Hot Topics Z Rheumatol 2014 · 73:111–112 DOI 10.1007/s00393-013-1269-8 Online publiziert: 17. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Redaktion

K. Krüger Rheumatologisches Praxiszentrum St.Bonifatius, München

O’Dell reloaded

U. Müller-Ladner, Bad Nauheim U. Lange, Bad Nauheim

Setzen wir TNF-Inhibitoren zu schnell ein?

Stellen DMARD-Kombinationen eine gleichwertige und wesentlich kostengünstigere Alternative zu Biologika dar oder machen diese womöglich sogar entbehrlich? Zu dieser Schlussfolgerung könnte der oberflächliche Leser kommen, wenn er die Ergebnisse von Studien wie SWEFOT [1] oder TEAR [2] liest: Abgesehen von der frühen Studienphase zeigen sich hier keine bzw. nur sehr geringe Vorteile für die Kombination Infliximab + Methotrexat (Mtx) bzw. Etanercept + Mtx im Vergleich zur Triple-DMARD-Kombination Mtx + Sulfasalazin (SSZ) + Hydroxychloroquin (HCQ) bei Patienten, die zuvor nicht ausreichend auf Mtx als Starttherapie angesprochen hatten. Somit kann man den ersten Teil der eingangs gestellten Frage dahingehend beantworten, dass es offenkundig eine Reihe von Patienten gibt, die kostengünstig und gleichwertig mit einer DMARD-Kombination anstatt Biologika behandelt werden können. Allerdings wiesen beide Studien kleinere (SWEFOT) bzw. gravierende (TEAR) methodische Probleme und Limitationen auf, welche die Aussagekraft einschränken und eine differenzierte Betrachtung notwendig machen. Bei IMPROVED, einer weiteren Strategiestudie, erreichten 61% der Patienten mit sehr früher RA oder noch undifferenzierter Arthritis, durch intensivierte Starttherapie (60 mg Prednison + 25 mg/ W. Mtx) eine Remission [3]. Die restlichen 39% wurden nach 4 Monaten randomisiert mit DMARD-Triple-Kombi + Prednisolon vs. Adalimumab + Mtx behandelt, nach 8 Monaten war in beiden Gruppen eine weitere Eskalation möglich. Diese Studie zeigt nach 4 Monaten randomisierter Behandlung noch keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Sie

ist jedoch die bisher einzige, bei der sich die Gruppe mit früher TNF-Kombi dann nach einem Behandlungsjahr signifikant überlegen im Vergleich zur Triple-Therapie erwies (Remission in 41 vs. 25%). Auch dieses Ergebnis hat allerdings einen Haken, da in beiden Gruppen weitere Änderungen möglich waren (z. B. wöchentliche Adalimumab-Gabe), wodurch die Vergleichbarkeit erschwert wird.

Die neue O’Dell-Studie James O’Dell, der Erstuntersucher der DMARD-Triple-Kombitherapie, hat nun eine weitere 2-jährige Studie vorgelegt, in der Patienten nach Mtx-Versagen randomisiert-kontrolliert mit Triple-Regimen vs. Etanercept + Mtx behandelt wurden [4]. Patienten die nach 24 Wochen keine Response von mindestens 1,2 im DAS 28 boten, wechselten jeweils auf das andere Schema. Auch in dieser Studie erreichten die Patienten unter Anti-TNF ein etwas schnelleres Ansprechen, nach 24 Wochen ergaben sich aber zwischen beiden Therapien keine signifikanten Unterschiede. Je 27% aus beiden Gruppen mussten schließlich wechseln. Nach dem Switch zeigte sich beim Wechsel von DMARDauf TNF-Kombi eine gute Response, überraschenderweise aber in ähnlicher Form beim Wechsel von TNF- zu DMARDKombi. Diese Art von Switch war bisher in Studien nicht untersucht worden und könnte neue Perspektiven bieten. Auch in der neuen O’Dell-Studie ergaben sich methodische Unklarheiten (u. a. Wechsel des primären Endpunkts während der Studie, Verfehlen der vorgesehenen Stichprobengröße, mit 54% ungewöhnlich hoher Anteil männlicher Patienten) – es bleibt offen, inwieweit die Ergebnisse dadurch be-

einflusst wurden. Selbst das sehr kritische arzei-telegramm weist in seiner Beurteilung dieser Studie auf die eingeschränkte Aussagekraft durch unzureichende „Powerung“ hin [5].

DMARD-/Biologika-Kombi Nicht „oder“ sondern sequenziell! Die eingangs gestellte Frage lässt sich aus SWEFOT, TEAR und IMPROVED ebenso wie aus der neuen O’Dell-Studie nicht beantworten, wenn man unser Vorgehen im rheumatologischen Alltag berücksichtigt. Die deutsche S1-Leitlinie gibt als zweiten Schritt im Therapie-Algorithmus nach Starttherapie Mtx + Glukokortikoid im Normalfall den Einsatz einer DMARD-Kombination vor [6]. Bei leitlinienkonformer Verordnung stellt sich für uns im rheumatologischen Alltag somit nicht die Frage DMARD-Kombi oder TNF-Kombi. Vielmehr kommt die TNFKombi erst dann zum Einsatz, wenn sich die DMARD-Kombi als nicht ausreichend wirksam erwiesen hat. Die neue O’DellStudie hat dieses Szenario zumindest in den Switch-Gruppen nachvollzogen und festgestellt, dass bei diesem schrittweisen Vorgehen der Wechsel von DMARDKombi zu TNF-Kombi in 27% der Fälle notwendig war – und auch zum Erfolg führte. Somit bestätigen die Ergebnisse dieser Studie im Wesentlichen das in der Leitlinie vorgegebene Vorgehen, wie es in Deutschland vermutlich auch mehrheitlich umgesetzt wird:

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Biologika) stehen als Drittlinientherapie bei Patienten zur Verfügung, die auf DMARD-Kombinationen als Zweitlinientherapie nicht ausreichend angesprochen haben. Auch wenn exakte Untersuchungen dazu fehlen, wie häufig dieser Ablauf in Deutschland tatsächlich zur Anwendung kommt: Der bei O’Dell gefundene Anteil von 27% der Triple-Kombi-Patienten, die letztlich die Kombination Biologikum + Mtx benötigen, dürfte hierzulande ähnlich liegen. Aktuelle Zahlen aus der Kerndokumentation [7] belegen einen Anteil von 24% RA-Patienten, die mit Biologika behandelt werden. DMARD-Kombinationen stellen definitiv nicht mehr die geeignete Vergleichstherapie für die Kombination Biologikum + Mtx dar, da unterschiedliche Stufen im Algorithmus betroffen sind. Weitere Studien mit dem Ansatz, die Ansprechraten dieser Kombinationen zu vergleichen, erscheinen für die Zukunft entbehrlich, sofern leitliniengerecht behandelt wird.

Früherer Einsatz von Biologika bei ungünstiger Prognose? Internationale Empfehlungen und die nationale S1-Leitlinie postulieren einen möglichen Stellenwert für Biologika (+ Mtx) als Zweitlinientherapeutika bei Patienten mit sehr hoher Krankheitsaktivität und ungünstiger Prognose, die auf die Starttherapie nicht angesprochen haben [6, 8]. Zu diesem plausibel erscheinenden Sonderweg, der sich in der Praxis durchaus erfolgreich zeigt, fehlen jedoch leider bisher konkrete unterstützende Studiendaten. Keine der zitierten Vergleichsstudien hat diese Subpopulation separat untersucht – in diesem Punkt besteht nach wie vor dringender Forschungsbedarf. Weiter untersucht werden sollte auch die spektakuläre Folgerung aus der neuen O’Dell-Studie, dass nach Versagen einer TNF-Therapie auch der Wechsel auf eine DMARDKombi zum Erfolg führen könnte. Lässt sich dieses Resultat nachvollziehen, so könnte unsere Vorgehensweise in Zukunft eine neue Perspektive erhalten. Abschließend bleibt festzuhalten: Alle zitierten Studien bekräftigen, dass TNF-

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Blocker und andere Biologika leitlinienkonform dann zu verordnen sind, wenn der Einsatz von DMARD (unter Einschluss von Kombinationen) nicht zum Erfolg führt. Stellt man die bekannten Zahlen zur Verordnungshäufigkeit von Biologika in Deutschland in Rechnung, die selbst bei in der Kerndokumentation teilnehmenden Schwerpunktzentren 25% nicht überschreiten (in einer Umfrage des Berufsverbandes sogar bei 14% liegen), so ist davon auszugehen, dass in Deutschland Biologika leitlinienkonform oder sogar hier und da zu zurückhaltend angewendet werden. Schlussendlich sollten wir im Auge behalten, dass die Umstellung von DMARD-Nonrespondern auf ein Biologikum entsprechend der Leitlinie auch wirklich nach 6 Monaten in die Tat umgesetzt wird, um dem Risiko eines ungünstigen Langzeitverlaufs vorzubeugen. Schließlich wäre noch die interessante Frage zu stellen, warum die hier diskutierte und insgesamt mit unbestreitbar guten Studiendaten versehene Triple-DMARDKombinationstherapie nach O’Dell in Deutschland – im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, Holland oder Großbritannien – so wenige Freunde hat. Aus den bereits zitierten Kerndokumentationsdaten [7] geht hervor, dass diese Kombination bei weniger als 5% der dort erfassten Patienten verordnet wird, während sie z. B. in Finnland bei 55% der Patienten sogar als Starttherapie eingesetzt wird [9]. In Diskussionen wird oft der mangelhafte Patientenkomfort (hohe Zahl eingenommener Tabletten) als Grund aufgeführt – dieser stellt aber in den anderen Ländern offenbar kein Problem dar.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. K. Krüger Rheumatologisches Praxiszentrum St.Bonifatius St.Bonifatius Str. 5, 81541 München [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  K. Krüger weist auf folgende Beziehungen hin: Der Autor hat Beratungs- oder Vortragshonorare von folgenden Firmen erhalten: Abbvie, Berlin-Chemie, BMS, Medac, MSD, Mundipharma, Pfizer, Roche, UCB.

Literatur   1. Van Vollenhoven RF, Geborek P, Forslind K et al (2012) Conventional combination treatment versus biological treatment in methotrexate-refractory early rheumatoid arthritis: 2 year follow-up of the randomised, non-blinded, parallel-group Swefot trial. Lancet 379:1712–1720   2. Moreland LW, O’Dell JR, Paulus HE et al (2012) A randomized comparative effectiveness study of oral triple therapy versus etanercept plus methotrexate in early Aggressive Rheumatoid Arthritis. Arthritis Rheum 64:2824–2835   3. Heimans L, Wevers-de Boer KVC, Visser K et al (2013) A two-step treatment strategy trial in patients with early arthritis aimed at achieving remission: the IMPROVED study. Ann Rheum Dis (10.1136/annrheumdis-2013-203243)   4. O’Dell JR, Mikuls TR, Taylor TH et al (2013) Therapies for active rheumatoid arthritis after methotrexate failure. N Engl J Med. doi:10.1056/NEJMoa1303006   5. Anonym (2013) Therapiekritik: Rheumatoide Arthritis versus klassische DMARDs. arznei-telegramm 44, Nr.7, 5.7.2013, 60–61   6. Krüger K, Wollenhaupt J, Albrecht K et al (2012) S1-Leitlinie der DGRh zur sequenziellen medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis 2012. Z Rheumatol 71:592–603   7. Kerndokumentation der Rheumazentren 2011, nicht publizierte Daten, DRKZ 2013   8. Smolen JS, Landewé R, Breedveld FC et al (2010) EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs. Ann Rheum Dis 69:964–975   9. Rantalaiho V, Kautiainen H, Virta L et al (2011) Trends in treatment strategies and the usage of different disease-modifying anti-rheumatic drugs in early rheumatoid arthritis in Finland. Results from a nationwide register in 2000–2007. Scand J Rheumatol 40:16–21

[O'Dell reloaded: Do we use TNF inhibitors too early?].

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