Leitthema Urologe 2014 DOI 10.1007/s00120-014-3480-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

D. Weckermann Urologische Klinik, Klinikum Augsburg, Augsburg

Pelvine Lymphadenektomie Komplikationsmanagement

Die pelvine Lymphadenektomie wird im Rahmen der radikalen Prostatektomie und Zystektomie durchgeführt. Sie liefert im Gegensatz zur präoperativen Bildgebung und Vorhersage von Metastasierungswahrscheinlichkeiten durch Nomogramme exakte Aussagen zum Lymphknotenstatus. Darüber hinaus verbessert sie möglicherweise den Verlauf der Erkrankung. Ein exakter Lymphknotenstatus ermöglicht die genaue Einschätzung der Prognose und Selektion der Patienten zur Planung einer adjuvanten Therapie. Beim Prostatakarzinom erfolgt der Lymphabfluss in die Lymphknoten entlang der Vasa iliaca externa, des N. obturatorius und der Vasa obturatoria und entlang der Vasa iliaca interna. Daraus resultierten in der Vergangenheit unterschiedliche Lymphadenektomiekonzepte. Bei der minimalen Lymphadenektomie werden lediglich die Lymphknoten entlang des N. obturatorius entfernt, bei der modifizierten oder Standardlymphadenektomie erfolgt die Lymphknotendissektion entlang der Vasa iliaca externa und des N. obturatorius. Die extendierte pelvine Lymphadenektomie schließt außerdem das Gebiet entlang der A. iliaca interna mit ein. Die Sentinel-Lymphadenektomie, die die eigene Arbeitsgruppe in Anlehnung an das Verfahren beim Mammakarzinom und malignen Melanom entwickelt hat, wird nur an wenigen Zentren durch-

geführt. Nach intraprostatischer Injektion eines radioaktiven Tracers am Tag vor der Operation wandert dieser entlang der Lymphbahnen zu den ersten Filterstationen, den Sentinel- oder Wächterlymphknoten (SLN), die dann intraoperativ mit der Gammasonde detektiert und reseziert werden [24]. Die Falsch-NegativRate dieses Verfahrens (Metastasen ausschließlich außerhalb der SLN) liegt 1100 radikalen Prostatektomien, die zwischen 2002 und 2004 in 67 Kliniken durchgeführt worden waren, zeigten sich in 26% der Fälle Lymphozelen (n=304), in nur 6% (n=59) war eine Behandlung erforderlich. In der multivariaten Analyse erwies sich nur die Lymphknotendissektion als Risi-

Urologe 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00120-014-3480-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 D. Weckermann

Pelvine Lymphadenektomie. Komplikationsmanagement Zusammenfassung Die ausgedehnte pelvine Lymphadenektomie liefert exakte Angaben zum Lymphknotenstatus und verbessert darüber hinaus möglicherweise den Krankheitsverlauf. Diesen Vorteilen stehen mögliche peri- und postoperative Komplikationen gegenüber. Bei intraoperativer Läsion des N. obturatorius sollte eine mikrochirurgische epineurale Nervennaht erfolgen. Postoperativ sollte der Patient aufgeklärt, neurologisch vorgestellt und krankengymnastisch behandelt werden. Die häufigste postoperative Komplikation ist die (symptomatische) Lymphozele. Sie tritt häufiger nach einem extraperitonealen Eingriff auf. Sorgfältige Präparation der Lymphknoten mit Klippung der Lymphbahnen, Aussparen der lateralen Wand der A. iliaca externa bei der Lymphknotendissektion, ausrei-

chend lange postoperative Drainage und Applikation von niedermolekularem Heparin in den Oberarm können das Risiko für eine postoperative Lymphozele reduzieren. Die Instillation sklerosierender Medikamente und eine längere Drainage führen in der Regel zu einem Sistieren der Lymphsekretion. Ist dies nicht der Fall, kann die laparoskopische Fensterung mit hoher Erfolgsrate die Lymphozele sanieren. Wichtig sind regelmäßige Ultraschallkontrollen im postoperativen Verlauf, um Lymphozelen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Schlüsselwörter Obturatoriusläsion · Lymphozele · Prostatakarzinom · Harnblasenkarzinom · Lymphozelenfensterung

Pelvic lymph node dissection. Complication management Abstract Extended pelvic lymph node dissection allows exact lymph node staging and has the potential to improve prognosis. In addition to these advantages, there are some perioperative and postoperative complications. In case of transection of the obturator nerve, a microsurgical end-to-end anastomosis should be performed. The most frequent postoperative complication is (symptomatic) lymphocele which is predominantly diagnosed after extraperitoneal surgery. Meticulous lymph node dissection with clipping of lymphatic vessels, sparing the lateral wall of the external iliac artery from dissection, sufficient postoperative

kofaktor für die Entstehung einer Lymphozele [11].

»

Die Häufigkeit postoperativer Lymphozelen steigt mit der Anzahl resezierter Lymphknoten Da die Häufigkeit postoperativer Lymphozelen mit der Anzahl resezierter Lymphknoten steigt, wurde nach Möglichkeiten gesucht, dieses Risiko zu minimieren. Sorgfältige Präparation der Lymphknoten mit Klippung der Lymphbahnen (Miniclips), Vermeidung einer Koagulation

drainage, and application of low molecular weight heparin in the upper arm may reduce their incidence. Instillation of sclerosing agents and sufficient drainage are normally successful. If not, laparoscopic fenestration of lymphocele should be performed. Regular ultrasound examinations are necessary to diagnose and treat postoperative lymphocele in a timely manner. Keywords Injury of the obturator nerve · Lymphocele · Prostate cancer · Bladder cancer · Fenestration of lymphocele

in Nähe der großen Gefäße, Aussparen der lateralen Wand der A. iliaca externa bei der Lymphknotendissektion, ausreichend lange postoperative Drainage beider Dissektionsgebiete (rechts und links) und Applikation der Heparinspritzen in den Oberarm können das Auftreten postoperativer Komplikationen nach pelviner Lymphadenektomie reduzieren. Da der transperitoneale Zugang durch Resorption der Lymphflüssigkeit das Risiko einer postoperativen Lymphozele senkt, untersuchten Stolzenberg et al. [22] bei 100 Patienten den Einfluss einer bilateralen peritonealen Fensterung nach endoDer Urologe 2014 

| 3

Leitthema skopisch extraperitonealer radikaler Prostatektomie mit ausgedehnter Lymphadenektomie. Sie konnten zeigen, dass durch die peritoneale Fensterung die Häufigkeit von asymptomatischen und symptomatischen Lymphozelen signifikant gesenkt werden konnte. Wenn postoperativ im Rahmen der routinemäßigen Ultraschallkontrollen eine asymptomatische Lymphozele diagnostiziert wird, ist das weitere Vorgehen uneinheitlich. Wir haben daher eine Arbeitsanweisung erstellt, die das Vorgehen bei Patienten mit Lymphozele nach radikaler Prostatektomie regelt. Eine Indikation zur Intervention sehen wir bei anhaltender Lymphorrhö (ein Urinextravasat wird durch Kreatininbestimmung in der Drainageflüssigkeit ausgeschlossen), sonographischer Ausdehnung der Lymphozele >80 ml, bei klinischer Symptomatik (Schmerzen, Beinschwellung, Venenthrombose) und Infektion. Bei liegender Drainage beginnen wir mit der Instillation sklerosierender Medikamente (z. B. Doxycyclin), gefolgt von der Auflage eines Sandsacks, Reduktion der körperlichen Aktivität bei sehr mobilen Patienten und schrittweisem Rückzug der liegenden Robinson-Drainage. Wenn die Lymphozele sekundär diagnostiziert wurde (. Abb. 1), wird sie sonographiegesteuert drainiert und der Patient anschließend mit der Maßgabe, die tägliche Fördermenge zu dokumentieren, entlassen. Bei sehr hoher Fördermenge (anhaltend >200 ml/Tag) führen wir die laparoskopische Lymphozelenfensterung durch (. Abb. 2). Bei kleinen asymptomatischen Lymphozelen (60–80 ml) empfehlen wir ambulante Sonographiekontrollen mit Dopplersonographie und Antikoagulation mit Applikation des niedermolekularen Heparins in den Oberarm. Khoder et al. [12] berichteten über die Ergebnisse nach laparoskopischer Marsupialisation unterschiedlich gelegener, nicht infizierter Lymphozelen nach radikaler Prostatektomie und beschreiben eine Erfolgsrate in 97% der Fälle. Die Technik der Lymphozelenfensterung wurde sehr anschaulich von Treiyer et al. [23] beschrieben. Eine bislang nicht ausreichend untersuchte Komplikation nach ausgedehnter pelviner Lymphadenektomie ist die erek-

4 | 

Der Urologe 2014

tile Dysfunktion. Sagalovich et al. [19] berichteten über eine Zunahme der erektilen Dysfunktion nach nerverhaltender roboterassistierter Prostatektomie, wenn >20 Lymphknoten reseziert wurden.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. D. Weckermann Urologische Klinik, Klinikum Augsburg, Stenglinstraße 2, 86156 Augsburg dorothea.weckermann@ klinikum-augsburg.de

Fazit für die Praxis F Die ausgedehnte pelvine Lymphadenektomie liefert einen exakten Lymphknotenstatus und verbessert möglicherweise den Erkrankungsverlauf. F Je nach Expertise des Operateurs erfordert der Eingriff einen höheren Zeitaufwand und kann zu peri- und postoperativen Komplikationen führen. F Bei intraoperativer Durchtrennung des N. obturatorius sollte eine mikrochirurgische Nervennaht erfolgen. Der Patient sollte postoperativ aufgeklärt, neurologisch vorgestellt und krankengymnastisch therapiert werden. F Die häufigste postoperative Komplikation ist die (symptomatische) Lymphozele. Sie tritt vermehrt nach extraperitonealen Eingriffen auf. F Sorgfältige Präparation der Lymphknoten mit Klippung der Lymphbahnen, Aussparen der lateralen Wand der A. iliaca externa bei der Dissektion, ausreichend lange postoperative Drainage und Applikation von niedermolekularem Heparin in den Oberarm können das Risiko einer Lymphozele reduzieren. F Wenn die Instillation sklerosierender Medikamente und eine längere Drainage nicht zum Erfolg führen, kann die laparoskopische Fensterung die Lymphozele sanieren. F Wichtig sind routinemäßige postoperative Ultraschallkontrollen, um Lymphozelen rechtzeitig zu diagnostizieren.

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  D. Weckermann gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur   1. Bader P, Burkhard FC, Markwalder R, Studer UE (2002) Is a limited lymph node dissection an adequate staging procedure for prostate cancer? J Urol 168:514–518   2. Bader P, Burkhard FC, Markwalder R, Studer UE (2003) Disease progression and survival of patients with positive lymph nodes after radical prostatectomy. Is there a chance of cure? J Urol 169:849– 854   3. Briganti A, Karnes JR, Da Pozzo LF et al (2009) Two positive nodes represent a significant cut-off value for cancer specific survival in patients with node positive prostate cancer. A new proposal based on a two-institution experience on 703 consecutive N+ patients treated with radical prostatectomy, extended pelvic lymph node dissection and adjuvant therapy. Eur Urol 55:261–270   4. Daneshmand S, Quek ML, Stein JP et al (2004) Prognosis of patients with lymph node positive prostate cancer following radical prostatectomy: longterm results. J Urol 172:2252–2255   5. Froehner M, Novotny V, Koch R et al (2013) Perioperative complications after radical prostatectomy: open versus robot-assisted laparoscopic approach. Urol Int 90:312–315   6. Ghaemmaghami F, Behnamfar F, Saberi H (2009) Immediate grafting of transected obturator nerve during radical hysterectomy. Int J Surg 7:168–169   7. Heidenreich A, Varga, Z, Knobloch R von (2002) Extended pelvic lymphadenectomy in patients undergoing radical prostatectomy: high incidence of lymph node metastasis. J Urol 167:1681–1686   8. Herr HW, Bochner BH, Dalbagni G et al (2002) Impact of the number of lymph nodes retrieved on outcome in patients with muscle invasive bladder cancer. J Urol 167:1295–1298   9. Holl G, Dorn R, Wengenmair H et al (2009) Validation of sentinel lymph node dissection in prostate cancer: experience in more than 2000 patients. Eur J Nucl Med Mol Imaging 36:1377–1382 10. Ji J, Yuan H, Wang L, Hou J (2012) Is the impact of the extent of lymphadenectomy in radical prostatectomy related to the disease risk? A single center prospective study. J Surg Res 178:779–784 11. Khoder WY, Trottmann M, Buchner A et al (2011) Risk factors for pelvic lymphoceles post-radical prostatectomy. Int J Urol 18:638–643

12. Khoder WY, Gratzke C, Haseke N et al (2012) Laparoscopic marsupialisation of pelvic lymphoceles in different anatomic locations following radical prostatectomy. Eur Urol 62:640–648 13. Leissner J, Hohenfellner R, Thüroff JW, Wolf HK (2000) Lymphadenectomy in patients with transitional cell carcinoma of the urinary bladder; significance for staging and prognosis. BJU Int 85:817– 823 14. Liss MA, Palazzi K, Stroup SP et al (2013) Outcomes and complications of pelvic lymph node dissection during robotic-assisted radical prostatectomy. World J Urol 31:481–488 15. Mundhenk J, Hennenlotter J, Alloussi S et al (2013) Influence of body mass index, surgical approach and lymphadenectomy on the development of symptomatic lymhoceles after radical prostatectomy. Urol Int 90:270–276 16. Nezhat FR, Chang-Jackson SC, Acholonu UC Jr, Vetere PF (2012) Robotic-assisted laparoscopic transection and repair of an obturator nerve during pelvic lymphadenectomy for endometrial cancer. Obstet Gynecol 119:462–464 17. Ploussard G, Briganti A, Taille A de la et al (2014) Pelvic lymph node dissection during robot-assisted radical prostatectomy: efficacy, limitations, and complications – a systematic review of the literature. Eur Urol 65:7–16 18. Rousseau B, Doucet L, Perrouin Verbe MA et al (2014) Comparison of the morbidity between limided and extended pelvic lymphadenectomy during laparoscopic radical prostatectomy. Prog Urol 24:114–120 19. Sagalovich D, Calaway A, Srivastava A et al (2013) Assessment of required nodal yield in a high risk cohort undergoing extended pelvic lymphadenectomy in robotic-assisted radical prostatectomy and its impact on functional outcomes. BJU Int 111:85– 94 20. Schumacher MC, Burkhard FC, Thalmann GN et al (2008) Good outcome for patients with few lymph node metastases after radical retropubic prostatectomy. Eur Urol 54:344–352 21. Spaliviero M, Steinberg AP, Kaouk JH et al (2004) Laparoscopic injury and repair of obturator nerve during radical prostatectomy. Urology 64:1030 22. Stolzenburg JU, Wasserscheid J, Rabenalt R et al (2008) Reduction in incidence of lymphocele following extraperitoneal radical prostatectomy and pelvic lymph node dissection by bilateral peritoneal fenestration. World J Urol 26:581–586 23. Treiyer A, Stark E, Ting O et al (2009) Laparoscopic lymphocelectomy. BJU Int 103:1588–1597 24. Wawroschek F, Vogt H, Weckermann D et al (1999) The sentinel lymph node concept in prostate cancer – first results of gamma probe-guided sentinel lymph node identification. Eur Urol 36:595–600 25. Weckermann D, Dorn R, Trefz M et al (2007) Sentinel lymph node dissection for prostate cancer: experience with more than 1000 patients. J Urol 177:916–920 26. Woods ME, Ouwenga M, Quek ML (2007) The role of pelvic lymphadenectomy in the management of prostate and bladder cancer. Scientific World J 7:789–799 27. Yasumizu Y, Miyajima A, Maeda T et al (2013) How can lymphocele development be prevented after laparoscopic radical prostatectomy? J Endourol 27:447–451 28. Zwergel U, Lehmann J, Wullich B et al (2004) Lymph node positive prostate cancer: long-term survival data after radical prostatectomy. J Urol 171:1128–1131

Der Urologe 2014 

| 5

[Pelvic lymph node dissection. Complication management].

Extended pelvic lymph node dissection allows exact lymph node staging and has the potential to improve prognosis. In addition to these advantages, the...
322KB Sizes 0 Downloads 3 Views