European Journal of

Europ. J. Appl. Physiol. 36, 81--91 (1977)

Applied Physiology andOccupational Physiology 9 by Springer Verlag 1977

Uber Tremor be| Bewegungen Karl Theo Kalveram Fachbereich Psychologieder Phitipps-UniversitfitMarburg Gutenbcrgstr. 18, D-3550 Marburg (Lahn), Bundesrepublik Deutschland On Tremor during Movement Summary. An analysis of the movement of stretching the right forearm showed that the frequency of tremor slightly decreases, whereas the average (absolute) acceleration of tremor and the average electromyoactivity (EMA) of the agonist increase as expected. Key words: Forearm tremor -- Low speed movement " Force tremor. Zusammenfassung. Bei Streckbewegungen des rechten Unterarms nimmt mit steigender Bewegungsgeschwindigkeit die Tremorfrequenz geringffigig ab, wfihrend die mittlere (absolute) Tremorbeschleunigung und die mittlere Elektromyoaktivit/it (EMA) des Agonisten erwartungsgem/il3 zunehmen. Sehliisseiwiirter: Unterarmtremor -- langsame Bewegung - Krafttremor. Beim Menschen sind an den Extremit/iten sowohl in Ruhehaltung als auch w/ihrend willk/irlicher Bewegungen kleinste mechanische Schwingungen zu beobachten. Diese Zitterbewegungen, gew6hnlich als physiologischer oder normaler Tremor bezeichnet, werden seit langem yon Forschern verschiedenster Fachrichtungen, z.B. Arbeitswissenschaftlern, Pharmakologen, Physiologen, Regelungstechnikern, Psychologen untersucht. F/ir die Arbeitswissenschaften ist der Tremor von Bedeutung, weil z. B. bei der Gestaltung und Besetzung von Arbeitsplfitzen mit hohen Anforderungen an Pr/izision sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Tremor, Arbeitserfolg und Beanspruchung (k6rperlicher und psychischer) stellt. Die Pharmakologie interessiert sich f/ir den Tremor, weil vMe Pharmaka, z. B. Nikotin, Alkohol, Tranquilizer, Stimulantien, Bronchospasmolytbika, den Tremor deutlich beeinflussen. Grundlagenforscher der genannten anderen Fachgebiete schliel31ich versuchen durch die Analyse der Zitterbewegung Hinweise auf die Art neuromuskul/irer Steuerungen zu erhalten. Eingehend untersucht wurde jedoch nur der Ruhetremor bzw. der Tremor bei statischer Haltearbeit. Es fragt sich daher, inwieweit die hierbei erhaltenen Ergebnisse aueh auf die - theoretisch wie praktisch nat/irtich ebenso

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bedeutsamen - Willkfirbewegungen zutreffen. Die vorliegende Arbeit soll hierzu einen Beitrag tiefern. Die bisherigen Arbeiten fiber den Tremor - S~ilzer et al. (1973) z/ihlen yon 1867--1971 fast 200 Titel - widersprechen sich oft in einzelnen Ergebnissen; folgende allgemeine Befunde kSnnen aber dennoch als relativ gesichert gelten: Die mittleren bzw. vorherrschenden Tremorfrequenzen liegen je nach Extremit~it zwischen 3 und 20 Hz, die am h~iufigsten gefundene Frequenz liegt bei etwa 10 Hz. Die Frequenzen erweisen sich unter den verschiedensten Bedingungen, z. B. Muskelermfidung, Belastung durch Gegenkr~ifte (Miiller u. Schnauber 1966), Verabreichung/3adrenerger Substanzen (Mardsen et al., 1967; Ehlers u. Kalveram, 1971), Erw/irmung des Muskels (Lippold, 1970; S~ilzer, 1973), StreB (Konecny, 1960) als relativ konstant, w~ihrend sich die Schwingungsamplituden unter diesen Bedingungen gewShnlich vergrSl3ern. Diese Erscheinungen sind offenbar am deutlichsten ausgepr~gt, wenn die Beschleunigung der untersuchten Extremit~it erfal3t wurde, w/ihrend bei Erfassung der Geschwindigkeit oder gar des Weges die Ergebnisse weniger differenziert ausfallen. Sofern widersprfichliche Befunde vorliegen, sind sie wahrscheinfich auch auf die Registrierung jeweils unterschiedlicher physikaliseher GrSgen zurfickzuffihren. In den meisten Arbeiten wird der Weg registriert, was technisch wohl am einfachsten ist. Die Messung der Geschwindigkeit oder gar der Beschleunigung erfolgt bedeutend seltener, vermutlich wegen der hierbei auftretenden grSfSeren technischen Schwierigkeiten. In den Arbeiten, auf die sich diese Untersuchung im wesentlichen stiitzt, wird vorwiegend die Beschleunigung verwendet. Diese hat den Vorteil, dab die erhaltenen Werte proportional den beschleunigenden Kriiften sind. Rfickschlfisse auf die Abfolge der Muskelznckungen sind also bei dieser Registriermethode am leichtesten zu ziehen. In den wenigen Arbeiten, in denen der Tremor in Zusammenhang mit Bewegungen nntersucht wird (GStze u. Kalveram, 1969; Linn, 1974), erweist sich die Tremorfrequenz wiederum als weitgehend konstant, w~ihrend die Tremoramplitude bei komplizierteren (Linn) oder sehnelleren Bewegungen (Kalveram, 1972) offenbar gr6ger wird.

Hypothesen fiber die Entstehungsursaehen des Tremors Unter den Theorien fiber die physiologischen Entstehungsursachen des (Ruhe-)Tremors gibt es solche, die praktisch nur Blutdruckwellen und Atmungsaktivit/it als Anregungsfaktoren f/Jr den Tremor gelten lassen (vgl. Brumlik u. Yap, 1970; Stiles u. Randall, 1967), andere ffihren den Tremor auf stiindig sich wiederholende monosynaptische Eigenreflexe zurfick (vgl. Lippold, 1970), wieder andere sehen den Tremor im wesentlichen als Auswirkung eines zentralen neuronalen Taktes an (vgl. Jung, 1941; Linn, 1974). Am ehesten dtirften Uberlegungen zutreffen, die sowohl mechanische als auch neuromuskul~ire Gegebenheiten in Betracht ziehen (Marshal u. Walsh, 1956; Sglzer, 1973; Rau, 1973; Zipp, 1975). Hierbei wird die Extremit/it als mechanisch schwingf/ihiges Gebilde (mechanisches Filter 2. Ordnung) aufgefal3t, welches zu Schwingungen in seiner Resonanzfrequenz neigt und -- haupts~ichlich durch Muskelkontraktionen angetrieben wird. Entsprechend findet man im Fre-

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quenzspektrum z. B. des Unterarmtremors ein relatives Maximum bei 2-3 Hz, hervorgerufen durch die mechanische Resonanz des Unterarms (S~ilzer, 1973). Das relative Maximum bei etwa 10 Hz wird yon einigen Autoren (vgl. S~ilzer, 1973; Zipp, 1975) auf Resonanzschwingungen des aus Muskel, Muskelspindeln, afferenten und efferenten motorischen Nerven bestehenden Reflexbogens, der fiber das Rfikkenmark geschlossen wird (Gamma-Schleife), zurfickgeffihrt: Bei etwa 10 Hz n/imlich ergibt sich infolge von Tot- und VerzSgerungszeiten in diesem Regelkreis eine Phasenverschiebung von 360 ~ die eine ResonanzfiberhShung der Tremoramplituden an dieser Stelle nach sich zieht. Andere Autoren (Marshal u. Walsh, 1956; Rau, 1973; Linn, 1974) halten es allerdings ffir unwahrscheinlich, dab der GammaMechanismus wesentlich an der Entstehung des (Ruhe-)Tremors beteiligt ist. Als wichtigste Gegenargumente werden angeffihrt, dab die durch den Tremor hervorgerufenen L/ingen/inderungen der Muskelspindeln mit ziemlicher Sicherheit unterschwellig seien und dab zwischen der bevorzugten Anregungsfrequenz eines KSrpergliedes und der L/inge der beteiligten Nervenbahnen offenbar kein systematischer Zusarnmenhang gefunden worden sei. Ein weiteres Gegenargument liefern Ergebnisse yon Halteversuchen, bei denen das EMG des M. biceps an mehreren Stellen gleichzeitig abgeleitet wurde (S~ilzer, 1973). Irn Frequenzspektrum zeigten sich hierbei zun/ichst mehrere deutlich voneinander abgesetzte relative Maxima, welche aber mit steigender Belastung zusammenrfickten und schlieBlich zu einem einzigen Maximum verschmolzen. Offenbar k6nnen also Gruppen von motorischen Einheiten unterschiedliche bevorzugte Anregungsfrequenzen besitzen, welche sich abet mit steigender Belastung ann/ihern, so dab die t/itigen motorischen Einheiten schlieBlich synchron rhythmisch erregt werden. Unter Beibehaltung der Reflexbogenhypothese, zumindest in ihrer ausschliel31ichen Form, muB man also annehmen, dab erstens die Laufzeiten der Regelkreise, die zu den einzelnen motorischen Einheiten gehSren, sich diskret gruppieren kSnnen, obwohl es sich um denselben Muskel handelt, und dab zweitens mit zunehmender Kontraktionskraft die unterschiedlichen Laufzeiten bei einem mittleren Wert konvergieren, unter denselben Bedingungen also die Laufzeit bei einigen Gruppierungen zunimmt, bei anderen abnimmt - nicht sehr wahrscheinliche Annahmen also. Gegen die Reflexhypothese spricht ferner der Befund S~ilzers (1973), dab im statischen Halteversuch bei leichter bis mittlerer Belastung der M. biceps und der M. triceps praktisch in Phase sind, wie aus den Kreuzkorrelationen zwischen dem Elektromyogramm (EMG) beider Muskeln zu entnehmen war - nach der Reflexhypothese h/itte man eher ein gegenphasiges Arbeiten der beiden Synergisten erwartet. Allerdings handelt es sich bei diesem Ergebnis mSglicherweise um ein Artefakt, denn Zipp (1975) konnte, unter /ihnlichen experimentellen Umst/inden wie bei S/ilzer, mittels in die Muskeln eingestochener Nadelelektroden nachweisen, dab der Antagonist keinerlei Aktivit~it zeigte; mit Oberfl/ichenelektroden war dagegen ein deutliches Signal fiber dem Antagonisten abzuleiten. Letzteres Signal konnte also nur durch ein ,,Ubersprechen" des Agonisten auf die Aufnahmeelektroden fiber dem Antagonisten entstanden sein. Als Alternative zur Reflexbogenhypothese kommt natfirlich ein zentraler Rhythmus infrage; denkbar ist aber auch, daf3 die bevorzugte Anregungsfrequenz sowohl auf den Reflexmechanismus als auch einen zentralnerv6sen Takt zurfickgeht und beide Ursachen in Wechselwirkung stehen.

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Fragestellung Die motorische Steuerung beim statischen Halten kann man sich also, alas Bisherige einbeziehend, vereinfacht wie folgt vorstellen: Eine Anzahl motorischer Einheiten des Muskels wird mit einer mittleren Frequenz yon etwa 10 Hz erregt. Bei Anregungsfrequenzen um 10 Hz weisen die Muskelfasern jedoch nur einen unvollsfiindigen Tetanus auf (Whitney, 1958), d.h. die Muskelfasern kSnnen zwischen zwei Erregungen ganz oder teilweise wieder erschlaffen, so dab die Einzelzuckungen noch in Erscheinung treten. Die Summe der Einzelzuckungen macht dann den h6herfrequenten Anteil an der beobachtbaren Tremorschwingung aus. Die Erh6hung der Kraft geschieht durch Erregung zus~itzlicher motorischer Einheiten, die ebenfaUs im Rhythmus yon ca. 10 Hz arbeiten (die Erregungsfrequenzen verschiedener motorischer Einheiten kfnnen sich zwar unterscheiden, gleichen sich aber, insbesondere bei nicht zu geringer Belastung, einander an). Als Folge w~ichst mit steigendem Kraftaufwand auch die Amplitude der Tremorschwingung, und zwar sowohl wegen der gr613eren Anzahl der im gleichen Rhythmus tiitigen motorischen Einheiten als auch wegen der sicherlich zunehmenden Synchronisierung der Aktivit~it dieser Einheiten. Die vorherrschende Frequenz der Tremorschwingung hingegen sollte sich als unabh~ingig yon der jeweiligen Belastung erweisen. Wenn diese Grunds~itze der motorischen Steuerung nicht nur beim statischen Halten, sondern auch bei Bewegungen gelten, so mug sich das im Tremor und E M G entsprechend niederschlagen. In der vorliegenden Arbeit soll dieses an Hand von Bewegungen, die mit konstanter Geschwindigkeit ausgefiihrt werden,/iberpriift werden. Im einzelnen wird erwartet: 1. Zur Aufrechterhaltung einer konstanten Bewegungsgeschwindigkeit (mittlere Beschleunigung Null!) mul3 die Arbeitsmuskulatur den in den Gelenken und sich verformenden Weichteilen auftretenden Reibungswiderstand/iberwinden. D a dieser in erster N~iherung der Geschwindigkeit proportional ist, mug entsprechend auch die bereitgestellte Muskelkraft mit der Geschwindigkeit zunehmen. Man wird also erwarten, dal3 die Beschleunigungswerte des Tremors (Tremorbeschleunigung 1) mit wachsender Bewegungsgeschwindigkeit zunehmen. 2. Die vorherrschende Tremorfrequenz ~indert sich bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht oder nur geringftigig. 3. Der mit zunehmender Geschwindigkeit wachsende Kraftaufwand des Agonisten (hier: M. triceps) l~igt sich im E M G dieses Muskels nachweisen.

Methode Untersueht wurde die Streckbewegung des rechten Unterarms in einer horizontalen Ebene bei ruhig gehaltenem Oberarm. Die Drehachse wurde durch Einlegen und 1 Was unter Ruhetremorwerten zu verstehen ist, kann relativ einfach (operational) definiert werden: Es sind alle registriertenWegiinderungen bzw. Geschwindigkeits-oder Beschleurligungswerte,die trotz der Absicht, das betreffende K/Srpergliedruhig zu halten, auftreten. Analog wird in dieser Arbeit die Tremorbeschleunigung definiert: Es werden darunter die (negativen und positiven) Beschleunigungen verstanden, die auftreten, obwohl die Versuchsperson sich gleichf6rmig bewegenwill. Es handelt sich also konkret um die (yon Null abweichenden)Besehleunigungswerte, die wS_hrendder Bewegung auftreten, mit Ausnahme der Phasen starker Besehleunigung am Anfang und starker Bremsung am Schlul3 der Bewegung. Auf nicht n~iher spezifizierte Bewegungen kann diese Begriffsbildung natiirlich nicht ohne weiteres /ibertragen werden

Uber Tremor bei Bewegungen

85 Zweist r oht-XYOsziIt oskop I

O•

Kontoktloses Armpos.iti on d. Poti + ~ - ~

Vorloge

Drehspule VersuchsElektroden (m. triceps} E lektroden (re.biceps)

Abb. 1. Blockschema der Apparatur und Definition der MeSwerte

FIz

I Start-

gewegungskrii'erium ~

J

Kennun9

Steuerslgna e

Analogspeicher

D: Differenzierer

T: Tiefpass filter

Abstfitzen des kn6chernen Fortsatzes direkt unter dem Ellenbogengelenk (Epicondylus medialis) in einer muldenf6rmigen Vertiefung fixiert. Der Arm mugte w~hrend der Bewegung, abgesehen von dieser Unterstfitzung, frei gehalten werden. Ober dem Unterarm war ein sehr leichtg/ingiger Hebel angebracht, der um dieselbe Achse drehbar war und dessen Ende fiber ein nur in senkrechter Richtung nachgiebiges Zwischenstfick mittels Klebestreifen in Handgelenkn/ihe mit dem Unterarm verbunden war. Durch diese Anordnung sollte erreicht werden, dal3 nur die Aktionen des vom M. biceps und M. triceps gebildeten antagonistischen Paares erfaSt wurden und der Einflu8 der Schwerkraft vernachl/issigt werden konnte. Der Winkelbereich vom linken bis zum rechten Anschlag des Hebels betrug 2,04 rad (~ 117~ Mit der Hebelachse starr verbunden waren ein kontaktloses Potentiometer (Siemens: Feldplatten-Potentiometer JM 372 JW 01/27N) zur Messung der jeweiligen Winkelposition oz des Unterarms und eine Induktionsspule (umgebautes DrehspulMel3instrument), welches eine der Winkelgeschwindigkeit co proportionale Spannung Uv lieferte. Die Differentation von Uv ergab eine der Winkelbeschleunigung d) proportionale Spannung Ub. Die Elektromyogramme (EMG) vom M. triceps und M. biceps wurden durch je ein Paar Klebe-Elektroden (Beckmann Typ 650418) abgenommen, die nach Ffillung mit einer Kontaktpaste (Marke ,,Synapse" yon Beckmann) mittels Kleberingen auf der Haut jeweils fiber dem Muskelbauch befestigt wurden. Das EMG des M. biceps wurde zus/itzlich aufgenommen und diente insbesondere zur Berechnung der Kreuzkorrelationen zwischen den Aktivit/iten der beiden Synergisten. Das Beschleunigungssignal und die beiden Elektromyogramme wurden auf drei Kan/ilen eines Analogspeichers aufgenommen; Angaben fiber Verst/irkung und Filterung k6nnen der Abbildung 1 entnommen werden. Auf dem vierten Kanal des Analogspeichers wurden in spezieller analoger Kodierung Kennzahlen zur fortlaufenden Numerierung der Einzelbewegungen und digitale Steuerungssignale zur Markierung der sp/iter auszuwertenden Bewegungsabschnitte aufgenommen.

Versuchsdurchf'dhrung Die Streckung des Unterarms erfolgte bei insgesamt ffinf verschiedenen Geschwindigkeiten (siehe Tab. 1).

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Tabelle 1. Beziehungenzwischen der Geschwindigkeit v der Marke auf dem Oszilloskopschirm (Vorlagegeschwindigkeit)und der Sollgeschwindigkeitdes Unterarms. Die translatorischen Geschwindigkeitensind dabei auf eine Arml~ingeyon 30 cm bezogen V~,rk~ [cm/s]

1

2

4

6

8

6Ounterarm[rad/s] vunte.... [cm/s]

0,204 6,13

0,408 12,25

0,817 24,50

1,225 36,76

1,634 49,01

Als Bewegungsvorlage diente eine auf einem Oszillographenschirm dargestellte kreisf6rmige Marke yon 1,5 cm Durchmesser, die sich gleichf6rmig vom linken zum rechten Bildschirmrand bewegen konnte. Die jeweilige Winkelposition des Unterarms wurde auf demselben Oszillographenschirm als senkrechter Strich dargestellt. Nach dem Ert6nen eines kurzen akustischen Startsignals wurde die Bewegung der Vorlage ausgel6st, wenn der Unterarm vom linken Anschlag aus die Bewegung begann. Die Versuchsperson war instruiert, ihren Arm m6glichst gleichm~il3ig mit der yon der kreisf'6rmigen Marke vorgelegten Geschwindigkeit zu bewegen. Zur Vermeidung yon Folgebewegungen bzw. der hierbei zu erwartenden gr6Beren Anzahl willkiirlicher Korrekturbewegungen wurde die Kreismarke w/ihrend des mittleren Bewegungsabschnittes ausgeblendet. Eine Streckbewegung gait als erfolgreich durchgefiihrt, wenn die Kreismarke nach ihrem Wiedererscheinen gegen Bewegungsende den senkrechten Strich zumindest noch beriihrte (Bewegungskriterium). Bei jeder der fiinf Geschwindigkeiten war der eigentlichen Testphase eine Lernphase vorgeschaltet. Lernkriterium waren drei erfolgreich durchgeffihrte Bewegungen hintereinander; danach ausgeffihrte Bewegungen wurden registriert, und zwar solange, bis 10 Bewegungen mit erffilltem Bewegungskriterium vorlagen. Am Ende des Versuchs wurden in Ruhestellung des Arms bei mittlerer Winkelposition 30 s lang die Ruhewerte registriert. Zur sp/iteren Auswertung gelangten, abgesehen von den Ruhewerten, nur die Werte aus den mittleren Abschnitten der erfolgreich durchgefiihrten Bewegungen. Die Grenzen des mittleren Bereichs wurden durch Uberschreiten der Winkelposition o~l und o~2 durch die Versuchsperson definiert. Diese Grenzen waren in Vorversuchen so festgelegt worden, dal3 die Beschleunigungsphase bei Bewegungsbeginn und die Bremsphase gegen Ende der Bewegung nicht erfaf3t wurden. Das Uberschreiten der Bereichsgrenzen und alas Einhalten der Bewegungskriterien wurden elektronisch kontrolliert und durch auf Band fiberspielte digitale Signale dokumentiert. Die Steuerung yon Versuchsablauf und Datenerfassung geschah ebenfalls auf elektronischem Wege. Verwendet wurden digital und analog arbeitende Bausteine des Marburger Systems; die Prinzipschaltung ist der Abb. 1 zu entnehmen 2. Als Versuchspersonen stellten sich sechs m/innliche Mitarbeiter des Fachbereichs Psychologie im Alter zwischen 25 und 45 Jahren zur Verffigung. Die ersten 2 DetaillierteSchaltpl/inek/Snnenauf Wunsch zur VerffigunggesteUtwerden. Zur Beschreibungdes verwendeten elektronischenSystems und der in den Schaltpl~inenbenutzten Symbolikvgl. Kalveram (1975)

/Jber Tremor bei Bewegungen

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Abb. 2. Auswerte-Schaltungen und Definitionender Mel3parameter 1 ATB=c~

t2

ATB

fb

L oJ

ftl I Ub ] dt

1 t2 ['[ EMG ] dt t2-tl fl' e, c': Eichkonstanten TP: Tiefpal3filter K: Komparator D: Differenzierer B: Betragselement EMA:c'--

~

tt

a

=~- EHGtr =

oo

EHGb i

.~,, u ii

]

EMAt,

~

ENAbi

v.

Kreuzkorrelation

--

Kennung

;

Steuersignate

drei Versuchspersonen erhielten die Vorgabegeschwindigkeit in aufsteigender, die letzten drei in abfallender Reihenfolge. Die Versuche fanden im September 1974 im EEG-Raum des Marburger Psychologischen Instituts statt. Von den auf Band aufgenommenen Daten wurden ffir die Ruhestellung und die Bewegungen die Tremorfrequenz fo, die mittlere absolute Tremorbeschleunigung ATB, die mittleren Elektromyoaktivitgten EMAtr und EMAb~ des M. triceps und des M. biceps und schlief31ich die Kreuzkorrelationen zwischen den Elektromyogrammen der beiden Muskeln ermittelt. Die genauen Definitionen der gemessenen Parameter sind der Abb. 2 zu entnehmen. Die Auswerteschaltung bestand ebenfalls aus digital und analog arbeitenden Bausteinen des Marburges Systems sowie einem Kleinrechner (Eigenbau), der nach der Digitalwandlung der vorverarbeiteten Analogsignale die Mittelwerte und Korrelationen entsprechend den Definitionen in Abb. 2 berechnete.

Ergebnisse Abb. 3 zeigt die Tremorfrequenz in Abh/ingigkeit vonder Bewegungsgeschwindigkeit v. Der Ruhewert ist durch v = 0 gekennzeichnet. Jeder Mel3punkt beruht auf dem Durchschnitt yon je 10 erfolgreichen Bewegungen, gemittelt fiber alle Versuchspersonen. Die Tremorfrequenz nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit ab (Friedmann-Test: P < 5%); der Unterschied zwischen der Tremorfrequenz in Ruhe und bei der gr613ten Bewegungsgeschwindigkeit betrfigt rund 3,5 Hz. Abb. 4 zeigt die mittlere absolute Tremorbeschleunigung (ATB) in Abh/ingigkeit yon der Bewegungsgeschwindigkeit. Auch bier besteht jeder Mef3punkt aus den Durchschnittswerten von je 10 Bewegungen, gemittelt fiber alle Versuchspersonen. Die ATB-Werte nehmen mit wachsender Bewegungsgeschwindigkeit zu (Friedmann-Test: P < 0,1%), die Ruhewerte (v = 0) passen sich dabei gut in den allgemeinen Kurvenverlauf ein. Auffallend sind die mit steigender Geschwindigkeit offenbar progressiv zunehmenden Beschleunigungswerte. Abb. 5 zeigt die Verlgufe der mittleren Elektromyoaktivitgten (EMA) ffir Agonist und Antagonist. Wfihrend die Werte fiir den Agonisten mit steigender Ge-

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K.T. Kalveram

t-

i ~

T 1

~ }

10

I

I

SCreuung

I

I

2

I

3

I

4

s

5

I

6

I

7

5

Vor[uge - Geschwindigkeit v [ cm/s ]

Abb. 3. Tremorfrequenz fb als Funktion der Vorlagegeschwindigkeit v. Die angegebenen Streuungen sind die Durchschnitte der intraindividuellen Streuungen

[rad/s2l

I-lSreuun0

f~J

rn I--

I 1

I 2

I 3

I /4

I 5

I (5

i 7

I 6

Vortctge- Geschwindigkeit v [cm/s ]

Abb. 4. Mittlere absolute Beschleunigung (ATB-Werte) in Abh~ingigkeit von der Vorlagegeschwindigkeit v. Die angegebenen Streuungen sind die Durchschnitte tier intraindividuellen Streuungen

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Ober Tremor bei Bewegungen

l !20

[/~v;

I +~. } Streuung

110

/

/o-~.

100 T

o

90

/ , t .

14''.I

i

I

T/Agonist (m.triceps)

~ T

8o

/ /I

70

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60 50 ~-

0

I

I

1

2 4 6 Vortage-Geschwindigkeft v [cm/s]

!

I

I

8

Abb. 5. Mittlere Elektro-Myo-Aktivitiit (EMA-Werte) als Funktion der Vorlagegeschwindigkeit v. Die angegebenen Streuungen sind die Durchschnitte der intraindividuellen Streuungen

schwindigkeit zunehmen, (Friedmann-Test: P < 0,1%), 1/il3t sich ein solcher Anstieg f/ir den Antagonisten nicht nachweisen. Hier scheint der Verlauf eher horizontal zu sein; eine statistische Absieherung dieser Aussage ist jedoch wegen der hier ziemlich unterschiedlichen Einzelverl/iufe nicht sinnvoll. Hinsichtlich der Kreuzkorrelationen zwischen den Elektromyogrammen yon Agonist und Antagonist fanden sich lediglich bei einer Versuchsperson interpretierbare Funktionen; hier war bei allen Geschwindigkeiten und in Ruhe die Phasenverschiebung gleich Null. Bei allen/ibrigen Versuchspersonen waren die Korrelationsfunktionen nicht interpretierbar, auf ihre Darstellung wird daher verzichtet. Diskussion

1. Die mittlere absolute Tremorbeschleunigung (ATB) steigt erwartungsgem/iB mit wachsender Bewegungsgeschwindigkeit an. Die progressiv zunehmenden Beschleunigungswerte k6nnten darauf zur/ickgehen, dag der Kraftaufwand zur Aufrechterhaltung einer Bewegung der Bewegungsgeschwindigkeit zwar proportional ist, mit steigender Kraft aber auch der Synchronisierungsgrad der motorischen Einheiten zunimmt, so dab dadurch die schnelleren Bewegungen relativ ungleichf6rmiger werden. M6glicherweise enth/ilt auch der Reibungswiderstand bei der untersuchten Unterarmbewegung neben einem geschwindigkeitsproportionalen Anteil noch Anteile, die mit dem Quadrat oder anderen Potenzen der Geschwindigkeit wachsen; die Feinstruktur der Muskelfasern 1/if3tdieses als nicht unwahrscheinlich erscheinen. Eine

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andere Erkl/irungsm6glichkeit w~ire natfirlich auch, dab trotz aller VorsichtsmaBnahmen bei den gr6Beren Bewegungsgeschwindigkeiten zunehmend Teile der bei Beginn und Ende der Bewegung auftretenden Beschleunigungs- und Bremsphasen mit erfaBt worden sind. 2. Die Tremorfrequenz zeigt eine mit wachsender Geschwindigkeit leicht abfallende Tendenz, w~/hrend sich in den Untersuchungen von S/ilzer (1973) stets eine leichte Frequenzzunahme bei steigender Muskelbeanspruchung einstellte. Auch liegt die mittlere Tremorfrequenz mit 14,3 Hz etwas fiber den f/Jr den Unterarm angegebenen Werten vergleichbarer Untersuchungen. Die Frequenzabnahme k6nnte auf eine im Vergleich zum statischen Halten st/irkere Synchronisierung der jeweils t~itigen motorischen Einheiten zurfickgehen; da bei Bewegungen die Muskelspindeln anders als im Halteversuch (vgl. Rau, 1973) -- sicherlich im fiberschwelligen Bereich arbeiten, w~ire sogar eine Synchronisierung fiber den Spindelmechanismus denkbar. In bezug auf die scheinbar zu hohe Tremorfrequenz ist zu sagen, dab deren Bestimmung sehr methodenabh~ingig ist: Bei der Z~ihlmethode, wie sie in dieser Arbeit verwendet wurde, wird man andere Ergebnisse erwarten als bei Spektralanalysen des Beschleunigungsverlaufs, Hinzu kommt, dab in dieser Untersuchung nicht die Nulldurchg~inge, sondern infolge der nochmaligen Differentation die Maxima des Beschleunigungssignals gez~ihlt wurden. Da zwischen zwei Maxima nicht notwendig auch ein Nulldurchgang liegt, muf5 das Zghlerergebnis hier h6her sein. 3. Hinsichtlich der Elektromyoaktivitiiten (EMA) findet man beim Agonisten die erwartete Zunahme mit steigender Bewegungsgeschwindigkeit. Die ffir den Antagonisten (M. biceps) in Abb. 4 dargestellten Werte haben ffir diese Untersuchung eigentlich keine Bedeutung. Ihr fast horizontaler Verlauf ist ein Hinweis darauf, dab dieser Muskel bei allen Bewegungsgeschwindigkeiten in gleicher Weise schwach angespannt gewesen sein mug. Die Ursache liegt vermutlich in der gew~ihlten Versuchsanordnung3: Durch das Eigengewicht des Unterarms entsteht ein Drehmoment, welches in Richtung einer Innenrotation des Oberarms wirksam wird. U m die vorgeschriebene Armhaltung aufrechtzuerhalten, mul3 die Versuchsperson also stfindig aul3enrotierende Muskelgruppen anspannen. Zu diesen Muskelgruppen z~ihlt auch der M. biceps.

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Ich danke Herrn Prof. Rohmert ffir den freundlichen Hinweis auf diesen Umstand!

Ober Tremor bei Bewegungen

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[On tremor during movement (author's transl)].

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