Leitthema Ophthalmologe 2014 · 111:414–419 DOI 10.1007/s00347-013-2920-0 Online publiziert: 16. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Wolfram · N. Pfeiffer Augenklinik, Universitätsmedizin Mainz

Versorgungsforschung in der Augenheilkunde Die Augenheilkunde in Deutschland kann sich den Veränderungen der Gesellschaft und dem Wandel der Rahmenbedingungen nicht entziehen. Dazu zählen die demografische Alterung, die zu einer erheblichen Zunahme der ophthalmologischen Behandlungsfälle führt, aber auch ein Strukturwandel der augenärztlichen Versorgung, der u. a. durch einen Rückgang der ophthalmologischen Einzelpraxen und eine verstärkte Netzwerkund Zentrenbildung gekennzeichnet ist [1]. Angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen im Gesundheitswesen und zugleich einer wachsenden Anzahl von Diagnose- und Therapieverfahren in der Medizin wird auch die Frage der gerechten Mittelverteilung (Ressourcenallokation) immer drängender. In diesem Wettbewerb medizinischer Aufgabenfelder muss sich die Augenheilkunde sowohl gegenüber anderen medizinischen Fächern bewähren als auch innerhalb der eigenen Disziplin für eine faire Mittelverteilung sorgen. Die Definition einer „ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung“, wie sie das Sozialgesetzbuch V für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht [2], ist für die ophthalmologische Versorgung bisher nur unzureichend beantwortet. In den letzten Jahren sind sog. individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) als medizinisch gebotene, aber doch vom Patienten selbst zu bezahlende Untersuchungsmethoden eine alternative Finanzierungsoption in der ophthalmologischen Versorgung geworden, die von

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Patienten und Ophthalmologen offenbar bislang nolens volens weitgehend akzeptiert werden [1]. Noch ist nicht absehbar, ob in Zukunft der Umfang der augenärztlichen Versorgung bei der Erstattung durch die Krankenkassen weiter ausgedehnt wird oder ob nicht doch ähnlich dem Vorbild der Zahnheilkunde eine noch weiter reichende Privatisierung ophthalmologischer Versorgungsleistungen bevorsteht. Die deutsche Augenheilkunde kann auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken, in der es immer wieder Weiterentwicklungen und Neuerungen gegeben hat, die ihren Weg in die ophthalmologische Versorgung gefunden haben. Heute ist die Augenheilkunde wiederum gefordert, sich an veränderte Rahmenbedingungen und Möglichkeiten anzupassen. Mehr als in früheren Zeiten ist es dabei heute notwendig, empirisch belastbare Daten und Informationen über die Situation der flächendeckenden ophthalmologischen Versorgung bereitzustellen, um den Prozess der Anpassung an neue medizinische und gesellschaftliche Gegebenheiten aktiv zu begleiten und eine hohe Versorgungsqualität für die Breitenversorgung auch in Zukunft sicherzustellen.

Versorgungsforschung – Konzept und Methoden Die Analyse und Beschreibung medizinischer Versorgung nach wissenschaftlichen Kriterien hat sich neben der experimentellen und der klinischen Forschung in den letzten Jahren immer mehr zu einem eigenständigen Forschungsbereich entwickelt. Versorgungsforschung gilt da-

her mittlerweile auch als „dritte Säule“ der Gesundheitsforschung (. Abb. 1). Anders als die Grundlagenforschung, die unter experimentellen Bedingungen arbeitet, und auch anders als die klinische Forschung, die kontrollierte Idealbedingungen erfordert, geht es bei der Versorgungsforschung gemäß der Definition der Versorgungsforschung der Bundesärztekammer [4] um die Versorgung unter Alltagsbedingungen. Die Forschungsperspektive kann sich dabei sowohl auf eine individuelle Versorgungswirklichkeit beziehen als auch auf die der breiten Bevölkerung z. B. im Sinne von Nutzenabwägungen für eine größtmögliche Zahl von betroffenen Patienten.

»

Bei der Versorgungsforschung geht es um die Versorgung unter Alltagsbedingungen Idealerweise ergibt sich zwischen den Forschungsbereichen auch eine Interaktion: So ermöglicht die Nähe der Versorgungsforschung zur Alltagspraxis eine empirische Überprüfung theoretischer Diagnose- oder Therapieverfahren, die aus der Grundlagen- und klinischen Forschung hervorgegangen sind. Auch umgekehrt können Erkenntnisse der Versorgungsforschung wiederum die Entwicklung neuer Projektvorhaben in den anderen Forschungsbereichen induzieren und auf diese Weise theoriebildend wirken. Im angelsächsischen Bereich ist für den Begriff „Versorgungsforschung“ die Bezeichnung „outcome research“ geläufig, ebenso wird auch der Begriff „health services research“ verwendet. Während im ersten Begriff eine stärkere Konnotation

Zusammenfassung · Abstract Ophthalmologe 2014 · 111:414–419 DOI 10.1007/s00347-013-2920-0 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Grundlagenforschung

Klinische Forschung

Versorgungsforschung

C. Wolfram · N. Pfeiffer

erforscht Prinzipien der Wirksamkeit unter Laborbedingungen

erforscht Wirksamkeit unter Studienbedingungen

erforscht Wirkungen unter Alltagsbedingungen

Theorie

Praxis

Versorgungsforschung in der Augenheilkunde

Abb. 1 9 Säulen der Gesundheitsforschung. (Mod. nach Franzke/ Augustin [3])

VERSORGUNGSAUFTRAG

Schlüsselwörter Epidemiologie · Outcomes · Deutschland · Wissenschaft · Methoden

Input Bedarf, Infrastruktur, Finanzierung

Outcomes and health services research in ophthalmology

VERSORGUNGSPROZESS Throughput Art, Umfang und Qualität der Leistungserbringung

VERSORGUNGSERGEBNIS Outcomes: Patientenperspektive, Lebensqualität, Nutzen

mit dem Ergebnis von Gesundheitsleistungen und insbesondere der Patientenperspektive verbunden ist, sind im zweiten Begriff auch Analysen der Strukturen und Prozesse der Gesundheitsversorgung berücksichtigt. Der deutsche Begriff von „Versorgungsforschung“ (vgl. Pfaff [5]) verbindet die verschiedenen Ebenen der Versorgung (. Abb. 2). Bei Versorgungsforschung handelt es sich um ein Forschungsgebiet, in das verschiedene Disziplinen und Methoden Eingang finden, denen eine Orientierung an hohen wissenschaftlichen Kriterien und Standards [7, 8] gemeinsam ist. Enge Verknüpfungen ergeben sich mit der Epidemiologie, Gesundheitsökonomie und der medizinischen Statistik, aber auch mit der Psychologie und der empirischen Sozialforschung.

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Zusammenfassung Dieser Beitrag beschreibt die Bedeutung von Versorgungsforschung für die Augenheilkunde in Deutschland. Zunächst wird der Bedarf nach Informationen und Daten über das Versorgungsgeschehen in der Ophthalmologie skizziert, um anschließend das Konzept sowie Ziele und Methoden von „Versorgungsforschung“ zu erklären und anhand von Beispielen bestehender Projekte mit Bezug zur ophthalmologischen Versorgung zu illustrieren. Ein Ausblick auf zukünftige Themen- und Forschungsfelder wird aufgezeigt und der Weg für eine festere Verankerung der Versorgungsforschung innerhalb der wissenschaftlichen Augenheilkunde beschrieben.

Abb. 2 9 Ebenen der ophthalmologischen Versorgungsforschung. (Mod. nach Pfaff [6])

Ursprünglich wurde Versorgungsforschung primär von fachübergreifenden Institutionen betrieben, die die verschiedenen methodischen Ansätze gebündelt haben. In den letzten Jahren hat sich immer mehr auch innerhalb einzelner medizinischer Fachrichtungen eine eigenständige Versorgungsforschung etabliert, um den fachspezifischen Fragestellungen Rechnung zu tragen (vgl. [9, 10]). Seit 2006 existiert mit dem Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung (http://www. dnvf.de) eine Anlaufstelle, die durch interdisziplinäre Arbeitsgruppen und Ausbildungskurse sowie einen jährlichen Kongress für Versorgungsforschung den Austausch zwischen Versorgungswissenschaftlern fördert und die einzelnen medizinischen Fachbereiche bei der Etablie-

Abstract This article describes the role of outcomes and health services research in the field of ophthalmology in Germany. First, the need for more information and data on the performance of ophthalmic care in Germany is explored. The concept, goals and methods of outcomes and health services research are explained and illustrated by examples of already existing research projects in ophthalmology. Future topics for research projects are highlighted. The article also describes how the field of outcomes and health services research can become a more important part within the scientific ophthalmological community in Germany. Keywords Epidemiology · Outcomes research ·   Germany · Science · Methods

rung einer eigenen Versorgungsforschung unterstützt.

Versorgungsforschung in der Augenheilkunde In der Augenheilkunde gab und gibt es bereits eine Vielzahl wissenschaftlicher Projekte mit einem Bezug zur ophthalmo-

Tab. 1  Aufgaben, Ziele und Aktivitäten der ophthalmologischen Versorgungsforschung Teilbereiche der ophthalmologischen Versorgungsforschung Epidemiologie

Aufgaben und Zielsetzung

Themenfelder

– Erfassung der ophthalmologischen Krankheitslast („disease burden“) in der Bevölkerung, Identifikation von Risikokonstellationen – Adjustierung des Versorgungsangebotes an den Bedarf

Gesundheitsökonomie

– Bestimmung von Aufwand und Effizienz ophthalmologischer Versorgung – Gewährleistung einer nachhaltigen und suffizienten Finanzierung der Augenversorgung

– Bevölkerungsgesundheit – Prävalenz und Inzidenz von Augenkrankheiten sowie von Blindheit und Sehbehinderung – Assoziationen mit anderen ophthalmologischen und systemischen Erkrankungen – Analyse von Risikofaktoren – Demografie und Augenheilkunde – Finanzierung der Augenversorgung – Krankheitskostenrechnungen – Nutzenbewertung

Versorgungspraxis und -qualität

– Beschreibung und Analyse der Quantität und Qualität von Versorgungsprozessen – Identifikation von Versorgungsengpässen und -mängeln – Sicherstellung und Verbesserung der Versorgungsqualität

Patientenperspektive

– Messung und Bewertung von Lebensqualität, Beschreibung und Analyse von Patientenbedürfnissen und -präferenzen – Verbesserung des Informationsstands von Patienten, individuelle Anpassung von diagnostischen und therapeutischen Strategien, Verbesserung der Zusammenarbeit und Compliance

Gesundheitssystem

– Beschreibung und Analyse der ophthalmologischen Versorgung im Systemkontext – Entwicklung und Implementierung von Versorgungsstrategien – Verbesserung der Datenlage über die ophthalmologische Versorgung – Stärkung der gesundheitspolitischen Lobby der Augenheilkunde – Konkrete Projekte zur Optimierung und Weiterentwicklung der ophthalmologischen Versorgung

Versorgungskonzepte

logischen Versorgung. Um eine Übersicht über bisherige und aktuelle Forschungsvorhaben zu erstellen, wurden eine Umfrage unter den Leitern aller deutschen Augenkliniken (36 Universitätskliniken sowie 71 städtische Kliniken) sowie eine

– Art und Umfang von Augenoperationen und -behandlungen – Behandlungsqualität und Behandlungsfehler – Leitlinienimplementierung – Register – Identifikation und Umgang mit Risikogruppen – Analyse von Operationen und Arzneimittelgebrauch – Einsatz neuer Diagnose- und Therapieverfahren – Lebensqualitätsstudien – Patientenzufriedenheit – Patientensicherheit – Patientenverhalten und -präferenzen – Arzt-Patienten-Beziehung

– Länderübergreifende Vergleichsstudien – Regionalisierung der Versorgung – Sektorenvergleiche – Fachübergreifende Vergleiche – Trendstudien – Arbeitsbedingungen – Kooperationen u. a. mit der Selbsthilfe – Screening- und Präventionsprojekte – Entwicklung Implementierung neuer Diagnose- und Therapieverfahren

Literatur- und Internetrecherche durchgeführt. Es zeigt sich, dass in vielen Teilbereichen der Versorgungsforschung bereits ophthalmologische Forschungsprojekte erfolgt sind oder aktuell stattfinden. In . Tab. 1 werden Ziele, Aufgabenfel-

Beispiele bestehender Forschungsaktivitäten mit Versorgungsbezug – Gutenberg Health Study, Mainz [11] – Beijing Eye Study, Mannheim [12] – Central India Eye Study, Mannheim [13, 14] – Häufigkeit und Trends von Blindheit und Sehbehinderung [15, 16, 17, 18, 19] – Krankheitskosten bei AMD [20, 21] – Kosteneffektivität von Kataraktoperationen [22] – Gesundheitsökonomie bei Glaukomscreening [23] – Jährliche Umfrage zur ambulanten Intraokularchirurgie, DGII, BVA, BDOC, DOG [24] – Weißbuch zur Situation der ophthalmologischen Versorgung [1] – IVOM-Kataster, Freiburg – Analyse Versorgungssituation und Trends in der operativen Augenheilkunde, Freiburg – Deutsches Keratoplastik-Register – Homburg Keratoconus Center (HKC) – AMD-Netzwerk NRW [25] – Lebensqualitätsmessung [26, 27] – Lebensqualität bei ausgewählten ophthalmologischen Erkrankungen [28, 29, 30, 31] – Patientenzufriedenheit [32] – Arzt-Patienten-Kommunikation [33] – Projekt zur ganzheitlichen Betreuung älterer Menschen mit Sehbehinderung (LOTSE), Frankfurt – Augenheilkunde im Kontext des deutschen Gesundheitssystems [34, 35, 36] – Ländervergleich Deutschland und Großbritannien am Beispiel der Behandlung der feuchten AMD [37] – Arbeitsbedingungen für den Nachwuchs [38] – Netzwerk „Sehen im Alter“ [39] – Versorgungsforschungsstudie Teletonometrie zum Homemonitoring in der Augenheilkunde [40]

der und Themenbereiche sowie exemplarische Projekte für verschiedene Teilbereiche der ophthalmologischen Versorgungsforschung zusammengestellt. Die befragten Leiterinnen und Leiter deutscher Augenkliniken wurden weiterDer Ophthalmologe 5 · 2014 

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Leitthema Tab. 2  Auswahl der Themenwünsche für

Versorgungsforschungsprojekte Augenversorgung nach Regionen (Stadt/ Land und nach Bundesländern) Vergleich der Augenversorgung in Deutschland mit dem europäischen und außereuropäischen Ausland Einfluss von IGeL auf den Zugang und das Ergebnis der ophthalmologischen Versorgung Patientenpräferenzen und -verhalten in der IVOM-Therapie Veränderung der Sektorengrenzen ambulant und stationär in der Augenversorgung Netzwerk- und Zentrenbildung aus der Sicht von Augenärzten und Patienten Arbeitszufriedenheit und Burnout unter Ophthalmologen Regelmäßige Versorgungsberichte für die ambulante und stationäre ophthalmologische Versorgung Aufbau eines nationalen Blindenregisters Tumorregister für Augentumore Einstellungen und Berufswünsche hinsichtlich der Augenheilkunde unter Studierenden Struktur der Weiterbildung in Kliniken, Praxen und ambulanten Operationszentren Versorgungsverhältnis zur Optometrie Ophthalmologische Versorgung von Altenheimbewohnern und von Schwerstkranken Qualitätssicherung in der Kataraktchirurgie Etablierung nationaler Standards für die augenchirurgische Ausbildung Mindestmengen in der operativen Augenheilkunde Qualität der Femtosekundenlaser-assistierten Kataraktchirurgie in Deutschland Fehlerarten und -häufigkeiten in der Augenchirurgie Endophthalmitisprophylaxe Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Augenheilkunde Verbesserung des elektronischen Datenaustauschs zwischen Kliniken und niedergelassenen Augenärzten Mehr Screening- und Präventionsprojekte für Augenkrankheiten Mehr Informationsplattformen für Patienten

hin gebeten, konkrete Versorgungsthemen anzugeben, für die sie sich eine tiefere wissenschaftliche Erforschung wünschen. Die . Tab. 2 gibt eine Auswahl der Themenwünsche an.

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Weitere Etablierung und Festigung der ophthalmologischen Versorgungsforschung Offenkundig besteht ein hoher Bedarf an Daten und wissenschaftlich gesicherten Informationen über das Versorgungsgeschehen in der Augenheilkunde. Dieses Wissen ist essenziell im Kampf um die limitierten Ressourcen im Gesundheitswesen, aber auch für die Planung und Architektur der ophthalmologischen Versorgung selbst. Es ist daher notwendig, ein entsprechendes Angebot an Informationen und Wissen bereitzustellen durch eine feste Verankerung von Versorgungsforschung in der Augenheilkunde. Dazu sollten einige Grundsätze und leitende Prinzipien beachtet werden. Finanzierung und Kooperationen.  Versorgungsforschung in der Augenheilkunde braucht Förderungen. Der hohe Praxisbezug der Versorgungsforschung bietet viele Anknüpfungspunkte und gemeinsame Interessen mit der Industrie als auch mit einzelnen Gruppen der Leistungserbringer oder politischen Institutionen. In vielen Fällen gibt es keine wesentliche Differenz zwischen diesen Interessen und den Zielen der wissenschaftlichen Institutionen. Dann sind Kooperationen und Förderungen beiderseitig wünschenswert und oft auch wenig problematisch. Dennoch sollte eine zu große Nähe oder Einseitigkeit von versorgungswissenschaftlichen Erkenntnissen im Sinne der Wahrung wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit vermieden werden. Dazu sollte eine möglichst unabhängige Grundfinanzierung der Versorgungsforschung gewährleistet sein. Kontext und Koordination.  Forschungsprojekte mit Bezug zur ophthalmologischen Versorgung wie sie in . Tab. 1 zusammengefasst sind, waren in der Vergangenheit oftmals wissenschaftliche Einzelprojekte und nicht immer als Versorgungsforschung erkennbar. Wenn es in Zukunft gelingt, eine kritische Masse an Forschungsprojekten und -methoden zusammenzuführen (gerade aus den nicht immer deckungsgleichen Bereichen Versorgungsforschung und Epidemiologie),

können größere Versorgungskontexte erschlossen und beschrieben werden. Verfügbarkeit von Versorgungsinformationen.  Informationen über das ophthalmologische Versorgungsgeschehen sollten einfacher als bislang zu beziehen sein. Eine wichtige und bislang kaum erschlossene Datenquelle für Versorgungsfragen sind Routinedaten der Krankenkassen, die zu Forschungszwecken in Zukunft leichter zugänglich gemacht werden sollen. Der Aufbau einer gemeinsamen Anlaufstelle z. B. in Form einer übersichtlichen Datenbank, die die bereits vorhandenen Versorgungsdaten und Literaturangaben bündelt, wäre daher wünschenswert. Für einzelne ophthalmologische Krankheiten könnten zudem Krankheitsregister neue und gerade für Patienten relevante Informationen bereitstellen. Vernetzung.  Versorgungsforschung ist multidisziplinär. Qualitativ hochwertige Forschungsvorhaben brauchen daher eine enge Zusammenarbeit auch mit Fachdisziplinen außerhalb der Augenheilkunde, was zudem Synergieeffekte ermöglicht. Eine größere Präsenz der deutschen Ophthalmologie innerhalb der bestehenden Institutionen der Versorgungsforschung sollte angestrebt werden. Patientenorientierung.  Versorgungsforschung zielt auf die Gewährleistung einer effektiven und effizienten Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung ab, die den Belangen des Patienten möglichst optimal gerecht wird. Der Erforschung der Interessen und Belange von Patienten sollte in der ophthalmologischen Versorgungsforschung daher besondere Aufmerksamkeit gelten.

Fazit für die Praxis F Die Veränderungen und Herausforderungen in der Augenheilkunde der letzten Jahre machen deutlich, dass es notwendig ist, mehr Daten und Fakten über die Versorgung der Bevölkerung mit augenärztlichen Leistungen bereitzustellen. F Wichtig für die Zukunft wird sein, dass sowohl die Analyse als auch die Deutungshoheit über diese Versorgungs-

informationen innerhalb der Augenheilkunde selbst angesiedelt sein sollten. Versorgungsforschung bietet dafür einen geeigneten wissenschaftlichen Rahmen, um die verschiedenen Aktivitäten und Forschungsmethoden sinnvoll zu verbinden. F Die Zusammenstellung bisheriger Projekte der ophthalmologischen Versorgungsforschung in Deutschland zeigt, dass es bereits vielfältige versorgungsrelevante Studienprojekte in der deutschen Augenheilkunde gibt. F Eine engere Koordination der verschiedenen Beteiligten und eine intensivere Kooperation und Förderung können helfen, Versorgungsforschung als einen eigenen Schwerpunkt innerhalb der forschenden Ophthalmologie zu verankern.

Korrespondenzadresse Dr. C. Wolfram Augenklinik, Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C. Wolfram gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.     Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Outcomes and health services research in ophthalmology].

This article describes the role of outcomes and health services research in the field of ophthalmology in Germany. First, the need for more informatio...
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