Z Kardiol 90: Suppl 6, VI/92 – VI/99 (2001) © Steinkopff Verlag 2001

Ulrich Rosendahl Ina Carolin Ennker Alexander Albert Stefan Bauer Amir Mortasawi Kerstin Bauer Fatmir Dalladaku Jochen Bories Jürgen Ennker

 Perioperative complications after heart valve replacement  Summary These days, the majority of perioperative complications resulting from operations on heart valves are more a consequence of

Dr. med. U. Rosendahl () Dr. med. I. C. Ennker · Dr. med. A. Albert Dr. med. S. Bauer · Dr. med. A. Mortasawi Dr. med. K. Bauer · Dr. med. F. Dalladaku Dr. med. J. Bories Priv.-Doz. Dr. med. J. Ennker Klinik für Herz-Thorax- und Gefäßchirurgie Herzzentrum Lahr/Baden Hohbergweg 77933 Lahr, Germany Tel.: +49-7821/925-101 Fax: +49-7821/925-110 E-Mail: Ulrich.Rosendahl@heart-lahr-com

Perioperative Komplikationen nach Herzklappenersatz

the increasing age and morbidity of the patients and, despite all cardiac surgical and intensive care innovations, are still more the effect of the procedure on the other organ systems of the patient than being purely of a surgical nature. The surgical short – and long-term results after heart valve operations are significantly influenced by the early detection and adequate management of these manifold complications.  Key words Heartvalve replacement – perioperative complications – letality – morbidity – postperfusion-syndrom – cardiac arrhythmia  Zusammenfassung Perioperative Komplikationen im Rahmen von Operationen an Herzklappen sind

Einleitung Der Ersatz bzw. die Rekonstruktion von Herzklappen gehören heutzutage zu den Standardeingriffen des herzchirurgischen Alltags. Die Weiterentwicklung im Bereich der herzchirurgischen Techniken und der kontinuierliche Fortschritt im Bereich der intensivmedizinischen Leistungen haben die perioperativen Ergebnisse im Lauf der Jahre stetig verbessert, sodass ein Großteil dieser Operationen, auch bei so genannten Hochrisikopatienten, ohne lebensbedrohliche Komplikationen durchge-

in der heutigen Zeit mehrheitlich nicht mehr rein chirurgischer Natur, sondern ein Resultat aus zunehmendem Alter und Morbidität der Patienten und den, trotz aller herzchirurgischen und intensivmedizinschen Innovationen, immer noch sehr gravierenden Auswirkungen des Eingriffs auf die Organsysteme des Patienten. Die chirurgischen Kurz- und Langzeitergebnisse nach Herzklappenoperationen werden ganz wesentlich durch das frühzeitige Erkennen und adäquate Management dieser vielgestaltigen Komplikationen beeinflusst.  Schlüsselwörter Herzklappenersatz – perioperative Komplikationen – Letalität – Morbidität – Postperfusionssyndrom – Herzrhythmusstörungen

führt werden kann. Abgesehen von chirurgisch-technischen Komplikationen treten jedoch durch die Komplexität der Eingriffe an Herzklappen, die immer eine Veränderung der hämodynamischen Kreislaufverhältnisse nach sich ziehen, sowie den obligatorischen Einsatz der Herz-Lungen-Maschine, schon bei einem im Grund „normalen“ Verlauf nach Klappenersatzoperationen pathophysiologische Veränderungen auf, die jederzeit zu einer Komplikation führen können (Tabelle 1). Perioperative Komplikationen (Abb. 1) im Rahmen von Klappenersatzoperationen lassen sich im Wesentlichen in 6 pathophysiologische Gruppen aufteilen

U. Rosendahl et al. Perioperative Komplikationen nach Herzklappenersatz Tabelle 1 „Normaler“ Verlauf nach Herzoperationen        

Wechselnde hämodynamische Zustände Transiente Gasaustauschstörungen Transiente Funktionseinschränkung von Niere, Leber und GIT Elektrolytungleichgewicht Metabolische Schwankungen Hypo- und Hyperthermie Gewichtszunahme diskrete neurologisch-psychiatrische Störungen

(Tabelle 2). Chirurgisch-technische Aspekte spielen hier prima vista keine übergeordnete Rolle, doch ist davon auszugehen dass eine Vielzahl perioperativer Komplikationen erst als Folge operativer, chirurgisch-technischer Probleme auftritt. Verlängerte Perfusionszeit an der Herz-Lungen-Maschine, hoher intraoperativer Blutverlust und schlechte Kardioprotektion sind hier, neben vielen anderen Aspekten, als potenzielle Ursachen für konsekutive Komplikationen zu nennen [10, 15, 22, 29, 30]. Tabelle 2 zeigt eine Zusammenfassung der bekannten und gängigen, mehr oder minder schweren Komplikationen, die im Rahmen von Klappenersatz auftreten. Die

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Tabelle 2 Geläufige perioperative Komplikationen nach Herzklappenersatz Lokalisation

Komplikationen

Kardial

Low output Infarkt Überdehnung Akute tubuläre Nekrose Niereninsuffizienz Hypervoluminämie Azidose / Alkalose Nierenversagen Atelektasen Pleuraergüsse Pneumothorax Pneumonie Lungenödem Akutes respiratorisches Distress-Syndrom Thrombozytendefekte Hyperfibrinolyse Gerinnungsfaktorendefizite Heparininduzierte Thrombozytopenie Disseminierte intravasale Koagulopathie Ulkusblutung Cholecystitis Akute Pankreatitis Mesenterialischämie Mesenterialinfarkt Leberversagen Transitorisch ischämische Attacke Apoplex Thromboembolien Luftembolien Hypotension Hypoxie

Renale

Pulmonal

Hämatologisch

Gastrointestinal

Neurologisch

chirurgischen Kurz- und Langzeitergebnisse nach Herzklappenoperationen werden ganz wesentlich durch das frühzeitige Erkennen und das adäquate Management dieser Komplikationen beeinflusst [6, 35].

Todesursachen nach Klappenersatz

Abb. 1 Perioperative Komplikationen nach Klappenersatz, eigene Ergebnisse 1997 – 2000

Die perioperative Mortalität nach Herzklappenoperationen im Erwachsenenalter wird in der Literatur je nach Art des Eingriffs und Alter der Patienten mit 3,5 – 10,0% angegeben [4, 6, 10, 14, 15, 22, 24, 30, 35, 41]. Eingriffe an der Aortenklappe haben dabei ein deutlich niedrigeres Mortalitätsrisiko als Eingriffe an der Mitral- bzw. Trikuspidalklappe [4, 6, 21, 41]. Zusätzliche operative Maßnahmen in Form von Kombinationseingriffen erhöhen das perioperative Mortalitätsrisiko deutlich [21, 24, 41]. Dass das perioperative Mortalitätsrisiko, trotz eskalie-

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Abb. 2 30-Tage-Mortalität nach Aortenklappenersatz 1995 – 2000, Society of Thoracic Surgeons (STS), Deutsche Gesellschaft für Herz-Thorax- und Gefäßchirurgie (DGHT) eigene Ergebnisse

render Morbidität und ständig steigendem Alter der Patienten, über den Zeitraum der letzten 10 Jahre nicht zugenommen hat, sondern stagnierte bzw. abgenommen hat [6], zeigen die Daten großer Datenbanken wie die der Nordamerikanischen Society of Thoracic Surgery (STS) [21, 41] und der Deutschen Gesellschaft für Herz- Thorax- und Gefäßchirurgie und bestätigen auch unsere eigenen Erfahrungen (Abb. 2). Abhängig vom zeitlichen Abstand zur Operation führen unterschiedliche Komplikationen häufiger zum Tod eines Patienten nach einer Klappenersatzoperation. Innerhalb der ersten 2 Monate nach der Operation stehen das Herzversagen bzw. der plötzliche Herztod aus ungeklärter Ursache, Arrhythmien und Infektionen im Vordergrund [7, 15, 20]. Im weiteren Verlauf kommt es

jedoch während der ersten 6 Monate postoperativ zu einem exponentiellen Abfall der Todesrate auf ein gleich bleibendes Niveau1 (Abb. 3) [7, 6, 34]. Der obligate Einsatz der Herz-Lungen-Maschine bei Klappenersatzoperationen ist als ein wesentlicher Morbiditätsfaktor aufzufassen. Durch den Kontakt mit einer großen Fremdoberfläche sind immunologische Reaktionen des durch die Herz-Lungen-Maschine zirkulierenden Blutvolumens für Veränderungen verantwortlich, die sämtliche Organsysteme betreffen (Tabelle 3) [29, 31]. Durch den Kontakt mit den Fremdoberflächen der Oxygenatoren sowie Tubingsystemen kommt es zu Komplementaktivierung und Sequestration von Leukozyten mit der Folge der Generation von freien Sauerstoffradikalen und Freisetzung von Proteasen [29, 31].

Tabelle 3 Perfusionszwischenfälle während extrakorporaler Zirkulation [23]

Abb. 3 Normogramm der Hazard-Funktion für Todesursachen nach Klappenersatz, A Herzversagen, B plötzlicher Herztod, C neurologisch, D Karzinom, E Hämorraghie, F Infektion, G Arrhythmie, H andere kardiale Ursachen, I Trauma, J unterschiedlich, K unbekannt

Relative Häufigkeit Typ

Anzahl

Mortalität/Morbidität

Protaminreaktion Hypoperfusion Unzureichende Oxygenation Elektrischer Ausfall Medikamentenfehler Gasembolie Unzureichende Heparinisierung Transfusionsreaktion HLM-Linien-Fehler Blutleckagen Kontamination Mechanische Fehler Verbrauchskoagulopathie Oxygenatorfehler Transfusionszwischenfall

1606 548 506 482 469 458 388 319 281 242 176 166 119 64 54

21 / 133 24 / 63 10 / 32 0/ 2 14 / 34 26 / 43 4 / 27 5 / 33 0/ 5 2/ 0 1/ 8 3/ 1 2 / 27 1/ 0 3/ 5

U. Rosendahl et al. Perioperative Komplikationen nach Herzklappenersatz Tabelle 4 Postoperative Lungenfunktionsstörung Ursache

Postperfusionssyndrom

Risikofaktoren

Dauer der extrakorporalen Zirkulation Dauer der Hypothermie Perfusat der extrakorporalen Zirkulation Oxygenator HLH-Filter Perioperative kardiale Funktion Präoperative Lungenfunktionsstörung

Resultat dieser immunologischen Reaktion ist die Ausbildung eines interstitiellen Lungenödems unterschiedlichen Ausmaßes [38]. Welchen Schweregrad postoperative Lungenfunktionen annehmen, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Tabelle 4 fasst einige dieser Risikofaktoren zusammen. Die pulmonale Funktion wird durch die Zunahme pulmonaler Shunts wesentlich negativ beeinflusst. Diese nehmen im Verlauf des 1. und 2. postoperativen Tages bis zu einer Shuntfraktion von 20% zu und sind erst nach 6 – 8 Wochen wieder postoperativ normalisiert (Abb. 4) [38]. Die Lungenfunktion nimmt – u. a. wegen der Zunahme pulmonaler Shunts – im Hinblick auf arteriell gemessene paO2-Werte postoperativ erwartungsgemäß ab und erreicht erst ungefähr 6 Wochen nach dem Eingriff wieder ihre Ausgangswerte. a

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Kommen weitere, die Lungenfunktion einschränkende Faktoren hinzu, wie beispielsweise ein postoperativer Zwerchfellhochstand, resultieren daraus in vielen Fällen schwere pulmonale Komplikationen. Zwerchfellhochstände werden häufiger im Rahmen von Bypassoperationen am Herzen, bei denen die A. mammaria verwendet wurde, gesehen und sind hier meist Folge einer mechanischen Schädigung bzw. einer Reizung des linksseitigen N. phrenicus in seinem perikardialen Verlauf. Sie werden jedoch auch nach reinen Klappenersatzoperationen beobachtet. In vielen Fällen liegt hier die Ursache in der noch von vielen Herzchirurgen durchgeführten Eiswasserkühlung des Herzens zur Kardioprotektion während des Herzstillstands. Durch diese Methode kann eine thermische Schädigung des N. phrenicus hevorgerufen werden, die in den meisten Fällen reversibel ist, den Patienten in der kritischen postoperativen Phase jedoch erheblich gefährdet, da Atelektasenbildung und Einschränkung von bis zu 25% der pulmonalen Vitalkapazität zur Reintubation, Langzeitbeatmung und Pneumonien führen können. Die Therapie der postoperativen respiratorischen Insuffizienz beginnt mit der frühen Mobilisation des Patienten am ersten postoperativen Tag, unterstützt durch umgehende, forcierte physikalischen Atemtherapie. Weitergehende Maßnahmen wie medikamentöse Therapien und letztendlich künstliche Beatmung mit Lagerungsbehandlung sind in manchen Fällen, meist infektiös bedingter Pneumonien, unumgänglich. In der Behandlung von langzeitbeatmeten Patienten hat sich unserer Erfahrung nach die frühzeitige Durchführung einer Tracheotomie bewährt. Sie ermöglicht, den Patienten schneller und kontrollierter von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen.

Postoperative Rhythmusstörungen

b

Abb. 4a Perioperative Veränderung der pulmonalen Shuntfraktion, b Verlauf der perioperativen pa02-Werte

Die mit Abstand häufigste Komplikation nach Operationen an Herzklappen und auch bei anderen Herzoperationen ist das postoperative Vorhofflimmern. Tritt diese Rhythmusstörung auf, wird sie üblicherweise zwischen dem 2. und 4. postoperativen Tag beobachtet und kann in den meisten Fällen durch gezielte Elektrolyt- und i.-v.Antiarrhythmikatherapie innerhalb von 24 h in einen Sinusrhythmus konvertiert werden. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 25 – 40% aller Patienten angegeben [3, 13, 21], in unserem eigenem Patientengut konnten wir eine Inzidenz von 35% beobachten [15, 30]. In der Literatur werden hierfür unterschiedlichste Ursachen postuliert. Wesentliche Faktoren sind Elektrolytverschiebungen, Hypo- bzw. Hypervolämien, postoperative Widerstandsregulationsstörungen, relative Hypoxien sowie autonome Ektopiezentren [3, 13]. Eine Lebensgefährdung des Patienten durch diese supraventrikulären

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Rhythmusstörungen besteht bis auf die wenigsten Fälle nicht, jedoch ziehen die verringerte kardiale Leistung sowie die verlängerte Hospitalisierung des Patienten andere, möglicherweise schwerwiegendere Komplikationen nach sich. Durch die anatomische Nähe der Herzklappen zu wichtigen Reizleitungswegen des Herzens kann es intraoperativ zu Schädigungen dieser Bahnen mit konsekutiven Rhythmusstörungen kommen. Insbesondere können Operationen an der Aortenklappe durch intraoperative Schädigung der AV-Knotenbahn zu einer AVBlockierung führen. Tritt ein höhergradiger AV-Block direkt postoperativ auf und persistiert über einen Zeitraum von mehreren Tagen, ist in einigen Fällen die Implantation eines permanenten Schrittmachersystems unumgänglich, um den Patienten nicht zu gefährden. Der plötzliche AV-Block kann in diesen Fällen auch noch Wochen nach einem erfolgten Aortenklappenersatz wieder auftreten und ist eine ernst zu nehmende Komplikation, die selbst für späte Todesfälle nach Aortenklappenersätzen mitverantwortlich gemacht werden muss [16, 20, 34]. Passagere Rhythmusstörungen ähnlicher Art treten auch nach anderen Klappenoperationen auf, sind jedoch normalerweise reversibel und benötigen keine Langzeittherapie. Als eine der wenigen Ausnahmen ist die Schädigung des His-Bündels bei der Operation an der Trikuspidalklappe zu nennen, die zu entsprechenden Blockierungen führen kann und in, wenn auch wenigen Fällen, eine Schrittmacherimplantation notwendig macht [32].

Tabelle 6 Akutes Nierenversagen nach kardiochirurgischen Eingriffen Autoren

Patienten (n)

ANV

Perioperative Gesamt Letalität mit [%] ANF [%]

Chertow [10], Boston

42.773

63,7

4,3

Llopart [25], Monte Video

703

55,6

5,4

Mangos [27], Sydney

903

Alarabi [1], Uppsala

111

Grunenfelder [19], Zürich

47

Eigene Ergebnisse 1996

31

Eigene Ergebnisse 1999

1881

460 1,1 % 27 3,8 % 12 1,1% 1 111 100 % 47 100 % 31 100 % 59 3,1%

13,0 62,0 70,2 51,6 28,8

2,0

renversagen ist meist ein perioperatives „low cardiac output syndrom“. Das akute Nierenversagen ist mit einer hohen perioperativen Letalität assoziiert. Die in der Literatur angegeben Letalitäten schwanken zwischen 13 und 70% für Patienten mit perioperativem Nierenversagen (Tabelle 6) [11]. Da ein akutes Nierenversagen postoperativ meist aus einem kardialen Pumpversagen resultiert und oft erstes Anzeichen eines Multiorganversagens ist, kann der hohen Mortalität nur durch frühzeitige Therapie wie der Hämofiltration entgegen gewirkt werden.

Postoperative Nierenfunktionsstörung Nach Operationen an einer oder mehreren Herzklappen ist innerhalb der ersten 24 h häufig eine Einschränkung der Nierenfunktion zu beobachten, die jedoch in den meisten Fällen erfolgreich medikamentös-konservativ therapiert werden kann. Eine für den Patienten lebensbedrohliche Komplikation stellt dagegen das akute postoperative Nierenversagen (ANV) dar, das mit einer in der Literatur beschriebenen Inzidenz von 0,1 – 10% beobachtet wird Tabelle 5 [11]. Ursache für ein akutes NieTabelle 5 Inzidenz des ANV bei kardiochirurgischen Eingriffen

Autoren

Patienten (n)

ANV [%]

Präoperative normale NF

Mangos [27], Sydney Llopart [25], Monte Video Chertow [10], Boston Suen [40], Honkong Eigene Ergebnisse Eigene Ergebnisse

903 703 43.642 447 2738 1881

2,1 3,8 1,1 – 2,3 3,14

1,1 – – – – –

Wundinfektionen Postoperative Wundinfektionen treten in verschiedener Ausprägung auf und lassen sich auch unter Einhaltung der strengsten Hygienevorschriften nicht vollkommen verhindern. Verschiedene Faktoren erhöhen das Risiko einer perioperativen Wundinfektion [5, 8, 39]. Mangelhafte Asepsis, traumatisches chirurgisches Vorgehen und verlängerte Operations- bzw. Herz-Lungen-Maschinen-Zeit sind hier wesentliche Faktoren. Die Verwendung beider Brustwandarterien ist, v.a. bei Diabetikern, die an sich schon ein höheres Infektionsrisiko tragen, mit einer erhöhten Inzidenz von Sternuminfekten assoziiert. Im Zusammenhang mit der Implantation einer künstlichen Herzklappe stellen Wundinfektionen für den Patienten ein hohes Risiko dar, eine Endokarditis zu entwickeln. Die Infektionsrate muss abhängig von der Art des Eingriffs und dem präoperativen Zustand des Patienten gesehen werden. Der von Daschner entwickelte Risikoindex [12] für perioperative Infektionen nutzt die Risi-

U. Rosendahl et al. Perioperative Komplikationen nach Herzklappenersatz

koklassifizierung der American Society of Anaesthesiologists (ASA-Score I-V) sowie eine Klassifizierung der Operationen nach Dauer und möglicher Kontamination. Für den üblichen Herzklappenpatienten ergibt sich bei einem durchschnittlichen ASA-Score von III und einer Operationsdauer von 3 h nach Daschner eine vorhergesagte Infektionsrate von 5,4 %. Die Auswertung des eigenen Patientenguts bezüglich perioperativer Infektionen in den Jahren 1998 und 1999 ergab eine Infektionsrate von 1,2% bzw. 1,3% nach Operationen am Herzen. Die bedrohlichste Form perioperativer Infektionen ist die Mediastinitis. Die Inzidenz wird in der Literatur mit etwa 2,0% angegeben [5, 8, 40]. Die Mortalität ist bei protrahiert verlaufender Infektion mit 3 – 15 % laut Literatur als hoch zu betrachten [5, 8, 39].

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tion, nach sich ziehen [26]. Perioperative Infarkte durch intraoperativ nicht erkannte Verletzung oder Verlegung von Koronararterien sind meist folgenreich. Eine der schwerwiegendsten Komplikationen ist die plötzliche Prothesendysfunktion nach Klappenersatzoperationen. Durch eine partielle oder auch vollständige Obstruktion der Segel der Klappenprothese (Abb. 5) kommt es zu abrupter Dekompensation des Herzens, eine in der perioperativen Phase oft fatale Situation. In den meisten Fällen kann das Leben des Patienten nur durch eine sofortige chirurgische Intervention gerettet werden. Weniger dramatisch, jedoch langfristig relevant sind das Vorhandensein oder die Entstehung paravalvulärer Leckagen (Abb. 6) [17, 18, 37]. Bei der chirurgischen Revision sind häufig ausgerissene Nähte auf der Basis endokarditischer Gewebeveränderungen als Ursache zu lokalisieren.

Chirurgische Komplikationen Im Verlauf und nach Operationen an Herzklappen treten zeitweilig Komplikationen auf, die auf einer fehlerhaften Implantationstechnik basieren. Diese Komplikationen ziehen meist fatale Folgen für den Patienten nach sich, wenn sie intraoperativ nicht erkannt und umgehend behoben werden. Grundsätzliches Problem bei der Implantation von Klappenimplantaten sind die anatomische Lage der 4 Herzklappen im Herzgerüst zueinander, der Abgang und Verlauf der Koronararterien in unmittelbarer Nähe zu den Klappen sowie der Verlauf der Erregungsleitungsbahnen entlang der Annuli der Klappen. Die Implantation unpassender Implantatgrößen oder die Läsion benachbarter Segelanteile können neu auftretende Klappeninsuffizienzen an vorher unauffälligen Klappen, mit der Folge kardialer Dekompensa-

Risikovorhersage perioperativer Komplikationen

Abb. 5 Mitralklappenprothese mit thrombotischen Auflagerungen

Abb. 6 Paravalvuläres Leck nach Mitralklappenersatz mit mechanischer Prothese

Obgleich es mittlerweile eine ganze Reihe herzchirurgischer Scoresysteme unterschiedlicher Wertigkeit gibt, ist eine patientenindividuelle Vorhersage im Hinblick auf das Risiko, perioperative Komplikationen zu erleiden, noch nicht möglich. Scoresysteme, die herzchirurgisch etabliert sind, wie der Euroscore, Parsonet- oder Cleaveland-Clinics-Score, dienen ausschließlich dazu, das individuelle perioperative Sterblichkeitsrisiko vorherzusagen. Durch die Auswertung der Daten größerer Patientenkollektive wird es in Zukunft jedoch möglich werden differenziertere Vorhersagen zu möglichen perioperativen Komplikationen zu machen [21]. Neue analytische Methoden, wie das in der eigenen Klinik im Rahmen der statistischen Auswertung von anonymisierten Daten von über 10.000 Patienten angewendete Datamining ermöglichen zukünftig wahrscheinlich komplikationsbezogene, individuelle Risikovorhersagen.

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