Einführung zum Thema Ophthalmologe 2014 · 111:104–106 DOI 10.1007/s00347-013-2930-y Online publiziert: 7. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C.H. Meyer 1 · T.U. Krohne2 1 Klinik Pallas AG, Aarau 2 Universitäts-Augenklinik Bonn

Okuläre Pharmakokinetik Topische, intravitreale und systemische Medikamentengabe

Die pharmakologische Therapie hat in den letzten 15 Jahren bei der Behandlung vieler Augenerkrankungen an Bedeutung zugenommen [1]. Viele schwere Augenerkrankungen wie beispielsweise das fortgeschrittene Glaukom und die feuchte Makuladegeneration konnten lange Zeit aufgrund des Fehlens wirksamer Medikamente nur operativ behandelt werden [2]. Dies hat sich insbesondere in der letzten Dekade grundlegend geändert: Glaukommedikamente mit verschiedenen Mechanismen wirken synergistisch auf die Augendruckreduktion und haben die Effizienz der konservativen Glaukomtherapie deutlich gesteigert sowie die Visusprognose für betroffene Glaukompatienten erheblich verbessert. Auch in der Therapie von Netzhauterkrankungen wurden in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Während die intravitreale Injektion lange als zu risikoreich bewertet und deshalb nur experimentell oder in weit fortgeschrittenen Fällen angewandt wurde, avancierte diese Applikationsform mit der Gewissheit einer sicheren Applikation [3] und der Entwicklung von wirkungsvollen Medikamenten in den letzten 8 Jahren zu der häufigsten chirurgischen Prozedur am Auge [4]. Mit diesem Paradigmenwechsel von chirurgischen hin zu mehr „pathwaytargeted“ medikamentösen Therapieansätzen haben viele pharmakologische Begriffe in unseren klinischen Alltag Einzug gehalten. Die Pharmakokinetik bezeichnet alle Vorgänge, denen ein Arzneimittel nach der Verabreichung im Organis-

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mus unterliegt [5], während die Pharmakodynamik die Beeinflussung biologischer Funktionen durch das Pharmakon, also seine Wirkungen auf den Organismus beschreibt. Wichtige pharmakokinetische Prozesse sind die Freisetzung (Liberation), Aufnahme (Absorption) und Verteilung im Gewebe (Distribution) sowie der Abbau (Metabolisierung) und die Ausscheidung (Elimination) eines Medikamentes (LADME-Modell). Die Applikationsform einer Substanz richtet sich nach dem gewünschten Wirkungszielort. Die Bioverfügbarkeit beschreibt die Geschwindigkeit und den Umfang, mit dem Pharmaka absorbiert werden und am Wirkort verfügbar sind. Die Wirkung kann bei geringer Absorption in den Organismus bzw. ins Zielorgan vermindert sein, weshalb diese beispielsweise bei der intravitrealen Injektion effizient umgangen bzw. beschleunigt wird [6]. Es folgt die Aufnahme des Wirkstoffes ins Zielgewebe (Resorption). Hier kann die Molekülgröße des Wirkstoffes eine wichtige Rolle beim Eindringen in das Zielgewebe spielen. Der Wirkstoff bindet an biologisch aktive Bindungsstellen wie Zielmoleküle oder Rezeptoren und löst so seine Wirkung aus. Die Bindungsstärke (Affinität) von Arzneimitteln an das Zielmolekül wird durch seine molekularen Eigenschaften bestimmt und beeinflusst dadurch die Wirkung. Ab einer bestimmten Dosis wird eine maximale Wirkung erreicht, ab der eine weitere Erhöhung zu keiner Steigerung der Wirkung mehr führt. Die Halbwertszeit (t1/2) eines Arz-

neimittels ist als das Zeitintervall definiert, in welchem die Hälfte seiner Substanz eliminiert wird. Die meisten Arzneistoffe folgen dabei einer Eliminationskinetik 1. Ordnung, bei der pro Zeiteinheit ein gleichbleibender Anteil der verbliebenen Substanz eliminiert wird. Eine kurze Halbwertszeit bedeutet eine schnellere Elimination, wogegen Arzneimittel mit hoher Halbwertszeit länger im Organismus verbleiben und bei wiederholter Gabe akkumulieren können. Im Auge können somit verschiedene Prostaglandine und VEGF-Inhibitoren unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften und Wirkungsprofile haben [7, 8].

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Die okuläre Pharmakokinetik erlangt eine zunehmende Bedeutung In diesem Leitthema wollen wir die Pharmakokinetik augenheilkundlicher Medikamente aus 3 verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Zunächst erläutern Bell et al. die Pharmakokinetik topischer Arzneimittel als häufigste Anwendungsform in der Augenheilkunde. Die Pharmakokinetik intravitrealer Medikamente diskutieren anschließend Krohne et al. am Beispiel der Anti-VEGF-Therapie. Schließlich wird von Becker et al. die Pharmakokinetik insbesondere systemischer Medikamente am Beispiel der Uveitistherapie behandelt. Durch eine Kombination aus wissenschaftlichen Grundlagen und praktischen Bespielen wollen wir die zunehmende Bedeutung der okulären Phar-

Fachnachrichten makokinetik darstellen und die konkrete Bedeutung für den klinischen Alltag verdeutlichen.

Prof. Dr. med. Carsten H. Meyer

Priv.-Doz. Dr. med. Tim U. Krohne

Korrespondenzadresse Prof. Dr. C.H. Meyer Klinik Pallas AG Bahnhofplatz 4, 5000 Aarau Schweiz [email protected] PD Dr. T.U. Krohne Universitäts-Augenklinik Bonn Ernst-Abbe-Str. 2, 53127 Bonn [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte (Kategorie 1: Unterstützung von Forschungsprojekten und klinischen Studien; Kategorie 2: Beratung, Honorare, Reisekosten). T.U. Krohne – Kategorie 1: Alcon, Novartis; Kategorie 2: Bayer, Heidelberg Engineering, Novartis. C.H. Meyer – Kategorie 1: Novartis, Allergan; Kategorie 2: Bayer, GSK, Novartis. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Kroll P, Meyer CH (2006) Which treatment is best for which AMD patient? Editorial. Br J Ophthalmol 90:128–130 2. Lai JC, Lapolice DJ, Stinnett SS et al (2002) Visual outcomes following macular translocation with 360-degree peripheral retinectomy. Arch Ophthalmol 120:1317–1324 3. Michels S, Rodrigues EB, Meyer CH et al (2011) Incidence of rhegmatogenous retinal detachments after intravitreal antivascular endothelial factor injections. Acta Ophthalmol 89:70–75 4. Holz FG, Korobelnik JF, Lanzetta P et al (2010) The effects of a flexible visual acuity-driven ranibizumab treatment regimen in age-related macular degeneration: outcomes of a drug and disease model. Invest Ophthalmol Vis Sci 51:405–412

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5. Laude A, Tan LE, Wilson CG et al (2010) Intravitreal therapy for neovascular age-related macular degeneration and inter-individual variations in vitreous pharmacokinetics. Prog Retin Eye Res 29:466–475 6. Krohne TU, Liu Z, Holz FG, Meyer CH (2012) Intraocular pharmacokinetics of ranibizumab following a single intravitreal injection in humans. Am J Ophthalmol 154:682–686 7. Stewart MW, Rosenfeld PJ, Penha FM et al (2012) Pharmacokinetic rationale for dosing every 2 weeks versus 4 weeks with intravitreal ranibizumab, bevacizumab, and aflibercept (vascular endothelial growth factor Trap-eye). Retina 32:434– 457 8. Sakanaka K, Kawazu K, Tomonari M et al (2008) Ocular pharmacokinetic/pharmacodynamic modeling for multiple anti-glaucoma drugs. Biol Pharm Bull 31:1590–1595

Junge Ärzte bilden Zukunftsbündnis Aus Sorge, dass in naher Zukunft die Versorgungsqualität und die Menschlichkeit in den deutschen Kliniken unter der zunehmenden Arbeitsverdichtung leiden, haben in Berlin Vertreter/innen der Assistenzärzte/ innen und jungen Fachärzte/innen der größten deutschen Berufsverbände und Fachgesellschaften das Bündnis JUNGE ÄRZTE gegründet. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres, verbands- und fachgesellschaftsübergreifendes Bündnis junger Ärztinnen und Ärzte, die sich gemeinsam dafür einsetzen möchten, dass sowohl die Patientenversorgung als auch die Berufs- und Arbeitsbedingungen verbessert werden. Das Bündnis JUNGE ÄRZTE versteht sich als Ansprechpartner für aktuelle Entwicklungen, die fachgebietsübergreifend die Qualität der ärztlichen Weiterbildung und damit die zukünftige Basis einer hochwertigen Patientenversorgung bedrohen. Das Bündnis JUNGE ÄRZTE möchte aktiv die Interessen der jungen Ärzte/innen gesundheitspolitisch vertreten. Weitere Berufsverbände und Fachgesellschaften sind ausdrücklich zur Mitarbeit eingeladen. Quelle: Bündnis Junge Ärzte, www.jungeärzte.de

[Ocular pharmacokinetics: Topical, intravitreal, and systemic drug application].

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