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S32 Referat

Pathophysiologie der chronischen Rhinosinusitis, konservative Therapieoptionen Pathophysiology of Chronic Rhinosinusitis, Pharmaceutical Therapy Options

Autoren

C. Bachert1, 2, G. Holtappels1

Institute

1

Schlüsselwörter ▶ Chronische Rhinosinusitis ● ▶ Pathophysiologie ● ▶ Klusteranalyse ● ▶ Phänotypen ● ▶ Endotypen ● ▶ Staphylococcus aureus ● ▶ Biologika ●

Inhaltsverzeichnis

 HNO-Abteilung und Upper Airways Research Laboratory, Universität Ghent  Division of ENT Diseases, CLINTEC, Karolinska Institute, University of Stockholm, Sweden

Zusammenfassung 1.

Einleitung: Von der Pathophysiologie zu ­Endotypen der chronischen Rhinosinusitis und deren Behandlung

2.

Key words ▶ Chronic rhinosinusitis ● ▶ pathophysiology ● ▶ cluster analysis ● ▶ phenotypes ● ▶ endotypes ● ▶ Staphylococcus aureus ● ▶ biologics ●

32

34

Angeborene Immunabwehr: Mechanismen und Defizite

35

2.2.1

Antimikrobielle Peptide

35

2.2.2

Die Epithelschranke

36

2.2.3

Rezeptoren der angeborenen Immunabwehr: Toll-Like-, NOD-Like- und RIG-Like-Rezeptoren

2.2.4

36

Indikatoren des Zelltods: Damage-associated ­molecular patterns (DAMPs)

2.2.5

Chronische Sinusitis ohne Nasenpolypen (CRSsNP) 50

4.2

Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP)51

4.2.1

Spezifische Überlegungen zur allergischen ­Pilzsinusitis (AFS)

4.2.2

52

Spezifische Überlegungen zur Aspirinsensitivität (NERD)52

34

Genetische und epigenetische Befunde bei ­chronischer Rhinosinusitis

2.2

Pharmakotherapie der chronischen Rhinosinusitis 50

4.1

Ausgewählte pathomechanistische Prinzipien der oberen Atemwege

2.1

33

4.

37

Lymphoide Zellen der angeborenen

5.

Biologika für die Behandlung von Asthma und ­chronischer Rhinosinusitis

52

5.1

Anti-IgE (Omalizumab)

53

5.2

Anti-IL5 (Reslizumab, Mepolizumab)

55

5.3

Anti-IL4/-13 (Dupilumab)

56

5.4 Biomarker

56

5.5

Zukünftige Ansätze

57

5.5.1

Gene silencing, GATA3 DNAzyme

57

5.5.2

Genetisch modifizierter

5.5.3

Lactococcus lactis (GM-LL)

57

Schlussbemerkungen zu Biologika

57

Immunabwehr (ILCs)

38

Abstract

58

2.2.6

Dendritische Zellen und Makrophagen

39

2.3

Adaptive Immunabwehr: T-Zellen als zentrale

Literatur

58

­Komponenten

39

2.3.1 T-Helfer-Zell-Muster

39

2.3.2

B-Zellen und lokale Immunglobulinproduktion

40

2.3.3

Mastzellen und eosinophile Granulozyten

41

2.3.4

Faktoren, die zur Auflösung von Entzündungen beitragen (Resolvine)

43

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1396870 Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: S32–S63 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0935-8943

2.4

Amplifikator der Entzündung

45

Korrespondenzadresse Prof. Dr. Dr. Claus Bachert HNO-Abteilung und Upper Airways Research Laboratory Universität Ghent De Pintelaan 185 9000 Ghent Belgien [email protected]

2.6

Von der Sinusitis zum Asthma

46

2.7

Biomechanismen des Rezidivs nach Operationen 47

3.

Clusteranalyse der CRS: Definitionen für

Umbau (Remodelling) der Nebenhöhlenschleimhaut 43

2.5

Wechselwirkung zwischen Bakterien (dem Mikrobiom) und der Immunabwehr

44

2.5.1

Wechselwirkungen zwischen Viren und Bakterien 45

2.5.2

Die Rolle von Staphylococcus aureus als

CRS-Endotypen48 3.1

Spezielle Phänotypen

49

3.1.1

Allergische Pilzsinusitis (AFS)

49

3.1.2

Aspirinsensitivität (NERD)

49

Zusammenfassung



Die immunologische Forschung hat in den letzten 2 Jahrzehnten enorme Fortschritte ­ ­gemacht, die auch für die oberen Atemwege von großer ­Bedeutung sind. Unser Verständnis zur Pathophysiologie der chronischen Rhinosinu­ sitis hat sich damit von eher mechanistischen Betrachtungen bzgl. Engstellen und mukoziliä­ rem Transport zu einer neuen sehr komplexen immunologischen Sichtweise entwickelt. Wir differenzieren heute mehrerer Entzündungs­ formen, wir beginnen komplexe Netzwerke aus ­immunologischen Faktoren und die Gründe einer Fehlregulation zu verstehen, und haben ­ daraus bereits erste innovative Therapieansätze entwickelt, die v. a. den am schwersten betroffe­ nen Patienten zugutekommen können. Durch die neuen Erkenntnisse zu Entzündungsformen und Gewe­beumbau und vor allem die Identifikation

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3 der Schlüsselfaktoren ergeben sich Konsequenzen für die Diag­ nostik und die Therapie der chronischen Rhinosinusitis; die Ein­ teilung in Endotypen entsprechend den die Erkrankung treiben­ den Entzündungsmediatoren ist unabdingbar für einen sinn­ vollen Einsatz der innovativen Arzneimittel, meist in Form von humanisierten monoklonalen Antikörpern. Mehrere hundert solcher Antikörper sind derzeit in verschiedenen Indikationen bereits im Einsatz oder in Entwicklung und werden unser Fach ebenso wie z. B. die Pneumologie entscheidend beeinflussen.

1. Einleitung: Von der Pathophysiologie zu ­Endotypen der chronischen Rhinosinusitis und deren Behandlung



Chronische Rhinosinusitis (CRS) ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen, die sich durch 2 Phänomene charakterisieren lassen: Entzündung und Gewe­ beumbau (Remodelling). CRS ist nach dem Europäischen Posi­ tionspapier zur  Rhinosinusitis und Nasenpolypen [1] definiert durch die Anwesenheit von mindestens 2 der folgenden Sympto­ me: nasale Obstruktion, nasale Sekretion und/oder post-nasaler Drip (PND), Kopfschmerzen und/oder Gesichtsschmerzen, und eine Reduktion des Geruchssinns über mehr als 12 Wochen im letzten Jahr, wobei zumindest eines der ersten beiden genann­ ten Symptome vorhanden sein sollte. Die Last der Symptome, die damit verbundene Verminderung der Lebensqualität und der Einfluss auf die Arbeitsproduktivität der Erkrankung werden häufig unterschätzt. Nach dem endoskopischen Befund unter­ scheiden wir als klinische Phenotypen CRS ohne und CRS mit Nasenpolypen (CRSsNP, CRSwNP) [1]. Neuere Befunde zum Re­ modelling unterstützen diese Differenzierung und zeigen, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Phenotypen bestehen. Histologisch ist die CRSsNP durch eine Fibrose der Schleimhaut und der Basalmembran charakterisiert, während sich die Nasen­ polypen (CRSwNP) durch ein starkes Ödem mit Deposition von Albumin und der Bildung von Pseudozysten auszeichnen. Die Differenzierung der Entzündungsformen basierend auf den T-Helferzellen erlaubt eine noch weitergehende Unterteilung nach dem pathomechanistischen Prinzip in sog. Endo­ typen ­innerhalb der klinischen Phenotypen, die schließlich g ­ enutzt werden können, um innovative therapeutische Ziele zu definie­ ren und in die Klinik umzusetzen. Die CRS ist eine der häufigsten chronischen Erkrankung des Menschen. Kürzlich hat das Global Allergy and Asthma Network of Excellence GALEN, [2] eine erste multizentrische Prävalenz­ studie zur chronischen Rhinosinusitis durchgeführt, die auf 56 000 beantworteten Fragebögen zur Erkrankung in 19 Zentren und 12 europäischen Ländern zurückgreifen kann; eine Stich­ probe der Befragten wurde auch einer klinischen Untersuchung durch einen Spezialisten zugeführt, um die Diagnose zu bestäti­ gen [3]. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Prävalenz von CRS in Europa bei 10,9 % liegt, zwischen 6,9 und 27,1 % in ver­ schiedenen Städten Europas [4]. Höhere Prävalenzen wurden bei Jüngeren, Frauen und südlichen Ländern festgestellt; das Rauchen erhöhte das Risiko für eine CRS signifikant und dosis­ abhängig. In den USA liegt die Prävalenz noch etwas höher [5]. CRS betrifft aber auch einen zunehmenden Anteil älterer Men­ schen bis zum 60. Lebensjahr, fällt dann aber in der Häufigkeit ab. Von allen CRS Patienten in den USA leiden etwa 20–33 % un­ ter CRSwNP, 60–65 % unter CRSsNP und 8–12 % unter der allergi­ schen Pilzsinusitis (AFS).

Als wesentliche neue Erkenntnis zeigte die GALEN-Studie zur chronischen Rhinosinusitis weiterhin, dass die CRS mit einem erhöhten Risiko für eine spezielle Form des Asthmas, sog. ­„Late-onset“ bzw. nach dem 18. Lebensjahr auftretendes Asthma assoziiert ist [6]. Diese Assoziation war unabhängig von einer bestehenden Allergie, ganz im Gegensatz zum frühkindlichen Asthma, das eindeutig mit der allergischen Rhinitis assoziiert ist. Die Pathophysiologie dieser Beobachtung ist bislang unklar, Mechanismen könnten den nasobronchialen Reflex, Aspiration von Nasensekret, Inhalation kalter Luft bei verstopfter Nase oder das Fortschreiten der Entzündung entlang der Atemwegs­ schleimhaut umfassen. Das in den USA etablierte Forschungs­ programm „Severe Asthma Research Program (SARP)“hat kürz­ lich 5 verschiedenen Asthma-Phenotypen in einer Cluster-­ Analyse identifiziert; in einem der Cluster mit nicht-atopischem late-onset Asthma hatten über die Hälfte der Patienten von ­Operationen an den Nebenhöhlen berichtet [7]. Bei einer weite­ ren Untersuchung bei 2 500 Asthmatikern hatten etwa 51 % ­Rhinosinusitis; CRS war assoziiert mit einer Verschlechterung der Hustensymptome und mit einer höheren Zahl von Exazerba­ tionen [8]. Diese Zahlen belegen die Verbindung von CRS und Asthma deutlich; allerdings bleibt unklar, für welche Form der CRS dies zutrifft und welche Pathomechanismen dafür verant­ wortlich sind. Ebenso wissen wir, dass ein Teil der Patienten mit CRS auch nach einer gut ausgeführten Operation ein Krankheitsrezidiv haben wird und einer weiteren Operation – oder innovativen Therapie­ ansätzen, siehe später – zugeführt werden muss [1]. Eigene Be­ obachtungen zeigen, dass beinahe 80 % der CRSwNP Patienten über 12 Jahre nach einer vollständigen Operation aller Neben­ höhlen und Entfernung aller Polypen mindestens ein Rezidiv entwickeln, und etwa 50 % dieser Patienten mindestens ein wei­ teres Mal operiert werden müssen (unveröffentlicht). Es wäre wünschenswert, die Pathomechanismen dieser Rezidivneigung zu verstehen und Patienten mit hoher Rezidivneigung in der Gruppe der CRSwNP bereits bei der ersten Operation zu erken­ nen [9], um die Behandlungsstrategie anzupassen. Diese Aufgaben können wir nur bewaffnet mit einem Endoskop und einem CT Scan nicht erfüllen; hier bedarf es einer grund­ legenden Kenntnis der Pathomechanismen der Entzündung und des Remodelling, und einer darauf basierten Differenzierung von CRS in relevante Endotypen, für deren Erkennen wir in der Zukunft Biomarker einsetzen werden. Das Verständnis der Pa­ thomechanismen wird uns aber auch neue Therapieziele anlie­ fern, die uns bei dem Management vor allem der schwereren Formen von Atemwegserkrankungen neue Möglichkeiten eröff­ nen werden. Diese Endotypen werden es uns ermöglichen, Aus­ sagen zur Prognose der Erkrankung und ihrer Komorbidität zu treffen, und spezifische innovative „Biologika“, in der Regel ­gegen Zytokine oder ihre Rezeptoren gerichtete humanisierte monoklonale Antikörpergenau bei den Patienten einzusetzen, bei denen sie das beste therapeutische Potenzial haben. In diesem Referat werden zunächst die wesentlichen Elemente und Regulatoren der Entzündung und des Remodelling bespro­ chen, um dann den verschiedenen Endotypen zugeordnet zu wer­ den, auf denen wiederum die innovativen Therapieansätze beru­ hen. Hierbei werden ganz gezielt spezielle Pathomechanismen und Zusammenhänge herausgestellt, die in der Entwicklung der Endotypen eine Rolle spielen und uns beim Verständnis der Er­ krankungen und ihrer sekundären Folgen helfen; auch die innova­ tiven Therapieansätze sollen so verständlich und nachvollziehbar werden. Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben.

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Referat S33

2. Ausgewählte pathomechanistische Prinzipien der oberen Atemwege



Die Schleimhaut der oberen Atemwege stellt eine Grenzfläche des Körpers dar zwischen der Außenwelt mit Schadfstoffen, ­Viren und Bakterien und dem körpereigenen Abwehrsystem, das sich in eine unspezifische „angeborene (innate)“ und eine spezi­ fische „adaptive“ Abwehr differenzieren lässt; Überschneidun­ gen dieser Systeme sind allerdings vorteilhaft. Von der Genetik über die angeborene und adaptive Abwehr bis hin zu den einer Entzündung bei Gesunden entgegenwirkenden Mechanismen sind Defizite bei CRS-Patienten gefunden worden, die in ihrer Gesamtheit eine Erkrankung der Schleimhaut verursachen oder zumindest zulassen. In der Außenwelt stehen diesen Defekten Eindringlinge gegenüber, Viren und Bakterien, die sich ergänzen und potenzieren und sich im Falle von Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa auch intramukosal etablieren kön­ nen. Dieser Mechanismus führt zu einer starken Entzündungs­ reaktion, die im Falle von S. aureus weiter durch das Immunpro­ teom des Keimes verstärkt wird.

2.1 Genetische und epigenetische Befunde bei chronischer Rhinosinusitis

Ein Einzelnukleotidpolymorphismus (Single Nucleotide Poly­ morphism, SNP) ist eine DNA-Sequenzvariation, bei der sich das Genom von Individuen einer biologischen Spezies an der Stelle eines einzelnen Nukleotids — A, T, C oder G — unterscheidet. Auf solchen genetischen Variationen beruhen z. B. unsere Anfällig­ keit für Krankheiten und die Reaktion unseres Körpers auf Reize aus der Umwelt. In Studien zur CRS sind bislang 53 Einzel­ nukleotidpolymorphismen (SNP) identifiziert worden, die mit den Phänotypen CRSwNP oder CRSsNP assoziiert sind. Bislang wurde allerdings nur eine gepoolte genomweite Assoziations­ studie (pGWAS) durchgeführt [10]. Die meisten der Assozia­ ▶  Tab. 1) untersuchten nur bestimmte Gene, deren tionsstudien ( ● Produkte an der angeborenen Immunabwehr oder an Entzün­ dungsreaktionen beteiligt sind, da Befunden an diesen Genen bei entzündlichen Erkrankungen wahrscheinlich sind. Vielen dieser Studien einschließlich der kanadischen pGWAS (173 Pa­ tienten und 130 Kontrollen mit CRS) lagen leider Populationen mit relativ begrenzter Größe zugrunde, sodass unsere Kenntnis­ se zur Genetik der CRS eher begrenzt sind [10, 11]. Kürzlich haben wir die Reproduzierbarkeit aller bislang ­beschriebenen SNP-Assoziationen mit CRSsNP und CRSwNP in einer Gruppe Kaukasier europäischer Abstammmunguntersucht Tab. 1  Auflistung von SNPs, die in vorherigen Publikationen der CRS zugeordnet wurden und in unseren Studien repliziert werden konnten. Je mehr diese Assoziationen auch in anderen Kohorten bestätigt werden, desto wahrscheinlicher ist deren Bedeutung [12]. Gen

SNP ID

OR (95 % CI)

PARS2 TGFB1 NOS1 NOS1AP IL22RA1 DCBLD2 ALOX5AP

rs2873551 rs1800469 rs1483757 rs4657164 rs11579657 rs828618 rs17238773

0,77 (0,70–0,84) 0,81 (0,74–0,89) 0,84 (0,77–0,91) 0,79 (0,70–0,89) 1,21 (1,13–1,30) 1,18 (1,10–1,25) 0,75 (0,62–0,89)

ALOX6AP, Arachidonate 5-lipoxygenase-activating protein; DCBLD2, discoidin, CUB and LCCL domain containing 2; IL22RA1, interleukin 22 receptor, alpha 1; NOS1, nitric oxide synthase 1; NOS1AP, nitric oxide synthase 1 adaptor protein; TGFB1, transforming growth factor B1

[12]. CRS war nach aktuellen Leitlinien auf der Grundlage einer Nasenendoskopie und einer Computertomografie diagnostiziert worden. Die Studienpopulation bestand aus 275 Patienten mit CRSwNP und 338 Patienten mit CRSsNP sowie aus einer Reihe von Kontrollen aus einer öffentlich zugänglichen Datenbank. Diese Studie lieferte insgesamt nur 7 SNPs, die reproduziert wer­ den konnten und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit für unsere Patienten auch relevant sind; die Existenz weiterer relevanter Assoziationen können wir allerdings nicht ausschließen. Bei dem SNP rs2873551 im Gen der Prolyl-tRNA-Synthetase 2 (PARS2) bestand ein starker und signifikanter Zusammenhang mit CRS; dieser SNP war bereits in der kanadischen pGWAS identifiziert worden. PARS2 aktiviert Aminosäuren für die Pro­ teinsynthese durch die Bildung von Aminoacyladenylaten. Eine Hemmung der Funktion von PARS2 bewirkt eine Suppression des Zellwachstums und könnte Auswirkungen auf die Zellproli­ feration in Verbindung mit Entzündungsvorgängen und der an­ geborenen Immunabwehr haben. Der SNP rs1800469 im Gen von TGF-ß1 ist mit chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit und Rhinosinusitis bei Asthma-Patienten in Verbindung gebracht worden [13]; diesem Zytokin werden wir in der späteren Dar­ stellung der Remodelling bei CRS wieder begegnen. Auch der SNP rs1483757 im Stickoxid(NO)-Synthase-1-Gen und der SNP rs4657164 im Stickoxid-Synthase-1-Adapterprotein-Gen sind mit CRS assoziiert und befinden sich außerdem in Genen, die bei Asthma und allergischer Rhinitis eine Rolle spielen [14]. Dem Stickoxid kommt eine wesentliche Rolle in der Pathophysiologie des Asthma [15] und bei der Abwehr bestimmter Bakterien ein­ schließlich Pseudomonas aeruginosazu [16]. Der Vergleich zwischen CRSwNP- und CRSsNP-Patienten ergab weitere Assoziationen. Der SNP rs4504543 im Gen der Acy­ loxyacylhydrolase (AOAH) könnte eine Störung im Abbau von Lipopolysacchariden nach sich ziehen [17]. Dieser SNP war in der genannten pGWAS bereits mit dem CRS-Phänotyp in Ver­ bindung gebracht worden [10], was sich später in einem chinesi­ schen Kollektiv mit CRS bestätigte [17]. Außerdem wurde ein Zusammenhang mit Asthma identifiziert [18]. Wir erkennen also, dass die in unserer Studie gefundenen gene­ tischen Varianten bereits zuvor mit CRS und teilweise auch mit Asthma oder allergischer Rhinitis in Zusammenhang gebracht wurden und somit bei Atemwegserkrankungen eine Rolle spie­ len könnten. Die gefundenen Assoziationen sind allerdings un­ abhängig davon, ob bei den Patienten Asthma und allergische Rhinitis vorliegen. Die SNPs im Gen von PARS2, im Gen von TGF-ß1 und im NOS1-Gen sind gute Kandidaten für weiterge­ hende Analysen, da es sich bei ihnen auch aus funktionsbiologi­ scher Sicht um plausible Kandidaten handelt. Gewebespezifische chronische Entzündungsvorgänge sind aber auch im Rahmen von epigenetischen Prozessen, die maßgebli­ chen Einfluss auf die Entwicklung und die Ausprägung des Mus­ ters der Entzündung haben, Veränderungen unterworfen. Epige­ netische Mechanismen werden unterteilt in DNA-Methylierun­ gen, Histon-Acetylierungen und die Bildung nicht-kodierender RNA, sogenannter miRNA, die die Expression weiterer Gene be­ einflusst. Damit eine weitere Ebene der Regulation zwischen den Genen und den Proteinen, die maßgeblich durch Entzün­ dunsprozesse, aber auch die Umwelt modifiziert werden kann. Epigenetische Prozesse führen unter anderem zu funktionellen Modifikationen im Genom ohne Veränderung bzw. Modifikation der zugrunde liegenden DNA-Nukleotidsequenz. Beispiele sol­ cher Modifikationen sind DNA-Methylierung und Histonmodifi­ kationen, die beide zu einer Reduktion der Expression eines

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3 Gens führen; dies kann jedoch zu einer Verstärkung oder einer Abschwächung der Entzündung führen, je nachdem welche Gene vermindert exprimiert werden. Eine erste Untersuchung über Methylierungsveränderungen bei CRSwNP stellte an 332 Loci in 296 Genen DNA-Hypermethylierungen fest. Die betref­ fenden Genprodukte waren an der Lymphozyten- und Zellproli­ feration, an der Aktivierung von Leukozyten, an der Biosynthese und Sezernierung von Zytokinen, an Immunreaktionen, an Ent­ zündungsvorgängen und an der Immunglobulinbildung beteiligt [19]. An 158 Loci in 141 Genen mit Beteiligung an der Ekto­ derm-Entwicklung, an der Hämostase, an der Wundheilung, an der Bindung von Kalziumionen und an der Oxidoreduktase-Ak­ tivität wurde dagegen eine Hypomethylierung festgestellt. Von besonderer Relevanz ist, dass innerhalb des Arachidonsäu­ re-Stoffwechselwegs Loci in den Genen für die Prostaglan­ din-D-Synthase (PGDS), für das 5-Lipoxigenase-aktivierende Protein (ALOX5AP) und für den Leukotrien-B4-Rezeptor (LTB4R) hypomethyliert waren, wohingegen im Gen für die Prostaglan­ din-E-Synthase (PGES) eine Hypermethylierung festzustellen war [19]. DNA-Methylierungsprozesse können dabei durch die Freisetzung toxischer Botenstoffe infolge der Aktivierung von Eosinophilen initiiert werden [20], die über die Bildung von Hy­ pohalogensäuren zur Stummschaltung von Genen (Gen-Silen­ cing) führen können; sie sind Folge der eosinophilen Erkran­ kung. Histon-Hyperacetylierungen können zur Hemmung des TGF-β1-induzierten Smad 2/3, zur Wiederherstellung der durch TGF-β1 supprimierten Smad7-Signalisierung und zur Blockade der Proliferation in TGF-β1-induzierten Nasenpolypen-Fibro­ blasten führen [21, 22]. Die Gentranskription wird auch durch nicht-kodierende RNA re­ guliert, z. B. durch MikroRNAs und durch lange, nicht-kodieren­ de miRNAs. Eine verstärkte Expression von miR-125b im Epithel bei eosinophilen CRSwNP Patienten im Vergleich zu Kontrollen und nicht-eosinophilen CRS-Patienten z. B. zielt auf 4E-BP1, ­einen Translationsrepressor, ab, wodurch Typ-I-Interferon-Gene unterdrückt werden [23]. Diese Gene benötigen wir zur Abwehr von viralen Infektionen, die also bei diesen Patienten gestört sein kann (tatsächlich finden wir eine Suppression der IFN-Pro­ duktion auf Herpes-simplex-Viren (HSV) und Rhinoviren bei Pa­ tienten mit eosinophilen Nasenpolypen im Gegensatz zu Kont­ rollen, 2.5.1). In einer eigenen Untersuchung haben wir die Regulation der Entzündung in 2 gut definierten Endotypen, Interleukin(IL)-5 positiven und IL-5-negativen CRSwNP, durch miRNAs in einem Genom-weiten Ansatz mittels der miRCURY LNA Microarray-­ Plattform im Schleimhautgewebe untersucht. 86 miRNAs waren differentiell exprimiert und konnten in 5 verschiedene Profile unterteilt werden; die Untersuchung weist auf Regulationsme­ chanismen bei der Schleimproduktion, der Kollagensynthese, der Cytochrome P450 und der Glykosphingolipidbiosynthese hin, die über miRNAs gesteuert werden (Zhou Peng, in press). Damit ergeben sich neue Möglichkeiten der Untersuchung von weiteren Pathomechanismen, und evtl. auch therapeutische An­ sätze in der Zukunft, da miRNAs auch blockiert werden können.

2.2 Angeborene Immunabwehr: Mechanismen und Defizite

Die oberen Atemwege sind mit einer Schleimhautschicht aus ­zilientragenden, pseudostratifizierten Zylinderepithelzellen (EC) und schleimproduzierenden Becherzellen ausgekleidet. Die Drainage des Schleimes wird durch aktive Mukoziliartätigkeit ­erreicht, nicht durch die Schwerkraft. Die Schleimhaut ist von

einer Schleimschicht bedeckt, in der Mikroorganismen, Staub und Reizpartikel hängen bleiben. Das Nasensekret besteht aus Epithelzellen, Becherzellen, Epithelzellproteinen, Tränensekret und vaskulärem Transudat. Die primären Proteinbestandteile dieses Sekrets sind die Muzin-Glykoproteine mit ihrem Peptid­ gerüst und den Oligosaccharid-Seitenketten. Diese ­Glykoproteine haben wesentlichen Einfluss auf die Beschaffenheit des Schleims und beeinflussen außerdem die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikroorganismen [24]. Muzine binden Oberflächen­ adhäsine auf Mikroorganismen und begrenzen dadurch deren Fähigkeit, das Epithel zu besiedeln. Durch die Mukoziliartätig­ keit wird der Schleim aus den Nebenhöhlen in die Nasenhöhle und den Rachen befördert und dort geschluckt. Welche Relevanz dieser Vorgang für die Atemwegsgesundheit hat, zeigt sich an der hohen Prävalenz von Nasennebenhöhlenentzündungen bei Patienten mit Gendefekten, die den Mukoziliarfluss beeinflus­ sen, z. B. bei Mukoviszidose (Chloridtransport) oder beim Karta­ gener-Syndrom (Ziliendyskinesie). Die Nase bietet eine große Schleimhautfläche mit einer Schleimschicht, um Partikel aus der Luft abzufangen und die darüber strömende Luft zu erwärmen, abzukühlen und zu befeuchten. In der nasalen Submukosa ­befinden sich Gefäßgeflechte, die nach Exposition gegenüber bestimmten Auslösern wie Reizstoffen, Temperaturverände­ rungen usw. Anschwellen; ebenso wird die Schleimbildung ­verstärkt. Muzin 5AC und Muzin 5B stellen die wichtigsten sekretierten Muzine dar und bestimmen die Konsistenz des Schleims we­ sentlich. Beide sind insbesondere bei eosinophiler CRSwNP stark heraufreguliert. Kürzlich konnten wir zeigen, dass die Regula­ tion von beiden Muzinen über die Th2-Zytokine IL-4 und IL-13 abläuft, während IL-5 keinen Einfluss hat [25].

2.2.1 Antimikrobielle Peptide

Epithelzellen setzen ein reiche Auswahl an antimikrobiellen Molekülen frei, wie etwa Enzyme (Lysozym, Chitinasen und Peroxidasen), Opsonine (Komplement und Pentraxin-3), perme­ abilisierende Proteine (Defensine, Cathelicidine), Kollektine (Surfactant-Protein-A, Surfactant-Protein-D und Mannose-bin­ dendes Lektin), und Bindungsproteine (Laktoferrin und Muzine) [26, 27]. Neben ihrer antimikrobiellen Wirkung haben sie ver­ schiedenartige Effekte auf die Zelldifferenzierung und die Wundheilung [28]. Das Protein PLUNC (Palate, Lung and Nasal Clone Protein) wird von Drüsenepithel und nicht von Oberflä­ chenepithel sezerniert und hat möglicherweise besondere Rele­ vanz für Atemwegserkrankungen, da es Biofilm-hemmende ­Eigenschaften besitzt. Eine geschwächte Wirtsabwehr könnte Folge eines primären De­ fekts der angeborenen Immunität in den Nasennebenhöhlen sein, aber auch Folge der chronischen eosinophilen Atemwegs­ entzündung. Es gibt Hinweise darauf, dass Th2-Zytokine die Bil­ dung von Mediatoren der angeborenen Immunität, wie bspw. humanes Beta-Defensin 2 und Surfactant-Protein A, herunterre­ gulieren können [29]. Andere Zytokine wiederum, v.  a. das T-Zell-Zytokin IL-22, induzieren Mediatoren der angeborenen Immunabwehr in Epithelzellen, indem sie STAT3 (Transkriptions­ faktor-Signal-Transducer und Aktivator der Transkription 3) ­aktivieren, ein Mediator der mukosalen Wirtsabwehr und epit­ helialer Reparaturmechanismen [30,  31]. Eine Th2-Polarisie­ rungkann eine verringerte Expression des IL-22Rezeptors und des STAT3-Signalwegs zur Folge haben [32, 33]. Auch Geschmacksrezeptoren (Taste receptor family 2 (T2R)), auch als “bitter taste receptors”bezeichnet, die zuerst in der

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Referat S35

3

S36 Referat

Untere Muschel

a

b

CRSwNP

E-cadherin

c

Abb. 1  Expression von Tight-Junction-Molekülen bei Patienten mit CRSwNP im Vergleich zu ­Gesunden (untere Muschel): Deutliche Minderung der Expression und damit Schwächung der Epithelbarriere bei CRSwNP.

d

f

e

Occludin

Zunge beschrieben wurden, werden in den Atemwegen expri­ miert und erfassen toxische Chemikalien, aber auch Signale von Bakterien, die diese zur Kommunikation untereinander freiset­ zen. So wird der Rezeptor T2R38 durch sekretierte Produkte von Pseudomonas auruginosa aktiviert, was zur Induktion von Stickoxid und damit zum Abtöten der Bakterien führt [34]. Genetische Defekte des Rezeptors erhöhen das Risiko einer ­ ­Infektion mit gram-negativen Keimen.

2.2.2 Die Epithelschranke

Respiratorische Epithelzellen sind über Adhäsionskomplexe ver­ knüpft, die apikalen Tight-Junctions, Intermediate-Junctions, Desmosomen und Hemidesmosomen umfassen. Eine verringer­ te Expression der Tight-Junction-Proteine Claudin und Occludin [35] oder desmosomaler Proteine [36] können ein zentraler Fak­ tor bei der Ätiologie von Erkrankungen der oberen Atemwege sein. Erniedrigte Konzentrationen von Proteaseinhibitoren, wie etwa des Serinproteaseinhibitors vom Kazal-Typ 5 (LEKT1), im Epithel können zu einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber der Aktivität endogener und exogener Proteasen führen [37]; Pilze, Bakterien und viele Allergene besitzen erhebliche intrinsi­ sche Proteaseaktivität. Bei gleichzeitiger Schwächung endoge­ ner Proteaseinhibitoren wie LEKT1 kann das zur Folge haben, dass die mechanische Barriere einem Proteaseangriff weniger entgegenzusetzen hat und Fremdproteine die Schleimhaut­ schranke leichter über winden können. In Nasenpolypen sind sowohl Occludin, das Zonula-­occludens1-Protein, und E-Cadherin vermindert exprimiert, wodurch die

Epithelbarriere leichter für virale und bakterielle Infektionen zu ▶  Abb. 1). bewinden ist [38, 39] ( ●

2.2.3 Rezeptoren der angeborenen Immunabwehr: TollLike-, NOD-Like- und RIG-Like-Rezeptoren

Epithelzellen der Nasen- und Nasennebenhöhlen bilden nicht nur eine physikalische Schranke, sondern haben aktiven Funk­ tionen im Rahmen der angeborenen und erworbenen Immunab­ wehr [40]. Sie exprimieren membrangebundene und zytoplas­ matische Mustererkennungsrezeptoren (PRR), die pathogenas­ soziierte molekulare Muster (PAMPs) erkennen [41]. Die ­Aktivierung dieser Rezeptoren hat die Freisetzung von Chemoki­ nen und Zytokinen und Komponenten des angeborenen Immun­ systems zur Folge, die weitere Abwehrzellen aktivieren (z. B. Neutrophile). Verschiedene mikrobielle Faktoren bzw. PAMPS, wie bspw. bakterielle Lipopolysaccharide (LPS), Flagellin, Lipo­ teichonsäure, Peptidoglycan, doppelsträngige RNA und un­ methylierte CpG-Motive, können von vielen PRRs erkannt ­werden [42]. Die Aktivierung von PRRs im Nasenepithel kann entweder zur Induktion von Toleranz oder zur Expression der entzündungsfördernden Mediatoren führen, die dann neutro­ phile Lymphozyten anlocken. Es wurden mehrere Gruppen solcher Rezeptoren beschrieben, die PAMPs erkennen, darunter Toll-Like-Rezeptoren (TLR), Nukleotidoligomerisierungsdomänen (NOD)-artige Rezeptoren, Retinsäure-induziertes-Gen(RIG)-1-artige Rezeptoren und das mit Melanomdifferenzierung assoziierte Gen (MDA)-5. Die ­Familie der TLR umfasst derzeit 10 integrale Membranglyko­

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ZO-1

3

Referat S37

Tab. 2  Übersicht zur Expression von „damage-associated molecular pattern“ (DAMPs) und ihren Rezeptoren bei CRS und anderen Erkrankungen der oberen Atemwege. DAMPs

Rezeptoren

S100A8/A9 – Reduziert im Epithel und Drüsenstrukturen in CRSwNP [37] – Höhere Konzentrationen im Gesamtgewebe durch die erhöhte Zahl Neutrophiler, die S100A8/A9 enthalten [37] S100A1–A2, S100A4–A7, S100A12–A13, S100B, S100P – Reduziert S100A7 Konzentrationen im Epithel und Drüsen bei CRSwP [37] und allergischer Rhinitis [63] Surfactant protein A, D (SP-A and SP-D) – Erhöht im Gewebe bei CRSsNP [66] und CRSwNP [67, 68] – Stark erhöhte Konzentrationen von SP-A und SP-D im NNH-Gewebe bei zystischer Fibrose [68, 69] – Wird durch Pilzallergene in Nasenschleimhaut ex-vitro erhöht [70] Eosinophil-derived neurotoxin – Erhöht bei Patienten mit perennialer allergischer Rhinitis und CRS [76, 77] Fibronectin – Fibronectin im Sputum bei Asthmatikern mit CRSwNP höher als ohne CRSwNP [79] – Fibronectin im Polypengewebe korreliert mit der Größe der Nasenpolypen  [80]

TLR4, CD36, RAGE [59–62]

2.2.4 Indikatoren des Zelltods: Damage-associated molecular patterns (DAMPs)

Außer pathogen-assoziierten molekularen Mustern (PAMPs) ­erkennen Zellen zelluläre Schädigungen auch durch schadensas­ soziierte molekulare Muster (Damage-Associated Molecular Pattern bzw. DAMPs). Die Kombination aus Fremdmaterial plus Zellschädigung löst eine Reaktion des angeborenen Immunsys­ tems aus und aktiviert die adaptive Immunabwehr bzw. trägt ganz wesentlich zu deren Ausprägung bei [53]. Neuerdings sind neben den aktiv sezernierten Entzündungsbo­ tenstoffen auch solche ins Zentrum der Aufmerksamkeit ­gerückt, die Bestandteile der endogenen intrazellulären bzw. extrazellu­ lären Matrix des Wirtes sind und passiv in den extrazellulären Raum freigesetzt werden können. Einmal freigesetzt, ändern sich die ursprünglichen Funktionen dieser Bestandteile, sodass sie nun unter pathologischen Bedingungen in ihrer neuen Um­ gebung Entzündungsreaktionen modulieren. Analog zu den PAMPs erhielten diese Moleküle den Namen DAMPs [54–56].

TLR2 & TLR4 [71–75]

TLR2 [78] TLR4 [81]

I­ntrazelluläre Moleküle mit extrazellulärer DAMP-Funktion werden entweder passiv von geschädigten Zellen während eines Entzündungs- oder Infektionsgeschehens oder auch aktiv von bestimmten Zelltypen über den sog. „alternativen Sezernie­ rungsweg“ freigesetzt, da ihnen definitionsgemäß die zur Sekre­ tion benötigte Leader-Sequenz fehlt [57]. DAMPs aus der extra­ zellulären Matrix des Wirtes können bei Schädigung oder durch regulierte Shedding-Mechanismen freigesetzt werden [58]. Der­ zeit sind mehr als 40 Moleküle als DAMP klassifiziert worden. Sie üben ihre Wirkung häufig durch Aktivierung mindestens eines Toll-Like-Rezeptors (TLR) oder anderer Mitglieder der ­ PRR-Familie aus, bspw. über „Scavenger-Rezeptoren“ (z. B. CD36) bzw. spezialisiertere Rezeptoren wie bspw. den RAGE-­Rezeptor (Receptor for Advanced Glycation End Products) [58]. Mehrere DAMPs binden außerdem an ECM-Strukturen wie etwa Hepa­ ▶  Tab. 2). ransulfatproteoglykane [56, 58] ( ● Was die oberen Atemwege betrifft, so wurde von allen bekann­ ten DAMPs und ihren jeweiligen Rezeptoren bislang lediglich der Multiligandenrezeptor RAGE näher untersucht [82]. RAGE ist ein Zelloberflächenprotein, das der Immunglobulin-Superfa­ milie zugeordnet und mit verschiedenen Entzündungsreak­ tionen in Zusammenhang gebracht wird. RAGE wird in voller Länge als membrangebundener Rezeptor (mRAGE) exprimiert, kommt aber auch in 2 löslichen Formen ohne transmembranäre bzw. zytoplasmatische Domäne vor, die gemeinsam als „sRAGE“ ­bezeichnet werden. Durch alternatives mRNA-Splicing entstan­ dene sRAGE wird als „endogenes sekretorisches RAGE“ bzw. es­ RAGE bezeichnet, wohingegen durch proteolytische Spaltung von mRAGE entstandenes RAGE als cRAGE bezeichnet wird; die­ ser Vorgang wird von Metalloproteinasen (MMPs) und ADAMs (A Disintegrin And Metalloproteinases) vermittelt [83–85]. mRAGE bindet an mehrere Liganden, bspw. an AGE-Produkte (Advanced Glycation End-Produkte), HMGB1 (High-Mobility Group Box 1), Mitglieder der S100/Calgranulin-Familie, das Inte­ grin Mac-1 und an ECM-Strukturen, wie bspw. Heparansulfat­ proteoglycane (HSPGs) [86]. sRAGE wiederum scheint häufig als eine Art „Köderrezeptor“ mit entzündungshemmenden Eigen­ schaften zu wirken, indem es RAGE-Liganden vom mRA­ GE-Oberflächenrezeptor, der über den Transkriptionsfaktor NFκB entzündungsfördernde Reaktionen transduziert, „wegfan­ gen“ [87], kann aber auch entzündungsfördernd sein [88]. Auch für mRAGE sind gewisse entzündungshemmende Eigenschaften beschrieben worden [89].

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proteine, die extrazelluläre und intrazelluläre PAMPs erkennen [43]. Alle TLR-Signalisierungswege führen zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB (Nuclear-Factor-kappa B), der die Expression zahlreicher Gene für inflammatorische Zytokine kontrolliert. Offensichtlich werden alle TLR sowohl in der gesun­ den Nasenschleimhaut als auch bei CRS exprimiert [44]; aller­ dings ist die Expression der TLR2-, TLR4- und TLR9-Rezeptoren und ihres Effektormoleküls NF-κB in der Schleimhaut ver­ gleichsweise höher bei CRS Patienten als bei Gesunden [41, 44– 46]. Störungen der Expression dieser Rezeptoren können zur Entwicklung einer CRS beitragen [47]. Intrazelluläre PAMPs, wie bspw. Muramyldipeptid (MDP) und Peptidoglycan, werden von NOD-Like-Rezeptoren erkannt. NOD-­ Like-Rezeptoren werden in Epithelzellen der Nase und der ­Nasennebenhöhlen exprimiert [48]. Epithelzellen exprimieren außerdem Protease-aktivierte Rezeptoren (PAR) [49], die von verschiedenen endogenen und exogenen Proteasen aktiviert werden, einschließlich solcher, die mit Bakterien, Pilzen und ­Allergenen assoziiert sind [50]. Die Aktivierung von PAR indu­ ziert ebenfalls den NFκβ-Signalisierungsweg [51]. Proteasen von Staphylococcus aureus aktivieren PAR-2 und führen zur Freiset­ zung von Interleukin (IL)-8 [49, 52]. Bei chronischen Atem­ wegserkrankungen exprimieren Epithelzellen mehr PAR2 als unter gesunden Umständen [49].

RAGE [64, 65]

3

S38 Referat

und an die Oberfläche von Wirtszellen, z. B. an Endothelzellen, Epithelzellen und Fibroblasten, über die S. aureus in das Zyto­ plasma dieser Zellen eindringen kann [100, 101]. Im Inneren der Zelle ist S. ­aureus vor Antibiotika und den Immunreak­tionen des Wirts geschützt [101] und kann so überleben, was in Anbe­ tracht der erhöhten Fibronektinexpression [39] und der hohen Besiedelungsrate mit S. aureus gerade bei CRSwNP-­Patienten [93]das intramukosale Vorkommen der Bakterien e ­rklären kann.

2.2.5 Lymphoide Zellen der angeborenen Immunabwehr (ILCs)

Epithelzellen in den Atemwegen bilden zahlreiche entzün­ dungsfördernde Zytokine als normale Reaktion auf die Stimula­ tion von PAMP- und DAMP-Rezeptoren [51], darunter IL-1, Tu­ mornekrosefaktor-α (TNF-α), Typ-I-Interferone (IFN-α/β), den Granulozyten-Makrophagenkolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF), Eotaxine, RANTES (Regulated upon Activation Nor­ mal T-cell Expressed and Secreted), das IFN-γ-induzierbare Pro­ tein 10 (IP-10), IL-6, IL-8, das wachstumsbedingte Onkogen α (GRO-α), Monodansylcadaverin (MDC), Stammzellenfaktor (SCF), TARC (Thymus and Activation Regulated-Chemokin), das Monozyten-Chemotaxis-Protein-4 (MCP-4), den B-Zell-aktivie­ renden Faktor (BAFF), Osteopontin, , IL-32, und Th2-Immunre­ aktion-assoziierte Zytokine wie IL-25, IL-33 und TSLP (Thy­ musstroma-Lymphopoietin) [26, 49]. Diese Zytokine vermitteln nicht nur eine Gewebeschwellung, Gefäßerweiterung und ­andere Charakteristika einer Entzündung, sondern haben häufig auch chemotaktische Eigenschaften, durch die sie verschiedene Leukozyten, Mastzellen, Neutrophile, dendritische Zellen und Lymphozyten in den Ort der Entzündung locken. Von Epithelzel­ len gebildete Zytokine spielen auch eine wichtige Rolle bei der Polarisierung dendritischer Zellen und haben damit Einfluss auf die Gestaltung der T-Zell-Reaktion auf Antigene [102]. Offenbar sind es ganz bestimmte Epithelzell-Zytokine (IL-25, IL-33 und TSLP), die die Polarisierung von dendritischen Zellen und die an­ schließende T-Zell-Differenzierung auf Schleimhautantigene in­ duzieren [102]. Diese Zytokine haben die besondere Fähigkeit, die Differenzierung von T-Zellen in Richtung eines Th2-Profils zu beeinflussen, wie wir es bei der CRSwNP kennen. Vermutlich sind Epithelzellen nicht nur maßgeblich an der Vermittlung von Reaktionen der angeborenen Immunabwehr beteiligt, sondern beeinflussen so auch die anschließende adaptive Immunabwehr. Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass der Ätiologie und ­Pathogenese von CRS primäre Variationen des Reaktionsmusters von Epithelzellen zugrunde liegen. Lymphoide Zellen der angeborenen Immunabwehr (innate lym­ phoid cells, ILCs) haben wichtige Effektor- und Regulierungs­ funktionen bei der angeborenen Immunabwehr und beim ­Remodelling von Gewebe, führen jedoch kein Rezeptor-Rearran­ gement durch (diese Eigenschaft wird als „Lineage-negativ“ be­ zeichnet). ILCs werden auf der Grundlage des charakteristischen Musters der von ihnen gebildeten Zytokine und der von ihnen für ihre Entwicklung und Funktion benötigten Transkriptions­ faktoren ähnlich wie die T-Helfer-Zellen in 3 Gruppen eingeteilt: ILCs der Gruppe 1 (ILC1) bilden Interferon γ und sind abhängig vom Transkriptionsfaktor Tbet, während ILCs der Gruppe 2 (ILC2) TH2-Zytokine wie IL-5 und IL-13 produzieren und dazu den Transkriptionsfaktor GATA3 benötigen. Zu den ILCs der Gruppe 3 (ILC3) zählen auch Lymphgewebe-induzierende ­Zellen. ILC3s bilden IL-17 und/oder IL-22 und benötigen RORγt als Transkriptionsfaktor. In dieser Hinsicht weisen ILCs große

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RAGE wird in der Lunge – im Gegensatz zu vielen anderen Geweben – unter normalen physiologischen Bedingungen in ­ ­hohem Maß exprimiert [89, 90]. Auch in den oberen Atemwegen wird RAGE beim Menschen unter normalen physiologischen Bedingungen stark exprimiert und unterliegt bei chronischen Entzündungen einer differenziellen Regulierung: bei CRSsNP sind die sRAGE-Proteinmengen erhöht, wohingegen die Mengen an mRAGE im Vergleich zu Kontrollen reduziert sind. Bei CRSwNP sind die sRAGE- und die mRAGE-Proteinmengen im Gewebe reduziert [82], was auf dem Ungleichgewicht zwischen Metalloproteinasen und ihren natürlichen Inhibitoren (TIMPs) beruht [91]. Durch den relativen Kollagenmangel bei CRSwNP und die über­ mäßige Kollagenbildung mit Verdickung der Kollagenfasern in der extrazellulären Matrix(ECM) bei CRSsNP [21, 91] weist das fibrotische Gewebe von CRSsNP-Patienten größere Mengen an sRAGE auf als das pseudozystische Gewebe von CRSwNP-Patien­ ten, da sRAGE an diese Strukturen langfristig binden [90, 92]. Die erhöhte Kolonisierungsfrequenz von S. aureus kann bei CRSwNP-­ Patienten [93] zu einer weiteren Verringerung von sRAGE ­beitragen, da S. aureus die Freisetzung von sRAGE aus der ECM induziert [82]. Die bei CRSsNP erhöhten Mengen von ECM-asso­ ziiertem sRAGE induziert eine in Richtung Th1 polarisierte ­Entzündung [82]. RAGE ist an der Differenzierung von T-Zellen zu einem Th1-Phänotyp beteiligt; bei einem Mangel an RAGE ist die Bildung von Th1-Zytokinen verringert, während dann mehr Th2-Zytokine produziert werden [94]. Bei CRSwNP liegen z­ udem hohe Proteinmengen an eosinophil-kationischem Protein ECP vor, die das nicht-ECM-assoziierte sRAGE abbauen, sodass eine Umorientierung von T-Helfer-Zellen in Richtung Th1 verhindert wird [82]. Die kalziumbindenden Proteine S100A7 (Psoriasin), S100A8 (MRP8 oder Calgranulin A), S100A9 (MRP14 oder Calgranulin B) und deren heterodimere Form S100A8/A9 (Calprotectin) wur­ den wegen ihrer antimikrobiellen Wirkungen bei CRS-Patienten untersucht [28, 37]. S100-Proteine weisen typische Eigenschaf­ ten von DAMPs auf, wenn sie in das extrazelluläre Milieu freige­ setzt werden, wo sie TLR4 [60, 95] und möglicherweise auch RAGE aktivieren [96]. Im Vergleich zu Gesunden ist die Expres­ sion von S100A7-, S100A8- und S100A9-mRNA bei Patienten mit CRSsNP und CRSwNP reduziert [97]. S100A7-Proteine sind im Epithel und in glandulären Strukturen bei CRSwNP reduziert, und auch die Nasenlavageflüssigkeit dieser Patienten weist ­geringere Mengen von S100A7 auf [37]. Dagegen ist die Menge der heterodimeren S100A8/A9-Proteine in Polypengewebe infolge der verstärkten Infiltration von Neutrophilen, einer Hauptquelle von S100A8/A9-Proteinen, drastisch erhöht [37]. Diese Ergeb­ nisse deuten auf eine Rolle von sezernierten S100A7 und S100A8/A9 Proteinen aus Epithel- und/oder Drüsengewebe als antimikrobielle Substanz in den Nasennebenhöhlen hin und le­ gen nahe, dass reduzierte Mengen bei der CRS-Pathogenese möglicherweise eine Rolle spielen könnten. Fibronektin ist ein hochmolekulares Glykoprotein der extrazel­ lulären Matrix, das bei der Wundheilung, Zelladhäsion, Matrix­ bildung, Proteinsekretion, Zelldifferenzierung, Zellzykluspro­ gression und mitogenen Signaltransduktion eine wichtige Rolle spielt [98, 99]. Es wird aber auch mit Immunprozessen in ­Zusammenhang gebracht, die über die Aktivierung von TLR4 ablaufen; dabei wirkt es als DAMP [81]. Fibronectin gilt auch als Targetmolekül einer großen Zahl bakterieller Proteine, den bak­ teriellen Fibronektin-Bindungsproteinen (FnBPs) [100]; es ver­ mittelt die Adhärenz von S. aureus an die extrazelluläre Matrix

3 Ähnlichkeit mit T-Helfer-Zellen auf, sind aber Bestandteile der angeborenen Immunabwehr und bilden nach derzeitiger Auffas­ sung das Bindeglied zwischen Epithel und T-Zell-Kompartiment [103]. CRTH2 und ST2 (IL-33 Rezeptor)positive ILC2swurden in der ­gesunden menschlichen Lunge nachgewiesen; es ist derzeit aber ungeklärt, welche Funktionen ILC2s beim Menschen im Ver­ gleich zu Th2-Effektor-Zellen (die beide IL-5 und IL-13 produzie­ ren) bei der Lungenhämostase erfüllen. Entsprechend wurden CRTH2 + ILC2s in CRSwNP-Gewebe identifiziert [104]. TSLP – ein von Epithelzellen gebildeter ILC2-Aktivator – wird in Epithelzel­ len von CRSwNP-Gewebe bei Patienten mit Asthma in hohem Maß exprimiert [105]. Über die Funktion anderer ILC-Unter­ gruppen in den Atemwegen ist wenig bekannt. Dagegen wirkt Lipoxin A4, ein Lipidmediator mit Entzün­ dungs-auflösenden Eigenschaften über die Hemmung der IL-13-Produktion von ILC2s [106]. LXA4 bewirkt auch einen Rückgang der Zahl der Eosinophilen, indem es die von NK-Zellen vermittelte Apoptose dieser Zellen begünstigt.ILC2 lokalisieren sich in den Atemwegen dicht bei Mastzellen, aus denen Prostag­ landin D2 (PGD2) freigesetzt wird, das wiederum die IL-13-Pro­ duktion von ILC2s über den PGD2-Rezeptor CRTH2 erhöht. Die Aktivität von ILC2s wird so durch das Gleichgewicht zwischen LXA4 auf der einen und PGD2 auf der anderen Seite reguliert, wobei sowohl LXA4 als auch PGD2 in CRSwNP erhöht sind; aller­ dings ist diese Balance bei Aspirinsensitivität wiederum gestört [107, 108].

2.2.6 Dendritische Zellen und Makrophagen

Dendritische Zellen (DCs) sind das Bindeglied zwischen angebo­ rener und adaptiver Immunabwehr auf Schleimhäuten. In den Atemwegen wurden mehrere funktionale Untergruppen von DCs beschrieben, die sich hinsichtlich ihres Reifungsstadiums und der von ihnen exprimierten Kombination von PRRs unter­ scheiden [109]. DCs erkennen Antigene und prozessieren und präsentieren sie an antigenunerfahrene bzw. „naive“ T-Zellen. Aufgrund dieser Funktionen haben DCs eine Schlüsselfunktion bei der Feinabstimmung von Immunreaktionen und begünsti­ gen die Bildung von Th1-, Th2- oder Th17-Reaktionen bzw. re­ gulatorische T-Zellen (Tregs) [102]. In der Nasenschleimhaut wurden 4 verschiedene DC-Untergruppen identifiziert: 2 mye­ loide DC-Populationen (mDC), die entweder BDCA1 (Blutanti­ gen 1 dendritischer Zellen) oder BDCA2 exprimieren, eine plas­ mazytoide Population dendritischer Zellen (pDC), die BDCA2und CD123-positiv ist (CD = Cluster of Differenziation), und BDCA1- und CD207-positive Langerhans-Zellen [110]. In CRSwNP-Gewebe, in dem das Entzündungsmuster n Richtung Th2 polarisiert ist, haben wir erhöhte Zahlen von mDCs und pDCs festgestellt [111]. Dieses Verteilungsmuster der DCs könn­ te zu der anhaltenden Atemwegsentzündung bei CRSwNP bei­ tragen. Makrophagen sind Zellen der angeborenen Immunabwehr, die unterschiedliche Aufgaben haben, z. B. die Entfernung von Parti­ keln, die primäre Reaktion auf Pathogene, die Erhaltung der ­Gewebehomöostase, die Koordination der adaptiven Immunab­ wehr,die Entwicklung einer Entzündung und die Geweberepara­ tur [112]. Je nachdem, auf welche Faktoren die Makrophagen treffen, polarisieren sie sich zu einem klassisch aktivierten ent­ zündungsfördernden M1-Phänotyp oder zu einem alternativ aktivierten M2-Phänotyp [113]. M1-Makrophagen exprimieren in hohem Maß entzündungsfördernde Zytokine wie IL-1β, IL-12, IL-23 und TNF sowie Effektormoleküle wie Stickoxid. Sie sind an

der Induktion einer Th1-Reaktion beteiligt und verhindern das überleben von Pathogenen, indem sie sie im Zellinneren effektiv abtöten [114]. In der Schleimhaut von Mukoviszidosepatienten ist im Vergleich zu Kontrollen eine höhere Zahl von M1-Makro­ phagen vorhanden [115], offenbar um sich mit der großen An­ zahl von Keimen bei dieser Erkrankung auseinanderzusetzen. Der alternative Polarisierungsweg zur Entstehung von M2-Mak­ rophagen wird von Th2-Zytokinen im lokalen Milieu begünstigt; dieser Prozess ist wichtig bei der Abwehr von Helminthen, bei der humoralen Immunabwehr und bei der Gewebereparatur [112]. Wir konnten allerdings feststellen, dass Makrophagen in IL-5 exprimierendem CRSwNP-Gewebe überwiegend M2-pola­ risiert waren und eine starke Expression von CD206 aufwiesen [116]. Bemerkenswerterweise waren M2-Makrophagen nicht zur Phagozytose und Vernichtung von Keimen wie S. aureus in der Lage, ein Umstand, der das intrazelluläre Überleben der Kei­ me fördert (siehe später). Darüber hinaus setzen M2-Makropha­ gen aus Nasenpolypen große Mengen des Chemokinliganden 18 (CCL18) frei, das auf DCs, naive T-Zellen und Th2-Zellenchemo­ taktisch wirkt; alle diese Zellen tragen zur Pathogenese von ▶  Abb. 2). CRSwNP bei [117] ( ●

2.3 Adaptive Immunabwehr: T-Zellen als zentrale Komponenten

Die adaptive Immunabwehr besteht aus den speziell auf die ­Herausforderung ausgerichteten T-Zellen, die sich nach den frei­ gesetzten Zytokinen und ihren Funktionen in mehrere Gruppen unterteilen lassen, und einer B-Zell-Antwort, die auf die Bildung von spezifischen Antikörpern abzielt. Die resultierende T-ZellAntwort soll dabei der Regulation durch T regulatorische Zellen unterworfen bleiben; tut sie das nicht, resultiert eine persistie­ rende Entzündung. Weitere Bystander-Zellen wie Eosinophile und Mastzellen modifizieren und amplifizieren den Entzün­ dungsprozessbesonders im Falle einer Th2-Reaktion weiter. Mit diesen Zellkomponenten summieren sich Vorgänge auf, die schließlich zu den schwersten Erkrankungen der Schleimhaut führen, die überwiegend Th2-geprägt sind.

2.3.1 T-Helfer-Zell-Muster

Während die CRSsNP eine nur mäßige, überwiegend n ­ eutrophile Th1-polarisierte Entzündung aufweist, ist die CRSwNP haupt­ sächlich neben der neutrophilen Komponente durch eine mäßig bis starke eosinophile Th2-polarisierte Entzündung gekenn­ zeichnet, zumindest bei kaukasischen Patienten [118]. Vermut­ lich trägt die verringerte TGF-β-Expression in CRSwNP-Gewebe ebenso wie die starke Expression von suppressor of cytokine ­signaling 3 (SOCS3) zu einem Defizit von Tregs bei [13, 21, 119], was durch die Abschwächung der Migration regulatorischer T-Zellen noch verstärkt wird. SOCS3 und Foxp3, der wichtige Transkriptionsfaktor für T regulatorische Zellen, werden in den Tregs ko-exprimiert; SOCS3 reguliert Foxp3-Expression wahr­ scheinlich über die Phosphorilierung von STAT3 [119]. Das rela­ tive Defizit von Tregs könnte die Ursache für die Unfähigkeit zur Unterdrückung der eosinophilen Entzündung bei CRSwNP-­ Patienten sein. Bei Kaukasiern exprimieren mehr als 80 % der Polypen ein Th2-Profil mit deutlicher Expression von Inter­ leukin-5-Protein und konsekutiver Gewebe-Eosinophilie, wo­ hingegen dieses ­Profil nur bei weniger als 20 % allerzentralchinesischen CRSwNP-Patienten vorliegt; stattdessen sind es ­ dort Th17-­Zellen, die eine überwiegend neutrophile Entzün­ dungsreaktion vermitteln [120].

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Wir haben eine ausführliche durchflusszytometrische Analyse der T-Zell-Subtypen in der erkrankten und gesunden Nasen­ schleimhaut bei CRS durchgeführt [121]. Die meisten T-Zellen in der Nasenschleimhaut waren CD45RA-negativ und wiesen ­einen Effektor-Phänotyp auf, wohingegen T-Zellen im Blut meist Marker des naiven T-Zell-Phänotyps tragen. Sowohl in der ­gesunden als auch in der erkrankten Nasenschleimhaut ist eine heterogene Population von T-Helfer-Zellen vorhanden: Th1-, Th17-, Th22- und Tfh-(follikuläre Helfer) Zellen. Es lässt sich eine gewisse Plastizität der T-Helfer-Zellen feststellen, da bspw. die Th17-Zellpopulation außer IL-17 auch IFN- und IL-22 produ­ zierte. Der Grund für diese Heterogenität unter den Effek­ tor-T-Zellen könnte mit ihrer Schutzfunktion zu tun haben, d. h. es sollen je nach Art des eindringenden Mikroorganismus meh­ rere , optimale Immunreaktionen ermöglicht werden. Die Er­ gebnisse zeigen, dass das T-Zell-Profil von CRSsNP-Proben sich wenig von dem von Kontrollproben unterscheidet, was frühere Befunde bestätigt, dass CRSsNP eher einen Remodelling-Prozess als eine spezifische Entzündungsreaktion darstellt [21]. Bemer­ kenswert war, dass Th2-Zellen nur in CRSwNP-Proben nach­ weisbar waren, wobei Asthma-Patienten die höchsten Zellzah­ len aufwiesen. Dieses Muster korreliert mit Proteindaten aus homogenisierten Gewebeproben nach Multiplex-Zytokinanaly­ se [122]. Obwohl IFN-gamma das wichtigste intrazytoplasmati­ sche Zytokin bei T-Zellen ist, ist es als Protein in Gewebehomo­ genaten nur in geringen Konzentrationen nachweisbar; offen­ sichtlich wird IFN unter Basisbedingungen nicht spontan freige­ setzt, wohingegen nach Stimulation im zellfreien Überstand hohe Konzentrationen festzustellen waren. IL-5 wird dagegen nur von relativ wenigen CD4-positiven T-Zellen exprimiert, aber von einem CRSwNP Endotypenregelmäßig spontan freigesetzt; diese spontane Freisetzung kann durch intramukosale S. aureus­Keime weiter signifikant gesteigert werden (siehe später). Neben CD4-positiven T-Zellen gibt es in der Nasenschleimhaut eine noch größere Population von T-Zellen, die der CD8-Zelllinie angehören und die Hauptquelle von IFN-gamma sind. CD8-posi­ tive zytotoxische T-Zellen (Tc-Zellen) exprimieren große Men­ gen an Fas-Ligand, der in anderen Zellen Apoptose induzieren kann. Eine weitere wichtige Funktion der IFN-produzierenden CD8-positiven T-Zellen (sog. Tc1-Zellen) ist die Fähigkeit zur Hemmung von IgE-Antworten. Die Präsenz von Th2-Zellen und die Expression von IL-5 ist mit einer Eosinophilie, einer Erhöhung von ECP (Eosinophil-kationi­ sches Protein) und der IgE-Gesamtmenge in der Schleimhaut assoziiert, unabhängig vom atopischen Status der Patienten [120]. Der Anteil von IL-5 positiven Nasenpolypen liegt in ­Europa

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NP 60 min

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NP 90 min

meist um die 85 % aller CRSwNP, wohingegen der Anteil in Zent­ ralasien, z. B. in China, mit 15 % deutlich niedriger ist [120]. IL-5 ist wichtig für das Überleben und Aktivieren von Eosinophilen und kann von Lymphozyten, Mastzellen und den Eosinophilen selbst gebildet werden [123]. Die wichtige Rolle von IL-5 für das Überleben von Eosinophilen in Nasenpolypen wurde in Ex-­vivoVersuchen in menschlicher Nasenschleimhaut mit neutralisie­ renden monoklonalen Anti-IL-5-Antikörpern nachgewiesen, die bei den Eosinophilen Apoptose induzierten und die Anzahl der Eosinophilen im Gewebe stark reduzierten. IL-5 ist daher ver­ mutlich deshalb ein wichtiges Zytokinfür diese Granulozyten, als es deren Apoptose in Nasenpolypen aufhält [124]. Topische Kortikisteroide reduzieren die Synthese von IL-5 und damit auch die Anzahl der Eosinophilen. Wir haben daher in ­einer Pilotstu­ die die Möglichkeit untersucht, eine schwere ­Polyposis nasi mit einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen IL-5 (Mepolizumab) zu behandeln [125]. Zwei intravenöse Einzel­ injek­tionen von 750 mg Mepolizumab führten im Placebover­ gleich zu einem signifikant verbesserten Nasenpolypenscore und zu einer Verringerung der Polypenmasse in der Computer­ tomografie. Diese Proof-of-Concept-Studie untermauert die Rolle von IL-5 bei CRSwNP und beweist die Bedeutung von ­ ­Biomarkern für die Ergebnisprognose und damit die Optimie­ ▶  Abb. 3). rung der Patientenwahl ( ●

2.3.2 B-Zellen und lokale Immunglobulinproduktion

Bei CRSwNP ist die Gesamtanzahl von B- und Plasmazellen wie auch das Verhältnis von Plasmazellen zu B-Zellen im Vergleich zu Kontrollen z. T. stark erhöht, was auf ein aktives B-Zell-Kom­ partiment bei dieser Krankheit, nicht aber bei CRSsNP, hindeutet [126]. Bei eosinophiler CRSwNP sind außerdem die lokalen IgGund IgE-Konzentrationen und wichtige Marker für einen lokalen Immunglubulin-Klassenwechsel (class switch) im Vergleich zur allergischen Rhinitis und zu Gesunden erhöht [127]; auch dieses Phänomen ist nicht bei der CRSsNP anzutreffen. Während des Immunglobulin-Klassenwechsels laufen Rekombinationsereig­ nisse (Class Switch Recombination, CSR) typischerweise über IgG4 hin zum IgE ab. In bis zu 30 % der B-Zellen, Plasmazellen und T-Zellen in Nasenpolypen ist eine erneute Expression von RAG1 und RAG2 (recombination activation genes) nachweisbar, die für die Rezeptor-Revision erforderlich sind [127]; außerdem haben wir die Hochregulation von Activation-induced cytidine deaminase (AID) nachweisen können, ein Faktor, der ebenfalls Hinweise auf eine aktive CSR und somatische Hypermutation von Immunglobulinen hinweist [128]. Bei CRSwNP sind die Kon­ zentrationen der RAG1- und RAG2-mRNAs erhöht und korre­

Bachert C, Holtappels G. Pathophysiologie der chronischen Rhinosinusitis …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: S32–S63

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*

% von S. aureus

% lebender Zellen

7.5

Abb. 2  Makrophagen-Subtypen in gesunden Kontrollschleimhäuten und Gewebe von eosinophilen Nasenpolypen: Zunahme der M2-Makrophagen, deren Phagozytose-Aktivität stark eingeschränkt ist.

Phagozytose von S. aureus durch Makrophagen aus Kontrollgewebe und Nasenpolypen

Makrophagen-Subtypen im Gewebe von Kontrollen und eosinophilen Nasenpolypen

3

Referat S41

CRSsNP

CD4IL4 CD4IL5 CD4IL10 CD4IL17 CD4IL21 CD4IL22 CD4IFNg CD4Unkown CD8IL5 CD8IL17 CD8IFNg CD8Unkown

CRSwNP

lierten mit der Stärke der Entzündung und dem Vorhandensein von S. aureus-Enterotoxin (Superantigen)-spezifischem IgE in der Nasenpolypenschleimhaut. Diese Ergebnisse sind Beleg für eine lokale Rezeptor-Revision und den Klassenwechsel zu IgE und für die Differenzierung von B-Zellen zu IgE sezernierenden Plasmazellen im Polypengewebe bei CRSwNP, ohne zwingende Mitwirkung anderer lymphoider Strukturen wie z. B. Lymph­ knoten. In Gewebehomogenisaten von CRSwNP sind die Kon­ zentrationen wichtiger Marker von Th2-vermittelten Entzün­ dungsvorgängen einschließlich IL-4 signifikant erhöht; IL-4 sti­ muliert die Synthese des epsilon-Keimbahngen-transkripts (ε-germ line transcript GLT), das während des Klassenwechsels (CSR) zu IgE benötigt wird [127]. Bei CRSwNP sind die Konzent­ rationen von e-GLT signifikant erhöht, Gleiches gilt für den B-Zell-aktivierenden Faktor der TNF-Familie (BAFF) [129], der die Follikelbildung stimuliert, und das B-Lymphozyten-­ induzierte Reifungsprotein (BLIMP). Sowohl BAFF als auch BLIMP sind an der Differenzierung von B-Zellen zu Plasmazellen betei­ ligt [130, 131]. Schließlich konnten wir mittels Gelelektrophore­ se und Southern-Blotting auch das Vorhandensein von Iε-Cc-Klassenwechseltranskripten aufzeigen und diese durch Sequenzierung der 339 bp langen cDNA-Sequenz bestätigen, was den lokalen Klassenwechsel im CRSwNP-Gewebe zweifels­ frei bestätigt [127]; eine lokale IgE-Synthese wurde zuvor bei allergischer Rhinitis gezeigt [132]. Den Beweis für die lokale Rezeptor-Revision liefert die Hoch­ regulierung von RAG1 und RAG2 in B-Zellen, Plasma-Zellen und T-Zellen. Tatsächlich sind die Anteile dieser Zellen, die RAG-Proteine exprimieren, bei CRSwNP ähnlich wie in Tonsil­ len-B-Zellen (15–26 %) und deutlich höher als in zirkulieren­ den B-Zellen (

[Pathophysiology of chronic rhinosinusitis, pharmaceutical therapy options].

Research in immunology has brought great progress in knowledge of inflammatory processes in the last 2 decades, which also has an impact on the upper ...
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