The Interesting Case

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Diskussion !

Einführung !

Die persistierende linke Vena cava superior (PLVCS) ist eine relativ häufige Fehlbildung des thorakalen Venensystems (0,3 – 0,5 % der Normalpopulation) mit einer Prävalenz von 4 – 12 % bei kongenitalen Herzanomalien (Povoski SP, Khabiri H. World J Surg Oncol 2011; 9: 173). Während in 80 – 92 % der Fälle die PLVCS ohne hämodynamische Relevanz in den Sinus coronarius (SC) drainiert, lässt sich in den restlichen Fällen ein Rechts-Links-Shunt aufgrund des Blutflusses in den linken Vorhof nachweisen. Bei 75 % der Betroffenen ist die PLVCS ein asymptomatischer Zufallsbefund (Couvreur T, Ghaye B. Integrated cardiothoracic imaging with MDCT. In: Rémy-Jardin M, Rémy J, Hrsg. Diagnostic Imaging and Radiation Oncology Series. Heidelberg: Springer-Verlag; 2009: 289 – 305). Wir berichten über eine akzidentell in der Multidetektor Computertomographie (MDCT) diagnostizierte, in den linken Vorhof drainierende PLVCS bei bestehender rechter Vena cava superior (RVCS).

beinvene über die linke Vena brachiocephalica sowohl in die RVCS als auch in die PLVCS drainiert. Die PLVCS verlief links mediastinal unmittelbar angrenzend am Aortenbogen nach kaudal und mündete in die " Abb. 2, 3). linke obere Pulmonalvene ein (●

Ein kurzer Überblick über die embryologische Entwicklung der thorakalen Venen ist zum besseren Verständnis der Anatomie notwendig. In der siebten Gestationswoche münden die anteriore und posteriore Kardinalvene über den Ductus Cuvieri zusammen in den Sinus venosus und versorgen das primitive Atrium mit Blut. Zwischen der siebten und achten Gestationswoche entwickelt sich eine Queranastomose (die zukünftige linke Vena brachiocephalica) zwischen der rechten und linken anterioren Kardinalvene. Das führt zu einem zunehmenden Blutfluss von der linken Seite des Embryos in den

Abb. 1 Röntgenaufnahme in zwei Ebenen zeigt die Herzschrittmachersonde in Projektion auf die linke Vena brachiochephalica und die RVCS (Pfeil).

Fallbeschreibung !

Ein 75-jähriger Patient mit hochgradiger Aortenklappenstenose, chronischem Vorhofflimmern und koronarer 3-Gefäßerkrankung wurde zur Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) auf die kardiologische Station aufgenommen. In der präinterventionellen Rechtsherzkatheteruntersuchung wurde eine pulmonalarterielle Hypertonie (PAH) nachgewiesen und der Patient wurde auf die Intensivstation verlegt. Ein drittgradiger AV-Block führte zur Implantation eines Herzschrittmachers. Im postinterventionellen RöntgenThorax zeigte sich die regelrechte Lage der " Abb. 1). Zum Herzschrittmachersonde (● Ausschluss chronischer Embolien als Ursache für die PAH wurde der Patient einer kontrastmittelangehobenen 256-Zeilen MDCT (Brilliance iCT, Philips Medical Systems, Best, The Netherlands) des Thorax zugeführt. In dieser Untersuchung wurde das Blut der linken Jugular- bzw. Schlüssel-

Abb. 2 Axiale CT-Aufnahmen zeigen eine persistierende Vena cava superior (durchgehende Pfeile). Ein zentralvenöser Katheter (gestrichelte Pfeile) in der linken Vena brachiocephalica reicht bis in die Vena cava superior. Nebenbefundlich bilaterale Pleuraergüsse.

Tahir E et al. Persistierende linke Vena … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 1037–1038 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366226

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Persistierende linke Vena cava superior mit Einmündung in die linke obere Lungenvene: Bildgebung und klinische Implikationen

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rechten Ductus Cuvieri. Dadurch wird die rechte anteriore Kardinalvene kaliberstärker, während die kaudal der Vena brachiocephalica gelegenen Anteile der linken Kardinalvene obliterieren und nur die Marshall‘sche Vene als Residuum verbleibt. Falls es nicht zu dieser Obliteration kommen sollte, entsteht die PLVCS, die normalerweise in den rechten Vorhof über einen " Abb. 4a). Es sind dilatierten SC mündet (● jedoch auch Drainagewege in den linken Vorhof möglich, wodurch ein RechtsLinks-Shunt entsteht (über einen Sinuscoronarius-Defekt direkt nach linksatrial " Abb. 4b] oder seltener über die linke [● " Abb. 4c]). obere Pulmonalvene [● Die PLVCS kann in der konventionellen Röntgenaufnahme durch einen atypi-

schen Verlauf z. B. eines zentralvenösen Katheters (ZVKs) oder einer Herzschrittmachersonde auffallen. Eine Verbreiterung des oberen Mediastinums linksseitig oder ein halbmondförmiger Gefäßschatten mit Ausdehnung vom oberen Aortenbogenrand zum mittleren Drittel der linken Clavicula kann das Vorliegen einer PLVCS ebenfalls suggerieren. Weitere indirekte Zeichen sind eine Erweiterung des Aortenschattens oder des mediastinalen Gefäßbandes, eine paramediastinale Aufweitung unter dem Aortenbogen oder ein hypotransparenter Streifen entlang des oberen Herzrandes. Andererseits kann in der transthorakalen oder transösophagealen Echokardiografie ein dilatierter SC hinweisend auf eine PLVCS sein. Zum definitiven Nachweis oder Ausschluss einer

Abb. 3 Koronare CT-Bilder zeigen eine persistierende linke Vena cava superior (durchgehender Pfeil), die in die linke obere Pulmonalvene drainiert (gestrichelter Pfeil).

PLVCS ist in solchen Fällen eine kontrastmittelangehobene MDCT oder eine Magnetresonanzvenografie erforderlich. Die ehemals als Goldstandard erachtete konventionelle Venografie ist heutzutage obsolet. Die klinischen Implikationen einer PLVCS sind: 1. Assoziation mit kongenitalen Herzfehlern wie z. B. bikuspide Aortenklappe, Fallot‘sche Tetralogie oder Aortenisthmusstenose. 2. Assoziation mit extrakardialen Anomalien wie z. B. die Ösophagusatresie (Postema PG et al. Int J Cardiol 2008; 123: 302 – 306). 3. Herzrhythmusstörungen aufgrund einer Dehnung des atrioventrikulären Knotens oder des His‘schen Bündels. 4. Zu den Komplikationen, die aufgrund der Befundunkenntnis auftreten können, zählen: ▶ Bei kardiochirurgischen Operationen als auch minimalinvasiven Eingriffen (ZVK- und Herzschrittmacherinstallation oder Herzkatheteruntersuchung) kann es zu Gefäßverletzungen, instabilen Sondenlagen sowie zur Funktionsbeeinträchtigung des Schrittmachers mit erhöhtem Risiko für Arrhythmien kommen. ▶ Inadäquate Myokardprotektion bei retrograder Verabreichung einer Kardioplegielösung in die Koronarvenen. ▶ Intraoperative PLVCS-Ligation bei Patienten mit Koronarvenenatresie, die zur myokardialen Ischämie und Nekrose führt (Ratliff HL et al. Int J Cardiol 2006; 113: 242 – 246). ▶ Rechts-Links-Shunt mit daraus resultierenden paradoxen Embolien und intrakraniellen Abszessen (Menachem JN et al. Congenit Heart Dis 2013; DOI:10.1111/chd.12 081).

Springende Punkte !

▶ Die PLVCS ist eine relativ häufige Fehlbildung des thorakalen Venensystems.

▶ Bei Verdacht auf PLVCS und bestehen▶ Abb. 4 Drainagewege der PLVCS: In den rechten Vorhof über den Sinus coronarius (a), in den linken Vorhof über einen Sinus-coronarius-Defekt (b) oder in die linke obere Pulmonalvene (c). (RVCS: rechte Vena cava superior; RV: rechter Vorhof; LV: linker Vorhof; PLVCS: persistierende linke Vena cava superior; PV: Pulmonalvenen; SC: Sinus coronarius; VA: Vena azygos; [modifiziert nach Couvreur T et al. aus Integrated cardiothoracic imaging with MDCT; S. 289 – 305; Abb. 20.3. ©Springer Science + Business Media 2009]. Mit freundlicher Genehmigung von T. Couvreur und Springer Science and Business Media).

der klinischer Relevanz sollte unverzüglich eine kontrastmittelangehobene thorakale MDCT durchgeführt werden. Die Kenntnis dieser Fehlbildung beugt Komplikationen medizinischer Eingriffe vor.

E. Tahir, M. Karul, J. Yamamura, Hamburg

Tahir E et al. Persistierende linke Vena … Fortschr Röntgenstr 2014; 186: 1037–1038 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366226

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[Persistent left superior vena cava with connection to the left superior lung vein: imaging and clinical implications].

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