Kasuistiken Anaesthesist 2014 · 63:225–230 DOI 10.1007/s00101-014-2297-8 Eingegangen: 17. Juni 2013 Überarbeitet: 9. Januar 2014 Angenommen: 10. Januar 2014 Online publiziert: 27. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

B. Zwißler, München

Die fulminante Pneumokokkensepsis nach Splenektomie („overwhelming post-splenectomy infection syndrome“, OPSI) ist durch einen per­ akuten Verlauf von zunächst unspezi­ fischen Symptomen bis zum fulminanten septischen Schock gekennzeichnet. Wichtig ist das frühzeitige Erkennen der Patienten mit funktioneller oder anatomischer Asplenie oder Hyposplenie, um unverzüglich die Sepsistherapie zu beginnen. Es besteht die Notwendigkeit, die Sepsis als medizinischen Notfall zu begreifen.

Falldarstellung Anamnese Bei einem 63-jährigen männlichen Patienten bestand seit dem Morgen des Aufnahmetags ein akutes, schweres Krankheitsgefühl mit Fieber über 41°C. Der hausärztliche Notdienst verabreichte eine i.v.-Dosis Doxycyclin und verordnete die sofortige Klinikeinweisung. Da sich der Allgemeinzustand des Patienten dramatisch verschlechterte, wurde wenige Minuten später zusätzlich der Notarzt alarmiert. Dieser sah einen somnolenten Patienten im Schock mit Akrozyanose und blau-livider Marmorierung des Körperstamms. Die periphere Sauerstoffsättigung betrug 69%, der Blutdruck 115/20 mmHg bei einer Sinustachykardie von 147/min. Der Patient war hypoglykämisch (Wert nicht messbar). Noch vor der

C. Fuchs1 · C. Scheer1 · K. Schulz2 · F. Dombrowski3 · S. Brückmann3 · S.-O. Kuhn1 1 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsmedizin Greifswald 2 Friedrich Loeffler Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsmedizin Greifswald 3 Institut für Pathologie, Universitätsmedizin Greifswald

Fulminante Pneumokokkensepsis nach Splenektomie Klinikeinweisung wurde er intubiert und beatmet sowie mit Kristalloidinfusionen und Glucosegabe behandelt. Weitere Befunde: F linksseitige Nephrektomie und Splenektomie im Jahr 2005 bei Verdacht auf einen primären Nierentumor; Dia­gnose eines diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms in der Niere, Stadium IIIEB; vollständige Remission nach 6 Chemotherapiezyklen und Prednisolontherapie; F rechtsseitiger Mediainfarkt mit linksseitiger Hemiparese im Oktober 2009; F Stent-Implantation und perkutane transluminale Angioplastie wegen ca. 85%iger Stenose der rechtsseitigen A. carotis interna (gemäß Stenosegraddefinition des North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trial, NASCET) im Jahr 2009; F chronischer Nikotinabusus; F Gastritis, ausgeheiltes Ulcus ventriculi; F rechtsseitige Armplexusparese; F Osteosynthese durch γ-Nagel wegen linksseitiger pertrochantärer Femurfraktur im Jahr 2010.

bel; kein Meningismus; grobneurologisch kein Anhalt für neue Paresen; pulmonale Parameter: Lungen seitengleich belüftet, beidseitige Vesikuläratmung; Abdomen: weich, kein Druckschmerz, große reizlose Narbe am linken Oberbauch. Harnblase nicht gefüllt. Die bei Aufnahme ermittelten Laborbefunde sind in . Tab. 1 aufgeführt.

Diagnose Es wurde ein septischer Schock bei Vorliegen einer fulminanten Pneumokokkensepsis nach Splenektomie („overwhelming post-splenectomy infection syndrome“, OPSI) diagnostiziert.

Differenzialdiagnosen Folgende Differenzialdiagnosen waren in Betracht zu ziehen:

Klinische Untersuchungsbefunde Bei Klinikaufnahme (1.19 Uhr) bestanden folgende Vitalwerte: Blutdruck 100/40 mmHg, Sinustachykardie 125/ min, Rektaltemperatur 40,9°C. Die Haut war weiterhin blau-livide marmoriert (. Abb. 1). Weitere Untersuchungsbefunde: Pupillen isokor, eng und lichtreagi-

Abb. 1 8 Patient zum Aufnahmezeitpunkt Der Anaesthesist 3 · 2014 

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Kasuistiken Tab. 1  Laborbefunde Parameter

Einheit

Leukozyten Gpt/l Prokalzitonin (PCT) ng/ml C-reaktives Protein (CRP) mg/l Klinisch-chemische Laborwerte „N-terminal pro-brain natriu- pg/ml retic peptide“ (NT-proBNP) Troponin I µg/l Kreatininase (CK) µkatal/l Kreatininase-Myokardtyp µkatal/l (CK-MB) Myoglobin µg/l Glutamatdehydrogenase nkatal/l (GLDH) Aspartat-Aminotransferase µkatal/l (ASAT)/Glutamat-OxalacetatTransaminase (GOT) Alanin-Aminotransferase µkatal/l (ALAT)/Glutamat-PyruvatTransaminase (GPT) Harnstoff mmol/l Kreatinin µmol/l Gerinnungswerte „Activated partial thrombos plastin time“ (aPTT) Antithrombin % Quick-Wert % Thrombozyten Gpt/l Säure-Basen-Haushalt pH   Basenübschuss („base excess“, BE) Laktat Bikarbonat (HCO3−) Respiratorische Parameter Arterieller Sauerstoffpartialdruck (paO2) Arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) Zentralvenöse Sauerstoffsättigung (SzvO2) Urinstatus Leukozyten

Behandlungstag Auf2 3 nahme 16,9 23,0 18,9 a 390 331 a 225 271

4

29

26,6 194 263

17,9 a

153

Normwerte

4,3–10,0

[Overwhelming postsplenectomy infection syndrome].

The overwhelming postsplenectomy infection syndrome (OPSI) is a fulminant sepsis that is mainly caused by Streptococcus pneumoniae and is characterize...
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