Kommentar | Commentary
Bedeutung der neuen oralen Antikoagulanzien in der Gastroenterologie Novel oral anticoagulants in gastroenterology routine
E.-S. Fuchs1 R. Jakobs1 Gastroenterologie, Kardiologie Kommentar | Commentary
Schlüsselwörter neue orale Antikoagulanzien NOAK Endoskopie gastrointestinale Blutungskomplikation
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Keywords new oral anticoagulants NOAC endoscopy gastrointestinal bleeding
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Einleitung ▼ Das atriale Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und mit einer deutlichen Erhöhung des Risikos eines kardioembolischen Schlaganfalls assoziiert. Die Einnahme oraler Antikoagulanzien kann dieses Schlaganfallrisiko reduzieren [8]. Seit vielen Jahren stehen Medikamente aus der Gruppe der Kumarinderivate zur Verfügung, die über eine Inhibierung der Vitamin-K-abhängigen Produktion der Gerinnungsproteine II, VII, IX und X in die Gerinnungskaskade eingreifen. Bedingt durch die Pharmakokinetik dieser Präparate und die Halbwertszeit der Gerinnungsfaktoren kommt es zu mitunter längeren Latenzzeiten bis zum Eintritt der Wirkung während der Aufdosierungsphase oder deren Abklingen nach dem Absetzen der Präparate. Die erforderlichen regelmäßigen Kontrollen des Gerinnungsstaus belasten nicht nur den Patienten, sie stellen auch einen nicht unerheblichen Kostenfaktor im Gesundheitssystem dar. Mit den neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) stehen nun erstmals Alternativen zur Verfügung, die durch einen völlig unterschiedlichen pharmakologischen Ansatz eine Antikoagulation bewirken. Sie sind indiziert zur Primärprävention von venösen thrombembolischen Ereignissen beim erwachsenen Patienten nach elektivem chirurgischen Hüft- oder Kniegelenksersatz und zur Prävention eines Schlaganfalls beim Patienten mit Vorhofflimmern, Rivaroxaban zusätzlich zur Therapie und Sekundärprävention der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenarterienembolie. Der inzwischen verbreitete Einsatz der NOAK stellt den behandelnden Arzt jedoch immer wieder vor Probleme.
Institut Medizinische Klinik C, Klinikum Ludwigshafen eingereicht 07.04.2014 akzeptiert 17.07.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370266 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 1784–1786 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Erik-Sebastian Fuchs Oberarzt Medizinische Klinik C Klinikum Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Tel. 0621 503 4161 Fax 0621 503 4117 eMail
[email protected] Pharmakologie und Effektivität ▼ Anders als Kumarinderivate wirken NOAK über eine direkte Hemmung von Gerinnungsfaktoren. DabiTab. 1
gatran wird dabei als Prodrug verabreicht (Dabigatranetexilat, Pradaxa®), bindet und inhibiert nach der Aktivierung durch Serumproteasen reversibel Thrombin (Bioverfügbarkeit 7 %, Plasmahalbwertszeit 9–17 h, Ausscheidung 80 % renal). Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) binden selektiv an Faktor Xa und inhibieren die Aktivierung von Prothrombin zu Thrombin (Rivaroxaban: Bioverfügbarkeit 66 %, Plasmahalbwertszeit 5–13 h abhängig vom Alter, Ausscheidung renal, biliär) (Apixaban: Bioverfügbarkeit 50 %, Plasmahalbwertszeit 12 h, Ausscheidung renal, biliär). Die Effektivität der Substanzen wurde in großen Studien nachgewiesen (Dabigatran: RE-LY [4]; Rivaroxaban: ROCKET-AF [13]; Apixaban: ARISTOTLE [7]). Die große therapeutische Breite der Medikamente beim Nieren- und Lebergesunden macht laut Hersteller ein Monitoring entbehrlich, zudem sind die bekannten Laborparameter der Blutgerinnung (Prothrombinzeit [PTT], die INR und die aktivierte partielle Thromboplastinzeit [aPTT]) nicht zur Therapiekontrolle der NOAK geeignet. Gerade beim älteren, multimorbiden Patienten kann es jedoch aufgrund einer renalen Dysfunktion zu einer Verlängerung der Eliminationshalbwertszeit und Akkumulation der Substanzen kommen. Zum Monitoring in Ausnahmesituationen stehen dann spezielle Testverfahren zur Verfügung (Dabigatran: Hemoclot® Aniara, West Chester, Ohio, USA; Rivaroxaban/Apixaban: diverse Anti-Faktor-Xa-Tests). Spezifische Antidota zur Antagonisierung der Wirkung der NOAK existieren nicht (q Tab. 1).
NOAK im klinischen Alltag des Gastroenterologen ▼ Nach der klinischen Einführung der NOAK erschienen zahlreiche Fallbeschreibungen über schwerwiegende, teils letal verlaufende gastrointestinale Blutungskomplikationen unter NOAK [3, 10] und
Vergleich von Phenprocoumon und neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK). Phenprocoumon
Dabigatran etexilate
Rivaroxaban
Apixaban
Marcumar®
Pradaxa®
Xarelto®
Eliquis®
Wirkung
Vitamin-K-Antagonist
Thrombin
Faktor Xa
Faktor Xa
Orale Bioverfügbarkeit
99 %
6 %
66 %
50 %
Plasmahalbwertszeit
144 h
9–17 h
5–13 h (Alter)
8–15 h
Metabolisierung
Cytochrom p450
80 % renal,
66 % renal,
25 % renal,
20 % biliär
33 % biliär
75 % biliär
Monitoring
INR
nicht erforderlich
nicht erforderlich
nicht erforderlich
Antidot
Vitamin K, humaner
kein spezifisches
kein spezifisches
kein spezifisches
Prothrombinkomplex (PPSB)
Antidot
Antidot
Antidot
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NOAK Warfarin
3,0 2,5 2,0
Abb. 1 Anteil der Patienten mit gastrointestinaler Blutung unter NOAK vs. Warfarin [4, 7, 13].
1,5 1,0 0,5 0,0
Dabigatran
Rivaroxaban
nicht nur Gastroenterologen nehmen subjektiv ein häufigeres Auftreten von Blutungskomplikationen unter NOAK als unter den bisherigen Kumarinderivaten wahr. Dabei zeigten sich in Studien für Dabigatran (zweimal 150 mg/d) und Rivaroxaban ähnliche Blutungskomplikationsraten im Vergleich zu Warfarin [4, 13] und eine signifikant niedrigere Blutungskomplikationsrate für Apixaban im Vergleich zu Warfarin in der ARISTOTLE Studie (2,13 % vs 3,09 %, p