Schwerpunkt Internist 2014 DOI 10.1007/s00108-013-3444-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C.-T. Germer · C. Isbert Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Zentrum Operative Medizin (ZOM), Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg

Operative Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen Indikationen und Stellenwert

Die chirurgische Therapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist klassischerweise sekundär und kommt vornehmlich bei konservativ-therapierefraktärem Verlauf und bei Komplikationen zum Einsatz. Sicherlich ist es zu früh, bei der Indikationsstellung von einem augenblicklich stattfindenden Paradigmenwechsel zu sprechen. Allerdings sollte im Rahmen der Intensivierung der konservativen Therapie stets überprüft werden, ob frühzeitig bzw. prophylaktisch eine chirurgische Option im Betracht gezogen werden muss.

Hintergrund Die jährliche CED-Inzidenz wird in aktuellen Untersuchungen in Europa mit 12,7/100.000 Einwohner und in den USA mit 20,2/100.000 Einwohner angegeben [20]. Das Risiko, zumindest einmal im Leben operiert zu werden, beträgt für Patienten mit M. Crohn 70–80% und für Patienten mit Colitis ulcerosa 20–30% [17, 29]. Die Indikationsstellung für eine chirurgische Intervention ist generell vom Ausmaß der Erkrankung, dem Ansprechen auf die konservative Therapie und dem Vorhandensein von Komplikationen abhängig.

Morbus Crohn Generelle Operationsindikation Die Therapie des M. Crohn ist grundsätzlich primär konservativ. Leitlinienkonform besteht erst bei kompliziertem Verlauf die Indikation zur Operation [11]. Mit vermehrtem Einsatz von Immunsuppressiva und Biologika stellt sich jedoch aus chirurgischer Sicht die Frage, ob der Stellenwert einer Operation nicht auch bei der Prophylaxe eines komplizierten Verlaufs unter konservativer Therapie an Bedeutung gewinnt. Der M. Crohn ist durch eine wandüberschreitende Entzündung des Darms gekennzeichnet. Solange die Entzündung auf die Darmwand beschränkt bleibt, bestehen aus chirurgischer Sicht sicher keine Einwände gegen die Intensivierung einer konservativen Therapie. Bei Darmwandüberschreitung allerdings liegt neben der M. Crohn bedingten Entzündung des Darms selbst eine zunehmend septische Kontamination der Umgebung durch Darmbakterien vor, aus der sich schließlich ein Konglomerattumor, Abszessformationen und/ oder eine Peritonitis entwickeln können. Es liegt in der Natur des M. Crohn, dass dies zunächst subklinisch verläuft und erst spät zu einem tatsächlich septischen Krankheitsbild führt.

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Operative Prophylaxe des komplizierten Verlaufs unter konservativer Therapie erwägen Es erscheint nur logisch, dass zu diesem Zeitpunkt eine weitere Immunsuppression eher zu einer Verschlechterung der Symptome und damit septischen Gefährdung des Patienten führt, als dass ein langfristiger Remissionserhalt erwartet werden kann. So ergeben sich in der aktuellen Literatur Hinweise darauf, dass eine präoperative Anti-Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)-Exposition die Rate postoperativer allgemeiner und septischer Komplikationen erhöht [1, 13]. Gleiches gilt für eine längerfristig bestehende Kortisonmedikation. Sicherlich ist es zu früh, bei der Indikationsstellung von einem Paradigmenwechsel zu sprechen. Nach Meinung der Autoren des vorliegenden Beitrags sollte jedoch bei einer Intensivierung der konservativen Therapie stets überprüft werden, ob eine extraluminale Komplikation droht und/oder bereits vorliegt und ggf. frühzeitig bzw. prophylaktisch eine chirurgische Option im Betracht gezogen werden muss.

Ileozäkaler Befall Der ileozäkale Befall beim M. Crohn ist klassisch und tritt in ca. 30–40% der Fälle auf [10, 16]. Die Operationsindikation ergibt sich bei medikamentös-therapiereDer Internist 2014 

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Abb. 1 9 Kosmetisches Ergebnis mit intraumbilikalem Zugang und Berge-Inzision nach laparoskopischer Ileozäkalresektion bei konservativ refraktärer Ileitis terminalis mit dem X-Cone®Single-Port-System [15] bei einem 14-jährigen Jungen

Abb. 2 9 Ileozäkalresektat bei konservativ refraktärer Ileitis terminalis. Die Resektion erfolgt darmsparend knapp im „Gesunden“ mit darmwandnahem Skeletieren des Dünndarmmesos

Abb. 3 9 Seltener Fall einer intestinalen Blutung aufgrund von Gefäßarrosionen im mesenterialseitigen Bereich einer von M. Crohn befallenen Jejunumschlinge. Der Patient wurde notfallmäßig operiert und einer sparsamen Dünndarmsegmentresektion unterzogen

fraktärem Verlauf oder weiterbestehender Stenosierung nach endoskopischer Dilatation [11], bei interenterischer Fistelbildung, Konglomerattumorbildung und interenterischen Abszessen. Aufgrund der Tatsache, dass nach Ileozäkalresektion ca. 50% der Patienten dauerhaft rezidivfrei bleiben und die Rezidivrate innerhalb von 10 Jahren lediglich ca. 30% beträgt, kann die Indikation zur Operation auch als Al-

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ternative zur medikamentösen Therapie empfohlen werden [4, 25]. Vorzugsweise wird die Ileozäkalresektion heute laparoskopisch durchgeführt. Aktuelle Metaanalysen bestätigen, dass die laparoskopische Ileozäkalresektion ebenso sicher und effektiv ist wie das konventionelle offene Vorgehen. Es bestehen keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das perioperative Outcome und die krankheitsspezifische sowie

die Langzeitreoperationsrate [5]. Generell besteht seitens der Patienten insbesondere aus kosmetischen Gründen eine hohe Akzeptanz der Methode. In der eigenen Klinik führen die Autoren die Operation vorzugsweise als „Single-portal“-Laparoskopie (SPS) mithilfe eines eigens entwickelten X-Cone® durch [15]. Hierbei wird die Größe der Inzision im Wesentlichen durch die Bergung des zumeist voluminösen Resektats bestimmt ([24]; . Abb. 1). Prinzipiell wird die Resektion sparsam und darmwandnah durchgeführt (. Abb. 2). Es besteht eine gute Evidenz, dass ausgedehnte Resektionen unnötig sind [18] und zudem potenziell die Gefahr der Entstehung eines Kurzdarmsyndroms erhöhen. Die Ileoaszendostomie kann terminoterminal als Handnahtanastomose oder mithilfe eines Staplers laterolateral vorgenommen werden [31]. Initiale Studienergebnisse zeigten für die laterolaterale Anastomose im Vergleich zur terminoterminalen eine Überlegenheit in Bezug auf die Anastomosenheilung [23]. Im prospektiven randomisierten Vergleich konnten diese Ergebnisse jedoch bislang nicht bestätigt werden [19]. Im eigenen Vorgehen bevorzugen die Autoren nach Ileozäkalresektion eine Rekonstruktion in Form einer terminolateralen Ileoaszendostomie.

Dünndarmbefall Der isolierte Dünndarmbefall beim M. Crohn ist mit einer Inzidenz von ca. 15–20% der Fälle deutlich niedriger als der ileozäkale Befall [10, 16]. Häufig bestehen multiple z. T. fibrostenotische oder fistulierend entzündete Darmabschnitte mit oder ohne septische Komponente, wie beispielsweise ein interenterischer Abszess oder enterokolische Fisteln zumeist zum Colon sigmoideum oder Rektum ziehend. Fehlendes Ansprechen auf die konservative Therapie und ein limitierter intestinaler Befall stellen gute Indikationen zur chirurgischen Resektion dar [11, 21]. In sehr seltenen Fällen kann es bei Arrosion mesenterialseitiger Gefäße auch zu Blutungskomplikationen kommen, die eine notfallmäßige operative Intervention erfordern (. Abb. 3).

Zusammenfassung · Abstract

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Strikturoplastik führte zum Fortschritt in der operativen Versorgung des M. Crohn In Fällen eines extensiven M.-Crohn-Befalls sind der Erhalt einer ausreichenden Länge des Dünndarms und die Vermeidung eines Kurzdarmsyndroms von entscheidender Bedeutung. Die Limitierung der Resektion auf ausschließlich makroskopisch befallenes Gewebe und der Einsatz darmerhaltender plastischer Operationstechniken, wie die Strikturoplastik, haben zu einem beträchtlichen Fortschritt in der operativen Versorgung des intestinalen M. Crohn geführt (. Abb. 4). In einer Metaanalyse ergeben sich nach Strikturoplastik eine Komplikationsrate (Insuffizienz, Fistel, Abszess) von 4% und eine Fünfjahresrezidivrate von 28%. Hierbei werden 90% aller Rezidive nicht an der Strikturoplastik selbst, sondern an anderen Darmabschnitten beobachtet, sind dementsprechend also der Grunderkrankung geschuldet [30].

Dickdarmbefall Der kolorektale M.-Crohn-Befall ist häufig und tritt in ca. 40–52% der Fälle auf [10, 16]. Grundsätzlich sollte bei M.Crohn-Patienten mit Colitis präoperativ stets eine sorgfältige proktologische Abklärung erfolgen. Komplikationen des kolorektalen M.-Crohn-Befalls sind u. a. Stenosen mit Darmobstruktion, Fistel zur Blase oder in das Retroperitoneum mit z. T. ausgedehnten Abszessformationen sowie Blutungen. Insbesondere retroperitoneale oder enterovesikale Fisteln stellen aufgrund der hohen Gefahr einer Sepsis unter Immunsuppression immer absolute Operationsindikationen dar [2]. Die operative Verfahrenswahl ist vielfältig und reicht von der einfachen Darmdeviation, z. B. durch Anlage eines doppelläufigen Ileostomas, bis hin zur subtotalen Kolektomie mit Ileorektostomie und Proktokolektomie und terminalem Ileostoma. In einer Studie aus der Cleveland Clinic (Ohio, USA) wurde an einem großen Datenregister die Frage untersucht, ob bei Patienten mit M. Crohn und isoliertem Kolonbefall die Verfahrenswahl entweder einer segmentalen oder einer sub-

Internist 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00108-013-3444-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 C.-T. Germer · C. Isbert

Operative Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. Indikationen und Stellenwert Zusammenfassung Hintergrund.  Die operative Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) hat vornehmlich einen sekundären Stellenwert und kommt insbesondere bei konservativ-refraktärem Verlauf sowie bei Komplikationen zum Einsatz. Darüber hinaus besteht aber auch ein prophylaktischer Therapieansatz, wie die elektive Ileozäkalresektion beim M. Crohn oder die prophylaktische restaurative Koloproktektomie bei der Colitis-ulcerosa-assoziierten intraepithelialen Neoplasie. Ziel der Arbeit.  Die vorliegende Übersicht diskutiert den Stellenwert der chirurgischen Therapie bei M. Crohn sowie Colitis ulcerosa und evaluiert die Ergebnisse der operativen Verfahren kritisch. Material und Methoden.  Dargestellt werden selektive Ergebnisse aus der Literatur und eine retrospektive Analyse von Patientendaten der eigenen Klinik. Ergebnisse.  Morbus Crohn manifestiert sich am häufigsten ileozäkal, kolorektal, enterisch und anorektal. Abhängig von der Lokalisation, vom Ausmaß der Entzündung und vom klinischen Verlauf werden die Indikation und

Verfahrenswahl chirurgischer Optionen diskutiert. Insbesondere die langjährige Proktitis bei M. Crohn mit Stenose und Fisteln stellt ein therapeutisches Dilemma dar. Eigene Ergebnisse belegen, dass die intersphinktäre Rektumresektion mit peranalem Rektumdurchzug und Handnahtanastomose in ausgewählten Fällen eine effektive Behandlung der Stenose mit Abheilung der Fisteln ermöglicht. Hierbei kann in 67% der Fälle ein definitives Stoma verhindert werden. Die Ergebnisse der Pouch-Operation bei der Colitis ulcerosa aus spezialisierten Zentren ergeben neben einer akzeptablen Komplikationsrate exzellente funktionelle Daten im Langzeitverlauf und eine gute postoperative Lebensqualität der behandelten Patienten. Diskussion.  Prophylaktische Aspekte der chirurgischen Therapie von CED sollten insbesondere im Zeitalter neuer medikamentöser Therapieansätze zunehmend interdisziplinär diskutiert werden. Schlüsselwörter M. Crohn · Colitis ulcerosa · Proktitis · Pouch · Neoplasie

Operative therapy of chronic inflammatory bowel diseases. Indications and importance Abstract Background.  The impact of surgery in the treatment of inflammatory bowel disease (IBD) is considered as secondary whereas conservative treatment remains the first choice. Surgery is designated for a complicated or refractory disease course. Furthermore, there seems to be prophylactic aspects as well, such as ileocecal resection in Crohn’s disease and prophylactic restorative coloproctectomy for intraepithelial neoplasia associated with ulcerative colitis. Aim.  This review evaluates the impact of surgery in the treatment of Crohn’s disease and ulcerative colitis in view of existing data in the literature. Material and methods.  The results in the literature are reviewed and retrospective data from this institution are presented. Results.  The manifestation of Crohn’s disease is mainly ileocecal, colorectal, enteric and anorectal. The role of surgery is discussed according to the localization, extent of the disease and the clinical course. The emphasis is on longstanding Crohn’s proctitis with fistulas

and stenosis which are still challenging. The results indicate that intersphincteric rectal resection with pull through of the rectum and hand-sewn anastomosis represents a good option in up to 67% of cases to avoid permanent stoma in highly selected patients. In addition, this procedure provides high rates of fistula healing as well as low recurrence rate of the anorectal stenosis. Pouch surgery in ulcerative colitis can be offered in high volume centers with low morbidity and functional results remain stable over time. Postoperative quality of life seems to be good with regard to general and disease-related quality of life. Discussion.  Interdisciplinary approaches should increasingly focus on prophylactic aspects of surgical options while conservative treatment will be enhanced by new therapeutic agents. Keywords Crohn’s disease · Ulcerative colitis · Proctitis · Pouch · Neoplasia

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Abb. 4 8 Durchführung einer plastischen Erweiterung einer Dünndarmstenose mithilfe einer Strikturoplastik. Die Stenose ist kurzstreckig und typischerweise antimesenterialseitig mit mesenterialem Fett überwachsen (a). Es erfolgt eine Längsinzision antimesenterialseitig (b) mit Quervernähung der Enterotomie und Einzelknopfnähten (c)

Abb. 5 9 Abdominelllaparoskopische, intersphinktäre Rektumresektion mit peranalem Rektumdurchzug und anschließender Rekonstruktion mit peranaler Handnahtanastomose unter Ileostomaprotektion

Abb. 6 9 Ileoanaler Pouch als Standardrekonstruktion bei restaurativer Koloproktektomie

totalen Kolektomie Einfluss auf die Rezidivrate, die Vermeidung einer permanenten Stuhldeviation oder der Lebensqualität der Patienten besitzt [12]. Als Ergebnis hatten Patienten mit segmentaler Kolektomie ein höheres Risiko für die Entwicklung von Rezidiven als Patienten, die einer subtotalen Kolektomie zugeführt worden waren. Demgegenüber war das Risiko für

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eine permanente Stomaanlage in beiden Gruppen vergleichbar. Die Daten zeigen, dass unter Einschränkung von perianaler Entzündungsreaktion und Komorbidität, zwischen subtotaler und segmentaler Kolektomie keine Unterschiede in Bezug auf die Rezidivrate und das stomafreie Überleben zu erwarten sind. Damit bleibt die Entscheidung zwischen diesen

Operationsverfahren patientenindividualisiert. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wird im eigenen Vorgehen vor einer geplanten Kolonresektion wegen eines M. Crohn zunächst eine Ileostomaanlage durchgeführt, über die eine topische medikamentöse Therapie des Kolons appliziert werden kann. Durch diese Vorgehensweise lassen sich häufig die Resektionsgrenzen intraoperativ besser definieren; dies ermöglicht darmsparende, segmentale Resektionen mit geringem Darmverlust. In ausgewählten Fällen kann alternativ zu einem terminalen Ileostoma bei Proktokolektomie eine ileoanale J-Pouch-Anlage (IAP) angeboten werden. Die Anwendung des Verfahrens bei Patienten mit M. Crohn stellt jedoch eine Ausnahmeindikation dar und sollte nur unter strenger Patientenselektion erfolgen. Selektionskriterien, wie beispielsweise ein ausschließlicher Befall des Dickdarms, keine vorausgegangenen Dünndarmresektionen und ein intakter Schließmuskelapparat, gelten als sinnvoll. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist der Begriff der „intentionalen“ IAP. Die weltweit größte Patientenserie zu diesem Vorgehen stammt aus der Cleveland Clinic. Hier wurden retrospektiv die Daten von insgesamt 204 Patienten mit M. Crohn und IAP ausgewertet. Die Autoren konnten dabei 3 unterschiedliche Gruppen differenzieren; lediglich in einer Gruppe wurde die IAP unter Kenntnis der Diagnose eines M. Crohn (intentional) durchgeführt. In den anderen Gruppen stellte sich die Diagnose M. Crohn unmittelbar postoperativ gemäß den histologischen Befunden heraus oder klärte sich im postoperativen Verlauf z. B. durch die Entwicklung von Fisteln. Prognostisch am

günstigsten erwies es sich, wenn bereits präoperativ die Diagnose des M. Crohn bekannt war, d. h. der Pouch „intentional“ angelegt wurde. Hier betrug die Zehnjahreserhaltrate des Pouches 85%. Grundsätzlich ist aber neben Berücksichtigung der oben genannten Selektionskriterien die Motivation der Patienten für ein solches Verfahren von entscheidender Bedeutung.

Rektoanaler Befall (stenosierende Proktitis) Neben dem generellen Problem von Analfisteln und Abszessen beim M. Crohn stellt das klinische Bild einer stenosierenden und fistulierenden M.-Crohn-Proktitis ein aus therapeutischer Sicht ungelöstes Problem dar. In der Regel besteht nach langjährigem Verlauf eine konservativ wenig beeinflussbare Symptomatik mit hochfrequenten, dünnflüssigen Stühlen und Einschränkung der Stuhlkontinenz; dies ist mit einer dramatischen Reduktion der Lebensqualität der betroffenen Patienten assoziiert. Nicht selten stellt diese Kondition eine Art Endzustand der Erkrankung dar und mündet nahezu regelhaft in einer Stuhldeviation und definitiver Proktektomie [8, 22]. Unklar ist bislang der Stellenwert einer kontinenzerhaltenden, intersphinktären Rektumresektion mit Rekonstruktion durch eine peranale Handnahtanastomose bei konservativ und interventionell refraktärer, stenosierender und fistulierender M.-CrohnProktitis.

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In therapierefraktären Fällen besteht die Option kontinenzerhaltender Resektionen In der eigenen Klinik wurden zwischen September 2009 und Dezember 2011 insgesamt 13 Patienten (Geschlecht ♀/♂ 5/8, Alter 39, 6 [13–70] Jahre) mit oben genanntem Krankheitsbild operativ behandelt. Der durchschnittliche Krankheitsverlauf betrug 18,5 Jahre. Bei insgesamt 10 Patienten (77%) wurde primär eine intersphinktäre Rektumresektion mit peranalem Rektumdurchzug und peranaler Handnahtanastomose unter Ileostomaschutz durchgeführt (. Abb. 5). In einem

Fall musste bei überraschendem histopathologischem Nachweis eines Adenokarzinoms in der Absetzungsebene eine definitive Proktektomie angeschlossen werden. In 3 Fällen wurde primär eine definitive Proktektomie durchgeführt, in 2 Fällen aufgrund präoperativ bekannter Malignität (Fistelkarzinom, Adenokarzinom des Rektums) und in einem Fall aufgrund des Patientenwunsches. Postoperativ traten in 2 von 9 Fällen (22%) ein Fistelrezidiv (einmal an der Anastomose) und in einem der 9 Fälle eine Restenosierung (11%) auf. Bei den intersphinktär resezierten Patienten wurde nach Abheilung der Fisteln und der Stenose in 7 der 9 Fälle (78%) das protektive Ileostoma zurückverlegt. In 6 der 9 Fälle (67%) konnte die natürliche Kontinenz dauerhaft erhalten werden. Lediglich in einem Fall musste bei persistierender Durchfallsymptomatik mit Inkontinenz das Ileostoma erneut angelegt werden. Insgesamt bleibt der anorektale M.-Crohn-Befall eine therapeutische Herausforderung. In therapierefraktären Fällen und bei individuellem Patientenwunsch besteht gemäß eigener Erfahrung aber alternativ zur Proktektomie die Option zu kontinenzerhaltenden Resektionen. Wie mittlerweile auch in der Literatur belegt, sollt dabei allerdings, insbesondere bei langjährigem Krankheitsverlauf, stets an eine maligne Transformation gedacht werden [27].

Colitis ulcerosa Operationsindikationen Als Standardoperation bei der Colitis ulcerosa soll eine restaurative Proktokolektomie durchgeführt werden. Entsprechend der gültigen Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung der Colitis ulcerosa bestehen folgende Indikationen zur Operation: die freie und gedeckte Perforation (Notfallindikation), die therapierefraktäre Blutung (dringlich), der medikamentös-therapierefraktäre, fulminante Schub (dinglich), ein trotz Einsatz von Immunsuppressiva, einschließlich Biologika, therapierefraktärer Verlauf, das toxische Megakolon (absolute Operationsindikation) und die Kolonstenosen unklarer Dignität. Darüber hinaus ist eine eindeutige Operationsindikation bei bestätigter Colitis-as-

soziierter hochgradiger intraepithelialer Neoplasie (IEN) oder bei Nachweis eines Adenokarzinoms gegeben [6]. Komplexer Verhält es sich dagegen beim bestätigten Nachweis einer niedriggradigen IEN. Im Gegensatz zu den alten Leitlinien soll nach den aktuellen deutschen Leitlinien, wenn eine IEN in flacher Mukosa nachgewiesen wurde, dem Patienten nach Aufklärung des Malignitätsrisikos entweder eine Proktokolektomie oder eine endoskopisch-bioptische Kontrolle innerhalb von 3 Monaten angeboten werden [6]. Dies entspricht den Empfehlungen internationaler Leitlinien wie denen der britischen und amerikanischen Fachgesellschaften [14, 21]. Grund für die Anpassung der aktuellen Leitlinie sind u. a. aktuellere Daten aus dem St. Marks Hospital (London). In einer Dreizehnjahresanalyse an 600 Patienten eines koloskopischen Überwachungsprogramms zur neoplastischen Transformation bei Colitis ulcerosa wiesen 47 Patienten eine niedriggradige IEN auf. In 20% der Fälle stellte sich im Rahmen der Kolektomie ein kolorektales Karzinom heraus. In 19,4% der Fälle entwickelte sich aus den niedriggradigen IEN im weiteren Verlauf ein kolorektales Karzinom, und in 39,1% der Fälle entstand aus einer niedriggradigen eine hochgradige IEN oder ein Karzinom [26].

Restaurative Koloproktektomie und ileoanaler J-Pouch Der ileoanale Pouch stellt die Behandlungsmethode der Wahl sowohl bei therapierefraktärer Colitis ulcerosa als auch bei Colitis indeterminata, bei familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) sowie bei einer selektiven Gruppe von M.-CrohnPatienten dar (. Abb. 6). Die laparoskopische restaurative Proktokolektomie kann als gleichwertige Alternative zur offenen Operation angeboten werden [3]. Kolonsegmentresektionen sollten bei Colitis ulcerosa nicht durchgeführt werden.

Ergebnisse

Die weltweit größte Datenbank von Patienten mit ileoanalem Pouch stammt aus der Cleveland Klinik. In einer aktuellen Arbeit wurde über Verlauf, Komplikationen und Lebensqualität einer Patientenkohorte von 3707 Patienten, die zwiDer Internist 2014 

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Schwerpunkt schen Januar 1984 und März 2010 in dieser Institution operiert wurden, berichtet [7]. Das Durchschnittsalter der Patienten zum Zeitpunkt der Pouch-Operation betrug 38,2±13,3 Jahre, dagegen das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Erkrankung 29,4±12,6 Jahre. Das heißt, die Patienten wurden in Cleveland durchschnittlich 9 Jahre nach der Diagnosestellung operiert. Perioperative Komplikationen traten in 33,5% der Fälle auf mit einer Letalitätsrate von lediglich 0,1%. In 4,8% der Fälle waren eine Anastomoseninsuffizienz, in 6,4% eine pelvine Sepsis und in 1,3% eine Pouch-Fistel zu verzeichnen. Die Pouchitis war mit 33,9% und die chronische Pouchitis mit 15,9% die häufigsten Spätkomplikationen. Die Spätkomplikationsrate mit Ausnahme der Pouchitis betrug 29,1%. Ein Pouch-Versagen betraf 197 Patienten (5,3%) des Kollektivs. In einem medianen Verlauf von 84 Monaten benötigten aber nur 119 Patienten (3,2%) eine Pouch-Explantation. Es hatten 32 Patienten (0,8%) einen nichtfunktionierenden Pouch, und 46 Patienten (1,2%) wurden einer Wiederholung der Pouch-Operation unterzogen. Das funktionelle Ergebnis und die Lebensqualität der Patienten waren gut bis exzellent in 95% der Fälle und zeigten zwischen den histologischen Diagnosen keine Unterschiede. D Die Pouch-Operation kann inner-

halb spezialisierter Zentren mit akzeptablen Kurz- und Langzeitergebnissen angeboten werden. Zum Vergleich dieser exzellenten Ergebnisse werden Ergebnisse aus einem anderen großen Patientenregister, dem Nationalen Pouch-Register des UK, aufgeführt [28]. Insgesamt wurden hier 2491 Patienten einer Pouch-Operation unterzogen. Im Gegensatz zu der Klinik in Cleveland wurde im UK in 33% der Fälle eine Handnahtanastomose durchgeführt. In 58,8% der Fälle wurde ein J-Pouch gebildet. Die Anastomoseninsuffizienzrate betrug 5,5%, die Rate an pelviner Sepsis 11,8, und 11,8% der Patienten entwickelten eine Pouchfistel. In 14,2% der Fälle trat eine Pouchitis auf. Die kumulative Pouch-Versagerquote betrug auch nur 9,3%.

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Lebensqualität

Wichtigste Ziele der restaurativen Koloproktektomie mit ileoanalem J-Pouch sind die Verbesserung und der Erhalt der Lebensqualität der operierten Patienten. In einer aktuellen Metaanalyse anhand von 33 Studien mit insgesamt 4790 Patienten wurden die allgemeine- und die krankheitsbezogene Lebensqualität sowie der Lebensqualitätsstatus überprüft. Schlussfolgernd stellen die Autoren fest, dass die krankheitsbezogene Lebensqualität und der Gesundheitsstatus von Patienten mit Colitis ulcerosa 12 Monate nach der restaurativen Proktokolektomie und ileoanalen Pouch-Anastomose verbessert sind und sich die Lebensqualität nicht von der normaler gesunder Patienten einer Vergleichspopulation unterscheidet [9].

Fazit für die Praxis F Die chirurgische Therapie der CED ist klassischerweise sekundär und kommt vornehmlich bei konservativ-therapierefraktärem Verlauf und bei Komplikationen zum Einsatz. Mit zunehmender Verwendung moderner Medikamente ist der Grad zwischen effektiver Immunsuppression und komplikationsbedingter Sepsis schmal geworden. Aus diesem Grund erscheint der Schulterschluss zwischen Viszeralmedizinern heute nötiger als je zuvor, um schwerwiegende Komplikationen bei der Behandlung der Erkrankungen zu vermeiden. F Bei der stenosierenden und fistulierenden M.-Crohn-Proktitis stellt die intersphinktäre Rektumresektion mit peranalem Rektumdurchzug und Handnahtanastomose in selektionierten Fällen eine Alternative zur definitiven Proktektomie mit endständigem Stoma dar. Bei einem >18 Jahre währenden Krankheitsverlauf ist jedoch in bis zu einem Viertel der Fälle mit einer malignen Transformation zu rechnen. F Bei gegebener Operationsindikation im Rahmen einer Colitis ulcerosa bietet die restaurative Proktokolektomie sehr gute Langzeitergebnisse mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität für die betroffenen Patienten.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. C.-T. Germer Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Zentrum Operative Medizin (ZOM), Universitätsklinikum Würzburg Oberdürrbacher Str. 6, 97080 Würzburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C.-T. Germer und C. Isbert geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Fall von nichtmündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor. Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Der Internist 2014 

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[Operative therapy of chronic inflammatory bowel diseases. Indications and importance].

The impact of surgery in the treatment of inflammatory bowel disease (IBD) is considered as secondary whereas conservative treatment remains the first...
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