Verlegung der oberen Atemwege durch eine unklare subglottische Raumforderung – Teil II Einleitung



Wir berichten weiter von dem Verlauf eines Patienten, dessen Krankheitsgeschichte bereits 2010 in dieser Rubrik publiziert wurde (Mozet et al. LaryngoRhino-Otologie 2010; 89: 34–35). Nach deutlich verzögerter Diagnosesicherung eines low-grade Weichgewebssarkoms (G2 nach UICC) erfolgte damals eine subglottische Teilresektion nach Pearson. Die Kontrollpanendoskopien und Probeentnahmen nach 3 und 6 Monaten verliefen unauffällig. 12 Monate postoperativ stellte sich der Patient allerdings erneut mit subtotaler Verlegung des subglottischen ▶ Abb. 1). Der Patient litt Raumes vor (● unter Kachexie, bekannter chronischer Pankreatitis, insulinpflichtigem Diabetes mellitus und äthyltoxischer Leberzirrhose bei Nikotin- und Alkoholabusus, wobei kein weiterer Gewichtsverlust seit der Voroperation zu verzeichnen war. Umgehend erfolgte die stationäre Aufnahme des Patienten zur weiterführenden Diagnostik und Therapie.

Neck Dissection beidseits und ProvoxStimmprothesenimplantation indiziert und zeitnah durchgeführt. Die Aufarbeitung des Gewebes wiederum durch das Referenzzentrum Jena erbrachte ein spindelzelliges low-grade Sarkomrezidivs (Grad II nach UICC). Aufgrund fehlender lokoregionärer- oder Fernmetastasen bei einem Sicherheitsabstand von > 5 mm am fixierten Material und dem niedrigen Malignitätsgrad (G2 nach UICC) wurde keine adjuvante Therapie indiziert. Der Patient wurde in die Tumornachsorgesprechstunde integriert und vierteljährlich kon-

trolliert. Hinweise auf ein Lokalrezidiv oder Fernmetastasen ergaben sich nicht. Im zweiten Jahr nach der Laryngo-Pharyngektomie fiel der Patient mit rezidivierender Cholestase, Ikterus und einer Episode einer intensivpflichtigen Cholangiosepsis auf. In der CT des Abdomens wurde dann eine Pankreaskopfmetastase mit Duodenuminfiltration gesichtet, und mittels endoskopisch retrograder Cholangiopankreatikografie (ERCP) und Biopsie gesichert. Die histologische Aufarbeitung erbrachte ein pleomorphes undifferenziertes high-grade Sarkom (G3 nach UICC) mit Expression von Vimentin und negativer Reaktion für Alpha-SMACT und KL-1 mit einer Proliferation von 80 %. Innerhalb kurzer Zeit infiltrierte diese Metastase auch das Lebersegment IV, infiltrierte die Gallenblase und führte zu einer ▶ Abb. 3a, b). progredienten Cholestase (●

Abb. 1 Laryngoskopisches Bild des Kehlkopfs mit weißlichen Tumormassen in der vorderen Kommissur und in der Stimmlippenebene.

Diagnostische Verfahren



Bei Verdacht auf ein Weichgewebssarkomrezidiv führten wir eine Computerto▶ Abb. 2a, b), mografie (CT) von Hals (● Thorax und Oberbauch durch. Im Anschluss daran erfolgt die Panendoskopie zur Festlegung der Tumorausdehnung (TKategorie) zur Therapieplanung. Die Blutwerte lagen bis auf einen deutlich erhöhten Blutglukosespiegel (HbA1c 7,3 mmol/l) bei schlecht geführtem Diabetes mellitus im Normbereich. Klinisch ergab sich der Verdacht auf ein rT1bcN0(tief)/UICC IA Weichgewebssarkomrezidiv subglottisch und endolaryngeal mit Schildknorpelinfiltration. Die übrigen Spiegeluntersuchungen waren unauffällig.

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Therapie und Verlauf



Nach Besprechung des Falles in unserem gemeinsamen Tumorboard wurde eine Laryngo-Pharyngektomie mit selektiver

Abb. 2 Kontrastmittelgestütztes CT des Hales in axialer Schichtführung: subglottische Raumforderung rechts (Pfeile) a. Parakoronare Bildrekonstruktion (MPR) des CT-Datensatzes entlang der Trachea mit Darstellung der kompletten Längsausdehnung der subglottischen Raumforderung rechts (Pfeile) b.

Mozet C et al. Verlegung der oberen Atemwege … Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 35–37 ∙ DOI 10.1055/s-0033-1349084

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Der interessante Fall 35

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b

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G

Abb. 3 Kontrastmittelgestütztes CT des Abdomens in axialer Schichtführung: vom Pankreaskopf ausgehende, septierte, hypodense Raumforderung (weiße Pfeile) mit Infiltration des Lebersegments IV (schwarze Pfeile). Durch den Stern (*) demarkierter Gallengangsstent (PTCD a). Koronare Reformatierung des CT-Abdomen (MPR) b vom Pankreaskopf ausgehende, septierte, hypodense Raumforderung (weiße Pfeile) mit Infiltration des Lebersegments IV ( kurze schwarze Pfeile) und Ausdehnung entlang des Gallenblasenbettes (lange schwarze Pfeile). Durch den Stern (*) demarkierter Gallengangsstent (PTCD). G = erweiterter Gallengang im Lebersegment V.

Tab. 1 Grading der Weichteilsarkome. Low-grade

gut differenziert

G1

High-grade

mäßig differenziert schlecht differenziert gemäß French Federation of Cancer Centers Sarcoma Group (FNCLCC)

G2 G3

In dieser palliativen Situation erhielt der Patient eine Polychemotherapie mit Adriamycin (18,75 mg/m2) und Ifosfamid (2 500 mg/m2) (AIG 50 %). Im zweiten und dritten Zyklus erhielt er AIG 75 %, verstarb aber nach dem dritten Zyklus an den Folgen eines Pfortaderverschlusses.

Diskussion



Weichgewebssarkome im Kopf-Hals-Bereich machen nur 10 % aller Sarkome aus, kommen hier vorrangig am äußeren Hals vor (33 %) und sind im Larynx- oder Pharynxbereich eine Rarität (1 %). Behandlungsleitlinien im Kopf-Hals-Bereich existieren nicht, da sich die Empfehlungen für Extremitätensarkome aufgrund der anatomischen und funktionellen Besonderheiten in dieser Region nicht vollständig übertragen lassen. Dieser Fall eines metastasierenden – initialen lowgrade Weichgewebssarkoms – spiegelt die Schwierigkeiten in der Diagnostik und Therapie dieser seltenen Tumorentität wider. Prinzipiell gelten für die Weichteilsarkome im Kopf-Hals-Bereich einige Besonderheiten. Vorrangig handelt es

gut differenziert mäßig differenziert schlecht differenziert undifferenziert gemäß UICC

G1 G2 G3 G4

sich hier um high-grade Sarkome ( − 70 %) mit vergleichsweise schlechter Prognose (5-Jahres-Überlebensrate < 30 %). Zu den wichtigsten Prognosefaktoren gehören die Tumorgröße, der Resektionsstatus (R), der Lymphknotenstatus (N), das Vorliegen von Fernmetastasen (M), das Grading (G) und die Anzahl vorangegangener Operationen. Die Rate an Lymphknotenmetastasen liegt mit bis zu 25 % höher als bisher angenommen und rechtfertigt die Indikation zur Neck Dissektion im Rahmen der Primärtumortherapie (Penel et al., Int J Oral Maxillofac Surg 2008; 37: 428–432). Die Einteilung des Malignitätsgrades kann nach der French Federation of Cancer Center Group (FNCLCC) 4-stufig oder nach der UICC (2010) 3-stufig erfol▶ Tab. 1). Eine eigene TNM-Klassifigen (● kation im Kopf-Hals-Bereich existiert nicht, sodass nur zwischen T1 ( < 5 cm) und T2 ( > 5 cm) und der Tiefeninfiltration (a/b) unterschieden wird. Die Frage nach dem nötigen Sicherheitsabstand bleibt kontrovers, da die gültigen Empfehlungen einer „wide-resection“ oder gar „Kompartimentresektion“ nicht auf den KopfHals-Bereich übertragbar sind. Empfohlen wird hier ein makroskopischer Resek-

tionsabstand von 1 cm, am fixierten Material von 0,5 cm (Dietz et Frerich, Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 293–302). Nach Literaturdatenanalysen scheinen gerade die Patienten mit geringem oder fehlendem Sicherheitsabstand und schlechter Sarkomdifferenzierung (G2/G3 nach UICC) von einer adjuvanten Bestrahlung zu profitieren (Koshy et al., Int J Radiat Oncol Biol Phys 2010; 77: 203–209). Dabei konnte auch gezeigt werden, dass in Bezug auf strahlenbedingte Gewebeschäden Vorteile von präoperativer gegenüber postoperativer Radiatio bestehen. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch den Einsatz von Anthrazyklinen nach Radiatio konnte in einer EORTC-Studie nicht nachgewiesen werden (Woll et al., J Clin Oncol 2007; 25 (suppl):abstract 10008), speziell für schlecht differenzierte Extremitätensarkome existieren aber auch positivere Daten. Eine Ausnahme bilden gastrointestinale Stromatumoren (GIST), die aufgrund einer Tyrosinkinasemutation hervorragend auf Imatinib ansprechen. Im Falle primärer Inoperabilität oder fortgeschrittener Metastasierung (M1) beträgt das mediane Überleben nur noch 12 Monate und die 5-Jahres-Überlebensrate liegt unter 10 %. Der Therapiestandard besteht in der Monotherapie mit Adriamycin (Ansprechrate 10–15 %) – oder Polychemotherapie zusammen mit Ifosfamid (Ansprechrate bis 30 %). Gerade bei undifferenzierten pleomorphen Sarkomen kommen auch Gemcitabin und Docetaxel zum Einsatz. Eine Reihe zielgerichtete Medikamente befinden sich in klinischer Testung, darunter sind (MultiTyrosinkinaseinhibitoren (Pazopanib) oder mTOR-Inhibitoren (Deforolimus, Ridaforolimus). Das Auftreten eines frühen Lokalrezidivs nach subglottischer Teilresektion, gefolgt von einer Lokalrezidivfreiheit nach der dann erfolgten radikalen Laryngo-Pharyngektomie bei unserem Patienten unterstreicht die Notwendigkeit einer radikalen Operation mit möglichst großem Sicherheitsabstand in der Primärtherapie, da auch die Anzahl der Operationen Prognoserelevanz hat. Die viszerale Metastasierung des low-grade Sarkoms war sehr untypisch aber eben doch möglich. Dass dabei die Metastase sogar einen hohen Malignitätsgrad mit Infiltration des Duodenums aufwies, spiegelt das unabsehbare Verhalten dieser sehr heterogenen Tumorentität wider. Ob eine adjuvante Systemtherapie nach Operation des Rezidivsarkoms den Krankheitsverlauf

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36 Der interessante Fall

Der interessante Fall 37 Fazit



▶ Weichteilsarkome im Kopf-Hals-Gebiet mit Sicherheitsabstand ( > 1 cm) resezieren, um frühzeitige Lokalrezidive zu vermeiden, ▶ unterschiedliche Grading-Systeme zur (prognoserelevanten) Malignitätsbestimmung (G) beachten, wobei auch low-grade Sarkome Fernmetastasen bilden können,

▶ Therapie in Palliativsituation mit Adriamycin und Ifosfamid (AIG) möglich (Ansprechraten von ca. 30 %), neuere Therapieansätze durch Multityrosinkinaseinhibitoren (Pazopanib) und mTOR-Antagonisten (Ridaforolimus) auf Studienbasis. C. Mozet, P. Stumpp, A. Dietz; Leipzig

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beeinflusst hätte, bleibt zu diskutieren. Zum damaligen Zeitpunkt lag aber bei ausreichendem Sicherheitsabstand der Resektionsränder ( > 1 cm), dem Fehlen von lokoregionären und Fernmetastasen und dem niedrigeren Malignitätsgrad (G2) keine zwingende Indikation dafür vor, obwohl es sich um ein Frührezidiv handelte.

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[Obstruction of the upper respiratory tract by a subglottic expansive lesion. Part II].

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