Leitthema Nervenarzt 2014 · 85:35–42 DOI 10.1007/s00115-013-3890-9 Online publiziert: 22. Dezember 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

U. Koehler1 · W. Cassel1 · O. Hildebrandt1 · K. Kesper1 · P. Kianinejad1 · C. Nell1 · G. Mayer2 · G. Ohl1 1 Klinik Innere Medizin, Schwerpunkt Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin,

Fachbereich Medizin, Philipps Universität Marburg 2 Hephata-Klinik für Neurologische Schlafstörungen, Treysa und

Fachbereich Medizin, Philipps Universität Marburg

Obstruktive Schlafapnoe bei neurologischen Erkrankungen Speziell als Risikofaktor für Schlaganfall

Abkürzungen AHI ANF CPAP OSA RAAS SBAS

Apnoe-Hypopnoe-Index atrialer natriuretischer Faktor continuous positive airway pressure obstruktive Schlafapnoe Renin-Angiotensin-AldosteronSystem schlafbezogene Atmungsstörung

Definition der schlafbezogenen Atmungsstörungen Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) beruhen auf zentralnervösen und/ oder neuromuskulären Prozessen, die im Schlaf zu einer Änderung der zentralen Atmungsregulation und/oder des Tonus der Muskulatur der oberen Atemwege führen. Nach der Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen (ICSD2) werden folgende SBAS unterschieden: F obstruktive Schlafapnoesyndrome (OSAS), F zentrale Schlafapnoesyndrome (ZSAS), F schlafbezogene Hypoventilations/ Hypoxämiesyndrome und F schlafbezogene Hypoventilation/ Hypoxämie durch körperliche Erkrankungen.

Die SBAS treten bei neurologischen Erkrankungen häufig als komorbide Störungen auf, wobei genaue Prävalenzangaben der SBAS für die einzelnen neurologischen Erkrankungen nicht vorliegen (s. Leitlinie Schlafbezogene Atmungsstörungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie; . Tab. 2).

Obstruktive Schlafapnoesyndrome Epidemiologie Die OSAS treten von allen SBAS am häufigsten auf. Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) hat unter den schlafbezogenen Atmungsstörungen infolge der hohen Prävalenz (1–2% der Gesamtbevölkerung; 5–10% bei Männern und 2–5% der Frauen der Altersgruppe 30 bis 70 Jahre) sowie der Koinzidenz mit Erkrankungen des kardio- und zerebrovaskulären Systems die größte klinische Relevanz [8, 12, 13, 16, 20, 22, 23].

Genetik und Pathophysiologie Familiäre gehäufte bzw. genetisch bedingte OSA sind nicht bekannt. Risikogene, die spezifisch für das Auftreten von OSA sind, sind bisher nicht beschrieben worden.

Durch einen Kollaps der Atemwege im Oropharynx kommt es im Schlaf zum Auftreten repetitiver Atemstillstände. Die schlafbedingte Tonusabnahme der pharyngealen Muskulatur führt in unterschiedlicher Ausprägung zur Verlegung der oberen Atemwege bis hin zur kompletten Obstruktion (Apnoe). Infolge der Hypoxämie wird die den Gesamtorganismus bedrohende Atmungsstörung durch Anheben der zentralnervösen Vigilanz (Arousal) als Alarm- oder Weckreaktion mit einer Phase der Hyperventilation beendet. Durch die repetitive Abfolge von Atmungsstörungen und konsekutiven Weckreaktionen kann die physiologische Schlafstruktur zerstört und die Erholungsfunktion des Schlafes deutlich beeinträchtigt werden. Neben den Blutgasalterationen und den zentralnervösen Aktivierungen beeinflussen atemmechanische Faktoren – bedingt durch intrathorakale Druckschwankungen als Folge des Anatmens gegen die Atemwegsobstruktion – die Hämodynamik.

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Obstruktive Atmungsanstrengungen bedingen eine Volumenbelastung des rechten Herzens

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Leitthema Tab. 1  Neurologische Krankheitsbilder,

für die eine Komorbidität mit obstruktiver Schlafapnoe bekannt ist Neurodegenerative Erkrankungen – Multisystematrophie – Idiopathisches Parkinson-Syndrom – Amyotrophe Lateralsklerose Neuropathien – Autonome Neuropathien (vor allem diabetisch), Phrenikusaffektion (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie) – Hereditäre motorische und sensible Neuropathien (HMSN; z. B. Charcot-Marie-ToothErkrankung) Poliomyelitis/Postpoliosyndrom Neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. Myasthenia gravis) Muskelkrankheiten (z. B. myotone Dystrophie, Maltasemangelmyopathie, M. Pompe) Kongenitale Erkrankungen (z. B. kongenitales zentrales alveoläres Hypoventilationssyndrom [CCHS], familiäre Dysautonomie/RileyDay-Syndrom) Bilaterale posterolaterale Läsionen der Medulla oblongata (z. B. bei Ischämie, Hämorrhagie, intrakraniellen Abszessen, LeighSyndrom) Enzephalitis (erregerbedingt, autoimmun) Hirntumoren Multiple Sklerose Schlaganfall Epilepsie Schlafstörungen: Restless-legs-Syndrom (RLS), Narkolepsie

Patienten mit OSA haben ein verändertes Sekretionsmuster der volumenregulierenden Hormone im Schlaf. Durch die obstruktiven Atmungsanstrengungen bedingt, kommt es zu einer Volumenbelastung des rechten Herzens mit einem Pooling in der pulmonalen Zirkulation. So korreliert die gesteigerte nächtliche Diurese und Natriurese mit einer gesteigerten Sekretion des atrialen natriuretischen Faktors (ANF) und einer Suppression des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS). In . Tab. 3 sind die potenziellen Faktoren im Überblick dargestellt, die die zerebro- und kardiovaskuläre Funktion akut und chronisch beeinflussen. Der Schweregrad der OSA wird anhand des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) festgelegt: Ein AHI ≥535 war es verdreifacht.

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Schlaganfall und Ausprägung des AHI stehen in signifikanter Relation Entsprechend den Daten der Sleep Heart Health Study, bei der 5422 Probanden nach Durchführung einer PolysomnograDer Nervenarzt 1 · 2014 

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Leitthema

Abb. 1 8 Polysomnographie eines Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, der durch ein pathologisches RR-Profil auffällig wurde. Deutlich zu erkennen sind die über eine Minute anhaltenden Apnoephasen mit schwergradigen Sauerstoffentsättigungen bis unter 70%. EEG Elektroenzephalographie, EKG Elektrokardiographie, EMG Elektromyographie, EOG Elektrookulographie

phie über 8,7 Jahre nachuntersucht wurden, konnte bei 193 Patienten ein Schlaganfall objektiviert werden. Es fand sich eine signifikante Relation zwischen ischämischem Schlaganfall und der Ausprägung des obstruktiven AHI. Bei Männern mit der ausgeprägtesten OSA war das Risiko eines Schlaganfalls nahezu um das 3-Fache erhöht [23]. Für den Schlaganfall, den akuten Myokardinfarkt sowie den plötzlichen Herztod sind zirkadiane Rhythmen belegt [17, 18, 19, 32, 35]. Pathophysiologisch bedeutsam für die morgendlich auftretenden zerebro- und kardiovaskulären Ereignisse sind die zum Zeitpunkt des Erwachens einsetzenden Veränderungen des Gefäßtonus, der Thrombozytenaggregabilität, der fibrinolytischen Aktivität sowie der Plasmakonzentrationen von Kortisol und Katecholaminen. Patienten mit einer zerebralen bzw. kardialen Minderperfusion sowie einer begleitenden OSA sind vor allem im Schlaf bzw. in den frühen Morgenstunden durch akute zerebrale oder kardiale Ereignisse gefährdet. Eine Zunahme des Sauerstoffverbrauchs bei sympathiko-

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Der Nervenarzt 1 · 2014

toner Herzfrequenzakzeleration und Blutdruckerhöhung, eine Abnahme des Sauerstoffangebots bei apnoeischer Hypoxie sowie die Aktivierung von Gerinnungsfaktoren prädisponieren für das Auftreten nächtlicher zerebraler und myokardialer Ischämien sowie für Organinfarkte. Es ist davon auszugehen, dass vor allem apnoeassoziierte (systolische) Blutdruckerhöhungen zum Auftreten eines Schlaganfalls beitragen [24]. Bei einem eigenem OSA-Patienten, der sich wegen ausschließlich nächtlich auftretender Epistaxis vorstellte, konnten in Abhängigkeit der Apnoe-/Hyperventilationsphasen systolische RR-Werte über 300 mmHg gemessen werden. Zudem ist ein Zusammenhang zwischen prolongierten hypoxischen Zuständen, wie sie bei der OSA gefunden werden, und der Entwicklung einer Arteriosklerose tierexperimentellen Untersuchungen zufolge bekannt [6]. Xie und Mitarbeiter konnten wiederum nachweisen, dass Hypoxie, im Vergleich zur Hyperkapnie, zu langanhaltender Sympathikotonusaktivierung und damit auch einer zunehmenden Gefäßschädigung

führen kann [33]. Die in Abhängigkeit der apnoeassoziierten Hypoxie sonographisch gemessenen Intimadicken der Arteria carotis sprechen ebenfalls für atherogene Effekte [27]. Insbesondere die repetitiven Hypoxämien sowie die Sympathikotonusaktivierungen sind als Risikofaktoren für eine frühzeitige Arteriosklerose des arteriellen Gefäßsystems anzusehen. Auffällig ist, dass Patienten mit OSA und Zustand nach Apoplex unter einer vergleichsweise geringgradig ausgeprägten Tagesschläfrigkeit leiden [2, 13]. Dies hat zur Folge, dass bei Patienten mit Schlaganfall, die oft auch keine relevante Adipositas aufweisen, häufig nicht früh genug an das Vorliegen einer obstruktiven Schlafapnoe gedacht wird.

Herzrhythmusstörungen Vorhofflimmern stellt einen Risikofaktor für embolisch bedingte Schlaganfälle dar. Eine erhöhte Prävalenz von OSA bei Patienten mit Vorhofflimmern ist beschrieben [5, 13]. Vorhofflimmern war in der Patientengruppe mit OSA gegenüber

Abb. 2 9 Patient mit obstruktiver Schlafapnoe, bei dem vermutlich durch apnoeische Hypoxämie ein Vorhofflimmern getriggert wird. (Aus [36], mit freundlicher Genehmigung des Georg Thieme Verlags). EKG Elektrokardiographie

Vergleichskollektiven mit kardiovaskulären Erkrankungen ohne OSA deutlich häufiger nachweisbar. Die Analyse der Daten der „Sleep Health Study“ zeigte eine 4-fach erhöhte Prävalenz von Vorhofflimmern bei Patienten mit schwergradiger OSA (AHI >30/h; [15]). Kanagala und Mitarbeiter konnten nach Kardioversion bei Patienten mit unbehandelter OSA eine signifikant höhere Rezidivrate von Vorhofflimmern im Vergleich zu Patienten mit suffizienter CPAP-Therapie nachweisen (82 vs. 42%; [10]). . Abb. 2 zeigt das Beispiel eines Patienten, bei dem es im Schlaf während obstruktiver Apnoe und schwergradiger Hypoxämie zum Auftreten einer Phase mit absoluter Arrhythmie bei Vorhofflimmern gekommen ist. In der klinischen Routine ist somit auch beim Vorhandensein oder Neuauftreten eines Vorhofflimmerns, insbe-

sondere bei frustraner antiarrhythmischer Therapie, an eine OSA zu denken. Bradykarde Herzrhythmusstörungen werden bei Patienten mit OSA in einer Häufigkeit von etwa 5–10% gefunden [7, 12]. Sie sind am ehesten funktionell durch einen kardioinhibitorischen Vagusreflex erklärbar. Bradyarrhythmien bei OSA sind nach intravenöser Applikation von Atropin nicht mehr nachweisbar. Elektrophysiologische Untersuchungen im Wachzustand erbrachten normale bzw. gering abnormale Befunde hinsichtlich Reizbildung bzw. Erregungsleitung [7]. Warum die obstruktive Apnoe bei manchen Patienten lediglich mit einer Herzfrequenzverlangsamung, bei anderen wiederum, trotz vergleichbarer Apnoephasenlänge und Sauerstoffentsättigung, mit Asystolien bis zu einer Dau-

er von 18 s (eigene Registrierung) einhergeht, ist noch unklar. Ventrikuläre Tachyarrhythmien im Schlaf werden durch die Überaktivierung des sympathischen Nervensystems sowie die apnoeinduzierten Hypoxämien begünstigt, insbesondere bei Patienten mit kardiovaskulärer Komorbidität. Die festgestellte hohe Prävalenz tachykarder Arrhythmien bei OSA ist wohl überschätzt und am ehesten durch eine hochgradige Selektion der Patientenkollektive bedingt. Patienten mit OSA ohne relevante kardiovaskuläre Erkrankungen zeigen im Vergleich zu altersgepaarten Patienten ohne OSA keine wesentlichen Unterschiede bezüglich Art und Frequenz ventrikulärer Arrhythmien. Von Patienten mit koronarer Herzerkrankung ist bekannt, dass, bedingt durch einen im Schlaf reduzierten Sympathikotonus, die Häufigkeit Der Nervenarzt 1 · 2014 

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Leitthema Obstruktive Schlafapnoe

Systemische Inflammation

Intrathorakale Druckschwankungen

oxidativer Stress (Hypoxämie)

Beeinflussung Rheologie

metabolische Dysregulation

Erhöhter Sympathikotonus

Chronische Effekte:

Arterielle Hypertonie

Schlaganfall

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Thrombose

Plötzlicher Herztod

Arteriosklerose

Diabetes mellitus

Myokardinfarkt

Abb. 3 8 Dargestellt sind die durch obstruktive Schlafapnoe induzierten Mechanismen, die zu chronischen Effekten am zerebro- und kardiovaskulären System führen. Der Sympathikotonus stellt vermutlich den stärksten vasoaktiven „Aggressor“ dar. Schlaganfall, Myokardinfarkt und Arrhythmien sind Akutereignisse auf dem Boden vaskulärer Schäden

ventrikulärer Rhythmusstörungen in der Schlafphase abnimmt. Bei Patienten mit kardialer Komorbidität und OSA ist hingegen häufig eine erhöhte Frequenz tachykarder Ektopien im Schlaf zu objektivieren [8, 13, 16]. Sind die im Schlaf auftretenden tachykarden Herzrhythmusstörungen durch die Atmungsstörung bedingt, können sie in der Regel erfolgreich durch eine Ventilationstherapie reduziert werden.

Autonomes Nervensystem – (zirkadiane) Steuerung Über das autonome oder auch vegetative Nervensystem werden zur Aufrechterhaltung der inneren Homöostase des Körpers die Vitalfunktionen Atmung, Hämodynamik und Stoffwechsel geregelt. Die Autonomie bezieht sich in erster Linie auf biologische Anpassungs- und Regulationsvorgänge, die nicht willentlich beeinflusst werden können. Der Sympathikotonus, der als Katalysator für eine erhöhte zerebro- und kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität angesehen werden muss, kann auf der Ebene der Endorganantwort (Herzfrequenz, Blutdruck, Muskel- und Hautdurchblutung) anhand des LangzeitEKGs, der Plasmakatecholamine oder di-

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rekt als elektrische Aktivität in Haut oder Muskeln mit der Mikroneurographie bestimmt werden. Nach heutigen Erkenntnissen muss die Dysbalance des autonomen Nervensystems (mit einem überschießenden Sympathikotonus) als maßgeblicher pathogenetischer Faktor für die vaskulären Folgeschäden der OSA angesehen werden. D Die OSA führt zu einem Wechsel-

spiel von sympathischer und parasympathischer Aktivität. Als Folge der Apnoe kommt es endapnoeisch zu einer zentralnervösen Aktivierung mit Triggerung der Stressachse und einer Sympathikusaktivierung. Mit dem Übergang der Hyperventilation in die neue Apnoephase kommt es zu einer Abnahme des Sympathikotonus bzw. einer Zunahme des Vagotonus. Dieses Wechselspiel der zentralnervösen Aktivität wirkt sich unter anderem auch auf die hämodynamischen Parameter Blutdruck und Herzfrequenz aus. Mit der Sympathikusaktivierung kommt es zu einer Herzfrequenzakzeleration und einer Erhöhung des Blutdrucks, mit der apnoebegleitenden Vagotonuserhöhung bzw. Sympathikotonuserniedrigung zur Bradykar-

disierung sowie zur Reduktion des Blutdrucks. Während für Patienten mit OSA eine Häufung des plötzlichen Herztods in der Zeit von Mitternacht bis 6 Uhr besteht, ist das Risiko an einem plötzlichen Herztod zu versterben normalerweise in der Zeit zwischen 6 und 12 Uhr am höchsten [3, 13].

Vaskuläre endotheliale Dysfunktion Bei der OSA ist die Entwicklung kardiovaskulärer Komorbiditäten durch die Interaktion hämodynamischer, neurohumoraler und reflektorischer Mechanismen erklärbar [3, 13]. Die akuten Beeinträchtigungen von Blutgasanalytik, Hämodynamik und Herzrhythmus stehen den sich protrahiert entwickelnden chronischen Gefäßprozessen gegenüber. 1. Die chronische intermittierende Hypoxie mit erhöhtem oxidativem Stress und vermehrter proinflammatorischer Aktivität bewirkt in der Zeitdimension eine zunehmende vaskuläre endotheliale Dysfunktion mit akzelerierter Atherosklerose. 2. Der gesteigerte Sympathikotonus muss als begünstigender Faktor für die erhöhte zerebro- und kardiovas-

Tab. 3  Klinische Symptome und Befun-

de, die mit einer obstruktiven Schlafapnoe assoziiert sein können 1. Auffällige/pathologische Langzeit-EKG-Befunde in der Schlafphase – „Apnoeassoziierte Sinusarrhythmie“ – Bradykarde Herzrhythmusstörungen – Erhöhte Frequenz ventrikulärer Ektopien – Intermittierendes Vorhofflimmern 2. Risikokollektive – Zustand nach Apoplex – Zustand nach Myokardinfarkt 3. Patienten mit Linksherzdekompensation (Lungenödem) im Schlaf 4. Patienten mit pathologischem systemarteriellem Blutdruckprofil (aufgehobene Wach-Schlaf-Rhythmik; fehlende Nachtabsenkung um ca. 10–15%) 5. Patienten mit nächtlicher Angina pectoris 6. Eine medikamentös therapieresistente oder schwer einstellbare arterielle Hypertonie

kuläre Morbidität und Mortalität angesehen werden. 3. Die morgendliche Aktivierung der kreislaufwirksamen adrenergen und noradrenergen Hormone, die Freisetzung von vasoaktiven Substanzen, die verstärkte endotheliale Dysfunktion, die Aktivierung des Gerinnungssystems sowie der Thrombozytenaggregation erhöhen das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko. Mit der gemeinsamen Endstrecke der endothelialen Dysfunktion als Folge von oxidativem Stress, metabolischer Dysregulation, erhöhter proinflammatorischer Aktivität und Sympathikotonusaktivierung kann es zu frühzeitigerer Atherosklerose mit sekundären kardiovaskulären Folgeschäden wie arterieller Hypertonie, koronarer Herzerkrankung, akutem Herztod, Myokardinfarkt und Apoplex kommen (. Abb. 3). Die OSA hat somit eine akute und chronische Schädigungsdimension.

Diagnostisches Prozedere In . Tab. 1 sind klinische Symptome und Befunde dargestellt, die den Arzt an das Vorliegen einer Schlafapnoe denken lassen müssen. Bevor jedoch eine weiterführende apparative Diagnostik eingelei-

tet wird, sollte eine zielgerichtete Anamnese mit Fragen nach Tagesschläfrigkeit, Schlafverhalten und Leistungsminderung erfolgen. Es ist zu beachten, dass insbesondere Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz oder einem Zustand nach Apoplex eher selten unter einer relevanten Tagesschläfrigkeit leiden. Patienten mit einem im Schlaf aufgehobenen 24-Stunden-Blutdruckprofil, einem Zustand nach Apoplex oder Myokardinfarkt, einem neu aufgetretenen Vorhofflimmern sowie einer unklaren Herzinsuffizienz sollten einer schlafmedizinischen Diagnostik zugeführt werden. Der Schweregrad und die Therapiebedürftigkeit der OSA können anhand der Kriterien Tagesbefindlichkeitsstörungen, Ausmaß pathologischer Atmungsstörungen und zerebro- und kardiovaskuläre Komorbidität abgeschätzt werden. Die Basisdiagnostik hinsichtlich der Objektivierung von OSA ist die Polygraphie. Vor allem am Ausmaß der Veränderungen der Sauerstoffsättigung lässt sich bereits der Schweregrad der Atmungsstörungen abschätzen. Die weitere Differenzialdiagnostik hinsichtlich der Beurteilung und Differenzierung der Atmungsstörungen sowie deren Interaktion mit Hämodynamik und Schlafqualität erfolgt anhand der Polysomnographie. Für die Diagnostik und Behandlung neurologischer Patienten ist von großer Bedeutung, dass OSA bei vielen neurologischen Erkrankungen als Komorbidität vorkommt (. Tab. 2). Oft wird beim Fokussieren auf die Diagnostik und Therapie der jeweiligen neurologischen Grunderkrankung das gleichzeitige Vorliegen einer OSA übersehen. Umso wichtiger ist es, sich immer wieder die hohe Prävalenz der OSA (1–2% der Gesamtbevölkerung; 5–10% bei Männern und 2–5% der Frauen der Altersgruppe 30 bis 70 Jahre) vor Augen zu führen.

Therapeutisches Prozedere Mit der nichtinvasiven Beatmungstherapie steht eine effektive Behandlung der OSA zur Verfügung, die das zerebro- und kardiovaskuläre Risiko deutlich minimiert [14, 21, 25]. Bei Patienten mit Zustand nach akutem Schlaganfall bedarf es der kritischen Evaluation der Polysom-

nographie im Hinblick auf das Vorliegen zentraler und obstruktiver Apnoen sowie der Ausprägung der Sauerstoffentsättigungen. Zentrale Atmungsstörungen sind zumeist im Verlauf reversibel. Bei entsprechendem Risikoprofil und einer mittelgradigen bis schweren Schlafapnoe (AHI ≥15/h) sollte eine Beatmungstherapie eingeleitet werden. Auch wenn keine relevante Tagesschläfrigkeit vom Patienten beklagt wird, so ist die CPAP-Therapie unter dem Aspekt der vaskulären Risikominimierung sowie des Vermeidens eines Schlaganfallrezidivs sinnvoll. Zerebro- und kardiovaskuläre Erkrankungen sollten hinsichtlich der Abklärung vaskulärer Risikofaktoren auch an eine schlafbezogene Atmungsstörung denken lassen. Ein Screening bezüglich OSA (Polygraphie) sowie die Durchführung einer 24-Stunden-Langzeitmessung des Blutdrucks sind ein diagnostisches Muss.

Fazit für die Praxis F SBAS treten bei neurologischen Erkrankungen häufig auf und können den Krankheitsverlauf beeinflussen. F Patienten berichten selten spontan über Schlafstörungen. Zur Anamnese der neurologischen Grunderkrankung gehört immer die Erhebung von Schlafstörungen. F Die obstruktive Schlafapnoe ist ein bedeutsamer zerebro- und kardiovaskulärer Risikofaktor, insbesondere für Schlaganfall, Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen. F Bei OSA sind Hypoxämie, intrathorakale Druckschwankungen mit Beeinträchtigung der Hämodynamik sowie der erhöhte Sympathikotonus pathophysiologisch akut und chronisch bedeutsam. F Eine 24-Stunden-RR-Registrierung sowie eine Polygraphie sollten bei Patienten mit Schlaganfall bzw. einer unklaren arteriellen Hypertonie initiiert werden. F Tagesschläfrigkeit als Leitsymptom für OSA ist bei Patienten mit Zustand nach Schlaganfall nur gering ausgeprägt. F Therapie der Wahl bei OSA ist die nichtinvasive Beatmung (CPAP/„biDer Nervenarzt 1 · 2014 

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Leitthema phasic positive airway pressure“ [BIPAP]).

Korrespondenzadresse Prof. Dr. U. Koehler Klinik Innere Medizin, Schwerpunkt Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Fachbereich Medizin, Philipps Universität Marburg Baldingerstr. 1, 35033 Marburg [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  U. Koehler, W. Cassel, O. Hildebrandt, K. Kesper, P. Kianinejad, C. Nell, G. Mayer und G. Ohl geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Obstructive sleep apnea in neurological diseases: specially as a risk factor for stroke].

Neurological diseases are frequently associated with sleep-related breathing disorders. In contrast patients with obstructive sleep apnea (OSA) suffer...
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