Ossär destruierend wachsender Tumor der Kalotte: Seltene Differentialdiagnose eines intraossären Meningeoms

Einleitung

Fallbeschreibung

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Meningeome bilden mit 20 – 25 % aller Gehirntumoren die Gruppe der häufigsten gutartigen, intrakraniellen Tumoren. Sie entstehen aus Entartung arachnoidaler Zellen. Zumeist handelt es sich um intrakranielle Tumoren mit verdrängendem Wachstum. Typische Lokalisationen sind die Falx cerebri, der Keilbeinflügel und die Olfaktoriusrinne. Die seltenste Manifestation sind extradurale Meningeome. Ihr Auftreten wurde bisher unter anderem für die Orbita, die Nasennebenhöhlen, den Oro- und Nasopharynx und die Haut beschrieben (Lang F et al. J Neurosurg. 2000; 93: 940). Circa zwei Drittel aller extraduralen Meningeome manifestieren sich primär in Knochengewebe. Ein Großteil dieser primär intraossären Meningeome (PIM) wiederum findet sich in den Schädelknochen (Lang F et al. J Neurosurg. 2000; 93: 940). Hinsichtlich der Knocheninfiltration gibt es drei Subtypen. Der Häufigste ist der osteoblastisch wachsende, seltener werden osteolytisch destruierende oder Mischformen gefunden (Crawford TS et al. J Neurosurg. 1995; 83: 912). Wir berichten über den Fall einer Patientin mit osteolytisch wachsendem Tumor der Kalotte.

Bei einer 71-jährigen Patientin wurde wegen psychischer Verhaltensauffälligkeiten ein Computertomogramm (CT) des Kopfes angefertigt. Zur weiteren Abklärung erfolgten die Durchführung einer Magnetresonanztomographie (MRT) und eine neurochirurgisch geführte Biopsie zur histopathologischen Begutachtung.

In der initialen Bildgebung des Cerebrums zeigte das CT eine ausgedehnte singuläre Osteolyse rechts dorsoparietal " Abb. 1a). Der Schwerpunkt lag in der (● Diploe mit Destruktion der Tabula interna, während die Tabula externa balloniert wurde. Ein Tumorsubstrat war nach " Abb. 1b). intrakraniell gerichtet (● Im MRT ließ sich entsprechend zum CT eine Auftreibung der ossären Strukturen nachweisen (ca. 48 × 15 mm). Die Läsion zeigte in der Diffusionsbildgebung eine Signalanhebung innerhalb der Menin" Abb. 2a). In der gen und der Kalotte (● T2-Wichtung fanden sich eine Inhomogenität sowie eine Signalanhebung " Abb. 2b). Die T1-Wichtung erbrachte (● " Abb. 2c). Die ein abgesunkenes Signal (● Kontrastmittelaufnahme erfolgte homo" Abb. 2 d). Die Biopsie ( " Abb. 3) gen (● ● erbrachte die Diagnose eines meningothelialen Meningeoms (WHO Grad I). Die

Abb. 1 CT des Kopfes. a Osteolyse rechts dorsoparietal mit Destruktion der Tabula interna und einer Ballonierung der Tabula externa. b Nach intrakraniell gerichteter Tumoranteil (Pfeil).

Abb. 2 MRT des Kopfes in verschiedenen Wichtungen. Rechts dorsoparietal zeigt sich jeweils die osteolytische Läsion. a DWI – Signalanhebung der Läsion. b Axiale T2w TSE-Sequenz – Signalanhebung im Bereich der Os-

teolyse. c Axiale T1w SE-Sequenz – Signalabsenkung der Läsion. d Kontrastmittelgestützte (Gadolinium), axiale T1w SE-Sequenz – Signalanhebung der Läsion.

Schrum A et al. Ossär destruierend wachsender … Fortschr Röntgenstr 2015; 187: 187–188 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1385014

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The Interesting Case

The Interesting Case

Abb. 3 Histologisches Präparat der chirurgisch gewonnenen Biopsie. a HE-Färbung. Kleinere Infiltrate eines meningothelialen Tumors (schwarze Pfeile) innerhalb eines zellarmen, derben Bindegewebes (Sternchen) in enger Assoziation zum Knochen (weißer Pfeil). Das Inset stellt einen Psammomkörper dar. b Immunreaktivität für Vimentin und c EMA (epitheliales membran antigen).

Patientin wünschte keine Therapie. Die Läsion wird halbjährlich per MRT verlaufskontrolliert und zeigt bisher seit 1 1/2 Jahren keine Größenprogredienz.

Diskussion !

Die durch das initiale MRT gegebene Befundkonstellation der einzelnen Wichtungen war insgesamt meningeomtypisch (Whittle IR et al. Lancet. 2004; 363: 1535) und wies somit eine differentialdiagnostische Richtung. Die Biopsie erbrachte schließlich die Befundsicherung eines meningothelialen Meningeoms (WHO Grad I). Dieses gehört zu den häufigsten Subtypen und zeichnet sich in der Regel durch ein langsames, nach intrakraniell verdrängendes Wachstum ohne histologische Malignitätskriterien aus. Die Dura, der angrenzende Knochen und die Muskulatur können diffus infiltriert werden. Etwa 4,5 % aller Meningeome führen bei einer Infiltration des Knochens zu einem proliferativen Knochenwachstum. Bei den PIM ist mit einer hohen Rate (ca. 60 %) ebenfalls am häu-

figsten ein osteoblastisches Wachstum zu finden. Differentialdiagnosen lytischer Läsionen bei jüngeren Menschen unter 30 Jahren sind u. a. Eosinophile Granulome, Fibröse Dysplasien und eine sklerosierende Osteomyelitis (Klisch J et al. Pediatr Neurosurg. 2002; 36: 128). Bei über 50-jährigen sind es vor allem Metastasen, Multiple Myelome, der M. Paget und seltener das PIM. Die hier im initialen CT gefundene Osteolyse ließ somit primär nicht an ein Meningeom denken. Eine Diskussion über eine mögliche Ätiologie dieser seltenen Tumorentitäten, der PIM, stützt sich auf eine Dysontogenesetheorie. Es wird angenommen, dass während der Schädelentwicklung eine Versprengung von Arachnoidalzellen in die Suturen den Grundstein für die spätere Entwicklung eines PIM legt (Crawford TS et al. J Neurosurg. 1995; 83: 912). In diesem Fall schlossen Ausläufer der Osteolyse die Lambdanaht ein, während die zentrale Osteolyse parietal der Sutura lambdoidea lag. Einer späteren Entwicklung eines PIM könnten traumatisch bedingte Frakturen

zugrunde liegen, in deren Umgebung im Verlauf solche Meningeome beschrieben wurden. In dem hier beschriebenen Fall war kein Trauma erinnerlich. Zuletzt bleibt die Frage nach dem primären Ursprung der Tumorzellen. Neben dem PIM ist eine weitere seltene Meningeomentität das so genannte Meningeom en plaque, das flächig entlang der Dura wächst. Es fehlt das verdrängende Wachstum nach intrakraniell. Die Kalotte wird bei Infiltration diffus infiltriert. Auch diese Untergruppe führt jedoch zumeist zu einer Hyperostosis (Matschke J et al. Anticancer Res. 2011; 31: 591). Letztlich bleibt unklar, ob das hier gefundene Meningeom seinen Ursprung intraossär nahm und nach dural expandierte oder ob primär die Dura flächig infiltriert wurde und die Ausdehnung nach intraossär fortschritt. Insgesamt zeigt dieser Fall jedoch eine seltene Manifestationsform eines benignen Meningeoms.

Kernaussagen !

1. Eine Osteolyse in der Kalotte ist eine zwar seltene Manifestation eines Meningeoms, muss aber differentialdiagnostisch bedacht werden. 2. Eine Osteolyse, die durch ein Meningeom verursacht wurde, ist eine der wenigen, die mit „watch and wait“ adäquat behandelt werden. 3. Goldstandard: die MRT. Sie dient der Visualisierung der duralen und parenchymatösen Ausdehnung sowie eines peritumoralen Ödems und letztlich der OP-Planung. Die CT dient ergänzend der Beurteilung der knöchernen Ausdehnung. A. Schrum, R. Andresen, R. Coras, Heide, Germany

Schrum A et al. Ossär destruierend wachsender … Fortschr Röntgenstr 2015; 187: 187–188 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1385014

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[Osteolytic behavior of a growing tumor of the calvarium: rare differential intraosseous meningioma diagnosis].

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