective literature search was carried out in Medline (pleural effusion, pleural empyema and chylothorax). Results.  Persistent pleural effusions were observed especially after lung resection due to disorders in the pleural fluid balance and reduced postoperative lung expansion. An ade­ quate chest tube management and postope­ rative physical therapy can reduce the incidence of postoperative pleural effusion. Relevant postoperative bleeding causes a hemothorax. An infection of the pleural effusion is defined as pleural empyema. These patients

ten, Fieber) und aus den laborchemischen Analysen (erhöhtes Laktat, erniedrigte Glukose, hohe Laktatdehydrogenase, pHWert

[Persistent pleural effusion following thoracic surgery].

Persistent postoperative pleural effusion can occur after thoracic surgery and might lead to progressive dyspnea with a subsequent complicated and pro...
439KB Sizes 3 Downloads 140 Views