Schwerpunkt Schmerz 2014 · 28:289–293 DOI 10.1007/s00482-014-1406-6 Online publiziert: 6. Juni 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.   Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg all rights reserved 2014

M. de Greck · P. Layer · V. Andresen

Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist ein häufiger Grund für Arztbesuche. Schätzungen gehen von 5–15 Mio. Betroffenen in Deutschland aus. Das RDS gehört somit zu den häufigsten Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts und ist gekennzeichnet durch chronische abdominale Beschwerden wie Schmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten (Diarrhö oder Obstipation) und Meteorismus. Die Beschwerden der Patienten sind in ihrer Intensität und in ihrem Muster variabel. Häufig dominiert ein Symptom, sodass die Einteilung in einen obstipations-/ diarrhö-/blähungs- oder schmerzdominanten Typ sinnvoll ist und sich weitgehend durchgesetzt hat. Die komplexen Pathomechanismen der Krankheit können auf viszeraler und zentraler Ebene ebenso wie im Bereich der Hirn-Darm-Achse angesiedelt sein und im Bereich des Verdauungstrakts Störungen der enterische Regulation, insbesondere der Motilität, Sekretion und Perzeption bedingen ([1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8]; s. auch Beitrag „Pathophysiologische Grundlagen viszeraler Schmerzen“ von P. Enck et al. in dieser Ausgabe). Die nachfolgenden Darstellungen basieren auf den Empfehlungen der aktuellen deutschen S3-Leitlinie [9].

stark sein, dass die Lebensqualität relevant beeinträchtigt wird. F Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.

Definition und Diagnosestellung Ein RDS liegt vor, wenn die drei folgenden Punkte erfüllt sind: F Es bestehen chronische Beschwerden (>3 Monate), die von Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangveränderungen einhergehen. F Die Beschwerden sollen der Grund dafür sein, dass der Patient Hilfe sucht und/oder sich sorgt, und so

Medizinische Klinik, Israelitisches Krankenhaus, Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg

Schmerztherapie beim Reizdarmsyndrom

Sogenannte Alarmsymptome schließen zunächst die Arbeitsdiagnose eines RDS aus und erzwingen grundsätzlich eine weiterführende Diagnostik. Sie müssen aktiv eruiert werden. So muss bei der Erhebung der Anamnese gezielt nach (ungewolltem) Gewichtsverlust, Leistungsknick, Blut im Stuhl, Fieber und anderen „red flags“ gefragt werden. Hierzu zählen auch Hinweise auf eine Anämie oder eine Entzündungskonstellation. Für die Diagnosestellung ist also entscheidend, dass einerseits Anamnese, Muster und Ausmaß der Beschwerden mit einem RDS vereinbar sind und andererseits der Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen erfolgt ist. Dieser sollte gezielt und strukturiert erfolgen und nicht in eine unspezifische „Breitbanddiagnostik“ münden. Wiederholungsuntersuchungen sind dabei strikt zu vermeiden; sie sind nur indiziert, wenn sich neue Aspekte ergeben. Es gilt, eine rasche Diagnosestellung anzustreben. Zum einem sind Diagnose- und Therapieverschleppungen relevanter, möglicherweise bedrohlicher Differenzialdiagnosen zu vermeiden; zum anderen sinkt nach Diagnosestellung die Zahl der nachfolgenden Arztbesuche und diagnostischen Prozeduren, was gesundheitsökonomisch effizient ist [10]. Überdies hat sich gezeigt, dass der Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und

Arzt verbessert, was auch zum Therapieerfolg beitragen kann. Die Diagnosesicherung ist somit eine wichtige Komponente des eigentlichen therapeutischen Managements. Bei der Diagnosefindung stehen die ausführliche und sorgfältige Anamnese sowie die körperliche Untersuchung im Vordergrund. Diese sollte durch ein Basislabor, eine Abdomensonographie und bei Frauen durch die gynäkologische Untersuchung ergänzt werden (. Infobox. 1). Je nach individueller Konstellation des Patienten, d. h. nach Dauer und Dynamik der Symptome, subjektivem Leidensdruck, Sorgen oder Abklärungswunsch

Infobox 1  Reizdarmsyndrom mit Leitsymptom Schmerz: wichtige Differenzialdiagnosen F  Zöliakie F  Morbus Crohn, Colitis ulcerosa F  Laktoseintoleranz F  Fruktosemalabsorption F  Bakterielle Fehlbesiedlung F  Cholelithiasis F  Divertikulitis F  Gastrointestinale Tumoren F  Ulzera F  Mesenteriale Ischämie F  Stenosen (auch radiogen, Briden) F  Chronische Pankreatitis F  Chronische Appendizitis (cave: >25% Lagevarianten des Appendix)

F  Zystitis F  Postoperative Funktionsstörungen F  Porphyrie F  C1-Esterase-Inhibitor-Mangel Bei Frauen zusätzlich:

F  Ovarialtumoren F  Endometriose F  Extrauteringravidität Der Schmerz 3 · 2014 

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Schwerpunkt Beschwerden führen zum Arzt Anamnese Diarrhö ja

Labor –A-Sono - Gyn

„Organische“ Hinweise? nein

Umfassende Diagnostik

Kein RDS!

Individuelle Kriterien: Symptome: Schwere, Dauer, Dynamik Patient: Alter, Persönlichkeit, Besorgnisgrad

Prinzipiell möglich Diagnose „Reizdarm“ aber noch nicht gerechtfertigt!

Probatorische Therapie?

und nach Alter, kann hiernach ein probatorischer, zeitlich limitierter Therapieversuch erfolgen oder die weiterführende Diagnostik initiiert werden. Ein Sonderfall ist die Diarrhö als Hauptsymptom. Diese sollte man grundsätzlich sorgfältig abklären, da meist nicht das RDS, sondern eine andere, kausal zu therapierende Ursache zugrunde liegt. Da zusätzlich zu den Bauchbeschwerden beim RDS gehäuft psychische Komorbiditäten auftreten, sollte auch nach Ängsten und depressiven Symptomen gefragt werden und ggf. eine weitere fachgerechte psychotherapeutische Anbindung des Patienten erfolgen. Einen Überblick über das empfohlene diagnostische Vorgehen gibt . Abb. 1.

Therapie In Ermangelung kausaler Behandlungsoptionen zielt das therapeutische Management auf die symptomatische Beschwerdelinderung und sollte dabei grundsätzlich mehrere Komponenten umfassen, nämlich die Diagnosesicherung, eine (plakative) Vermittlung der pathophysiologischen Mechanismen und nichtmedikamentöse sowie medikamentöse Therapiemaßnahmen.

NichtmedikamentöseTherapie Psychologische Einflussfaktoren und Komorbiditäten, wie depressive oder Angststörungen, sind gezielt zu eruieren, im Weiteren zu berücksichtigen und – ggf. parallel – fachgerecht zu therapieren. Dasselbe gilt für Hinweise auf eine Symptombeeinflussung durch den Lebensstil, z. B. durch Bewegungs- oder Schlafmangel. Hierbei können umschriebe-

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ja

nein

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Gezielte weiterführende Diagnostik inklusive Koloskopie

Abb. 1 9 Empfohlenes diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf RDS. A-Sono Abdomensonographie; Gyn gynäkologische Untersuchung; RDS Reizdarmsyndrom

ne Interventionen wie hypnotherapeutische Techniken, aber auch programmierte körperliche Aktivität zu einer relevanten Symptomlinderung führen [11, 12, 13]. Generelle Ernährungsempfehlungen gibt es beim RDS nicht. Vom Arzt sollten aber individuelle Triggerfaktoren, also v. a. definierte Nahrungsmittel, gezielt erfragt werden. In Abhängigkeit hiervon können entsprechende Ernährungs- und Verhaltensvorgaben empfohlen werden. So kann sich – bei entsprechenden anamnestischen Hinweisen – nach neueren Daten eine befristete, probatorische Restriktionsdiät günstig auswirken [Reduktion von Gluten oder spezielle fermentierbare Kohlenhydrate, sog. „fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols“ (FODMAP)].

Medikamentöse Therapie Gerade auch in der Behandlung der Schmerzen des RDS ist das individuelle Therapieansprechen nicht vorherzusehen. Hierüber muss der Patient zu Beginn der Therapie aufgeklärt werden. Generell kann jedes erfolgreiche Therapieregime fortgesetzt, als Bedarfs- oder Dauermedikation verändert oder im Auslassversuch unterbrochen werden. Bei unzureichender Symptombesserung können unterschiedliche medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien auch kombiniert werden. Ein medikamentöser Therapieversuch ohne Ansprechen sollte in Abhängigkeit vom Wirkprinzip und Zeitraum des zu erwartenden Effekts nach spätestens 3 Monaten abgebrochen werden. Darauf folgend wird eine andere Substanz eingesetzt.

Wenn nach wissenschaftlicher Datenlage ein therapeutischer Effekt zu erwarten ist, kann die Anwendung sog. Off-label-Therapien notwendig sein, aufgrund des benignen Verlaufs sollte dies jedoch erst nach sorgfältiger, individueller Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Ähnliches gilt für bislang lediglich im Ausland zugelassene Medikamente. Hier empfiehlt sich die Rücksprache mit einem spezialisierten Zentrum. Eine Übersicht über medikamentöse Therapieoptionen gibt . Tab. 1. Spasmolytika.  Sie sind die Therapie der ersten Wahl bei abdominalen Schmerzen, insbesondere auch bei Krämpfen. Neuere Metaanalysen – der vielfach eher älteren Einzelstudien – zeigten eine Überlegenheit von Spasmolytika gegenüber Placebo hinsichtlich der Schmerzreduktion bei RDS. Daher erhielten diese Substanzen in den neuen Leitlinien von 2011 einen starken Empfehlungsgrad. Gängige Medikamente sind z. B. Butylscopolamin, oder Mebeverin in der vom Hersteller empfohlenen Dosierung. Auch Pfefferminzöl kann eine effektive phytotherapeutische Alternative darstellen [14]. Probiotika.  Probiotika können bei allen Symptomen des RDS eingesetzt werden. Positive Ergebnisse wurden für unterschiedliche Präparate berichtet, die Studienqualität ist allerdings nicht immer überzeugend; entsprechende Trends werden auch in Metaanalysen reflektiert [15, 16, 17]. Nach wie vor ist aber unklar, welche Präparate welche Symptome lindern oder bei welchen Patienten sie besonders günstig sein sollen. Auch die potenzielle Wirkungsweise ist noch nicht geklärt. Diskutiert werden u. a. Modulationen von Immun- oder Barrierefunktionen. Dennoch erscheinen Therapieversuche angesichts des günstigen Nebenwirkungsprofils prinzipiell gerechtfertigt. Neben den wissenschaftlich untersuchten Bakterienstämmen ist im Handel eine Vielzahl weiterer (Misch-)Präparate verfügbar; hinzu kommt eine Fülle stark beworbener probiotischer Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungen, fast ausnahmslos mit fehlender oder allenfalls sehr schwacher Evidenzlage.

Zusammenfassung · Abstract Schmerz 2014 · 28:289–293  DOI 10.1007/s00482-014-1406-6 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014 M. de Greck · P. Layer · V. Andresen

Schmerztherapie beim Reizdarmsyndrom Zusammenfassung Das Reizdarmsyndrom (RDS) zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Charakteristisch sind chronische abdominale Schmerzen, die in der Regel mit Stuhlgangveränderungen einhergehen, ohne dass sich in der Routinediagnostik eine Ursache nachweisen ließe. Nach führendem Leitsymptom ist eine Unterteilung in einen ob­ stipations-/diarrhö-/blähungs- oder schmerzdominanten Typ sinnvoll. Das Verständnis der komplexen und multifaktoriellen Pathogenese und Pathophysiologie des RDS hat sich in den letzten Jahren erheblich erweitert. Grundlegend gestört sind u. a. die gastrointestinale Motilität, viszerale Sensorik sowie das mukosale Immunsystem. Wichtig für Arzt und Patient ist einerseits die rasche, sorgfältige Diagnosefindung durch Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen, andererseits aber auch eine klare Vermittlung der Diag-

nose als eigenständige, nicht bedrohliche Erkrankung. Beide Komponenten bilden die unabdingbare Basis für ein erfolgreiches Management dieser chronischen, die Lebensqualität oft schwerwiegend beeinträchtigenden Erkrankung. Die Schmerztherapie stützt sich auf allgemeine Behandlungsprinzipien sowie eine symptomorientierte medikamentöse Behandlung, wobei auch die anderen Symptome des Beschwerdekomplexes Berücksichtigung finden. Hierfür stehen mehrere Substanzen zur Verfügung, die als Bedarfsoder Dauermedikation angewendet werden können. Auch eine Kombinationstherapie ist möglich. Adjuvante bzw. supportive Effekte lassen sich mitunter mit nichtmedikamentösen (Allgemein-)Maßnahmen erzielen, die allein aber meist nicht zu einer befriedigenden Gesamtlinderung führen. Zu den medikamentösen Therapieoptionen zählen Spas-

molytika, Stuhlregulierung, Phytotherapeutika und Probiotika. Insbesondere bei psychischen Komorbiditäten können Antidepressiva eingesetzt werden. Zu den modernen, effektiveren und besser evidenzbasierten Therapieansätzen gehören der Guanylatcyclase-C-Agonist Linaclotid beim ObstipationsRDS, das lokal wirksame Antibiotikum Rifaximin beim Blähungs-RDS und 5-HT3-Antagonisten beim Diarrhö-RDS. In therapierefraktären Fällen oder bei psychischen Komorbiditäten sollten psychotherapeutische Aspekte in eine interdisziplinäre Betreuung eingeschlossen werden. Schlüsselwörter Therapiemanagement · Spasmolytika · Linaclotid · Probiotika · Psychotherapie

Pain therapy in irritable bowel syndrome Abstract Irritable bowel syndrome (IBS) is one of the most common gastrointestinal diseases. It is characterized by chronic abdominal pain, typically associated with altered bowel habits that cannot be explained by structural abnormalities in routine diagnostic workup. Based on the predominant symptom, IBS can be divided into different subtypes: IBS with predominant constipation, diarrhea, bloating, or pain. Knowledge about the complex and multifactorial IBS pathophysiology has increased tremendously in recent years, e.g., IBS may be related to alterations in gastrointestinal motility, visceral sensitivity, and the mucosal immune system. It is important, both for the patient and the physician, that IBS diagnosis is made quickly and thor-

Phytotherapeutika.  Phytotherapeutika wie STW-5 sind zur Behandlung des schmerzdominanten RDS zugelassen. Ihre Wirkung beruht wahrscheinlich sowohl auf einer spasmolytischen Wirkung als auch auf einer Modulation der gastrointestinalen Motilität [10, 18]. Ballaststoffe.  Insgesamt kann ein verbessertes Stuhlverhalten mit einer allgemeinen Symptomlinderung einhergehen, sodass auch für das Symptom Schmerz ein Therapieversuch mit löslichen Bal-

oughly based on the typical symptom complex and exclusion of relevant differential diagnoses and to reassure the patient that IBS is a chronic, but benign disease. These components are the fundamental basis for a good patient–physician relationship and for a successful long-term management of this potentially very compromising disorder. IBS therapy is based on general measures as well as symptom-oriented medical therapy, where improvement of abdominal pain is one of the main goals in treating IBS patients. Several pain treatment options are available, which may be used long-term or on demand and which may be combined with other therapies. General medical approaches include antispasmodics, improvement of bowel func-

laststoffen wie Flohsamenschalenpräparaten gerechtfertigt ist [9]. Unlösliche Ballaststoffe wie Weizenkleie hingegen sind meist kontraproduktiv [14, 19]. Linaclotid.  Für das obstipationsdominante RDS ist seit 2013 der Guanylatcyclase-C-Agonist Linaclotid zugelassen, der über eine vermehrte Freisetzung von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) zwei therapeutische Wirkungen hat: eine modulierende Wirkung auf sensorische Schmerzafferenzen (resultie-

tion, phytotherapy, and probiotics. Especially in patients with psychological comorbidities, antidepressants may be used. Modern drug treatments include the GC-C agonist linaclotide in IBS with predominant constipation, the locally acting antibiotic rifaximin in IBS with bloating, and 5-HT3 antagonists in IBS with predominant diarrhea. Psychotherapy should be included in an interdisciplinary approach in refractory cases or in psychological comorbidity. Keywords Therapy management · Antispasmodics · Linaclotide · Probiotics · Psychotherapy

rend in ausgeprägten analgetischen Effekten) und eine Steigerung der intestinalen Wassersekretion (resultierend in antiobstipativen Wirkungen; [20]). Entsprechend der therapeutischen Hauptwirkung muss allerdings bei bis zu 20% der mit Linaclotid behandelten Patienten mit Diarrhöen als hauptsächliche Nebenwirkung gerechnet werden. Die Patienten sind vor Therapiebeginn entsprechend aufzuklären. In mehreren großen Phase-III-Studien erwies sich das Präparat als sehr effektiv bei der Behandlung von Schmerzen Der Schmerz 3 · 2014 

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Schwerpunkt Tab. 1  Medikamentöse Therapieoptionen bei RDS mit Leitsymptom Bauchschmerz Medikamentengruppe Spasmolytika Lösliche Ballaststoffe

Hauptvertreter der Gruppe Butylscopolamin Flohsamenschalen

Probiotika

Diverse Präparationen

Phytotherapeutika

STW-5

Guanylatcyclase-  C-Agonist

Linaclotid

Antidepressiva

Diverse Substanzen (z. B. Amitriptylin, Citalopram)

Lokales Antibiotikum

Rifaximin (Off-label-Einsatz) Alosetron (nur in den USA); Ondansetron (Off-labelEinsatz)

5-HT3-Antagonisten

Kommentar Gut geeignet, insbesondere bei Krämpfen Eine Verbesserung des Stuhlgangs kann auch Bauchschmerzen bessern; allerdings können auch vermehrt Blähungen und eine Gesamtverschlechterung auftreten. Datenlage nicht eindeutig, aber Hinweise auf eine positive Wirkung Datenlage schwach, aber Hinweise auf eine positive Wirkung Überzeugende Wirksamkeit in Bezug auf Bauchschmerzen beim RDS; aufgrund einer deutlichen antiobstipativen Wirkung nur für Patienten mit RDS vom Obstipationstyp geeignet; erste verfügbare Wirksubstanz dieser Klasse ist Linaclotid. Datenlage uneinheitlich; am ehesten wirksam bei Patienten mit psychischen Komorbiditäten; trizyklische Antidepressiva aufgrund der obstipierenden Wirkung bevorzugt bei Patienten mit RDS und Diarrhö einzusetzen, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer auch bei Obstipation   Gute Wirksamkeit auch gegen Schmerzen beim RDS vom Diarrhötyp, aber eingeschränkte Verfügbarkeit aufgrund von potenziellen unerwünschten Wirkungen (häufig: Obstipation, selten: ischämische Kolitis)

RDS Reizdarmsyndrom.

und Blähungen. Es ist daher als das derzeit einzige Medikament anzusehen, mit dem eine umfassende Therapie des (obstipationsdominanten) RDS möglich ist [21, 22, 23, 24, 25].

grund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen nur nach strenger Indikationsstellung und bevorzugt bei psychischen Komorbiditäten einzusetzen. Das RDS ist eine Off-label-Indikation.

Antidepressiva.  Eine Vielzahl von Studien zur möglichen Rolle von Antidepressiva beim RDS liegt vor; die Ergebnisse der Einzelstudien wie auch verschiedener Metaanalysen sind aber kontrovers [26, 27]. Insgesamt scheint insbesondere bei psychischen Komorbiditäten der Einsatz von Antidepressiva vertretbar, wobei bei der Wahl der Präparate auch die potenziellen Effekte auf den Stuhlgang berücksichtigt werden sollten. Trizyklische Antidepressiva wirken obstipierend und bieten sich beim Diarrhötyp an, während sich beim Obstipationstyp eher der Einsatz von selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern empfiehlt. Zusammenfassend sind Antidepressiva auf-

5-HT3-Antagonisten.  Die positive Wirksamkeit von 5-HT3-Antagonisten auf Schmerzen und die allgemeine Symptomlinderung beim diarrhödominanten RDS wurde in mehreren prospektiven, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien nachgewiesen und in Metaanalysen bestätigt [25, 28]. Dies führte dazu, dass nach der Leitlinie in Einzelfällen eine Therapieempfehlung ausgesprochen werden kann. Es handelt sich allerdings um ein Reservemedikament, da es neben häufiger Obstipation in seltenen Fällen (etwa 0,1–0,2%) zum Auftreten einer ischämischen Kolitis kommen kann. Das RDS-Medikament Alosetron ist nur in den USA erhältlich. Hierzulande ver-

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Der Schmerz 3 · 2014

fügbare Substanzen mit gleichem Wirkmechanismus sind nicht zur Behandlung des RDS zugelassen. Rifaximin.  Für das lokal wirksame Antibiotikum wurde in großen randomisierten Studien gezeigt, dass beim nichtobstipierten RDS eine anhaltende Schmerzlinderung bewirkt werden kann. Auch hier handelt es sich um einen Off-label-Versuch [29]. Analgetika.  Klassische „Schmerzmittel“ sind beim RDS wahrscheinlich weniger gut geeignet. Die Datenlage ist allerdings schwach. Paracetamol zeigte sich in einer randomisierten, kontrollierten Studie gegenüber Placebo nicht überlegen [30]. Nichtsteroidale Antirheumatika wurden aufgrund ihrer bekannten unerwünschten Wirkungen auf den Gastrointestinaltrakt bislang nicht in größeren Studien beim RDS untersucht und werden nicht empfohlen. Opiate.  Von Opiaten als Schmerztherapeutikum wird abgeraten. Aufgrund der bekannten Beeinträchtigung der Darmfunktionen erscheinen diese Substanzen ungeeignet. Auch werden bei chronischem Gebrauch opiatinduzierte Schmerzen beobachtet.

Fazit für die Praxis Eine wichtige Säule der Therapie des RDS ist die gute und vertrauensvolle Verständigung zwischen Arzt und Patient. Hilfreich ist hierbei eine rasche Diagnosestellung mit sicherem Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen. Auch sollte das Krankheitsbild mit seiner Benignität dem Patienten sorgfältig erläutert und das Behandlungskonzept gemeinsam besprochen werden. Ziel der Therapie ist eine befriedigende Kontrolle der Symptome und somit eine Verbesserung der Lebensqualität. Jede Therapie ist zunächst probatorisch, ihre Dauer sollte im Vorfeld mit dem Patienten besprochen werden. Initial oder im weiteren Verlauf kann eine Kombinationstherapie mit mehreren Substanzen versucht werden. Zur Schmerzreduktion kann beim RDS ein Therapieversuch mit Spasmolyti-

ka erfolgen. Auch lösliche Ballaststoffe, Probiotika und Phytotherapeutika können einen positiven Einfluss auf die Symptomatik haben. Beim obstipationsdominanten RDS steht seit Kurzem der gut gegen Schmerzen wirksame Guanylatcyclase-C-Agonist Linaclotid zur Verfügung. Insbesondere bei psychischen Komorbiditäten können Antidepressiva erwogen werden. Weitere Therapieoptionen im Off-label-Einsatz sind 5-HT3-Antagonisten und das lokal wirksame Antibiotikum Rifaximin. In therapierefraktären Fällen oder bei psychischen Komorbiditäten sollten psychotherapeutische Aspekte in eine interdisziplinäre Betreuung eingeschlossen werden. Generell empfiehlt sich bei schwer behandelbaren Patienten die Konsultation eines spezialisierten Zentrums.

Korrespondenzadresse Dr. V. Andresen Medizinische Klinik, Israelitisches Krankenhaus, Lehrkrankenhaus der Universität Hamburg Orchideenstieg 14, 22297 Hamburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. de Greck: keine; V. Andresen: Beratung und Vorträge für die Firmen: Aptalis, AbbVie, Almirall, Mundipharma, Shire, Falk, NPS, Norgine;   P. Layer: Beratung und Vorträge für die Firmen: Aptalis, AbbVie, Almirall, Mundipharma, Shire, Norgine, Falk, NPS. Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Irritable bowel syndrome (IBS) is one of the most common gastrointestinal diseases. It is characterized by chronic abdominal pain, typically associate...
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