484 K/in. Mbl. A ugenheilk. 196 (1990)

Beitrag zur Evulsio nervi optici J. Heine

Bei der sofortigen Wundversorgung in Volinar-

Zusammenfassung Nach einem Stockschlag auf das linke Au-

ge erlitt em 9jahriger .lunge elne Evulsio nervi optici. Daneben bestanden nur oberflhchliclie Verletzungen der vorderen Augenabschnitte. Die moglichen Mechanismen, die eine Sehnervausreil3ung verursachen konnen, werden diskutiert. Optic Nerve Evulsion — A Case Report

A nine-year-old boy suffered an evulsion of the optic nerve as a result of being hit on the left eye with a stick. The anterior segment showed only superficial injury. Possible causes of optic nerve evulsion are discussed.

kose koante links eine Perforation des Bulbus ausgeschlossen werden. Der postoperative Heilverlauf war komplikationslos. Am 4. postoperativen Tag wurde eine Kernspintomographie durchgefuhrt, dabei ergab sich kein pathologischer Befund, insbesondere keine Kontinuitatsunterbrechung des linken Sehneryen. Die visuell evozierten Potentiale waren links ausgeloscht. Bei gebessertem Einblick war am 5. postoperatiyen Tag links eine AusreiBung des Sehnerven mit peripapillaren Blutungen zu sehen. Im Bereich des hinteren Pols bestand em weillliches Odem mit kirschrotem Fleck im Sinne eines Zentralarterienstammverschlusses (Abb. 1). Kurz darauf kam es zu einer

Glaskorpereinbiutung links, so dalI keine Fundusbeurteilung mehr moglich war. Erst nach drei Monaten klarte der Glaskorper wieder auf, der nasale Papillenrand und die Netzhaut nasal oben

mit sehr engen GefaBen wurden sichtbar. Die Papille war von weilllichem Gewebe ausgefullt (Abb. 2), und em Glaskorperstrang zog von hier zur Linsenrhckfläche, kein weiterer Einblick. Das linke Auge war nach Hornhautreflexen Ca. 160 in Divergenzstellung abgewichen. 11 Monate nach dem Unfall zeigte sich links die Netzhaut fast total abgelost bei sonst unverAndertem Papillenbefund.

Einleitung Verletzungen des Sehnerven durch extreme Prellungen oder Stauchungen des Bulbus betreffen meist den intrakanalikularen Bereich oder den Ubergang am Foramen opticum zum intraorbitalen Anteil, weil die Duralscheide des Sehnerven im Canalis opticus am Knochen fixiert ist. Wegen der relativ guten Beweglichkeit des intraorbitalen Sehnervteils sind Verletzungen bier selten. Im fol-

Diskussion Die Ausreillung des Sehnerven wurde erst-

mals 1884 von Aschmann beschrieben. 1903 berichtete Salzmann Uber acht Falle, sieben aus der Literatur und einen eigenen. Viele weitere Berichte fiber eine totale oder partielle Evulsio nervi optici folgten, doch konnte die

genden soll em Fall einer Evulsio nervi optici, also der Diagnose oft erst im Narbenstadium oder bei der histologiKontinuitatsunterbrechung an der Stelle des Sehnervein- schen Untersuchung nach Enukleation eines schwerverletzten Bulbus gestelit werden, da wegen Glaskorperblutungen tritts ins Auge, dargesteilt und mogliche Verletzungsmechanismen diskutiert werden. Kastiistik

Em 9jahriger .lunge hatte beim Spielen mit StOcken von einem Freund einen Schlag auf das linke Auge erhalten. Am linken Unterlid war eine Ca. 2 cm lange RiBwunde, nasal em Ca. 4mm vom Limbus entfernter oberflachlicher Bindehautrill und eine Verletzung der Karunkel. Es bestand unten eine Erosio corneae, die Vorderkammer war Ca. zur HAlfte voligeblutet, Iris

und Linse, soweit beurteilbar, regelrecht. Am Fundus war ahnungsweise eine peripapillare Blutung und eine groulere Iachenformige Blutung am hinteren Pol zu erkennen. Sehschhrfe: AmauroSe. Das rechte Auge war in allen Teilen regelrecht, Sehscharfe 1,0.

Kim. Mbl. Augenheilk. 196 (1990) 484—485

1990 F. Enke Verlag Stuttgart

keine Fundusbeurteilung moglich war (Kommerell 1966). In dem hier gezeigten Fall bestand ebenfalls eine intraokulare Blutung, so daB erst nach funf Tagen em Einblick auf den Fundus moglich war und das typische Bud des Optikusausrisses mit peripapillaren Blutungen wegen Zerreiflung von Netzhautgefhl3en am Papillenrand und Netzhautodem mit kirschrotem Fleck wegen der Kontinuitatsunterbrechung der Zentralarterie zu beobachten war. Die Unterbrechung der Sehnervleitung wurde objektiviert durch die ausgeloschten visuell evozierten Potentiale, obwohl mi

Kernspintomogramm keine Kontinuitatsunterbrechung des Sehnerven nachweisbar war. Dies steht im Gegensatz zu Berichten, die gerade die Bedeutung der Computertomographie zur Sicherung der Diagnose hervorheben (Christ, Pillunat und Wagner 1985). Auf em Angiogramm wurde wegen der mangeinden Kooperationsbereitschaft des Patienten verzichtet. Eine fehiende Netzhautzirkulation wiesen auch andere Autoren im Fluoreszenzangiogramm nach (Jokojama et al. 1985, Williams et al. 1987, Temel et al. 1988).

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Medizinisches Zentrum fur Augenheilkunde der Philipps-Universitat Marburg (Direktor: Prof. Dr. Dr. tic. \V. Straub)

K/in. Mb!. Augenheilk. 196 (1990) 485

Beitrag zur Evulsio nervi optici

Blutung.

In der Literatur wird als moglicher Mechanismus eine Drehung des Bulbus diskutiert, wobei der Sehnerv ubermaBig angespannt wird und an seiner schwachsten Stelle in Hohe der Papille abreiBt (Birk/iduser 1910). Auch eine Kompression des Bulbus mit plOtzlicher Augen-

innendruckerhohung und resultierender Berstung in der Lamina cribrosa, die ja eine Schwachstelle der Bulbuswand ist, kOnnte ursachlich in Betracht kommen. Nach Duke-EIder (1972) sollte bei letzterem Mechanismus eher von Expulsio nervi optici gesprochen werden. Sandborn et al. (1984) sehen als weitere Moglichkeit eine kurzzeitige Vorverlagerung des Bulbus mit Uberdehnung des Sehneryen. Wahrend also die Mechanismen vielseitig scm konnen, besteht Einigkeit daruber, daB die Papillenregion als ,,Locus minoris resistentiae" anzusehen ist. Deshalb tritt

eine Kontinuitatsunterbrechung auBer bei ,,scharfen" Abb. 2 Fundus links ii Monate nach dem Trauma: weillliches Gewebe im Papillenbereich und in den Glaskdrper ziehender Strang.

Traumen im Bereich der Lamina cribrosa em. Bei dem hier dargestellten Fall dUrfte der Stockschlag eine Drehung des

Bulbus einwärts bewirkt haben, zusatzlich ist auch eine kurzzeitige Augeninnendruckerhohung durch Kompression des Bulbus denkbar. Wir glauben, daB beides zusammen dann zur Sehnervausreil3ung gefuhrt hat. Literatur Birkhauser, R.: Evuislo nervi optici partialis. Kim. Mbl. Augenheilk.

48/I

(1910) 432—435

2 Chow, A. Y., M. F. Goldberg, M. Frerikel: Evulsion of the optic nerve

in association with basketball injuries. Ann. Ophthalmol. 16/1 (1984) 35—37

Christ, T., L. Pillunat, P. Wagner: Computertomographie bei partieller Evulsio nervi optici. KIm. Mb!. Augenheilk. 187 (1985) 531—533 Duke-Elder, St.: System of ophthalmology. Vol. XIV Injuries Part I (1972) 187—193

Kommerell, G.: Partielle

1)ber den Mechanismus eines Sehnervausrisses gibt es keine einheitliche Meinung, da em soiches Ereignis sowohl nach schwersten Verletzungen als auch nach

Bagateiltraumen beobachtet wurde. So berichten Cernea und Cordache (1982) von einem l3jährigen Madchen mit Sehnervausril3 nach schwerem Verkehrsunfall mit frontoparietalen Frakturen, w.hrend Chow, Goldberg und Frenkel (1974) einen Fall nach einem Fingerstof3 wahrend eines Basketballspiels vorstellen, bei dem sonst keine Augenverletzungen nachweisbar waren.

6

Evulsio ncrvi optici. Kim. Mbl. Augenheilk.

146 (1966) 880—883 Salzmann, M.: Die Ausreissung des Sehnerven. Ztschr.

Augenheilkd. 26

(1903) 489—505

Temel, A., A. B. Sener: Complete

evulsion of the optic nerve. Acta

Ophthalmol. 66 (1988) 117—119

Williams, D. F., C. A. Williams, C. W. Abrams, A. Jes,nanowicz, J. S. Hyde: Evulsion of the retina associated with optic nerve evulsion. Am. J. Ophthalmol. 104 (1987) 5—9 Yokoyama, R., M. Kubota, A. Kandatsu, Y. Keoka, T. Honuchi: A case ofevulsion of the disc. Jpn. J. Clin. Ophthalmol. 39,9(1985)1111—1115 Manuskript erstmals

eingereicht 8. 2. 1989, zur Publikation in der vorlie-

genden Form angenommen 22. 2. 1989.

Dr. J. Heine Univ.-Augenklinik Robert-Koch-StralSe 4

3550 Marburg

Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Abb. 1 Linker Augenhintergrund fünf Tage nach dem Trauma: kirschroter Heck und Defekt im Papillenbereich mit

[Optic nerve evulsion].

A nine-year-old boy suffered an evulsion of the optic nerve as a result of being hit on the left eye with a stick. The anterior segment showed only su...
97KB Sizes 0 Downloads 0 Views