Schwerpunkt Schmerz 2014 · 28:265–281 DOI 10.1007/s00482-014-1420-8 Online publiziert: 6. Juni 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.   Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg all rights reserved 2014

J.S. Englbrecht · E.M. Pogatzki-Zahn

Abdominelle und thorakale Eingriffe sind weltweit ausgesprochen häufige Opera­ tionen. Gerade die kleineren Eingriffe sind weniger den spezialisierten Kliniken vorbehalten, sondern werden regelmä­ ßig in fast jeder Klinik mit allgemeinchi­ rurgischem Spektrum durchgeführt. Bei­ spielsweise gehören die Appendektomie oder Cholezystektomie zum Alltag eines allgemeinchirurgisch tätigen Arztes. Für die Facharztweiterbildung Allgemeinchirurgie oder Viszeralchirurgie werden als eine der häufigsten, spezifizierten visze­ ralchirurgischen Operationen mindes­ tens 25 Cholezystektomien als Standard gefordert. Diese eher kleineren Routine­ operationen sollten postoperativ den be­ treuenden Anästhesisten und Chirurgen keine großen Probleme bereiten. Aktu­ elle Untersuchungen aus Deutschland zeigen aber, dass gerade diese Operatio­ nen in Deutschland mit starken Schmer­ zen verbunden sind [29, 69]. Nimmt man z. B. die aktuellen Daten der an QUIPS [ein vom Berufsverband Deutscher An­ ästhesisten (BDA), der Deutschen Gesell­ schaft für Anästhesiologie und Intensiv­ medizin (DGAI), dem Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) und der Ös­ terreichischen Gesellschaft für Anästhe­ siologie, Reanimation und Intensivmedi­ zin (ÖGARI) empfohlenes BenchmarkProjekt zur Verbesserung der Qualität postoperativer Schmerztherapie, (http:// www.quips-projekt.de)] teilnehmenden Kliniken zur Grundlage, haben Patien­ ten 1 Tag nach einer offenen Appendek­ tomie in Deutschland einen Maximal­ schmerz von 5,92 (im Median, numeri­ sche Ratingskala, NRS, 0–10). Patienten nach einer offenen Cholezystektomie ge­ ben einen Maximalschmerz von 5,83 (im

Median) an [29]. Diese eher kleinen ab­ dominellen Eingriffe – die damit unter die 25 schmerzhaftesten aller Eingriffe fallen [29] – scheinen also mit ausgespro­ chen starken postoperativen Schmerzen verbunden zu sein. Ähnliche Ergebnis­ se mit starken Schmerzen nach eher klei­ nen abdominellen und thorakalen Ein­ griffen erzielen weitere Erhebungen [69]. Dagegen haben Patienten nach einer aus­ gedehnten Gastrektomie oder Hemiko­ lektomie in Deutschland deutlich niedri­ gere Maximalschmerzen von 4,45 (Gas­ trektomien) oder 4,75 (Hemikolekto­ mien; [29]). Operationen wie die zuletzt genannten werden i. d. R. durch Regio­ nalanalgesieverfahren (z. B. Epidural­ analgesieverfahren) perioperativ versorgt. Es ist seit Jahren bekannt, dass ein Regio­ nalanalgesieverfahren im klinischen All­ tag die effektivste Methode der Schmerz­ reduktion darstellt, v. a. wenn diese Pa­ tienten durch einen Schmerzdienst be­ treut werden [93]. Dass allerdings kleine­ re abdominelle Operationen derart star­ ke Schmerzen verursachen, bzw. mit den (in Deutschland) gängigen Therapiever­ fahren so schlecht schmerztherapeutisch versorgt sind, war bisher nicht eindeutig belegt. Auch größere thorakale Eingrif­ fe, die vorrangig in entsprechenden Zen­ tren operiert und bei denen Regionalan­ algesieverfahren eingesetzt werden, erzie­ len eher gute Ergebnisse. Bei kleinen Ein­ griffen hingegen sind die Schmerzinten­ sitäten überraschend hoch. Im Folgen­ den werden deshalb grundsätzliche As­ pekte und Besonderheiten abdomineller und thorakaler Eingriffe im Hinblick auf postoperative Schmerzen beleuchtet und Vorschläge für eine effektive Schmerzthe­ rapie aus aktueller Sicht gemacht.

Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinik Münster

Perioperative Schmerztherapie bei abdominellen und thorakalen Operationen

Abdominalchirurgische Eingriffe Pathophysiologie postoperativer Schmerzen Postoperative Schmerzen nach abdomi­ nellen Eingriffen weisen i. d. R. eine Kom­ bination aus somatischer und viszeraler Schmerzkomponente auf. Schmerzen aus viszeralen Organen (außer Pankreas) wer­ den generell dual über parasympathische (kraniosakrale) und sympathische (thora­ kale) Fasern weitergeleitet [107]. Thoraka­ le und obere abdominelle viszerale Orga­ ne werden primär über den N. vagus und spinale thorakolumbale Afferenzen inner­ viert, untere abdominelle und urogenita­ le Organe über thorakolumbale (lumbale Nn. splanchnici und hypogastrische Ner­ ven) sowie sakrale Nerven (z. B. N. pelvi­ cus; [107]). Hinzu kommen postoperativ somatische Nerven der Haut- und Mus­ kelareale durch das chirurgische Trauma [107]. Obwohl viszerale und somatische Schmerzverarbeitungsprozesse viele Ge­ meinsamkeiten haben, konnten in den letzten Jahren wichtige Unterschiede in den pathophysiologischen Mechanis­ men und der Wahrnehmung viszeraler Schmerzen gezeigt werden. Somatische Schmerzen werden über Haut, Muskeln und Gelenke von speziellen Nozizeptoren (A-Delta- und C-Fasern) aufgenommen und anschließend über das Rückenmark und den spinothalamischen Trakt an das Gehirn weitergeleitet. Nichtschmerzhafte somatische mechanische Reize gelangen dagegen über die Weiterleitung von A-Be­ ta-Afferenzen zum Rückenmark und wer­ den dort über Hinterstränge und den me­ dialen Lemniskus an das Gehirn weiterge­ Der Schmerz 3 · 2014 

| 265

Schwerpunkt leitet. Diese klare Unterteilung zwischen nozizeptiven Afferenzen und den nicht­ nozizeptiven und damit nichtschmerzlei­ tenden Nervenfasern findet sich dagegen nicht bei viszeralen Organen [14]. Visze­ rale Schmerzen werden ebenfalls (über die oben genannten Nerven) durch Ak­ tivierung kleiner A-Delta- und C-Fasern vermittelt. Deren Reizantwort beginnt je­ doch i. d. R. schon bei sehr niedrigschwel­ ligen, nichtschmerzhaften Reizen, deren Intensität bei schmerzhaften Reizen deut­ lich zunimmt. Nichtschmerzhafte (insbe­ sondere mechanische) Reize werden da­ mit auch über die (aus somatischer Sicht) typischen nozizeptiven Fasern geleitet. ABeta-Fasern leiten unter normalen Um­ ständen nur nichtschmerzhafte mechani­ sche Reize weiter [53, 109]. Die viszerale Schmerzentstehung ist daher ein eher graduell vermittelndes System. Nur ein sehr kleiner Anteil vis­ zeraler Afferenzen ist hochschwellig für Druck und stellt damit ggf. reine Nozi­ zeptoren dar [107], die bei Einfluss che­ mischer Reize sensibilisiert werden kön­ nen. Darüber hinaus fehlt bei viszera­ len Afferenzen eine deutliche Untertei­ lung in verschiedene Gruppen von Af­ ferenzen. Somatische Nozizeptoren (ab­ hängig von beispielsweise Rezeptorbe­ setzung oder Neuropeptidzusammen­ setzung) sind vielfältig und lassen sich in verschiedenste Untergruppen unter­ teilen. So müssen beispielsweise Fasern, die auf noxische Hitze, sehr starke me­ chanische und chemische Reize reagie­ ren und damit sensibilisiert werden kön­ nen, von Fasern abgegrenzt werden, die nur auf starke Hitzereize reagieren und für mechanische Reize nicht sensibel sind. Eine derartige Abgrenzung, die sich sowohl in der Neuropeptid- und Rezep­ torbesetzung der Nervenfasern als auch den funktionellen Eigenschaften wider­ spiegelt, ist bei viszeralen Nervenfasern nicht gegeben. Verglichen mit dem somatischen Schmerzsystem ist das viszerale Schmerz­ system stark divergierend organisiert und hat demnach andere physiologische Funktionen sowie pathophysiologische Auswirkungen. Kommt es zu einer Ent­ zündung (oder einem operativen Eingriff an viszeralen Organen), kann die Schwel­ le für Schmerz in den viszeralen Afferen­

266 | 

Der Schmerz 3 · 2014

zen sinken und die Erregungsfrequenz steigen. In der Folge lösen nichtschmerz­ hafte z. B. durch leichte Dehnung vermit­ telte Reize bereits Schmerzen aus. Die­ se akuten (z. B. nach einer Operation) und chronischen (z. B. bei entzündlichen Darmerkrankungen) viszeralen Schmer­ zen sind meist diffus und schlecht loka­ lisierbar. Dies liegt an der signifikant ge­ ringeren Innervationsdichte von spinalen afferenten Nerven der Eingeweide (Afferenzen pro Fläche) verglichen mit der der Haut und der tiefen somatischen Gewebe [14, 53]. Viszerale Schmerzen werden häu­ fig zu anderen Körperarealen fortgeleitet (sowohl somatische als auch andere vis­ zerale Organe). Diese Weiterleitung wird als übertragener Schmerz oder „referred pain“ bezeichnet. Sie resultiert aus visze­ ral-somatischen Verschaltungsprozessen auf spinaler Ebene, wo Afferenzen aus den viszeralen Organen mit somatischen Affe­ renzen konvergieren [14, 53]. Typische be­ kannte Beispiele für viszeral-somatische Verschaltungsprozesse sind z. B. Schmer­ zen in der rechten Schulter bei Gallenbla­ senschmerzen. Zusätzlich sind viszerale Schmerzen häufig mit autonomen Reak­ tionen wie Übelkeit und Erbrechen verge­ sellschaftet [109]. Bisher weniger bekannt sind viszeroviszerale Verschaltungspro­ zesse, die wahrscheinlich ebenfalls auf spi­ naler Ebene entstehen [31]. Zentrale Aspekte viszeraler Schmer­ zen sind ebenfalls untersucht worden. Ältere Studien v. a. experimenteller Art konnten wie für somatische Schmerzen eine Art Pain-Matrix viszeraler Schmer­ zen erarbeiten. Neben einer Aktivierung von Hirnarealen, wie dem Thalamus, dem Inselkortex, der SI- und SII-Region sowie dem cingulären und präfrontalen Kor­ tex, kommt es zu einer Aktivierung von Hirnstammregionen. Zudem werden be­ stimmte Areale aus dem Cingulum, der Insel und präfrontaler Kortexregionen deaktiviert [114]. Im Rahmen dieser PainMatrix konnte typisch für den viszera­ len Schmerz die Rolle der rechten vor­ deren Inselregion herausgearbeitet wer­ den [78, 82]. Allerdings ist wie für die so­ matischen Schmerzen auch hier der Be­ griff Schmerzmatrix vorsichtig zu bewer­ ten. Denn die aktivierten und deaktivier­ ten Areale sind erstens nicht spezifisch für viszerale Schmerzen und werden zwei­

tens auch bei anderen Prozessen nicht­ schmerzhafter Genese aktiviert. Daher sind sie nicht schmerzspezifisch. In wei­ terführenden Untersuchungen konnten dann spezifisch für (chronische) viszerale Schmerzprozesse wichtige Aktivierungs­ muster, Vernetzungen zwischen Hirn­ arealen und schmerzassoziierte Aktivie­ rungen herausgearbeitet werden. Wich­ tig ist hierbei u. a., dass für die schmerz­ verarbeitende und -modulierende Funk­ tion viszeraler Schmerzen verschiedene Netzwerke identifiziert werden konnten [114]. Insgesamt können diese Ergebnis­ se (kleine Untersuchungsgruppen, expe­ rimentelles Design) hinsichtlich der Ab­ grenzung zu anderen, beispielsweise so­ matischen, Schmerzen und ihrer klini­ sche Bedeutung nur sehr eingeschränkt bewertet werden. Inwieweit diese Befun­ de auf postoperative viszerale Schmer­ zen übertragen werden können ist ins­ besondere fraglich, da dieses Setting bis­ her nicht für experimentelle Studien ge­ nutzt worden ist. Beim postoperativen Schmerz treten somatische und viszera­ le Schmerzen zusammen auf und werden demnach noch komplexer im Gehirn ver­ arbeitet als rein viszerale oder rein soma­ tische Schmerzen. Insgesamt verdeutlicht dieser Über­ blick über pathophysiologische Besonder­ heiten viszeraler Schmerzen, dass auch – oder gerade – Eingriffe an viszeralen Or­ ganen eine sehr komplexe Schmerzsymp­ tomatik durch das Zusammentreffen von viszeralem und somatischem Schmerzge­ schehen verursachen. In der Praxis findet dies noch wenig Beachtung.

Therapieoptionen Epiduralanalgesie

Bei größeren abdominalchirurgischen und thorakalen Eingriffen zeigt die Epi­ duralanalgesie (EDA) nicht nur evidenz­ basiert unter Studienbedingungen [84, 117], sondern auch im klinischen Alltag eine hervorragende, in ihrer Effektivi­ tät deutlich überlegene Analgesiequalität [71, 93]. Deshalb stellt die EDA bei gro­ ßen abdominalchirurgischen und thora­ kalen Eingriffen weiterhin das Analgesie­ verfahren der 1. Wahl dar. Die Punktions­ höhe richtet sich dabei nach der Höhe der erforderlichen segmentalen Blockade. Es

Zusammenfassung · Abstract sollte im thorakalen Bereich immer in der Mitte der zu blockierenden Segmente punktiert werden. Bisher war umstritten, ob die EDA die Mortalität nach abdominalchirurgi­ schen und thorakalen Eingriffen verbes­ sert. Eine definitive Aussage war bisher aufgrund der geringen Fallzahl von Ein­ zelstudien und hoher Heterogenität der Studien nicht möglich. Pöpping et al. [92] konnte nun in einer großen Metaanalyse zeigen, dass eine perioperative EDA das Mortalitätsrisiko signifikant senken kann; im Mittel wird etwa jeder 60. Patient vor dem Tod gerettet, wenn er statt systemi­ scher Opioide eine EDA perioperativ er­ hält. Die Analyse von Studien mit primä­ rem oder sekundärem Endpunkt Tod er­ gab eine Anzahl der notwendigen Be­ handlungen („number needed to treat“, NNT) von 56 (95% Confidence intervall, CI, 29–565) für Patienten mit EDA gegen­ über Patienten mit systemischer Analge­ sie. Dieses Ergebnis war relativ unabhän­ gig von Aspekten wie beispielsweise Art der Operation oder der verabreichten Substanzen [92]. Darüber hinaus konn­ te diese Metaanalyse verdeutlichen, dass kardiovaskuläre und pulmonale Kompli­ kationen nach perioperativer EDA ver­ mindert auftreten. Zu diesen Kompli­ kationen gehören u. a. Vorhofflimmern (NNT 12; 95% CI 7,7–26), supraventriku­ läre Tachykardien (NNT 19; 95% CI 11– 57), Atemdepression (NNT 68; 95% CI 40–225), pulmonale Atelektasen (NNT 22; 95% CI 12–103), Pneumonien (NNT 25; 95% CI 18–39), Ileus (NNT 21; 95% CI 11–107) sowie postoperative Übelkeit und Erbrechen (NNT 15; 95% CI 8,6–53). Typische Nebenwirkungen, die in dieser Metaanalyse bei Einsatz einer EDA signi­ fikant häufiger identifiziert werden konn­ ten, waren Juckreiz, Harnverhalt und Mo­ torblockade. Insgesamt ist damit ein deut­ licher Nutzen einer EDA für den Patien­ ten nachgewiesen. Für jeden Einzelpatien­ ten sind weiterhin eine Risiko-NutzenAbwägung aufgrund der genannten Vorund Nachteile und der Gefahr eines epi­ duralen Hämatoms abzuwägen. So ist bei­ spielsweise bei kardialen Risikopatienten der (kardiale) Vorteil einer EDA nachge­ wiesen, aber das Risiko z. B. für ein epidu­ rales Hämatom kann durch (z. T. periope­ rativ weitergeführte und/oder postopera­

Schmerz 2014 · 28:265–281  DOI 10.1007/s00482-014-1420-8 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg -   all rights reserved 2014 J.S. Englbrecht · E.M. Pogatzki-Zahn

Perioperative Schmerztherapie bei abdominellen und thorakalen Operationen Zusammenfassung Abdominal- und thoraxchirurgische Eingriffe können mit starken akuten postoperativen Schmerzen einhergehen. Dabei zeigen neueste Untersuchungen, dass die schmerztherapeutische Versorgung gerade nach den häufig durchgeführten mittleren und kleineren Eingriffen noch deutlich verbessert werden muss. Zur effektiven Behandlung postoperativer Schmerzen nach abdominellen und thorakalen Eingriffen steht eine Reihe von Therapiemöglichkeiten (Regionalanästhesieverfahren, systemische Pharmakotherapie) zur Verfügung. In der vorliegenden Arbeit sollen zunächst die pathophysiologischen Grundlagen abdomineller und thorakaler Schmerzen nach einer Operation dargestellt und die verschiedenen Therapieoptionen im Hinblick auf ihre Indikation, Wirksamkeit und Risiko-/Nutzenbewertung diskutiert werden. Insbesondere erörtert wird der in den letzten Jahren z. T. nicht unumstrittene Einsatz einer Epiduralanalgesie sowie der mögliche Einsatz von (Alternativ-)Verfahren wie der „Transversus-

abdominis-plane“(TAP)-Blockade, der Paravertebralblockade (PVB), einer lokalen Infil­ tration von Lokalanästhetika und der systemischen Applikation von Lidocain. Darüber hinaus werden Indikationen und Kontraindikationen einzelner Nichtopioidanalgetika­ gruppen speziell für abdominelle und thorakale Eingriffe angesprochen. Klare Empfehlungen werden gegeben und auf Zeitpunkt sowie Faktoren für eine individuelle Entscheidung wird hingewiesen. Auch wenn die Evidenzlage in einigen Bereichen noch nicht für einen generellen Einsatz bestimmter Verfahren ausreicht, haben die genannten Verfahren in der Klinik ihre Berechtigung. Zukünftig können sie zur Verbesserung der Ergebnisqualität hinsichtlich schmerztherapeutischer Parameter nach Operationen beitragen. Schlüsselwörter Abdominalchirugie · Thoraxchirurgie · Postoperative Schmerztherapie · Regionalanästhesie · Therapieoptionen

Perioperative pain management for abdominal and thoracic surgery Abstract Abdominal and thoracic surgical procedures can result in significant acute postoperative pain. Present evidence shows that postoperative pain management remains inadequate especially after “minor” surgical procedures. Various therapeutic options including regional anesthesia techniques and systemic pharmacotherapy are available for effective treatment of postoperative pain. This work summarizes the pathophysiological background of postoperative pain after abdominal and thoracic surgery and discusses the indication, effectiveness, risks, and benefits of the different therapeutic options. Special focus is given to the controversial debate about the indication for epidural analgesia, as well as various alternative therapeutic options, including transversus abdominis plane (TAP) block,

tiv relativ zeitnah wieder eingesetzte) An­ tikoagulanzien deutlich erhöht sein. Insgesamt wird die Inzidenz eines epi­ duralen Hämatoms (bei nichtgeburtshilf­ lichen Verfahren) in Deutschland laut einer aktuellen Erhebung mit 1:6628 an­ gegeben [115]. Die genaue Inzidenz ist

paravertebral block (PVB), wound infiltration with local anesthetics, and intravenous lidocaine. In additional, indications and contraindications of nonopioid analgesics after abdominal and thoracic surgery are discussed and recommendations based on scientific evidence and individual risk and benefit analysis are made. All therapeutic options discussed are eligible for clinical use and may contribute to improve postoperative pain outcome after abdominal and thoracic surgical procedures. Keywords Abdominal surgery · Thoracic surgery · Postoperative pain management · Regional anesthesia · Treatment options

aus der vorhandenen Literatur jedoch schlecht abzuschätzen. Ein geringeres Komplikationsrisiko scheint bei geburts­ hilflicher EDA zu bestehen. Als Risikofak­ toren konnten die Einnahme antithrom­ botischer Substanzen, Koagulopathien, fortgeschrittenes Alter (>50 Jahre), weibli­ Der Schmerz 3 · 2014 

| 267

Schwerpunkt Tab. 1  Einzuhaltende Mindestwerte für die plasmatische Gerinnung und die Thrombo-

zytenzahl vor Anlage und Entfernung eines Epiduralkatheters Quickwert ≥60%

Partielle Thromboplastinzeit ≤40 s

Thrombozytenzahl ≥80.000/µl

Zusätzlich sind unbedingt die Empfehlungen der deutschen und europäischen Anästhesiegesellschaften hinsichtlich des zeitlichen Abstands zwischen Gabe gerinnungshemmender Substanzen sowie Anlage und Ziehen eines Epiduralkatheters zu beachten.

ches Geschlecht, orthopädische Eingriffe, Niereninsuffizienz, Mehrfachpunktionen und Kathetermanipulationen identifiziert werden [91]. Gerade bei multimorbiden Patienten, die oft gerinnungshemmende Medikamente einnehmen und bei denen aufgrund einer eingeschränkten Nieren­ funktion die Ausscheidung bestimmter gerinnungshemmender Substanzen ein­ geschränkt ist, muss die Gefahr eines epi­ duralen Hämatoms besonders berück­ sichtigt werden [91]. Deshalb sind unbe­ dingt die Empfehlungen der deutschen und europäischen Anästhesiegesellschaf­ ten hinsichtlich des zeitlichen Abstands zwischen Gabe von gerinnungshemmen­ den Substanzen sowie Anlage und Ziehen eines Epiduralkatheters zu beachten [32, 33, 34]. Eine individuelle Nutzen-RisikoAnalyse bei der Entfernung des Kathe­ ters ist bei Risikopatienten nötig, die ge­ rinnungshemmende Medikamente ein­ nehmen oder bei denen gerinnungshem­ mende Substanzen dringend erforderlich werden. Dies kann durch Komplikationen während der Therapie mit einem Epidu­ ralkatheter, z. B. bei Auftreten einer Lun­ genembolie oder eines akuten Myokard­ infarkts, der Fall sein. Während bei Aspi­ rin-Einnahme allein vermutlich kein er­ höhtes Risiko für ein epidurales Häma­ tom zu erwarten ist, kann die Kombina­ tion aus Aspirin und einer medikamentö­ sen Thrombembolieprophylaxe das Blu­ tungsrisiko erhöhen. Bei dualer Throm­ bozytenaggregationshemmung aus Aspi­ rin plus Thienopyridin (Clopidogrel) oder einem der neueren Thrombozytenaggre­ gationshemmer (Prasugrel, Ticagrelor) ist eine rückenmarksnahe Regionalanästhe­ sie kontraindiziert [33]. Generell werden für die Anlage und die Entfernung eines Epiduralkatheters weitgehend normale Werte für die plas­ matische Gerinnung und die Thrombo­ zytenzahl gefordert. Eine laborchemi­ sche Kontrolle der Gerinnungsparameter vor Anlage und Entfernung ist insbeson­

268 | 

Der Schmerz 3 · 2014

dere zu fordern, wenn es anamnestische Hinweise für eine eingeschränkte Gerin­ nung gibt; oder der durchgeführte opera­ tive Eingriff eine Kompromittierung der Gerinnung wahrscheinlich macht (z. B. Katheterentfernung nach durchgeführter Hemihepatektomie; [108]). In . Tab. 1 aufgeführt sind die Mindestwerte für die plasmatische Gerinnung und Thrombo­ zytenzahl, die für die Anlage und Entfer­ nung des Epiduralkatheters definiert wur­ den und sich in der klinischen Anwen­ dung bewährt haben. Unter genereller Risiko-Nutzen-Ab­ wägung ist die EDA bei großen abdomi­ nalchirurgischen und thorakalen Eingrif­ fen indiziert. In den aktuellen S3-Leitli­ nien zur Behandlung akuter periope­ rativer und posttraumatischer Schmer­ zen wird die EDA bei großen Ober- und Unterbaucheingriffen (Kolonresektion, Gastrektomie, Hemihepatektomie) und Zweihöhleneingriffen (Ösophagusresek­ tion) als Therapie der Wahl empfohlen [99]. Diese Empfehlung ist jedoch 2007 erschienen und schließt neuere Untersu­ chungen u. a die Ergebnisse von Pöpping et al. [92] von 2013 nicht mit ein. Letzte­ re unterstützen jedoch den Nutzen einer EDA, der analgetisch unbestritten war, und können aus heutiger Sicht den Ein­ satz einer EDA hinsichtlich des GesamtOutcomes zusätzlich unterstreichen und ggf. auch die Indikationsstellung auf et­ was kleinere Eingriffe mit zu erwarten­ den starken postoperativen Schmerzen erweitern. Wie eingangs erwähnt, sind gerade die mittleren und kleineren ab­ dominalchirurgischen Eingriffe beson­ ders schlecht analgetisch versorgt [29]. Es stellt sich also die Frage, ob die EDA – als hervorragende Methode zur Kon­ trolle perioperativer Schmerzen – auch bei diesen schmerztherapeutischen Pro­ blemeingriffen indiziert ist. Zunächst sollte sich die Auswahl der Patienten, die eine EDA zur postoperativen Schmerz­ therapie erhalten, an der zu erwarten­

den Schmerzintensität des Eingriffs rich­ ten. Auch bei Patienten, bei denen eine Sympathikolyse gewünscht ist (z. B. ver­ kürzt sich die Dauer der Magen-DarmAtonie nach bauchchirurgischen Eingrif­ fen unter thorakaler EDA um ein bis zwei Tage [55, 64, 92]), können von einer EDA auch bei mittelschweren Eingriffen profi­ tieren. Neben der Schwere der Gewebs­ verletzung durch eine Operation und der damit ausgeprägteren Nervenverletzung als wichtiger Prädiktor für die Intensität postoperativer Schmerzen [103] können möglicherweise in Zukunft auch nach­ gewiesene individuelle Patientenfaktoren für eine invasivere Schmerztherapie spre­ chen. Hierzu zählen Patienten, die eine stärkere Schmerzintensität nach Opera­ tionen erwarten lassen (z. B. jüngere Pa­ tienten, präoperativer Schmerz und/oder präoperative Opioideinnahme und weib­ liches Geschlecht [29]). Generelle Emp­ fehlungen für den Einsatz einer EDA für kleinere und mittelgroße Eingriffe (z. B. Appendektomien, Cholezystektomien) können jedoch nicht gegeben werden. Die Indikation zur EDA bei zu erwar­ tenden mittelstarken Schmerzen bleibt eine individuelle Nutzen-Risiko-Ent­ scheidung. Die EDA kann aufgrund der auch nach kleineren Eingriffen oft star­ ken Schmerzen [29] und des positiven Effekts auf Outcome und Mortalität [92] bei besonderen Indikationen/Patienten­ risiken ggf. doch etwas großzügiger ge­ stellt werden. Wichtig hierbei ist die in­ dividuelle Aufklärung des Patienten mit Dokumentation der Risiko-Nutzen-Ab­ wägung. Entscheidend zur Verbesserung der Analgesie sind die Einführung multi­ modaler Analgesiekonzepte als „standard operating procedures“ (SOP) für die eher kleinen Operationen unter Einbeziehung bedarfsangepasster Analgesieschemata und ggf. alternativer Therapieverfahren. Bei Dosierung und Wahl der Medika­ mente für die EDA hat sich eine patien­ tenkontrollierte epidurale Gabe („patientcontrolled epidural analgesia“, PCEA) be­ währt Im Vergleich zu einer alleinigen fi­ xen kontinuierlichen Basalrate führt die Anwendung einer PCEA als Kombination aus fixer Basalrate und patientenkontrol­ lierten Bolusgaben mit entsprechender Sperrzeit und geeigneter Bolusdosisein­ stellung zu einem reduzierten Medika­

Tab. 2  Mögliche Dosierungen des Lokalanästhetikums und Pumpeneinstellungen bei

abdomineller und thorakaler patientenkontrollierter Epiduralanalgesie. (Nach [98]) Substanz Bupivacaina Ropivacaina

Konzentration (%) 0,125–0,175 0,2

Bolus (PCA ml)

Sperrzeit (min)

2 2

20 20

Infusionsrate (ml/h) 5–10b 5–10b

PCA „patient-controlled analgesia“, patientenkontrollierte Analgesie. aZugabe von 0,5–0,75 µl/ml Sufentanil bei Patienten 4 x 5 mg Oxygesic akut®/Tag Ja Targin®-Dosis um 10 mg pro Gabe erhöhen maximal 80 mg Targin®/Tag (2 x 40 mg) **

Nein

Targin® weiter bis mindestens 2. post OP-Tag Targin® absetzen (ggf. reduzieren) ab 3. post OP-Tag Akutschmerzdienst anfunken, falls: Targin® Bedarf >80 mg/Tag oder 1 h nach Oxygesic akut® 5 mg weiterhin NRS >4

Wichtig: Nach jeder Opioidgabe müssen Wirkung und Nebenwirkungen erhoben und dokumentiert werden * Die Ursache bestehender oder ansteigender postoperativer Schmerzen sollte durch den behandelnden chirurgischen Kollegen untersucht werden. DD: Wundschmerz, enge Verbände, Infektionen, Blutungen/Hämatom, schlechte Lagerung, Kompartment, volle Blase, lleus etc. ** Erfolg oder Misserfolg der veränderten Basisanalgesie müssen überprüft werden.

Abb. 1 8 Oraler Opioid-Algorithmus zur bedarfsgerechten Behandlung postoperativer Schmerzen bei Patienten mit zu erwartenden mittelstarken bis starken Schmerzen, jedoch ohne Regionalanalgesieverfahren und fehlende Kontraindikationen. NRS numerische Ratingskala. (Mit freundl. Genehmigung des Autors)

Aufnahme von Norepinephrin und Sero­ tonin und als schwacher Opioidrezeptor­ agonist. Dies erklärt seine fehlende Atem­ depression bei normaler klinischer Dosie­ rung [79]. Intravenös hat es eine etwa 6bis 10-fach schwächere Wirkung als Mor­ phin. Teilweise wird bei der Anwendung von einer höheren Inzidenz von Übelkeit und Erbrechen gegenüber Morphin be­ richtet [79]. Auf eine Hintergrundinfusion soll­ te aufgrund fehlender Vorteile und des möglichen Auftretens einer schwerwie­ genden Ateminsuffizienz bis auf Ausnah­ mefälle (z. B. opioidgewöhnte Patienten) bei allen Opioiden verzichtet werden [98]. Ein mögliches Dosierungsschema für die Anwendung der Opioide als PCIA zeigt . Tab. 3. Sobald der Patient mit der oralen Kostaufnahme begonnen hat, sollte die Opioidanalgesie auf orale Medikation umgestellt werden. Hier bietet sich ein Algorithmus an, der von uns etwa 2007 erstmals beschrieben und verschiedent­ lich weiterentwickelt worden ist (z. B. [89]). Opioid-Algorithmus. Ein retardier­ tes Opioid (hier Oxycodon und Nalo­ xon, Targin®) wird 2-mal pro Tag im Ab­ stand von 12 h verabreicht. Begonnen

270 | 

Der Schmerz 3 · 2014

wird i. d. R. mit 10 mg Targin® (20 mg bei Patienten über 80 kg Körpergewicht oder bei zu erwartenden sehr starken Schmer­ zen postoperativ) morgens und abends. Bei Patienten mit unzureichend thera­ pierten Ruheschmerzen (NRS >3) oder Schmerzspitzen, die durch Targin® nicht ausreichend therapiert sind, erfolgt die Gabe von 5 mg Oxygesic akut® (schnellfreisetzendes Oxycodon, ggf. 10 mg nach Rücksprache mit dem Akutschmerz­ dienst). Richtwerte für eine Oxygesicakut®-Gabe sind entweder Ruheschmer­ zen ≥4, die den Patienten in seiner Be­ findlichkeit und Mobilisation einschrän­ ken, oder Belastungsschmerzen >5. Oxy­ gesic akut® kann durch das Pflegeperso­ nal der chirurgischen Station unter Be­ achtung der Kontraindikationen (Vigi­ lanzeinschränkung, Sedierung, Atemde­ pression) selbständig verabreicht werden sobald ein Arzt das Therapieschema initi­ iert hat; eine Kontrolle der Nebenwirkung sowie der Wirksamkeit erfolgt nach jeder Gabe durch das Pflegepersonal. Eine Oxy­ gesic-akut®-Gabe darf (ohne Rücksprache mit einem Arzt) frühestens nach 4 h wie­ derholt werden. Kommt es unter der an­ fänglichen Basisanalgesie nicht zu einer ausreichenden Schmerzfreiheit (z. B. er­ sichtlich durch eine häufige Oxygesic-

akut®-Gabe), kann die Targin®-Dosis an den Bedarf des Patienten angepasst wer­ den. Dies sollte nur durch ärztliche An­ ordnung erfolgen. In . Abb. 1 ist der mo­ mentan gültige Algorithmus an unserer Klinik in Münster dargestellt. Studien konnten zeigen, dass Pa­ tienten ohne Regionalanästhesieverfah­ ren und daher i. d. R. ohne Versorgung durch einen akuten Schmerzdienst im Hinblick auf die medikamentöse post­ operative Schmerztherapie oft unterver­ sorgt sind. Diese Patienten werden selten nach Schmerzen befragt und es existieren meist keine klaren Interventionsgrenzen zur Verabreichung von Schmerzmitteln. Schmerztherapiekonzepte gibt es häu­ fig keine oder sie sind nicht an den je­ weiligen Bedarf des Patienten angepasst. Dies führt oft zu einer verspäteten und/ oder unterdosierten und damit ineffek­ tiven Schmerztherapie [89]. Der Algo­ rithmus bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber der häufig üblichen Schmerz­ therapie. Pflegekräfte können ihn nach 1-maliger ärztlicher Anordnung weitge­ hend autonom umsetzen und bei Ände­ rungen des Schmerzmittelbedarfs muss der Arzt nicht wieder hinzugezogen wer­ den, was mit Zeitverzögerungen bei der Therapie einhergehen kann [89]. Weiter­ hin sind klare Interventionsgrenzen de­ finiert, wann ein Patient Schmerzmittel erhalten soll. Zudem ist der Algorithmus an die individuelle Schmerzintensität des Patienten anpassbar. Die angewende­ ten Medikamente können postoperative Schmerzen zuverlässig, schnell und ef­ fektiv behandeln. Somit wird das Risiko für schwere Nebenwirkungen oder Kom­ plikationen durch zu späte Schmerzmit­ telgabe, Unter- oder Überdosierung mi­ nimiert [89]. Grundsätzlich können alle retardierten Opioide in oraler Form eingesetzt werden. Targin® (Oxygesic und Naloxon im Ver­ hältnis 2:1 als Retardtablette) bietet sich gerade bei allgemeinchirurgischen Ein­ griffen durch den Naloxonzusatz und da­ mit einer möglichen protektiven Wirkung auf die Darmmotilität besonders gut an. Ein Vorteil gegenüber reinen Agonisten ist jedoch in der Akutschmerztherapie − im Gegensatz z. B. zur Therapie chroni­ scher Schmerzen − bisher wenig unter­ sucht und nicht wissenschaftlich belegt.

Etoricoxib 180/240 Etoricoxib 120 Ketoprofen 100 Dipyron 500

Medikament (mg)

Diclofenac 100 Celecoxib 400 Ibuprofen 400 Ibuprofen 200 Paracetamol 1000 Celecoxib 200 Ibuprofen 100 1

2

3

4

5

6

7

NNT (95% CI)

Abb. 2 8 Vergleich der Effektivität verschiedener NOPA in der Akutschmerztherapie. Die NNT („number needed to treat“) für eine 50%ige Reduktion maximaler Schmerzen über 4–6 h im Vergleich zu Placebo für die gebräuchlichsten NOPA (Nichtopioidanalgetika). Je höher der Wert für NNT, desto unwirksamer die Analgesie. (Adaptiert an [90] nach [80])

Unabhängig vom verwendeten Opioid sollte die Therapie so weit wie möglich an den individuellen Bedarf des Patien­ ten angepasst werden. Um den Bedarf an Opioiden möglichst zu minimieren, was gerade bei gastrointestinalen Eingriffen wegen der Gefahr eines Ileus wichtig ist, sollte die Kombination mit einem Nicht­ opioidanalgetikum (NOPA) immer erwo­ gen werden. Bei kleineren bis mittelgro­ ßen abdominalchirurgischen Eingriffen, die schmerztherapeutisch meist unterver­ sorgt sind und bei denen die Regionalan­ algesie als Standardtherapie nicht einge­ setzt wird [29], sollte die Möglichkeit der Einnahme eines opioidhaltigen Bedarfs­ analgetikums ebenfalls bestehen. Auch hier bietet sich das Analgesieschema an, wenn der Patient oral Medikamente ein­ nehmen kann ([89], . Abb. 1). Wichtig ist, das Opioid nach 2–4 Tagen abhängig vom postoperativen Verlauf wieder abzu­ setzen. Die Therapie kann ggf mit dem nichtretardierten Bedarfsopioid (ohne retardiertes Basisopioid) einen Tag fort­ gesetzt werden, damit der Patient kom­ plett opioidfrei das Krankenhaus verlas­ sen kann.

Nichtopioidanalgetika

Nichtopioidanalgetika (NOPA) sind emp­ fehlenswert zur Basisbehandlung aller postoperativen Schmerzen. Bei größeren Eingriffen sind NOPA im Rahmen einer balancierten, multimodalen Schmerzthe­ rapie in Kombination mit Opioiden und/ oder Regionalanästhesieverfahren eben­ falls regelhaft indiziert. So kann der Be­ darf an Opioiden reduziert und die Anal­ gesie verbessert werden. Ein NOPA soll­ te hierbei immer als Basisanalgesie gege­ ben werden, d. h. in der jeweiligen Dosis fest angeordnet sein (z. B. alle 6 h 1000 mg Metamizol) und nicht nach Bedarf verab­ reicht werden. Jedoch hält die Diskussion über die Auswahl des richtigen NOPA im Hinblick auf Effektivität und Neben­ wirkungsprofil weiter an. Die gängigen NOPA in Deutschland sind Paracetamol, nichtselektive nichtsteroidale Antirheu­ matika (nsNSAR), die selektiven COX2-Hemmer (Coxibe) und v. a. Metami­ zol [98]. Paracetamol.  Trotz seiner eher geringen analgetischen Wirksamkeit ist Paraceta­ mol ein häufig eingesetztes NOPA (NNT

4–6, . Abb. 2, [80]). In letzter Zeit ist der Einsatz von Paracetamol wiederholt in­ tensiv diskutiert worden. So verursacht Paracetamol beispielsweise die häufigs­ ten medikamenteninduzierten Leberver­ sagen in Westeuropa und den USA; nicht nur bei Überdosierung oder Intoxikation, sondern auch in regelmäßig verabreichten Dosierungen [63]. Das Risiko für Asth­ ma, Rhinokonjunctivitis und Ekzemen scheint bei Kindern erhöht zu sein, wenn die Mutter in der Schwangerschaft oder das Kind in den ersten Lebensjahren Para­ cetamol eingenommen haben [90]. Hinz et al. [46] berichteten kürzlich von einer COX-2-Hemmung durch Paracetamol, was zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ähnlich wie bei nsNSAR und COX2-Hemmern führen kann. Aufgrund die­ ser potenziellen Nebenwirkungen – bei einer schmalen therapeutischen Breite und unterlegener analgetischer Effekti­ vität – sollte Paracetamol nach abdomi­ nellen Eingriffen nicht routinemäßig als Analgetikum der 1. Wahl zur Behandlung von postoperativen Schmerzen eingesetzt werden. Für viszeralchirurgische Eingrif­ fe bestehen im Gegensatz zu nsNSAR kei­ ne besonderen Risiken, sodass hier Para­ cetamol als Analgetikum der 2. Wahl er­ wogen werden kann. Analgetikum der 1. Wahl ist aus unserer Sicht das deutlich ef­ fektivere Metamizol. Nichtselektive nichtsteroidale Antirheumatika und COX-2-Hemmer.  Deut­ lich potentere Analgetika als Paracetamol sind nichtselektive NSAR und Coxibe (. Abb. 2). Verglichen mit Paracetamol reduzieren sie effektiver akute postope­ rative Schmerzen, den Opioidbedarf und opioidbedingte Nebenwirkungen [80, 90]. Sie besitzen auch relevante Risiken und Nebenwirkungen, deren Auftreten und Bedeutung bei Kurzzeitanwendung in der postoperativen Phase aber deutlich weni­ ger gut untersucht sind als bei der Lang­ zeitanwendung. So erhöhen nsNSAR wie auch Coxibe das Risiko für kardiovasku­ läre Nebenwirkungen; diese Erkenntnis resultiert aber zumeist aus Studien bei Langzeitanwendung [43]. Neuere Unter­ suchungen (Kohortenstudien) weisen auf ein deutlich erhöhtes Risiko bei Patienten mit vorbestehenden kardiovaskulären Ri­ siken (z. B. Patienten nach einem Herzin­ Der Schmerz 3 · 2014 

| 271

Schwerpunkt farkt) und kurzzeitiger Anwendung (75 Jahre, Ulcusanamnese, Alkoholeinnahme, Einnah­ me von antikoagulatorischer Medikation; [7]). Auch hier ist das Risiko bei kurz­ zeitiger perioperativer Einnahme unklar. NsNSAR sollten bei Patienten mit prädis­ ponierenden Risikofaktoren vermieden werden [15]. Coxibe scheinen hingegen ein günstigeres Risikoprofil hinsichtlich gastrointestinaler Komplikationen zu ha­ ben. Es konnte gezeigt werden, dass die Kombination aus nsNSAR und einem Protonenpumpenhemmer eine 4-fach hö­ here Inzidenz von (unteren) gastrointes­ tinalen Komplikationen im Vergleich zu dem Coxib Celecoxib hatte [15]. Naproxen und Diclofenac haben dagegen bei Lang­ zeitanwendung ein relativ hohes gastroin­ testinales Risiko und sollten v. a. bei Risi­ kopatienten vermieden werden. Parecoxib ist ein intravenös verab­ reichbares Coxib und bietet sich daher besonders in der direkten postoperativen Phase an, in der der Patient die orale Ga­ be von Medikamenten noch nicht tole­ riert. Es ist in der Behandlung postopera­ tiver Schmerzen im Vergleich zu Placebo dosisabhängig signifikant effektiver; eine Dosis von 40 mg ist effektiver als 20 mg

und sollte alle 12 h gegeben werden [67]. Es gelten im Prinzip die gleichen Anwen­ dungsbeschränkungen und Risikoprofi­ le wie für orale Coxibe. Jedoch wurde bei der Anwendung von Parecoxib und Val­ decoxib (dem aktiven Metaboliten von Parecoxib) von schwerwiegenden Haut­ reaktionen, inkl. Erythema multiforme, exfoliativer Dermatitis und Stevens-John­ son-Syndrom berichtet. Deswegen ist bei der Anwendung unbedingt auf Hautreak­ tionen zu achten. Bei ersten Symptomen sollte die Substanz sofort abgesetzt wer­ den (s. Fachinformation zu Parecoxib). Insgesamt sind nsNSAR und Coxibe effektive Medikamente in der perioperati­ ven Schmerztherapie. Es muss jedoch das individuelle Risikoprofil der Patienten be­ achtet werden (. Tab. 4). Für einen besonders vorsichtigen Ein­ satz von nsNSAR bei gastrointestina­ len Eingriffen (bzw. Vermeidung von nsNSAR oder Coxibe) sprechen zusätz­ lich relativ neue Daten [35, 47, 59]. Diese lassen vermuten, dass die Gabe von NSAR nach kolonchirurgischen Eingriffen mehr Reoperationen aufgrund von Anastomo­ seninsuffizienzen hervorruft. Hier scheint Diclofenac als relativer COX-2-Hemmer deutlich schlechter abzuschneiden als z. B. Ibuprofen, das annähernd ähnlich COX-1 und -2 hemmt). Weitere Studien müssen folgen, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Aufgrund des sehr spezifischen Risikos raten wir derzeit von einer NSAR-Gabe bei allen Eingriffen ab, bei denen gastro­ intestinale Anastomosen Teil des Eingriffs sind, oder empfehlen einen sehr vorsichti­ gen (kurzzeitigen) Einsatz. Metamizol.  Bezogen auf die analgetische Potenz mit den nsNSAR und Coxiben scheint Metamizol vergleichbar zu sein, ist allerdings deutlich weniger untersucht ([90], . Abb. 2). Es hat keine antiphlo­ gistische Wirksamkeit, dafür eine ausge­ prägte spasmolytische Komponente (u. a. über Effekte an Kaliumkanälen von Mus­ kelzellen erklärbar) und gute periopera­ tive Effekte. Nach viszeralen endoskopi­ schen Eingriffen führte die Kombination aus Metamizol und Opioiden in Einzel­ studien zu opioideinsparenden Effekten um bis zu 60% [111]. In der Diskussion ist Metamizol regel­ mäßig wegen des Risikos für eine Agra­

Tab. 4  Für die Verwendung in den Fachinformationen vorgesehene gastrointestinale und

kardiovaskuläre Kontraindikationen sowie Warnhinweise für nsNSAR und Coxibe   Gastrointestinale Erkrankungen NSAR-bedingte gastrointestinale Blutung oder Perforation in der Anamnese Rezidivierend aufgetretene peptische Ulzera und Blutungen in der Anamnese Schwere Leberfunktionsstörungen (Child-PughScore ≥10) Schwere Nierenfunktionsstörung (KreatininClearance

[Perioperative pain management for abdominal and thoracic surgery].

Abdominal and thoracic surgical procedures can result in significant acute postoperative pain. Present evidence shows that postoperative pain manageme...
1MB Sizes 2 Downloads 3 Views