Mund Kiefer GesichtsChir 2001 · 5 : 339–340 DOI 10.1007/s100060100332

Laudatio J. Prein Universitätsklinik für Wiederherstellende Chirurgie,Kantonsspital Basel

Bernd Spiessl zum 80. Geburtstag

Abb. 1  Prof. Dr. Dr. Bernd Spiessl

I

m Juli dieses Jahres feiert Prof. Dr. Dr. Bernd Spiessl (Abb. 1) seinen 80. Geburtstag, und ich freue mich als sein Schüler und Nachfolger an der KieferGesichts-Chirurgischen Klinik in Basel ihm im Namen aller seiner Mitarbeiter und Freunde herzlich gratulieren zu können. Geboren wurde B. Spiessl 1921 in Nittenau, Bayern. Nach dem Abitur 1940 in Regensburg erfolgte zunächst der Militärdienst beim Panzerregiment in Erlangen mit Einsätzen an der Ostfront. Zum Zeitpunkt des Kriegsendes geriet er an der Westfront von 1944–1947 in Kriegsgefangenschaft. Somit konnte er

erst zu diesem Zeitpunkt die Studien für Medizin und Zahnmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München aufnehmen und dort mit den Staatsexamina 1951 bzw. 1952 abschließen. Daran anschließend erfolgte eine chirurgische Ausbildung in Schwandorf und an der Chirurgischen Unviversitätsklinik München, die mit einer Dissertation über den Ikterus abgeschlossen wurde. 1955 trat B. Spiessl als Assistent in die Nordwestdeutsche Kieferklinik in Hamburg bei Prof. Schuchardt ein. Neben der dortigen Fachausbildung beschäftigte er sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund der gewonnenen Erfahrungen in der Chirurgie in München mit der endotrachealen Narkose insbesondere bei Tumorpatienten und Kleinkindern mit LippenKiefer-Gaumen-Spalten. Die spezielle Technik der endotrachealen Intubation bei Säuglingen wurde in einer 2. Dissertation festgehalten. Außerdem führte er die intraoperative Infusions- und Transfusionstherapie in die Klinik ein, durch die eine signifikante Prophylaxe des Ombrédanne-Syndroms erzielt wurde. Gleichzeitig mit der Ernennung zum Oberarzt 1960 übertrug Prof. Schuchardt ihm sowohl die Behandlung der Tumorpatienten als auch die Stellvertretung während seiner Abwesenheit. Als Anerkennung für die Einführung einer systematischen Nachsorge und Dokumentation von Tumorpatienten in Zusammenarbeit mit dem Strahleninstitut St. Georg (Prof. Gauwerki) – gleichzeitig zum Zweck einer koordinierten Therapieplanung – erfolgte die

Verleihung des Konjetzny-Preises der Nordwestdeutschen Gesellschaft für Chirurgie. Für ihn, der sich vorwiegend mit dem klinischen Krebsproblem befasste, war unstrittig, dass jeder Faktor von lokaler Tumorausbreitung, Lymphknotenbefall und Fernmetastasierung von essenzieller therapeutischer und prognostischer Relevanz ist. Angeregt durch die Erfahrungen mit der „staging-laparotomy“ als chirurgischem Prinzip einer Stadieneinteilung hat er das TNM-Prinzip kompromisslos akzeptiert. Das TNMSystem wurde damals vornehmlich in den Cancer Centers der USA (AJCC) entwickelt, während man sich in Europa nur zögernd mit dem Problem beschäftigte. In seiner Habilitationsschrift hat Spiessl sich 1962 mit den anatomischen Grundlagen der Tumorausbreitung als Basis für die Anwendung des TNM-Systems befasst und einen prinzipiengerechten Erstentwurf für das Mundhöhlenkarzinom vorgelegt. Die Arbeit erschien 1966 in einer Monographie des Thieme-Verlags: „Plattenepithelcarcinom der Mundhöhle: Grundlagen der Befunderhebung, Therapieplanung und

Online publiziert: 8. August 2001 © Springer-Verlag 2001 Prof. Dr. J. Prein Universitätsklinik für Wiederherstellende Chirurgie, Kantonsspital Basel, Spitalstraße 21, 4031 Basel, Schweiz, E-Mail: [email protected] Mund Kiefer GesichtsChir 6 · 2001

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Dokumentation“. Für diese Arbeit erhielt B. Spiessl den Wassmund-Preis der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Während des Jahreskongresses der Gesellschaft für Dokumentation und Statistik in Berlin war er 1965 Mitbegründer des von Prof. Hamperl, Bonn, initiierten „Deutschsprachigen TNMKomitees“ (DSK). Vom DSK wurde er dann als Nachfolger von Prof. Hamperl 1966 in das Komitee der UICC in Genf gewählt. Während seiner dortigen Tätigkeit, die aufgrund der Wiederwahl 12 Jahre umfasste, kreierte er mit Zustimmung der UICC den TNM-Atlas. Er bildete einen Ad-hoc-Arbeitskreis von onkologisch erfahrenen Fachvertretern, der in kurzen Abständen regelmäßig in Basel tagte. So erschien 1982 der erste TNM-Atlas, herausgegeben von B. Spiessl, O. Scheibe und G.Wagner, mit 311 Abbildungen als „illustrated guide to the classification of malignant tumours“ beim Springer-Verlag. Inzwischen ist die 5. Auflage erschienen und in 9 Sprachen übersetzt, sodass der Atlas entscheidend zur weltweiten Anwendung des TNMSystems beiträgt.Anlässlich der Ausgabe 1990 hat Lesli Sobin, AFIP, Washington, Chairman des UICC-TNM-Komitees, im Vorwort geschrieben: „Once the Atlas supported the World; now the World supports Spiessl’s Atlas“. Die Präzisierung der TNM-Kate gorien hing entscheidend von kontrollierten klinischen Studien (field trials) ab, die in den 60er Jahren fast ausschließlich vom AJCC durchgeführt wurden. Für Spiessl war dies Anlass, den DÖSAK (deutsch-österreichisch-schweizerischer Arbeitskreis für Tumoren im Kiefer-Gesichts-Bereich) gemeinsam mit Rudolf Fries und Horst Scheunemann zu gründen, um auch im deutschsprachigen Raum mit solchen Studien zu beginnen.Verbunden damit war sein Anliegen, auf interdisziplinärer Basis eine sachlich optimale Therapie, systematische Nachsorge sowie Dokumentation zu installieren. Dahinter stand die Idee, in den im Arbeitskreis (DÖSAK) integrierten Kliniken so genannte „MiniCancer-Centers“ aufzubauen, in Analogie zu den Head and Neck-Centers in den USA. Als UICC-Mitglied war er auch Mitglied des deutschen Arbeitskreises für Knochentumoren, damals von Prof. Uehlinger, Zürich, geleitet. Dieser war

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Laudatio für Spiessl die Schlüsselfigur für die Gründung des „Arbeitskreises für Knochentumoren des Gesichtsschädels“. Es erfolgte der Aufbau der Knochentumorregisters für die Belange des DÖSAK am Institut für Pathologie in Basel. Die Organisation übernahmen damals Wolfgang Remagen und Joachim Prein. Die Arbeit in diesem Register diente als Grundlage für eine Monographie:„Atlas der Tumoren des Gesichtsschädels“, 1985. B. Spiessl war 1966 an die Universität Basel berufen worden. Die Initiative ging von Prof. R. Nissen aus, der die Einrichtung einer kiefer- und gesichtschirurgischen Abteilung innerhalb der Chirurgischen Universitätsklinik wünschte. Angeregt wurde Prof. Nissen hierzu wahrscheinlich durch seine Begegnung mit Kazanjian in Boston. Im gleichen Sinn erfolgte 1968 durch Prof. Deucher, Chirurgie, Kantonsspital Aarau, die Anfrage, auch dort eine entsprechende Fachabteilung aufzubauen, und noch heute bilden diese beiden Abteilungen in Basel und Aarau eine Einheit. Die heute unbestrittene Anerkennung der Kiefer- und Gesichtschirurgie als chirurgische Spezialdisziplin nicht nur im Department für Chirurgie in Basel, sondern auch innerhalb der chirurgischen Fachgesellschaften der Schweiz (Voraussetzung 2 Jahre Ausbildung in Allgemeinchirurgie) ist das besondere Verdienst von B. Spiessl. Voraussetzung war der energische Einsatz Spiessls bei der schwierigen Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie, welche die Voraussetzung dafür war, in die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) aufgenommen zu werden und schließlich 1985 den Spezialarzttitel, damals Kieferchirurgie, heute Kiefer-Gesichts-Chirurgie in der Schweiz einzuführen. 1973 hat B. Spiessl als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie die funktionsstabile Osteosynthese nach den Prinzipien der AO im Bereich des mandibularen Bewegungsapparats zum Hauptthema gemacht. Trotz der damals zurückhaltenden bis ablehnenden Einstellung zur Plattenosteosynthese ist deren Anwendung für den gesamten Bereich des Gesichtsschädels inzwischen unbestritten akzeptiert. 1976 hat er auf Ersuchen der ostdeutschen Kollegen den „Internationalen Kongress für Kieferund Gesichtschirurgie“ in Basel organi-

siert und präsidiert, mit Akzentuierung auf Onkologie, Klassifikation und Rekonstruktion. Basel und Davos wurden zu einem Ausbildungszentrum der maxillofazialen Traumatologie. Weltweit haben sich die Prinzipien der AO-Schweiz durchgesetzt, initiiert durch die jährlich in Davos stattfindenden AO-Kurse, mit denen Spiessl Anfang der 70er Jahre begonnen hat. Ihm war klar, dass die klinischen Probleme nur durch Innovation gelöst werden können. Als ordentliches Mitglied der AO und der AO-International hatte er die volle Unterstützung des Schweizerischen Forschungsinstituts für experimentelle Chirurgie (Prof. Perren und Rahn) in Davos, was zu einer soliden Entwicklung in der Methodik und Technik der operativen Versorgung und auch in der Herstellung spezieller AOInstrumente führte. Zeichen der internationalen Anerkennung des erzielten Status ist der von der American Society of Maxillofacial Surgeons eingeführte “Bernd Spiessl-Award”. Der Preis wurde 1988 erstmals in Boston an Dieter Riediger „for the outstanding paper in plastic and reconstructive surgery“ verliehen. Mehr als 160 Publikationen, Buchbeiträge und Bücher in deutscher und englischer Sprache haben zu seinem bedeutenden internationalen Ruf beigetragen. Die 3 Preisverleihungen in Form des Wassmund-Preises (1963), des Konjetzny-Preises (1964) sowie des Dora-SeifPreises gemeinsam mit Joachim Prein (1985) können nur zu einem ganz geringen Teil als Anerkennung für seine große wissenschaftliche Leistung stehen. Nach meiner Meinung kann Bernd Spiessl mit Stolz auf das zurückblicken, was er in Basel und auch international erreicht hat. Seine unnachahmliche, warmherzige, menschliche Art gepaart mit bajuvarischer Direktheit hat seine Mitarbeiter immer wieder beeindruckt und war der Schlüssel dafür, dass diese sich in seiner Klinik und seinem Umfeld immer ausgesprochen wohl gefühlt haben. Er war der Chef, dessen Tür im wahrsten Sinn immer offen war. Seine Emeritierung 1986 hat er sehr ernst genommen und ist leider nur noch selten zu gesellschaftlichen Anlässen bei seinen ehemaligen Mitarbeitern aufgetaucht. Im Namen seiner ehemaligen Mitarbeiter und Schüler und aller Freunde sei ihm herzlich zur Vollendung des 80. Lebensjahrs gratuliert. Ad multos anos.

[Optimized hemodilution (OHD) with hydroxyethyl starch : A blood-sparing technique for surgical treatment of dysgnathia].

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